Guten Morgen!
Mein Name ist
Peter Mahr. Und wie angekündigt, werde ich - das hallt so!
oder kommt nur mir das so vor? <Wiederholung der
Zurufe:> weil die Türen offen sind und weil es so leer ist. Würdet Ihr, würden Sie, ja, passiert schon, die Türen schließen? So
geht's ein bißchen besser. Geht das Funkmikrophon vielleicht
besser? Oder? Es ist eine ganz schlechte Akustik. <Wechsel
zum Handmikrophon:> Jetzt geht's besser. Ja, klingt besser
oder? So? Also gut, ich mache das mit dem Mikrophon. Also,
der Titel ist B(lackbox) A(udimax), wobei ich "lackbox"
eingeklammert habe - steht alles auf der Homepage. Und alles, was nach
dem A von "Audimax" kommt, ist auch eingeklammert. Und
damit wollte ich auf die beiden Anfangsbuchstaben hinweisen,
nämlich auf B und A. Und das ist für mich die Abkürzung, auf
die ich auch eingehen werde: Bachelor of Arts. Ich habe da so
ein paar Dinge vor und hoffe, auch irgendwie möglichst klar zu
sein, um dann auch zur Diskussion einzuladen.
Eine Blackbox ist
natürlich eine Metapher für ein Objekt, ein Ding, dessen
innere Vorgänge ich nicht kenne, diese aber herausfinde durch
irgendwelche Manipulationen, indem ich irgendwie Inputs
hineinstecke, irgend welche, irgendetwas mache mit diesem
Ding, damit sich <etwas> zeigt in einer Weise, dass ich
Rückschlüsse ziehen kann auf das, was im Inneren des Dings
enthalten ist, vor sich geht. Und das mache ich deswegen, weil
entweder ich kann dieses Ding nicht zerlegen, analysieren, um
zu schauen, aus was es besteht, was drinnen ist, oder weil ich
es nicht zerlegen will, weil ich eventuell vielleicht zu wenig
Zeit habe. Also ich setze das Objekt gewissen Prozessen aus,
damit es mir Aufschlüsse über sich selber verschafft. Die
Blackbox ist ein Begriff nicht zuletzt steuerungstechnisch der
Kybernetik. Und ich werde auf das nicht näher eingehen, möchte
nur dazu sagen, dass man auch von einer Whitebox spricht unter
der Bedingung, dass alles, nahezu alles, was ich annehmen
kann, dass es das Innere ausmacht, bekannt ist. B(lackbox) A(udimax)
ist für mich, ist mir als Idee gekommen, weil ich immer von
dem dunklen Holz, diesem schwarzen Holz beeindruckt bin und
mir irgendwie denke: Wieso muss das Audimax schwarz sein? Und
das hat mich dann auch irgendwie zu dieser Idee geführt, ob es
nicht vielleicht damit zu tun hat, dass eben diese Box des
Auditorium Maximum vielleicht auch schwarz ist, weil es nicht
mehr lebt, nicht nur weil wir nicht wissen, was in dieser
Blackbox passiert, sondern weil vielleicht überhaupt das Leben
erstorben ist und gerade deswegen diser Raum, dieser schwarze
Raum, diese schwarze Schachtel besetzt wird, um sie mit neuem
Leben zu erfüllen. Wenn es heißt "Unibrennt", dann könnte man
natürlich auch sagen, dass vielleicht irgendwelche
Schmauchspuren zu sehen sind, abgekohltes Holz. Auch das
könnte man vielleicht assoziieren. Jedenfalls ist das Audimax,
das Auditorium Maximum in einer gewissen Weise zu dunkel,
sodass es vielleicht genau deswegen das Unbehagen auslöst oder
veranlasst hochzukommen. <Meldung aus dem Publikum> Noch
einmal, ich habe es nicht gehört, o.k., jetzt habe ich es
verstanden, o.k., der Atem eines Babys, ich habe auch das
gehört. Jedenfalls, das Unbehagen, das hier herausgebrochen
ist, oder das hier sich einen Ort gefunden hat zu
artikulieren, zu äußern, ist meiner Meinung nach mit einer
Eruption des Unbewussten verbunden, mit einer Eruption des
politischen Unbewußten, aber auch des kulturellen Unbewußten,
das natürlich ein historisches Unbewußtes ist, das auch
anknüpft an Artikulationen von Besetzungen, wie wir sie in den
letzten Jahrzehnten erlebt haben in den 60er, 70er, 80er, 90er
Jahren. In den 60er Jahren ist das natürlich mit dem Jahr der
Studentenunruhen 1968 besetzt, aber auch mit Woodstock, das
hier mir auch in einigen Äußerungen wiederzuklingen scheint.
