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[Tagebuch, 18. Dezember 1911; Montag]

18. XII 11 Vorgestern Hippodamie. Elendes Stück. Ein Herumirren in der griechischen Mythologie ohne Sinn und Grund. Aufsatz Kvapils auf dem Teaterzettel, der zwischen den Zeilen die während der ganzen Aufführung sichtbare Ansicht ausspricht, dass eine gute Regie (die hier aber nichts als Nachahmung Reinhardts war) eine schlechte Dichtung zu einem großen teatralischem Werk machen könne. Traurig muß das alles für einen nur etwas herumgekommenen Tschechen sein. - Der Statthalter, der aus seinem geöffneten Logentürchen in der Pause aus dem Gange Luft schnappte. - Die als Schattenbild citierte Erscheinung der toten Axiocha, die bald verschwindet, weil sie als eine erst vor Kurzem Verstorbene beim Anblick der Welt zu sehr ihr altes Menschenleid wieder empfindet.

Max kam gestern aus Berlin. Im Berliner Tagblatt wurde er allerdings von einem Fackelmenschen selbstlos genannt, weil er den "weit bedeutenderen Werfel" vorgelesen hatte. Max mußte diesen Satz ausstreichen ehe er die Kritik zum Abdruck ins Prager Tagblatt trug. Ich hasse W., nicht weil ich ihn beneide, aber ich beneide ihn auch. Er ist gesund, jung und reich, ich in allem anders. Außerdem hat er früh und leicht mit musikalischem Sinn sehr Gutes geschrieben, das glücklichste Leben hat er hinter sich und vor sich, ich arbeite mit Gewichten, die ich nicht loswerden kann und von Musik bin ich ganz abgetrennt.

Ich bin unpünktlich, weil ich die Schmerzen des Wartens nicht fühle. Ich warte wie ein Rind. Fühle ich nämlich einen wenn auch sehr unsichern Zweck meiner augenblicklichen Existenz bin ich in meiner Schwäche so eitel, dass ich um dieses einmal vorgesetzten Zweckes halber alles gern ertrage. Wenn ich verliebt wäre, was könnte ich da tun. Wie lange wartete ich vor Jahren unter den Lauben auf dem Ring, bis die M. vorüberkam und wenn sie auch nur mit ihrem Liebhaber vorübergieng. Ich habe teils aus Nachlässigkeit, teils aus Unkenntnis der Schmerzen des Wartens die Zeit verabredeter Zusammenkünfte versäumt, teils aber auch um neue kompliciertere Zwecke des erneuten unsichern Aufsuchens jener Personen, mit denen ich mich verabredet hatte, also auch die Möglichkeit langen unsichern Wartens zu erreichen. Schon daraus, dass ich als Kind eine große nervöse Angst vor dem Warten hatte, könnte man schließen, dass ich zu etwas Besserem bestimmt gewesen bin, dass ich aber meine Zukunft geahnt habe.

Meine guten Zustände haben nicht Zeit und Erlaubnis, sich natürlich auszuleben; meine schlechten dagegen haben mehr davon, als sie verlangen. Nun leide ich an einem solchen Zustand, wie ich nach dem Tagebuch berechnen kann, seit dem 9., fast 10 Tage. Gestern legte ich mich wieder einmal mit feurigem Kopf ins Bett und wollte mich schon freuen, dass die schlechte Zeit vorüber sei, und mich schon fürchten, dass ich schlecht schlafen werde. Es gieng aber vorüber, ich schlief ziemlich gut und wache schlecht.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at