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[Postkarte. Stempel: Prag, 18. 3. 10]

[An:] Herrn Dr. Max Brod Postkonceptspraktikant Prag Schalengasse 1


18/ III 10    Lieber Max - ich sehe aus Deiner Karte nicht recht, ob Du die meine bekommen hast, Baum auch zu schreiben konnte ich mich die ganzen Tage nicht zusammen nehmen. Schrieb ich nicht letzthin, dass mir gerade noch das Müllern bleibt. Also auch das kann ich nicht mehr. Ich bekam nämlich rheumatische Schmerzen in den Rücken, dann rutschten sie ins Kreuz dann in die Beine, dann nicht vielleicht in die Erde hinein, sondern in die Arme hinauf. Dazu paßt es weiter ganz gut, dass die für heute erwartete Gehaltserhöhung nicht gekommen ist, auch nächsten Monat nicht kommen wird, sondern erst dann, bis man vor Langweile auf sie spuckt. An der Novelle, lieber Max, freut mich am meisten, dass ich sie aus dem Haus habe. Morgen gegen 7h (jetzt ist 6h und ich bin noch im Bureau) komm ich zu Dir (auch wegen der Bohemia). Du wirst mir Gedichte zeigen, es wird ein schöner Abend sein. Adieu

Dein Franz        
 



Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.


] das Müllern: Siehe Anm. 6 oben.


Gehaltserhöhung: Kafka bekam diese Erhöhung seines Grundgehalts (auf 1800 Kronen jährlich) erst am 1. Mai 1910, als er zum "Concipisten" der Anstalt ernannt wurde.


Novelle: "Beschreibung eines Kampfes". Laut einer Tagebuchnotiz Brods hatte ihm Kafka am 14. März 1910 aus dieser Novelle vorgelesen. Vgl. Br 500.


wegen der Bohemia: Dies bezieht sich auf fünf Prosastücke Kafkas, die Paul Wiegler (1878-1949), dem Feuilletonredakteur der Zeitung, eingereicht wurden (vgl. Be 149 f.) und die am 27. März 1910 in der Osterbeilage zur Bohemia erschienen. Brod notiert am 19. März in seinem Tagebuch: "Abend mit Kafka, der unglücklich ist, bei Wiegler, Restaurant Korynta."