Die 70er Jahre bringen die Besetzung in einem konkreten
räumlichen Sinn, nämlich von Hausbesetzungen. Die 80er Jahre
sind mit der Besetzung der Natur, nämlich in diesem konkreten
Fall mit der Hainburger Au besetzt, verbunden. Und die 90er
Jahre bringen noch einmal eine andere Besetzung, die auch hier
meiner Meinung nach wiederkehrt, nämlich einer Besetzung von
Räumen, um das Recht zu reklamieren, Parties zu feiern, das
was im Zusammenhang mit der Technokultur, das ist ja auch
schon historisch, steht.
Also die Besetzung
eines Raumes wie des Audimax führt auch dazu, dass es zunächst
einmal darum geht, sich erst einmal selber zu hören, das heißt
eben, selbst die Stimme zu erheben, sich selber zu fühlen,
aber auch in diesem Sich-selber-hören-,
Selber-fühlen-zu-machen so etwas wie sich Gehör zu
verschaffen. Offensichtlich, um das auf die Spitze zu treiben,
ist es den Vortragenden hier im Audimax nicht gelungen, eine
gemeinsame Stimme zu entwickeln, eine gemeisame
übereinstimmende, selbstbestimmende Stimme zu erheben, die
auch die Stimme der Studierenden gewesen wäre. In diesem
Zusammenhang habe ich auch anzumerken mit einer gewissen
Freude, dass wir hier den Platz zu einer gewissen Zeit
besetzen, der sonst laut Vorlesungsverzeichnis vom ehemaligen
dritten Nationalratspräsidenten der FPÖ eingenommen wurde,
nämlich Wilhelm Brauneder. Ich sage das wegen der Stimme, weil
das vielleicht nicht gerade die Stimmung ist, die die Stimme
der Studierenden ausmacht.
O.k. Also jetzt
komme ich zur Philosophie und insbesondere zur Ästhetik. Ich
bin Dozent an der Philosophie, am Institut für Philosophie.
Und die Ästhetik, die Theorie der Aisthesis, die Theorie der
Wahrnehmung geht zurück, wie so vieles in der Philosophie, auf
die griechische Antike. Und ich möchte eben hier darauf
hinweisen, dass schon bei Aristoteles in De anima, also dem Traktakt
über die Seele, in dem es in großen Strecken um eine Theorie
des Aisthesis geht, eben genau dieses Verhältnis der Stimme
zum Hören, zum Gehör thematisiert wird. Und für die
abendländische Geristesgeschichte folgenreich hat Aristoteles
dort geradezu gleichgesetzt, dass Sprechen, nicht nur Sprechen,
das Stimmen, das Stimme-in-Gang-bringen, -zum-Klingen-bringen
nicht abgekoppelt werden kann. Unmittelbar verknüpft ist
daran, dass diese Stimme auf sich selber hört, beziehungsweise
umgekehrt, dass, was sich akustisch ereignet, das, was gehört
werden kann, immer abhängt von Stimmen. In der neuzeitlichen
Philosophie hat das dann zur Vorstellung der Selbstaffektion
geführt, nämlich dass wir, indem wir uns selber affizieren, in
diesem akustischen Sinne über diesem Stimme/Uns-selber-Hören,
sprechen vielleicht zu jemandem anderen, singen zu jemandem
anderen. Wir äußern uns in Richtung auf unseren
Kommunikationspartner,
Kommuinikationspartnerin.
