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[Kartenbrief. Stempel: Prag, 30. 4. 10]

[An:] Herrn Dr. Max Brod Postkonceptspraktikant Schalengasse 1

Abs. Dr. F. Kafka Niklasstr. 36


Viel Glück zum Schreiben mein liebster Max, um unser aller willen! Hast Du noch nicht daran gedacht, dass die Kraft, mit der Du Dich auf Deine Geschichte geworfen hast, ebenso wie sie das erste Mädchen krank gemacht hat, das zweite unverständlich machen konnte. Nur diese Hitze, die noch am Mittwoch um Dich herum war! In der Luft des Mediziners ist sie Dir ja während dieser Zeit so gut aufgehoben. Kühl nur aus und sie wird wieder gelaufen kommen und das Bewußtsein dessen gebe Dir den Muth, erst auszukühlen, bis Du es anders nicht ertragen kannst. Aber was weiß ich denn, vielleicht ist Dir schon inzwischen das dumme Mädchen mitten in die Geschichte hineingelaufen, könnte ich sie doch hinten an ihren Röcken zurückhalten!

Dein Franz        
 



Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.


Deine Geschichte: Vermutlich der Roman "Jüdinnen" (der Anfang Mai 1911 bei Juncker erschienen ist). Am 30. April 1910 notiert Brod: "Nachur. gearbeitet. Kap. 5 - zu Kafka gerannt, vorgelesen. Reine Freude!" Schon am 9. Juni heißt es dann: "Roman beendet . . . Im Louvre das Ende dem Kafka gelesen."