peter.mahr

<2013.7>: Miszelle. Auf das Aufräumen! 3367 Zeichen. online 23 Dec 2013.  .html


Der Buridansche Esel steht auch vor diesem Paradoxon. Du kannst nicht aufräumen, wenn es nicht sauber ist; du kannst nicht säubern, wenn nicht vorher aufgeräumt ist. Wo anfangen? Psychologisch gewendet, könnte das als erstes und durchaus nicht letztes Hindernis des Entschlusses und Beginnens des Aufräumens ausgemacht werden. Und abgeräumt wird nicht, was nicht nur Ursprung der Spörrischen Fallenbilder ist. Was winkt, ist der Preis des Aufbruchs zu neuen Ufern, Umbauten, Stiftungen, und sei es nur der Platz auf dem Sofa der Gäste, die sonst nicht kommen können. Daher: So aufschlußreich die Analyse Heideggers im § 22 von Sein und Zeit auch ist, sie hat etwas Zwanghaftes und Konservatives, dieses immer schon Hergestelltsein des Set-up. Das wird am Ordnung-Halten eines Privathaushalts deutlich. Gewiß, auch wenn eine andere Person bis zu einem gewissen Maß das Aufräumen abnimmt, wer käme nicht um das Aufräumen herum? Wie auch immer, Aufräumen erstens stellt Sachen an ihren Platz zurück (einschließlich: Nachschub: Kleider, Lebensmittel – hier wurden zuvor Dinge verbraucht oder auch weggeworfen, wiederum in aufgeräumter Methode, also in Abfallsortierung: Lebensmittel, öffentliche und private (zu schreddernde) papiere, Plastik, Metall, weißes und buntes Glas), stellt sie zu benachbarten Sachen zusammen, gruppiert und räumt ihnen mehr (Schuhe) oder weniger seriell (Paste, Zahnbürste, Seide) einen Platz ein. Wunderbar, wie sehr sich der Geist erholt! Von oft heteronomer Aufmerksamkeit am Bildschirm und anderen Arbeiten wenden sich die Gedanken erleichtert und erfrischt menschlichen Verhältnissen zu, als ob wir unser ganzes Leben ein Stück weit aufräumen und in durchaus neue Ordnungen der Dinge bringen. Und das gilt auch von den verwandten Tätigkeiten, egal ob sie dem Aufräumen neben- oder untergeordnet sind. Beim Putzen zweitens werden Schmutz und Abfall, liquidierend wischend oder trocken kehrend abstaubend, an seinen (vorläufigen) Platz getan: in den Eimer, die Abwasch, den Papierkorb, die Waschmaschine, den Wäsche- und Bügelkorb; mit Geschirr und Fenster als Spezialfälle. Beim Reparieren drittens wird ein Ding in sich aufgeräumt, heißt: in seiner je eigenen räumlichen Verfasstheit wiederhergestellt, instandgesetzt. Aufgrund ihrer Lebendigkeit und Selbsterhaltung und -aufräumung sind Pflanzen Spezialfälle; sie zu stutzen, umzutopfen, vertrocknende Blätter abzunehmen, läuft auf Pflege viertens hinaus. Das Aufräumen ist ein konzeptuell offenes System, indem es von der Sorge allgemein nicht abgeschlossen werden kann. Jene vier in unseren westlichen fortgeschrittenen Industriegesellschaft privat wenig geliebten Tätigkeiten laufen jedoch, wenig bewußt, aufs sich einstellende gute Befinden hinaus. Aufgeräumt wird mit Recht die Stimmung genannt, die sich über das Aufräumen hinaus einstellt. Ist das Aufräumen nicht doch subversiv, indem die Wiederherstellung eines Zustands immer auch eine Differenz setzt?


Noch nicht gelesen: Nicole C. Karafyllis, Putzen als Passion. Ein philosophischer Universalreiniger für klare Verhältnisse, Berlin: Kadmos 2013. Dazu das Interview von Anke Groenewold mit Nicole Karafyllis: http://www.nw-news.de/owl/kultur/9111542_Philosophin_Nicole_C._Karafyllis_ueber_das_Putzen_als_Passion.html Die ersten neun Seiten: http://ssl.einsnull.com/paymate/dbfiles/pdf/resource/2338.pdf