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[An Max Brod]
[Prag, vermutlich Herbst 1907]

Mein lieber Max,
es thut mir leid, es muß gestern wirklich sehr à la Cabaret gewesen sein, denn als ich um ½ 10 nach der Italienischstunde dort war, war schon alles zu.
Meine Mutter hat in ihrem von Walzern geschüttelten Gedächtnis eine unsichere Erinnerung daran, dass Du gesagt hast, Du werdest heute zu mir kommen. Willst Du das, so laß mich heute lieber zu Dir kommen, denn wir haben eine operierte Tante in der Wohnung und wir würden am Abend zu oft über Schlafende stolpern. Also antworte mir und das umso freundlicher, weil ich Dir den Lukian schicke.

Dein Franz



Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.

Italienischstunde: Die "Assicurazioni Generali" hatte bei Kafkas Anstellung die Absicht ausgesprochen, ihn später "auch im Außendienste zu verwenden" (Klaus Wagenbach: Franz Kafka. eine Biographie seiner Jugend 1883 - 1912, Bern: Francke 1958).
Lukian: Wahrscheinlich "Die Hetärengespräche des Lukian", übertragen von Franz Blei, mit 15 Zeichnungen von Gustav Klimt, Leipzig: Zeitler 1907. Das Buch war im ersten Heft der "Opale" angezeigt worden und wurde von Max Brod in "Die Gegenwart" (1907), S. 365 besprochen.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at