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[An Max Brod]
[Kartenbrief. Stempel: Prag 16.12.06; Sonntag]

Herrn Max Brod     Prag     Schalengasse N 1

Mein lieber Max
wann gehn wir zu der indischen Tänzerin, wenn uns schon das kleine Fräulein entlaufen ist, dessen Tante vorläufig noch stärker ist als sein Talent.
16/12

Franz


Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.

Indischen Tänzerin: Am 17. Dezember 1906 begann im "Théâtre Variété" das Gastspiel der "berühmten indischen Tänzerin Miss Ruth St. Denis" (Prager Tagblatt, 18.12.1906). Vgl. Hugo von Hoffmannsthals Aufsatz "Die unvergleichliche Tänzerin" (1906):
"Und nun beginnt ihr Tanz. Es sind Bewegungen, die in unaufhörlichem rhythmischen Fluß ineinander übergehen. Es ist das gleiche, was alle orientalischen Tänze suchen. Eben den Tanz, den Tanz an sich, die stumme Musik des menschlichen Leibes. Ein rhythmischer Fluß unaufhörlicher, richtiger Bewegungen. Richtige Bewegungen fühlt man mit dem Auge, so wie man falsche Noten mit dem Ohr fühlt. Ich werde nicht versuchen, ihren Tanz zu beschreiben. Was sich von einem Tanz beschreiben ließe, wäre immer nur das Nebensächliche: das Kostüm, das Sentimentale, das Allegorische. Ihr Tanz ist die berauschende Verkettung von Gebärden, deren nicht eine an die Pose auch nur streift. Es sind unaufhörliche Emanationen absoluter sinnlicher Schönheit."

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at