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[Postkarte. Stempel: Prag, 21.1.09]

[An:] Herrn Dr. Max Brod Schalengasse 1

[Abs.:] Franz Kafka Niklasstr 36


Mein lieber Max, ich habe Dir, Du erinnerst Dich, von der "Bohemia" erzählt, etwas zu zuversichtlich, finde ich jetzt. Nun würde mir eine Zurückweisung sehr leid tun, nicht so sehr wegen der Zurückweisung, als wegen der Sache selbst. Deshalb will ich alles tun, um mich zu sichern und ich kann nicht dafür, dass dieses "ich will alles tun" nur bedeutet "bitte, hilf mir". Ich komme also zwischen 4 und 5, glaube ich, morgen, Freitag nachmittag zu Dir. Das Ganze wird höchstens eine ¼ Stunde dauern, das ist ja jetzt viel Zeit für Dich, ich weiß, verzeihe es mir aber doch, denn ich verzeihe es mir nicht.

Dein Franz        
 



Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.


von der Bohemia: Kafka spielt anscheinend auf einen Beitrag an, den er im Kulturteil der Prager Tageszeitung Bohemia zu publizieren hoffte. Möglicherweise handelte es sich um seine Rezension von Franz Bleis Die Puderquaste. Ein Damenbrevier, München: Hyperion-Verlag 1909 [zu Weihnachten 1908 erschienen]; in dem Fall ließen sich die Vorgänge folgendermaßen rekonstruieren:

1) Kafka bittet Brod am 22. Januar 1909 ("Freitag") um einen Vorschlag, wie er sich für den Fall einer Zurückweisung seiner Rezension durch die Bohemia "sichern" könnte;

2) Brod setzt sich sofort für ihn ein, indem er die Rezension - "Ein Damenbrevier" - an seinen Freund Herwarth Walden schickt, der kurz zuvor mit der Schriftleitung der Zeitschrift Der neue Weg beauftragt worden war, wo sie (im 2. Heft, am 6. Februar) dann auch erscheint. (Siehe hierzu Paul Raabe, "Franz Kafka und Franz Blei", Sy 7-20).

Für eine solche Rekonstruktion spricht auch, dass eine als kalligraphische Reinschrift begonnene, dann aber offenbar in Eile zu Ende geführte Abschrift dieser Rezension von der Hand Elsa Taussigs überliefert ist.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at