Eine zentrale These meines Forschungsvorhabens ist, dass das Standesbewusstsein und die entsprechende standesgemäße Lebensführung von Staatsbediensteten in Frage gestellt wird, wenn die Zeiten wirtschaftlich und politisch schwierig sind. Diese Ansicht vertritt auch ein Verteidiger in einem Disziplinarverfahren von 1927:

„Wir sind durch die Verhältnisse doch genötigt, einen neuen Geist in alte Formen zu giessen. Gar so viel hohes Pflichtbewusstesein (sic!) ausser Dienst, Standespflichtbewusstsein, Feingefühl und Delikatesse kann man heute schwer vom Beamten verlangen. Auch abgesehen von der unzureichenden Bezahlung ist die tatsächliche Stellung eine ganz andere geworden. Wir sind die letzten Pfeiler, die den alten Staat zusammengehalten haben; der Beamtenstand hat die Monarchie verkörpert, er war Selbstzweck höchstens Standesbewusstsein konnte und musste man erwarten. Heute sind wir durch die Not des Augenblickes, aber auch durch die eingetretene ständische Verschiebung abgestumpfter; wir müssen mit einem Sinken des Niveaus rechnen, wir können nicht mehr so viel verlangen wie im Jahre 1914.“

Also sprach Landesregierungsrat Dr. Karl Foregger in Verteidigung eines Regierungsrates, der seine finanzielle Situation dadurch aufzubessern suchte, dass er einem Kaufmann beim Schmuggeln von Teppichen aus Österreich nach Deutschland half. (Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Bundeskanzleramt (BKA), BKA-I Präs, Disziplinaroberkommission (DOK), Karton 17: Wilhelm Friedrich).

Dies ist der Beginn einer wunderbaren Serie von Einblicken in die Fälle der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt…bleiben Sie dran!