Aber das tun wir, nicht ohne dass wir uns dabei zugleich
selber hören. Und diese Selbstaffektion hat dann im 17.
Jahrhundert dazu geführt, letztlich - ohne das jetzt Länge Mal
Breite auszuführen - dass auch das Denken als ein sich selber
bestimmendes, selber hörbar machendes cogito bestimmt wurde,
was dann nicht zuletzt wiederum führt zu dieser Formel von
René Descartes: cogito ergo sum, ich denke, also bin ich. Also
ich denke, ich höre mich, ich erhebe die Stimme, insofern bin
ich. Beides: ich erhebe die Stimme und höre mich, und genau
dadurch kann ich mich selber bestimmen.
Gut. Das ist das.
Jetzt komme ich zu einem Philosophen, der diese beiden Momente
der Blackbox des Hörens und der Stimme miteinander verknüpft
hat, nämlich zu Michel Serres. Ich buchstabiere seinen Namen:
S e r r e s. Michel Serres, französischer Philosoph, der ein
Buch mit dem Titel Die fünf Sinne geschrieben hat <Buch
wird in die Höhe gehalten> - ich möchte hier einige
Passagen daraus vorlesen und kommentieren. Serres geht
insbesondere auf den Orpheusmythos ein und schreibt zu Orpheus
das Folgende: "Orpheus, Sohn der Kalliope, der Muse mit der
schönen Stimme, Patronin der epischen Dichtung und der
Beredsamkeit, Orpheus singt. Der Gesang wirft die Sprache über
den materiellen Leisten der Musik, wirft das sanfte Gesims
über die harten akustischen Flügel." Also hier
wird eben diese Idee, diese Metapher der Blackbox aufgenommen,
wurde vorher aufgenommen in dem Text - übrigens zitiere ich
Seite 168, für die, die es interessiert, 168 folgende - in dem
eben das Harte der Blackbox, also die harten akustischen
Gegebenheiten entweder des Musikinstruments oder der
umgebenden Welt konfrontiert werden mit dem Sanften des
Sinnes, also dessen, was ich mit dem Instrument, sei es mit
der eigenen Stimme, zum Ausdruck bringen will. Noch einmal:
"Der Gesang wirft die Sprache über den materiellen Leisten der Musik,
wirft das Sanfte des Sinns über die harten akustischen Flügel.
Die musikalische Decke", also der Gesang, "macht das Harte
sanft." Man ja ohne Weiteres auch an diese Dichotomie von
Hardware und Software denken. "Auf der anderen Seite
präsentiert sie dem Sinn das Harte des Sanften." Also es wird
in dieser, in diesem musikalischen Ereignis etwa des Gesangs
werden zwei Seinsbereiche des Seins quasi verknüpft,
einerseits das Idee des Sinns, andererseits die materielle
Basis des akustischen Ereignisses. Auf der anderen Seite
präsentiert sie die musikalische Decke im Sinn des Harten des
Sanften. Es wird also eine Vermittlung in der Musik zwischen
dem Harten und dem Sanften hergestellt. "Unter dem Gesang", so
schreibt Serres, "scheint dessen Phrasierung gelegentlich zu
sprechen". Also, wir hören nicht nur einfach die Musik,
sondern wir hören den Sinn und zwar "wie ein unterdrückter,
eingeebneter, geknebelter, verhüllter, eingeschüchterter Sinn,
scheint irgendeine vergessene, ... noch vorausliegende Sprache
zu sprechen, die so alt ist, daß sie sich an das Fleisch
(direkt!) wendet. Sie lässt uns die materielle Grundlage der
Sprache hören, ihre Energie, gleichsam deren Wand, Lager oder
Wohnstatt", also wieder diese Referenzen auf die Box, "sie
konstruiert das (wie Serres sagt) Bedeutungsnest". Und dann,
etwas später sagt er: "Ich weiß nicht, ob das Gegebene", also das, was uns
