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[An Max Brod und Felix Weltsch]

[Stempel: Prag; Ankunftstempel: Venezia, 23. 9. 12]

[An:] Ctený pán Dr. Max Brod Porterose bei Triest Pension Adria [weitergeleitet an: Poste restante, Venezia]

Abs. Dr F. Kafka Prag Mikulašská 36

[Briefkopf: Arbeiter-Unfall-Versicherttngs-Anstalt]


Meine lieben Glücklichen!

Ich mache mir die allerdings sehr nervöse Freude, euch mitten in den Bürostunden zu schreiben. Ich würde es nicht tun, wenn ich noch Briefe ohne Schreibmaschine schreiben könnte. Aber dieses Vergnügen ist zu groß. Reicht einmal und meistens die Laune nicht ganz aus, die Fingerspitzen sind immer da. Ich muß annehmen, dass Euch das sehr interessiert, weil ich Euch das so in Eile schreibe.

    Danke, Max, für das Tagebuch. Dein Fräulein war so lieb, es mir gleich zu schicken, es kam gleichzeitig mit Deiner ersten Karte an. Ich habe mich aber auch gleich schön bedankt und offen gesagt gleich um ein Rendezvous gebeten, für das ich, hoffentlich in Deinem Sinn, die Wohnung Deines Onkels vorgeschlagen habe, damit wir drei Verlassenen einmal beisammen sind.

    Mit dem Tagebuch darfst Du nicht aufhören! Und besser wäre es noch, wenn ihr alle Tagebücher führtet und schicktet. Wenn wir uns schon im Neide wälzen, wollen wir wissen, warum. Schon aus den paar Seiten ist mir der Süden ein wenig eingegangen und die Italiener im Kupee, an die Du Dich im ununterbrochenen Wohlleben wahrscheinlich gar nicht mehr erinnerst, haben mich stark gepackt.

    Gestern abend war ich Max bei Deinen Eltern. Dein Vater war allerdings in einem Verein und ich fühlte mich gerade zu schwach, um das Auspacken Deiner Briefschaffen bei Deinem Bruder durchzusetzen. An Neuigkeiten soll es

    Bei dieser spannenden Stelle wurde ich unterbrochen, eine Deputation des Landesverbandes der Sägewerksbesitzer kommt, - nichts weniger, des Eindrucks halber, den das auf Euch macht - und wird ewig bleiben.

    Also lebt wohl!

Euer Franz         
 


Grüße für Herrn Süssland

Meine Schwester Valli hat Samstag Verlobung gehabt, macht ihr die Freude und gratuliert ihr auf einer Ansichtskarte, ohne zu schreiben, woher ihr es wißt.



Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.


Herrn Süssland: Freund von Felix Weltsch (siehe WBL 79).


Verlobung: Die Verlobung von Kafkas zweitältester Schwester Valli (Valerie) (1890-1942) mit Josef Pollak (1882-1942) fand am 15. September 1912 (T 290), die Hochzeit am 12. Januar 1913 statt (vgl. F 247f.).


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at