Voriger Eintrag Jahresübersicht | IndexseiteNächster Eintrag

 

An Oskar Baum

[Prag, 8. 7. 1909]
 

Lieber Herr Baum, nein, nein, ich habe gar nicht wenig zu tun und wenn Sie dies annehmen, so tun Sie es wahrscheinlich nur deshalb, weil man, wenn man faulenzt, sich Arbeit nicht gut vorstellen kann und weil in der Hitze auf dem Lande Arbeiten und Faulenzen faul in eins zusammen gehen will. Aber es macht nichts, dass ich viel zu tun habe, denn auch sonst wußte ich nichts zu sagen, als dass ich gerne auf dem Lande wäre, weil es dort ähnlich wie im Himmel ist, wie ich das manchmal am Sonntag überprüfe und wie Sie mit Ihrer lieben Frau es jetzt am besten wissen.

dass der Epilog nicht fertig werden will, ist schon ganz gut. Lassen Sie nur diesen Epilog in jedem Sinn sich in der Sonne Strecken und verabschieden Sie sich vom Leser mit einem großartig abgebrannten Gesicht. Das sage ich ein bischen aus Eigennutz, denn jener Schluß "dass Sie aber keinen Roman darüber schreiben usw." hat mir nicht eingeleuchtet. Es ist ja schön, sehr schön, wenn am Schluß einer solchen Geschichte ein paar Leute zusammenkommen und herzlich zu lachen anfangen, aber nicht so, das ist nicht das richtige Lachen für eine Geschichte, die sich so ruhig heraufgearbeitet hat und hier mit einem Ruck ein Stückchen zurück in ein ungesundes Dunkel geschoben wird. Was hat Ihnen denn der Leser getan, dieser gute Mensch, dieser zumindest jetzt noch gute Mensch.

Am meisten in Ihrer Karte hat mich die Erwähnung der "Reue" gefreut, denn diese Reue ist natürlich nichts anderes als Lust zu anderer Arbeit, wie Sie es ja im Grunde auch verstehn. Ruhen Sie sich aber nur ein Weilchen gut aus, Sie verdienen es. Auch einen langen Brief verlange ich nicht, denn alles ist besser als Briefe schreiben, auf einer Wiese liegen und Gras essen ist besser; allerdings ist es wieder sehr hübsch, Briefe zu bekommen, gar in der Stadt.

Seien Sie weiter glücklich, Sie und Ihre liebe Frau.

Ihr Franz Kafka



Epilog: Bezieht sich auf Baums Großen Roman "Das Leben im Dunkeln" (Berlin, 1910), der in einem Blindeninternat spielt.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at