sozusagen grundsätzlich von der Welt gegeben ist, ob dieses Gegebene
"sich nur durch die Sprache und in ihr gibt, aber wenn es so
sein sollte, dann sieht es ganz so aus, als wäre das Gegebene
in der Musik vorgegeben, als würde es durch die Musik hindurch
gegeben." Also wenn dieses Verhältnis des Harten und Sanften
des sprachlichen Sinns und des musikalischen Ausdrucks - also
wenn Sprache spricht, ist sie auch akustischer Ausdruck - wenn
dieses Verhältnis grundlegend ist für unser Verhältnis von uns
selber zu unserer Welt, dann eben sieht es so aus, als wäre
das Gegebene in der Musik vorgegeben, als würde es immer und
nur durch die Musik hindurch gehen. Aber Serres, um da
sozusagen keinen Irrweg <zu gehen>, auf einen Irrweg
hinzuweisen, sagt dann gleich dazu: "Dabei wollen wir unter
Musik die schönen Künste überhaupt verstehen." Also Musik ist
nicht nur die akustische Kunst, wie sie in unserer Zeit
instituiert ist. Musik ist überhaupt die Kunst der Künste, die
Kunst der Musen, wobei er natürlich darauf anspielt, dass die
Künste eben die Kunst der Musen war und zwar als ein Insgesamt
der téchnai mousikai, also der musischen Künste. Insofern ist
auch, um das zu erläutern und zu sagen, für Serres die Musik
auch die grundlegende aller Künste und zwar apriori. "Der
Schriftsteller" - und da bringt er jetzt ein Beispiel, ja, wir
wollen "unter der Musik die schönen Künste überhaupt
verstehen", sagt er - der "Schriftsteller, der nur Bedeutung
zum Ausdruck brächte, rechnet in der Tat," also quasi, heute
zu sagen, wie ein Computer, "aber er schreibt, als vibrierten
sämtliche Sinne". Deswegen hier Die fünf Sinne <Buch Die
fünf Sinne von Serres in die Höhe gehalten>.
O.k. Und jetzt noch näher zur Blackbox hin: "Man stelle sich
eine Black-box vor ... davor die Welt, ... dahinter das, was
in gewissen Netzen zirkuliert und als Information bezeichnet
wird. Die Energie der Dinge tritt ein in die Black-box,
Luftbewegungen, Stöße (etc.) ... Und schon kommen Information
und Bedeutung heraus. Wir wissen nicht immer, wo die Box sich
befindet, wir wissen nicht, wie sie die Ströme umwandelt",
hören Sie, das gilt jetzt immer mit Bezug auf Blackbox
Audimax, "wie sie die Ströme umwandelt, die durch sie
hindurchfließen, welche Sirenen, Musen oder Bachantinnen darin
am Werke sind, sie bleibt uns verschlossen. Dagegen können wir
mit nahezu vollkommener Sicherheit sagen, daß jenseits dieser
Schwelle des Nichtwissens wie der Wahrnehmung die Welt, die
Gruppe, die Biochemie der Zellen ihre Energien auf dem
üblichen Niveau austauschen und daß diesseits der Schwelle
Infomation, Signale, Figuren, Sprachen, Bedeutungen zu finden
sind." <170> Also noch einmal: vor der Box das Harte,
sagt Serres, hinter der Box das Sanfte. Und jetzt lese ich
Ihnen noch einen kurzen Absatz vor, um unsere Lektüre von
Michel Serres abzuschließen. Wieso ich <Tonausfall ...>
Ästhetik hat, philosophische Ästhetik als einen Bereich der
Philosophie überhaupt. Serres schreibt: "Traditionell besitzt
der Ausdruck Ästhetik zwei Bedeutungen. Er bezeichnet einen
Diskurs über die schönen Künste und einen Diskurs über das
Gegebene." Also Aisthesis, die Wahrnehmung, die aístheta, die
Wahrnehmungsgegenstände, die Sinnesobjekte aufzunehmen, also
das Gegebene - das Gegebene ist uns nur durch die Sinne
gegeben - und andererseits Ästhetik eben im moderneren Sinn
