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[Prag, Anfang August 1912]
[KBB: Anfang August 1912 Br: Juli 1912]
[gestricher Briefkopf: Rudolf Just's Kuranstalt Jungborn i. Harz]
Mein liebster Max!
Nach langer Plage höre ich auf. Ich bin außer Stande und werde
es kaum in nächster Zeit im Stande sein, die noch erübrigenden
Stückchen zu vervollkommnen. Da ich es nun nicht
kann, es aber zweifellos in guter Stunde einmal können werde, willst
Du mir wirklich raten - und mit welcher Begründung, ich bitte Dich
- bei hellem Bewußtsein etwas Schlechtes drucken zu lassen, das mich
dann anwidern würde, wie die zwei Gespräche
im Hyperion? Das, was bisher mit der Schreibmaschine geschrieben ist, genügt
ja wahrscheinlich für ein Buch nicht, aber ist denn das Nichtgedrucktwerden
und noch Ärgeres nicht viel weniger schlimm als dieses verdammte Sichzwingen.
Es gibt in diesen Stückchen ein paar Stellen, für die ich 10
0000 Berater haben wollte; halte ich sie aber zurück brauche ich niemanden
als Dich und mich und bin zufrieden. Gib mir recht! Dieses künstliche
Arbeiten und Nachdenken stört mich auch schon die ganze Zeit und macht
mir unnötigen Jammer. Schlechte Sachen endgültig schlecht sein
lassen darf man nur auf dem Sterbebett. Sag mir, dass ich recht habe,
oder wenigstens dass Du es mir nicht übelnimmst; dann werde ich
wieder mit gutem Gewissen und auch über Dich beruhigt etwas anderes
anfangen können.
Dein Franz
Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.
Stückchen: d. i. für das Buch Betrachtung. Vgl. T 281.
die zwei Gespräche: "Gespräch mit dem Beter" und "Gespräch mit dem Betrunkenen", Hyperion 2. Folge, Bd. 2, Heft 8 [März-April] 1909, S. 126-133.
Letzte Änderung: 17.4.2009 | werner.haas@univie.ac.at |