<2009.4>: B(lackbox) A(udimax). Vortrag, gehalten an der Universität Wien, Audimax, Donnerstag, 29. Oktober 2009, 9:00 Uhr http://www.ustream.tv/recorded/2445919. (0:00-39:40) Transkription  22.270 Zeichen html

Guten Morgen!

Mein Name ist Peter Mahr. Und wie angekündigt, werde ich - das hallt so! oder kommt nur mir das so vor? <Wiederholung der Zurufe:> weil die Türen offen sind und weil es so leer ist. Würdet Ihr, würden Sie, ja, passiert schon, die Türen schließen? So geht's ein bißchen besser. Geht das Funkmikrophon vielleicht besser? Oder? Es ist eine ganz schlechte Akustik. <Wechsel zum Handmikrophon:> Jetzt geht's besser. Ja, klingt besser oder? So? Also gut, ich mache das mit dem Mikrophon. Also, der Titel ist B(lackbox) A(udimax), wobei ich "lackbox" eingeklammert habe - steht alles auf der Homepage. Und alles, was nach dem A von "Audimax" kommt, ist auch eingeklammert. Und damit wollte ich auf die beiden Anfangsbuchstaben hinweisen, nämlich auf B und A. Und das ist für mich die Abkürzung, auf die ich auch eingehen werde: Bachelor of Arts. Ich habe da so ein paar Dinge vor und hoffe, auch irgendwie möglichst klar zu sein, um dann auch zur Diskussion einzuladen.

Eine Blackbox ist natürlich eine Metapher für ein Objekt, ein Ding, dessen innere Vorgänge ich nicht kenne, diese aber herausfinde durch irgendwelche Manipulationen, indem ich irgendwie Inputs hineinstecke, irgend welche, irgendetwas mache mit diesem Ding, damit sich <etwas> zeigt in einer Weise, dass ich Rückschlüsse ziehen kann auf das, was im Inneren des Dings enthalten ist, vor sich geht. Und das mache ich deswegen, weil entweder ich kann dieses Ding nicht zerlegen, analysieren, um zu schauen, aus was es besteht, was drinnen ist, oder weil ich es nicht zerlegen will, weil ich eventuell vielleicht zu wenig Zeit habe. Also ich setze das Objekt gewissen Prozessen aus, damit es mir Aufschlüsse über sich selber verschafft. Die Blackbox ist ein Begriff nicht zuletzt steuerungstechnisch der Kybernetik. Und ich werde auf das nicht näher eingehen, möchte nur dazu sagen, dass man auch von einer Whitebox spricht unter der Bedingung, dass alles, nahezu alles, was ich annehmen kann, dass es das Innere ausmacht, bekannt ist. B(lackbox) A(udimax) ist für mich, ist mir als Idee gekommen, weil ich immer von dem dunklen Holz, diesem schwarzen Holz beeindruckt bin und mir irgendwie denke: Wieso muss das Audimax schwarz sein? Und das hat mich dann auch irgendwie zu dieser Idee geführt, ob es nicht vielleicht damit zu tun hat, dass eben diese Box des Auditorium Maximum vielleicht auch schwarz ist, weil es nicht mehr lebt, nicht nur weil wir nicht wissen, was in dieser Blackbox passiert, sondern weil vielleicht überhaupt das Leben erstorben ist und gerade deswegen diser Raum, dieser schwarze Raum, diese schwarze Schachtel besetzt wird, um sie mit neuem Leben zu erfüllen. Wenn es heißt "Unibrennt", dann könnte man natürlich auch sagen, dass vielleicht irgendwelche Schmauchspuren zu sehen sind, abgekohltes Holz. Auch das könnte man vielleicht assoziieren. Jedenfalls ist das Audimax, das Auditorium Maximum in einer gewissen Weise zu dunkel, sodass es vielleicht genau deswegen das Unbehagen auslöst oder veranlasst hochzukommen. <Meldung aus dem Publikum> Noch einmal, ich habe es nicht gehört, o.k., jetzt habe ich es verstanden, o.k., der Atem eines Babys, ich habe auch das gehört. Jedenfalls, das Unbehagen, das hier herausgebrochen ist, oder das hier sich einen Ort gefunden hat zu artikulieren, zu äußern, ist meiner Meinung nach mit einer Eruption des Unbewussten verbunden, mit einer Eruption des politischen Unbewußten, aber auch des kulturellen Unbewußten, das natürlich ein historisches Unbewußtes ist, das auch anknüpft an Artikulationen von Besetzungen, wie wir sie in den letzten Jahrzehnten erlebt haben in den 60er, 70er, 80er, 90er Jahren. In den 60er Jahren ist das natürlich mit dem Jahr der Studentenunruhen 1968 besetzt, aber auch mit Woodstock, das hier mir auch in einigen Äußerungen wiederzuklingen scheint. Die 70er Jahre bringen die Besetzung in einem konkreten räumlichen Sinn, nämlich von Hausbesetzungen. Die 80er Jahre sind mit der Besetzung der Natur, nämlich in diesem konkreten Fall mit der Hainburger Au besetzt, verbunden. Und die 90er Jahre bringen noch einmal eine andere Besetzung, die auch hier meiner Meinung nach wiederkehrt, nämlich einer Besetzung von Räumen, um das Recht zu reklamieren, Parties zu feiern, das was im Zusammenhang mit der Technokultur, das ist ja auch schon historisch, steht.

