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Brief an Max Brod
[Prag, Ende März 1912]


Lieber Max, ich habe die Sache hin und her überlegt. Eine Klage von Deiner Seite scheint mir sehr unvorteilhaft, klage nicht! Dann bliebe die Möglichkeit, die Sache zu dulden, ich würde es machen, Du nicht. Schon besser als zu klagen wäre geklagt werden, Du könntest ihn, da Du die nötige Abscheu vor ihm hast, öffentlich Lügner nennen; nach der Erklärung bei der Bohemia wärest Du, wenn er nicht nachgibt, dazu berechtigt. Das beste meiner Meinung nach ist aber, Du schickst an die Zeitungen als Inserat eine Erklärung, z. B. so: "Wie ich erfahre, zeigt jemand einen anonymen Brief herum, in welchem ihm skandalöses Benehmen während eines von mir veranstalteten Konzertes vorgeworfen wird, und erzählt hiebei, ich hätte diesen Brief geschrieben oder veranlaßt. Ich habe weder Zeit noch Lust, diese Angelegenheit vor Gericht zu bringen. Auch für eine andere Austragung scheint mir die Sache zu geringfügig. Ich beschränke mich daher darauf, öffentlich zu erklären, dass jener Brief weder von mir, noch auf meine Veranlassung, noch mit meinem Wissen geschrieben worden ist." -Jedenfalls kann ich das Ganze nicht für arg halten. Nur Dein Gesicht gestern hat mich erschreckt.

Franz        
 


Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.


die Sache: Anläßlich eines Konzerts am 17. März 1912, bei dem Kompositionen Bxods gespielt wurden, war dieser mit einem Redakteur der Zeitschrift Bohemia in Streit geraten. Später wurde er beschuldigt, einen anonymen Schmähbrief an diesen Redakteur geschickt zu haben (wie sich herausstellte, stammte der Brief von Brods Vater). Siehe SL 43.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at