"Umwelt" - ein relationaler Begriff


Excerpt aus dem Artikel "Humanökologie" (P. WEICHHART) im Lehrbuch "Geographie" (2007), hrsg. von H. GEBHARDT et al.

 

Letzte Aktualisierung: 03.12.2007

© Peter Weichhart, 2005


Der Begriff „Umwelt“ wird in der öffentlichen Diskussion, in den Medien und leider auch in der Fachliteratur der verschiedensten Disziplinen unscharf, unbekümmert und geradezu sorglos verwendet. Häufig wird „Umwelt“ einfach mit „Natur“ gleichgesetzt. In der ökologischen und humanökologischen Fachliteratur wird der Begriff hingegen sehr genau erörtert und als so genannter „Stufenbegriff“ streng definiert. Nach ökologischem Verständnis ist „Umwelt“ ein in mehrfacher Hinsicht relationaler Begriff, der in seiner inhaltlichen Bedeutung vom jeweils gewählten Gesichtspunkt der Betrachtung abhängt und keinesfalls verabsolutiert werden darf (vgl. P. WEICHHART, 1979). Deshalb gibt es auch keine „Umwelt an sich“. Was das Wort konkret bedeutet, ist einerseits abhängig von der jeweils betrachteten Spezies und andererseits davon, ob man einen Einzelorganismus (Autökologie), eine bestimmte Population (Demökologie) oder ein Kollektiv von Organismen unterschiedlicher Spezies (Synökologie) untersucht. In der Humanökologie wird das jeweils interessierende Lebewesen als „Umweltträger“ bezeichnet, um diese Relativierung zum Ausdruck zu bringen. Unter anderem unterscheidet man in der Ökologie zwischen der physiologischen Umwelt (der Komplex aller direkt wirkenden Außenweltfaktoren und aller direkten Einflüsse der betreffenden Organismen auf die Außenwelt), der ökologischen Umwelt (Komplex der direkten und konkret greifbaren indirekten Lebewesen-Umwelt-Beziehungen) und der psychologischen Umwelt („Merkwelt“ oder „Eigenwelt; sinnesphysiologisch begründete subjektive Wirklichkeit der Wahrnehmung und Kognition). Nach dem Verständnis der Ökologie und der Humanökologie ist völlig klar, dass für die Spezies Mensch auch die Kultur, kulturelle Artefakte und das übergeordnete Gesellschaftssystem als besonders wichtige Elemente der Umwelt angesehen werden müssen. Man unterscheidet daher zwischen der nicht artifiziellen physischen Umwelt, der gebauten Umwelt der Artefakte, der sozioökonomischen und der ideologisch-kulturellen Umwelt.

Umwelt kann nicht mit "Natur" gleichgesetzt werden!