Also die Besetzung eines Raumes wie des Audimax führt auch dazu, dass es zunächst einmal darum geht, sich erst einmal selber zu hören, das heißt eben, selbst die Stimme zu erheben, sich selber zu fühlen, aber auch in diesem Sich-selber-hören-, Selber-fühlen-zu-machen so etwas wie sich Gehör zu verschaffen. Offensichtlich, um das auf die Spitze zu treiben, ist es den Vortragenden hier im Audimax nicht gelungen, eine gemeinsame Stimme zu entwickeln, eine gemeisame übereinstimmende, selbstbestimmende Stimme zu erheben, die auch die Stimme der Studierenden gewesen wäre. In diesem Zusammenhang habe ich auch anzumerken mit einer gewissen Freude, dass wir hier den Platz zu einer gewissen Zeit besetzen, der sonst laut Vorlesungsverzeichnis vom ehemaligen dritten Nationalratspräsidenten der FPÖ eingenommen wurde, nämlich Wilhelm Brauneder. Ich sage das wegen der Stimme, weil das vielleicht nicht gerade die Stimmung ist, die die Stimme der Studierenden ausmacht.

O.k. Also jetzt komme ich zur Philosophie und insbesondere zur Ästhetik. Ich bin Dozent an der Philosophie, am Institut für Philosophie. Und die Ästhetik, die Theorie der Aisthesis, die Theorie der Wahrnehmung geht zurück, wie so vieles in der Philosophie, auf die griechische Antike. Und ich möchte eben hier darauf hinweisen, dass schon bei Aristoteles in De anima, also dem Traktakt über die Seele, in dem es in großen Strecken um eine Theorie des Aisthesis geht, eben genau dieses Verhältnis der Stimme zum Hören, zum Gehör thematisiert wird. Und für die abendländische Geristesgeschichte folgenreich hat Aristoteles dort geradezu gleichgesetzt, dass Sprechen, nicht nur Sprechen, das Stimmen, das Stimme-in-Gang-bringen, -zum-Klingen-bringen nicht abgekoppelt werden kann. Unmittelbar verknüpft ist daran, dass diese Stimme auf sich selber hört, beziehungsweise umgekehrt, dass, was sich akustisch ereignet, das, was gehört werden kann, immer abhängt von Stimmen. In der neuzeitlichen Philosophie hat das dann zur Vorstellung der Selbstaffektion geführt, nämlich dass wir, indem wir uns selber affizieren, in diesem akustischen Sinne über diesem Stimme/Uns-selber-Hören, sprechen vielleicht zu jemandem anderen, singen zu jemandem anderen. Wir äußern uns in Richtung auf unseren Kommunikationspartner,
Kommuinikationspartnerin. Aber das tun wir, nicht ohne dass wir uns dabei zugleich selber hören. Und diese Selbstaffektion hat dann im 17. Jahrhundert dazu geführt, letztlich - ohne das jetzt Länge Mal Breite auszuführen - dass auch das Denken als ein sich selber bestimmendes, selber hörbar machendes cogito bestimmt wurde, was dann nicht zuletzt wiederum führt zu dieser Formel von René Descartes: cogito ergo sum, ich denke, also bin ich. Also ich denke, ich höre mich, ich erhebe die Stimme, insofern bin ich. Beides: ich erhebe die Stimme und höre mich, und genau dadurch kann ich mich selber bestimmen.