seit dem 18. Jahrhundert: Ästhetik als eine Theorie des
Schönen und natürlich eben auch als eine Theorie der schönen
Künste. "Diese beiden Wortschichten dringen nicht immer bis zu
ihrem Gegenstand vor, als entflöhe die Schönheit dem, was wir
sagen, ebenso wie unsere Empfindung. Die philosophischen Werke
in den wichtigsten westlichen Sprachen trennen gewöhnlich die
beiden Wortsinne, die berühmtesten unter ihnen vollziehen die
Scheidung. Hier nun die Hochzeit. Die Musik als die Gesamtheit
der Künste verstanden, hart und sanft, ... bietet der
Empfindung das Doppelgesicht ihrer Mannigfaltigkeit, die
doppelte Wand ihrer Black-box dar." <171> Soviel zu
Serres, ohne Ihnen hier die Kontexte geben zu können.
Aber ich möchte
jetzt zum Schluß, damit wir dann auch in eine Diskussion
kommen können, möchte ich Ihnen etwas anscheinend oder sagen
wir besser scheinbar ganz Anderes noch zur Überlegung
anbieten. <Tonausfall
...> habe ich deswegen getan, weil es
mir insbesondere um eine Überlegung auch geht, über den Sinn,
das Wesen dessen, was B.A. ist, Bachelor of Arts. Was Sie
wissen oder vielleicht nicht wissen, ist, dass diese englische
Bezeichnung, zu der es leider keine, bis jetzt keine deutsche
Übersetzung gibt, denn Bachelor in der Übersetzung wäre
Junggeselle - und da gibt es eine Reihe von Problemen, die in
eine hochkontroversielle Diskussion von der Genderproblematik
führen müsste. Aber dieses Bachelor of Arts geht, wenn man
mehr auf das 'Arts' hinschaut, natürlich auf etwas ganz Altes,
nämlich eine ganz alte Disziplineneinteilung zurück, nämlich
auf die artes liberales: bachelor of arts, bachelor of liberal
arts. Also das ist eine Abkürzung für liberal arts. Und die
freien Künste gibt es in ihrer Systematisierung seit den
zweiten Jahrhundert vor Christus. Martianus Capella ist hier
zu nennen, der einen Text darüber geschrieben hat. Diese
freien Künste sind, wie Sie vielleicht wissen, eingeteilt,
noch einmal, in die trivialen Künste, also die Künste des
Triviums, und die Künste des Quadriviums. Die Dreiheit, also
die ganz grundlegenden Künste sind Grammatik, Rhetorik und
Dialektik, also kurz gesagt die Technik und die Theorie des
Schreibens und Lesens, dann die Technik des Sprechens, Redens
und dann die Technik des Streitens, der Diskussion. Und diese
trivialen Künste, diese drei Künste stellen in meiner Meinung
die Grundlage dar. In diesem Sinne, aber vielleicht auch nur
in diesem Sinne ist es gerechtfertigt, so etwas wie einen
Bachelor of Arts als Einleitungsstudium oder als Studienteil
oder überhaupt als Studium anzusetzen. Ich sage das
insbesondere, weil, wie Sie ja wissen,
in der letzen Zeit oder auch schon früher ausgesprochen wurde,
dass wir hier in der Europäischen Union Lebenden eine viel
höher liegende Akademikerquote erreichen müssen. Es wird sogar
für die nächsten Jahrzehnte von 50 % gesprochen der gesamten
Bevölkerung. Und das kann natürlich nicht umhin, eine
Diskussion darüber zu bringen, was eben den Bachelor of Arts
ausmachen soll. Andererseits verknüpft sich dieses meiner
Meinung nach legitime Anliegen auch mit der Forderung "Bildung
statt Ausbildung!". Die trivialen Künste sind Künste im Sinne
der Bildung im Unterschied zur Ausbildung, im Unterschied zur
Spezialisierung,
im Unterschied
zur Ausbildung von Experten. Meiner Meinung nach - und da
