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An Hedwig W.
Liebes Fräulein,
Sie sind, als Sie jenen Brief geschrieben haben, in einem schlechten, aber
keinem dauerhaften Zustand gewesen. Sie sind allein, schreiben Sie, vielleicht
sind Sie es nicht ganz ohne Absicht - solche Absichten haben natürlich
keinen Anfang und kein Ende - und Alleinsein ist arg von außen gesehn,
wenn man so manchmal vor sich sitzt, aber es hat gewissermaßen auf
der Innenwand seinen Trost. Lernenmüssen allerdings sollte es nicht
ausfüllen, das ist schrecklich, wenn man gar sonst noch zittert, das
weiß ich. Man glaubt dann, ich kann mich gut erinnern, man stolpere
unaufhörlich durch unvollendete Selbstmorde, jeden Augenblick ist
man fertig und muß gleich wieder anfangen und hat in diesem Lernen
den Mittelpunkt der traurigen Welt. Für mich ist es aber im Winter
immer schlimmer gewesen. Wenn man so im Winter schon nach dem Essen die
Lampe anzünden mußte, die Vorhänge heruntergab, bedingungslos
sich zum Tisch setzte, von Unglück schwarz durch und durch, doch aufstand,
schreien mußte und als Signal zum Wegfliegen stehend noch die Arme
hob. Mein Gott. Damit einem ja nichts entging, kam dann noch ein gutgelaunter
Bekannter, vom Eisplatz meinetwegen, erzählte ein bischen, und als
er einen ließ, machte sich die Türe zehnmal zu. Im Frühjahr
und Sommer ist es doch anders, Fenster und Türen sind offen und die
gleiche Sonne und Luft ist in dem Zimmer, in dem man lernt und in dem Garten,
wo andere Tennis spielen, man fliegt nicht mehr in seinem Zimmer mit den
vier Wänden in der Hölle herum, sondern beschäftigt sich
als lebendiger Mensch zwischen zwei Wänden. Das ist ein großer
Unterschied, was aber noch an Verfluchtem bleibt, das maß man doch
durchreißen können. Und Sie werden es sicher können, wenn
ich es konnte, ich, der förmlich alles nur im Fallen machen kann.
- Wenn Sie etwas von mir wissen wollen: das vom Fräulein Kral ist
ein Märchen, ob schön, weiß ich nicht, meine Mutter wird
nächste Woche operiert, mit meinem Vater geht es immer mehr herunter,
mein Großvater ist heute schwer ohnmächtig geworden, auch ich
bin nicht gesund.
Ihr Franz K.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at