Gut. Das ist das. Jetzt komme ich zu einem Philosophen, der diese beiden Momente der Blackbox des Hörens und der Stimme miteinander verknüpft hat, nämlich zu Michel Serres. Ich buchstabiere seinen Namen: S e r r e s. Michel Serres, französischer Philosoph, der ein Buch mit dem Titel Die fünf Sinne geschrieben hat <Buch wird in die Höhe gehalten> - ich möchte hier einige Passagen daraus vorlesen und kommentieren. Serres geht insbesondere auf den Orpheusmythos ein und schreibt zu Orpheus das Folgende: "Orpheus, Sohn der Kalliope, der Muse mit der schönen Stimme, Patronin der epischen Dichtung und der Beredsamkeit, Orpheus singt. Der Gesang wirft die Sprache über den materiellen Leisten der Musik, wirft das sanfte Gesims über die harten akustischen Flügel." Also hier wird eben diese Idee, diese Metapher der Blackbox aufgenommen, wurde vorher aufgenommen in dem Text - übrigens zitiere ich Seite 168, für die, die es interessiert, 168 folgende - in dem eben das Harte der Blackbox, also die harten akustischen Gegebenheiten entweder des Musikinstruments oder der umgebenden Welt konfrontiert werden mit dem Sanften des Sinnes, also dessen, was ich mit dem Instrument, sei es mit der eigenen Stimme, zum Ausdruck bringen will. Noch einmal: "Der Gesang wirft die Sprache über den materiellen Leisten der Musik, wirft das Sanfte des Sinns über die harten akustischen Flügel. Die musikalische Decke", also der Gesang, "macht das Harte sanft." Man ja ohne Weiteres auch an diese Dichotomie von Hardware und Software denken. "Auf der anderen Seite präsentiert sie dem Sinn das Harte des Sanften." Also es wird in dieser, in diesem musikalischen Ereignis etwa des Gesangs werden zwei Seinsbereiche des Seins quasi verknüpft, einerseits das Idee des Sinns, andererseits die materielle Basis des akustischen Ereignisses. Auf der anderen Seite präsentiert sie die musikalische Decke im Sinn des Harten des Sanften. Es wird also eine Vermittlung in der Musik zwischen dem Harten und dem Sanften hergestellt. "Unter dem Gesang", so schreibt Serres, "scheint dessen Phrasierung gelegentlich zu sprechen". Also, wir hören nicht nur einfach die Musik, sondern wir hören den Sinn und zwar "wie ein unterdrückter, eingeebneter, geknebelter, verhüllter, eingeschüchterter Sinn, scheint irgendeine vergessene, ... noch vorausliegende Sprache zu sprechen, die so alt ist, daß sie sich an das Fleisch (direkt!) wendet. Sie lässt uns die materielle Grundlage der Sprache hören, ihre Energie, gleichsam deren Wand, Lager oder Wohnstatt", also wieder diese Referenzen auf die Box, "sie konstruiert das (wie Serres sagt) Bedeutungsnest". Und dann, etwas später sagt er: "Ich weiß nicht, ob das Gegebene", also das, was uns sozusagen grundsätzlich von der Welt gegeben ist, ob dieses Gegebene "sich nur durch die Sprache und in ihr gibt, aber wenn es so sein sollte, dann sieht es ganz so aus, als wäre das Gegebene in der Musik vorgegeben, als würde es durch die Musik hindurch gegeben." Also wenn dieses Verhältnis des Harten und Sanften des sprachlichen Sinns und des musikalischen Ausdrucks - also wenn Sprache spricht, ist sie auch akustischer Ausdruck - wenn dieses Verhältnis grundlegend ist für unser Verhältnis von uns selber zu unserer Welt, dann eben sieht es so aus, als wäre das Gegebene in der Musik vorgegeben, als würde es immer und nur durch die Musik hindurch gehen. Aber Serres, um