knüpfe ich jetzt eben an die Ästhetik im Sinne der fünf Sinne,
einer Ästhetik der Künste, jetzt aber der schönen Künste, der
ästhetischen Künste an - müsste das Bachelor-of-Arts-Studium
im Sinne einer Reflexion der Blackbox, Beispiel Audimax, als
eine Verkörperung und Realisierung der musikalischen Blackbox
dazu führen, dass einerseits, um überhaupt die Bachelor of
Arts, dieses Trivium der Bachelor of Arts als basics, als
Grundlage für jedes weitere Studium gestalten zu können,
müsste dieses Bachelor of Arts mehr die Naturwissenschaften
hereinbringen, andererseits aber auch die Naturwissenschaften
humanisieren. Was meine ich damit? Wenn sie schauen auf die
Homepage von Unibrennt und Sie gehen zur Lehrendensolidarität
- also Lehrenden, das meint jetzt insbesondere die externen
Lehrenden, die die nicht angestellt sind, aber auch andere - ,
dann wird Ihnen auffallen, dass keine Naturwissenschaften
dabei sind. Und es ist uns allen klar, dass die
Naturwissenschaften natürlich auch einen großen Teil der
Universität Wien ausmachen. Ich glaube, gestern habe ich
gelesen, einen einzigen Mathematiker gibt es. Und das heißt,
dass der Kampf, der hier begonnen hat, unter anderem um eine
Neubestimmung des Bachelor-of-Arts-Studiums auch einer ist, ob man
es will oder nicht, um die Bedeutung der
Geisteswissenschaft. Also wenn diejenigen, die nicht
Geisteswissenschaften oder Sozialwissenschaften studieren,
sich nicht dafür interessieren - ich nehme einmal an, dass das
für die Studierenden nicht anders ist als für die Lehrenden,
die sich hier solidarisiert haben - , dann ist das doch eben,
läuft das doch darauf hinaus, dass der Bachelor of Art eben
wesentlich als ein Bildungsstudium, als ein Geistes-/Sozialwissenschaftsstudium
verstanden werden muss. Aber meiner Meinung nach müsste es
eben auch die Naturwissenschaften beinhalten. Andererseits
müsste, weil die Bachelor-of-Arts-Studien gibt es natürlich auch
in den naturwissenschaftlichen Fakultäten, müsste auch das
Bachelor-of-Arts-Studium dort viel stärker mit geistes- und
sozialwissenschaftlichen Inhalten verknüpft werden. Was ich
damit meine, ist, dass es letzlich darauf hinausläuft, dass
eben ein Bachelor-of-Arts-Studium
nicht einfach nur eine Vorstufe für ein Master-Studium,
später Doktoratsstudium sein soll, sondern später ein
selbständiges Studium, das in sich stimmig ist und keiner
weiteren Spezialisierung ergänzend bedarf, sondern dass
sich dieses Bachelor-of-Arts-Studium
eben selber genügen kann. Ich meine das deswegen - ein
studium generale, das auch für die Naturwissenscahften
zählen muss, vorhanden sein muss - , weil es nicht so sein
sollte, wie sich etwa auf der Evolutionsbiologie gezeigt
hat - ich habe dort eine Bekannte - , dass bei anstehenden
Berufungen hochqualifizierte Kandidatinnen vorsprechen,
aber die so spezialisiert sind auf ihrem eigenen Gebiet,
dass sie nicht mehr in der Lage sind, einen größeren
Überblick und sei es auch nur über die Evolutionsbiologie,
die selber schon ein beschränktes Gebiet innerhalb der
Biologie ist, darüber zu halten. Also das ist ein Problem,
das sich in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren ohnehin
stellen wird: Wie kann überhaupt noch ein Bachelor-of-Arts-Studium
in den Naturwissenschaften organisiert und durchgeführt
werden.
