mahr'svierteljahrsschriftfürästhetik

1 (1998), Nr. 2/September

Miszelle

11. Der Kampf ums Pistazieneis. Beobachtung der Modefarben des Jahres 1998. 1949 Zeichen.

Henna, die Melancholie der ersten Haarfarbe der Subkultur in einer Zeit, der Jetztzeit, in der das bunte Färben einzelner Haarsträhnen selbst für nicht mehr ganz junge Männer möglich geworden ist, aber auch das Violett bischöflicher Ecclesia machen die Tatasache nur noch deutlicher: Zwei Grüns kämpften 1998 um die Dominanz der Modefarbe: ein etwas ins weiß gezogenes Pistazien-Eis-Grün und ein kaum oder agr nicht durch Weiß aufgehelltes GrünGelb der Primärfarben, das besondere Leuchtkraft zu enthalten schien. Kein Wunder, daß letztere Farbe für Sportartikel, Leibchen und - über Unisex zum NON-Sex hinaus - für die von seinem Liebhaber bemalte Felge seines Motorrads genommen wurde. Erstere Farbe dagegen erschien auf das weibliche Geschlecht hin orientiert, für leichte Kleider oder Blusen, während für die Herren ein blasses Gelb-Beige-Derivat, in dem ein Grün-Ton als unschicklich erachtet worden wäre, dunkleren dünnen Gitter zugeordnet werden konnte, etwa für Sakkos. Zweifellos haben wir es mit einer mimetischen wie oppositionellen Modifikation des zu Ehren gekommenen Trockenblattgrün zu tun. Zum Schutzfarbenorange, das von Ravern in den frühen 90er Jahren mit der Kleidung von den Straßenkehrern (inklusive der Arbeitshelme, neben Grubenhelmen mit eingebauten Lampen) und 1994/95 vom Fashiondesign als Modefarbe übernommen worden war, war wieder aus dem Undergroundbereich heraus 1996 ergänzend Braun und dann auch schon jenes Marihuana/Military-Grün gefolgt, das an der Wende 1996/97 farbstrukturell mit den entsprechenden Primärfarben "gelb", "blau", "rot", also jeweils mit Weiß/Grauanteil komplettiert wurde. Doch 1998 war damit nicht erschöpft. Schließlich hat die Herbstmode ein verblasstes Himmelblau oder ein Hellblau mit einem kleinen Grauanteil wie als einen letzten Abgesang auf die Blue-Collar-Klasse dazugegeben, das zur slackerhaft eleganten Kombination mit rotbraunen Erdfarben angeboten wird - eine spezielle Note, die sich nicht erst breit durchsetzen mußte. Denn die Hauptschlacht war schon geschlagen.

Peter Mahr (c) 1998

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