da sozusagen keinen Irrweg <zu gehen>, auf einen Irrweg hinzuweisen, sagt dann gleich dazu: "Dabei wollen wir unter Musik die schönen Künste überhaupt verstehen." Also Musik ist nicht nur die akustische Kunst, wie sie in unserer Zeit instituiert ist. Musik ist überhaupt die Kunst der Künste, die Kunst der Musen, wobei er natürlich darauf anspielt, dass die Künste eben die Kunst der Musen war und zwar als ein Insgesamt der téchnai mousikai, also der musischen Künste. Insofern ist auch, um das zu erläutern und zu sagen, für Serres die Musik auch die grundlegende aller Künste und zwar apriori. "Der Schriftsteller" - und da bringt er jetzt ein Beispiel, ja, wir wollen "unter der Musik die schönen Künste überhaupt verstehen", sagt er - der "Schriftsteller, der nur Bedeutung zum Ausdruck brächte, rechnet in der Tat," also quasi, heute zu sagen, wie ein Computer, "aber er schreibt, als vibrierten sämtliche Sinne". Deswegen hier Die fünf Sinne <Buch Die fünf Sinne von Serres in die Höhe gehalten>. O.k. Und jetzt noch näher zur Blackbox hin: "Man stelle sich eine Black-box vor ... davor die Welt, ... dahinter das, was in gewissen Netzen zirkuliert und als Information bezeichnet wird. Die Energie der Dinge tritt ein in die Black-box, Luftbewegungen, Stöße (etc.) ... Und schon kommen Information und Bedeutung heraus. Wir wissen nicht immer, wo die Box sich befindet, wir wissen nicht, wie sie die Ströme umwandelt", hören Sie, das gilt jetzt immer mit Bezug auf Blackbox Audimax, "wie sie die Ströme umwandelt, die durch sie hindurchfließen, welche Sirenen, Musen oder Bachantinnen darin am Werke sind, sie bleibt uns verschlossen. Dagegen können wir mit nahezu vollkommener Sicherheit sagen, daß jenseits dieser Schwelle des Nichtwissens wie der Wahrnehmung die Welt, die Gruppe, die Biochemie der Zellen ihre Energien auf dem üblichen Niveau austauschen und daß diesseits der Schwelle Infomation, Signale, Figuren, Sprachen, Bedeutungen zu finden sind." <170> Also noch einmal: vor der Box das Harte, sagt Serres, hinter der Box das Sanfte. Und jetzt lese ich Ihnen noch einen kurzen Absatz vor, um unsere Lektüre von Michel Serres abzuschließen. Wieso ich <Tonausfall ...> Ästhetik hat, philosophische Ästhetik als einen Bereich der Philosophie überhaupt. Serres schreibt: "Traditionell besitzt der Ausdruck Ästhetik zwei Bedeutungen. Er bezeichnet einen Diskurs über die schönen Künste und einen Diskurs über das Gegebene." Also Aisthesis, die Wahrnehmung, die aístheta, die Wahrnehmungsgegenstände, die Sinnesobjekte aufzunehmen, also das Gegebene - das Gegebene ist uns nur durch die Sinne gegeben - und andererseits Ästhetik eben im moderneren Sinn seit dem 18. Jahrhundert: Ästhetik als eine Theorie des Schönen und natürlich eben auch als eine Theorie der schönen Künste. "Diese beiden Wortschichten dringen nicht immer bis zu ihrem Gegenstand vor, als entflöhe die Schönheit dem, was wir sagen, ebenso wie unsere Empfindung. Die philosophischen Werke in den wichtigsten westlichen Sprachen trennen gewöhnlich die beiden Wortsinne, die berühmtesten unter ihnen vollziehen die Scheidung. Hier nun die Hochzeit. Die Musik als die Gesamtheit der Künste verstanden, hart und sanft, ... bietet der Empfindung das Doppelgesicht ihrer Mannigfaltigkeit, die doppelte Wand ihrer Black-box dar." <171> Soviel zu Serres, ohne Ihnen hier die Kontexte geben zu können.