Ich komme zurück
zu dieser Kopplung der Blackbox und des großen hörenden
Publikums, nämlich des Auditoriums. Ich meine, dass das Bachelor-of-Arts-Studium
wirklich ein kunstnäheres und jetzt Kunst im modernen
Sinne verstanden, ein kunstnäheres Studium
werden soll. Und das heißt, dass diese ästhetsiche
Vermischung der fünf Sinne, wie sie in den musikalischen
Künsten vorkommt, dass diese Vermischung auch die Bachelor-of-Arts-Studien
affizieren soll, sodass also eine so verstandene Blackbox,
die letztlich eine musikalische Blackbox ist, um hier
Michel Serres zuzustimmen, dass eine solche Blackbox eine
ästhetisierende Blackbox ist. Nur dadurch wird ein Bachelor-of-Arts-Studium,
das in einer Blackbox auf diese Weise stattfindet, auch
wirklich eine tragfähige Grundlage abgeben.
O.k., das ist einmal, was ich zu sagen hätte. Und jetzt freue ich mich und bitte um Wortmeldungen. <Tonausfall ...> wenn jemand das Mikrophon braucht. Gibt es Wortmeldungen? <Tonausfall ...> Dann ist das auch kein Problem. <Tonausfall ...> Darf ich das als Kompliment auffassen? Ich darf vielleicht noch etwas zum Motiv für diese, für diesen Vortrag, lecture sagen. Ich spreche natürlich hier als Philosoph und bin überzeugt davon, dass die ganze Protestbewegung hier nicht nur einzelne konkrete Probleme adressiert, sondern eigentlich weit in die Gesellschaftsproblematik überhaupt hineinreicht, dass sie nicht um Reflexion darüber hinwegkommen wird, auch philosophisch und wissenschaftstheoretisch zu reflektieren, worin die Studien in der Systematisierung und in der inhaltlichen Bestimmung genau bestehen sollen. Das ist jetzt natürlich eine abstrakte Forderung. Aber ich glaube, dass es nicht getan sein wird, darüber zu sprechen, dass es nicht getan sein wird, sich an festen, an einzelnen konkreten Punkten wie der Funktion der Studieneingangsphase festzubeißen. Aber, ja, ich glaube, das ist, glaube ich, klar. Ja. Ja bitte gerne. Danke für die Aufmerksamkeit!
<Referenzen:
Aristoteles, De anima, gr./dt., übers. v. Willy Theiler,
hg. v. Wilhelm Biehl/Otto Apelt u. Horst Seidl, = PhB 476,
Hamburg: Meiner 1995; Martianus Capella, Die Hochzeit der
Philologia mit Merkur, übers. u. hg. v. Hans Günter Zekl,
Würzburg: Königshausen und Neumann 2005 (De nuptiis
Philologiae et Mercurii <ca. 410-525>); René Descartes,
Meditationes de Prima
Philosophia/Meditationen über die Erste Philosophie,
lat.-dt., hg. u. übers. v. G. Schmidt, = UB 2888,
Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1986;
Michel Serres, Die fünf Sinne. Eine Philosophie der
Gemenge und Gemische, übers. v. Michael Bischoff, = stw
1389, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1998.>
© Peter Mahr
2016