Aber ich möchte jetzt zum Schluß, damit wir dann auch in eine Diskussion kommen können, möchte ich Ihnen etwas anscheinend oder sagen wir besser scheinbar ganz Anderes noch zur Überlegung anbieten. <Tonausfall ...> habe ich deswegen getan, weil es mir insbesondere um eine Überlegung auch geht, über den Sinn, das Wesen dessen, was B.A. ist, Bachelor of Arts. Was Sie wissen oder vielleicht nicht wissen, ist, dass diese englische Bezeichnung, zu der es leider keine, bis jetzt keine deutsche Übersetzung gibt, denn Bachelor in der Übersetzung wäre Junggeselle - und da gibt es eine Reihe von Problemen, die in eine hochkontroversielle Diskussion von der Genderproblematik führen müsste. Aber dieses Bachelor of Arts geht, wenn man mehr auf das 'Arts' hinschaut, natürlich auf etwas ganz Altes, nämlich eine ganz alte Disziplineneinteilung zurück, nämlich auf die artes liberales: bachelor of arts, bachelor of liberal arts. Also das ist eine Abkürzung für liberal arts. Und die freien Künste gibt es in ihrer Systematisierung seit den zweiten Jahrhundert vor Christus. Martianus Capella ist hier zu nennen, der einen Text darüber geschrieben hat. Diese freien Künste sind, wie Sie vielleicht wissen, eingeteilt, noch einmal, in die trivialen Künste, also die Künste des Triviums, und die Künste des Quadriviums. Die Dreiheit, also die ganz grundlegenden Künste sind Grammatik, Rhetorik und Dialektik, also kurz gesagt die Technik und die Theorie des Schreibens und Lesens, dann die Technik des Sprechens, Redens und dann die Technik des Streitens, der Diskussion. Und diese trivialen Künste, diese drei Künste stellen in meiner Meinung die Grundlage dar. In diesem Sinne, aber vielleicht auch nur in diesem Sinne ist es gerechtfertigt, so etwas wie einen Bachelor of Arts als Einleitungsstudium oder als Studienteil oder überhaupt als Studium anzusetzen. Ich sage das insbesondere, weil, wie Sie ja wissen, in der letzen Zeit oder auch schon früher ausgesprochen wurde, dass wir hier in der Europäischen Union Lebenden eine viel höher liegende Akademikerquote erreichen müssen. Es wird sogar für die nächsten Jahrzehnte von 50 % gesprochen der gesamten Bevölkerung. Und das kann natürlich nicht umhin, eine Diskussion darüber zu bringen, was eben den Bachelor of Arts ausmachen soll. Andererseits verknüpft sich dieses meiner Meinung nach legitime Anliegen auch mit der Forderung "Bildung statt Ausbildung!". Die trivialen Künste sind Künste im Sinne der Bildung im Unterschied zur Ausbildung, im Unterschied zur Spezialisierung,
im Unterschied zur Ausbildung von Experten. Meiner Meinung nach - und da knüpfe ich jetzt eben an die Ästhetik im Sinne der fünf Sinne, einer Ästhetik der Künste, jetzt aber der schönen Künste, der ästhetischen Künste an - müsste das Bachelor-of-Arts-Studium im Sinne einer Reflexion der Blackbox, Beispiel Audimax, als eine Verkörperung und Realisierung der musikalischen Blackbox dazu führen, dass einerseits, um überhaupt die Bachelor of Arts, dieses Trivium der Bachelor of Arts als basics, als Grundlage für jedes weitere Studium gestalten zu können, müsste dieses Bachelor of Arts mehr die Naturwissenschaften hereinbringen, andererseits aber auch die Naturwissenschaften humanisieren. Was meine ich damit? Wenn sie schauen auf die Homepage von Unibrennt und Sie gehen zur Lehrendensolidarität - also Lehrenden, das meint jetzt insbesondere die externen Lehrenden, die die nicht angestellt sind, aber auch andere - , dann wird Ihnen auffallen, dass keine Naturwissenschaften dabei sind. Und es ist uns allen klar, dass die Naturwissenschaften natürlich auch einen großen Teil der Universität Wien ausmachen. Ich glaube, gestern habe ich gelesen, einen einzigen Mathematiker gibt es. Und das heißt, dass der Kampf, der hier begonnen hat, unter anderem um eine Neubestimmung des Bachelor-of-Arts-Studiums auch einer ist, ob man es will oder nicht, um die Bedeutung der Geisteswissenschaft. Also wenn diejenigen, die nicht Geisteswissenschaften oder Sozialwissenschaften studieren, sich nicht dafür interessieren - ich nehme einmal an, dass das für die Studierenden nicht anders ist als für die Lehrenden, die sich hier solidarisiert haben - , dann ist das doch eben, läuft das doch darauf hinaus, dass der Bachelor of Art eben wesentlich als ein Bildungsstudium, als ein Geistes-/Sozialwissenschaftsstudium verstanden werden muss. Aber meiner Meinung nach müsste es eben auch die Naturwissenschaften beinhalten. Andererseits müsste, weil die Bachelor-of-Arts-Studien gibt es natürlich auch in den naturwissenschaftlichen Fakultäten, müsste auch das Bachelor-of-Arts-Studium dort viel stärker mit geistes- und sozialwissenschaftlichen Inhalten verknüpft werden. Was ich damit meine, ist, dass es letzlich darauf hinausläuft, dass eben ein Bachelor-of-Arts-Studium nicht einfach nur eine Vorstufe für ein Master-Studium, später Doktoratsstudium sein soll, sondern später ein selbständiges Studium, das in sich stimmig ist und keiner weiteren Spezialisierung ergänzend bedarf, sondern dass sich dieses Bachelor-of-Arts-Studium eben selber genügen kann. Ich meine das deswegen - ein studium generale, das auch für die Naturwissenscahften zählen muss, vorhanden sein muss - , weil es nicht so sein sollte, wie sich etwa auf der Evolutionsbiologie gezeigt hat - ich habe dort eine Bekannte - , dass bei anstehenden Berufungen hochqualifizierte Kandidatinnen vorsprechen, aber die so spezialisiert sind auf ihrem eigenen Gebiet, dass sie nicht mehr in der Lage sind, einen größeren Überblick und sei es auch nur über die Evolutionsbiologie, die selber schon ein beschränktes Gebiet innerhalb der Biologie ist, darüber zu halten. Also das ist ein Problem, das sich in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren ohnehin stellen wird: Wie kann überhaupt noch ein Bachelor-of-Arts-Studium in den Naturwissenschaften organisiert und durchgeführt werden.

Ich komme zurück zu dieser Kopplung der Blackbox und des großen hörenden Publikums, nämlich des Auditoriums. Ich meine, dass das Bachelor-of-Arts-Studium wirklich ein kunstnäheres und jetzt Kunst im modernen Sinne verstanden, ein kunstnäheres Studium werden soll. Und das heißt, dass diese ästhetsiche Vermischung der fünf Sinne, wie sie in den musikalischen Künsten vorkommt, dass diese Vermischung auch die Bachelor-of-Arts-Studien affizieren soll, sodass also eine so verstandene Blackbox, die letztlich eine musikalische Blackbox ist, um hier Michel Serres zuzustimmen, dass eine solche Blackbox eine ästhetisierende Blackbox ist. Nur dadurch wird ein Bachelor-of-Arts-Studium, das in einer Blackbox auf diese Weise stattfindet, auch wirklich eine tragfähige Grundlage abgeben.

O.k., das ist einmal, was ich zu sagen hätte. Und jetzt freue ich mich und bitte um Wortmeldungen. <Tonausfall ...> wenn jemand das Mikrophon braucht. Gibt es Wortmeldungen? <Tonausfall ...> Dann ist das auch kein Problem. <Tonausfall ...> Darf ich das als Kompliment auffassen? Ich darf vielleicht noch etwas zum Motiv für diese, für diesen Vortrag, lecture sagen. Ich spreche natürlich hier als Philosoph und bin überzeugt davon, dass die ganze Protestbewegung hier nicht nur einzelne konkrete Probleme adressiert, sondern eigentlich weit in die Gesellschaftsproblematik überhaupt hineinreicht, dass sie nicht um Reflexion darüber hinwegkommen wird, auch philosophisch und wissenschaftstheoretisch zu reflektieren, worin die Studien in der Systematisierung und in der inhaltlichen Bestimmung genau bestehen sollen. Das ist jetzt natürlich eine abstrakte Forderung. Aber ich glaube, dass es nicht getan sein wird, darüber zu sprechen, dass es nicht getan sein wird, sich an festen, an einzelnen konkreten Punkten wie der Funktion der Studieneingangsphase festzubeißen. Aber, ja, ich glaube, das ist, glaube ich, klar. Ja. Ja bitte gerne. Danke für die Aufmerksamkeit!

<Referenzen: Aristoteles, De anima, gr./dt., übers. v. Willy Theiler, hg. v. Wilhelm Biehl/Otto Apelt u. Horst Seidl, = PhB 476, Hamburg: Meiner 1995; Martianus Capella, Die Hochzeit der Philologia mit Merkur, übers. u. hg. v. Hans Günter Zekl, Würzburg: Königshausen und Neumann 2005 (De nuptiis Philologiae et Mercurii <ca. 410-525>); René Descartes, Meditationes de Prima Philosophia/Meditationen über die Erste Philosophie, lat.-dt., hg. u. übers. v. G. Schmidt, = UB 2888, Stuttgart: Philipp Reclam jun. 1986; Michel Serres, Die fünf Sinne. Eine Philosophie der Gemenge und Gemische, übers. v. Michael Bischoff, = stw 1389, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1998.>

© Peter Mahr 2016


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