DIE EMOTIONSTHEORIE VON ROBERT PLUTCHIK
Die von dem amerikanischen Psychologen Robert Plutchik entwickelte psychoevolutionäre
Emotionstheorie gehört zu den bekanntesten neueren Emotionstheorien.
Er hat sie zwischen 1958 und 1980 ausgearbeitet und danach keine wesentlichen
Veränderungen mehr vorgenommen. Er versuchte, seine Theorie systematisch
auch in Form von Postulaten zusammenzufassen. Da Plutchiks Theorie große
Ähnlichkeit mit der Instinkttheorie von Mc-Dougall aufweist, könnte
man sie als vereinfachte Fassung der Theorie von Mc Dougall ansehen.
Plutchik nimmt an, daß Emotionen in der Phylogenese durch natürliche
Selektion entstanden sind und somit eine genetische Grundlage haben. Er
behauptet die Existenz von 8 primären Emotionen. Diese beruhen auf
Mechanismen zu Verhaltensweisen, die zur Bewältigung von "grundlegenden
Anpassungsproblemen" (Nahrungsaufnahme, Fortpflanzung, Schutz vor Feinden)
entstanden sind.
Die wichtigsten Postulate der Emotionstheorie von Plutschik
(nach Plutschik, 1980a 1993)
Seine Emotionsdefinition lautet in einem Satz:
"Eine Emotion ist eine erschlossene komplexe Abfolge von Reaktionen
auf einen Reiz; sie umfaßt kognitive Bewertungen, Veränderungen
im subjektiven Erleben, Aktivierung des autonomen und zentralen Nervensystems,
Handlungsimpulse sowie Verhalten, welches dazu bestimmt ist, auf denjenigen
Reiz einzuwirken, der die komplexe Sequenz ausgelöst hat."
(Plutschik, 1984, S.217)
Die Abfolge von psychischen und körperlichen Zuständen stellt
Plutchik als sequentielles Modell dar. Der erste Schritt der Reaktionssequenz
Emotion besteht in der Bewertung der wahrgenommenen Reize hinsichtlich
ihrer Bedeutung für das Wohlergehen des Individuums. Bei Wahrnehmung
eine Aggressors z.B. kommt es zur kognitiven Einschätzung "Gefahr".
Die kognitive Einschätzung löst im nächsten Schritt
Gefühle
aus (hier z.B. Furcht) sowie emotionsspezifische physiologische Reationen
(im Fall von Furcht z.B. eine erhöhte Aktivität des autonomen
Nervensystems).
Die emotionsspezifischen Handlungsimpulse (z.B. der Impuls davonzulaufen)
verursachen bestimmte Handlungen, die ihrerseits bestimmte Auswirkungen
auf die Situation haben können (z.B. Schutz vor Bedrohung). Diese
Auswirkungen können die emotionsauslösende Situation und als
Folge davon die verschiedenen Komponenten der Emotion über Rückkoppelungsschleifen
verändern,
sodaß ein Gleichgewichtszustand zwischen Person und Situation wiederhergestellt
wird.
Primäre Emotionen
Maßgeblich für die Erstellung eines Konzeptes primärer Emotionen ist für Plutchik die Überlegung, daß Emotionen als psychologische Prozesse bzw. Reaktionssequenzen auf ererbten Dispositionen zu fundamentalen adaptiven Verhaltensweisen beruhen. Er postuliert 8 Verhaltensweisen, die biologischen Funktionen entsprechen. Jeder der adaptiven Verhaltensweisen ist eine primäre Emotion zugeordnet:
1. Sich schützen – Furcht
2. Zerstören - Ärger
3. Sich fortpflanzen - Freude
4. Reintegrieren - Traurigkeit
5. Einverleiben, Akzeptieren - Vertrauen
6. Zurückweisen - Ekel
7. Erkunden - Erwarten
8. Sich orientieren - Überraschung
In Weiterverarbeitung unter dem Gesichtspunkt der Ähnlichkeit und Gegensätzlichkeit ihrer Qualität ordnet Plutchik die 8 primären Emotionen in einem Kreismodell an, wobei Emotionen, die einander ähnlich sind, nebeneinander, Emotionen mit gegensätzlicher Qualität einander gegenüberliegen. Zu diesem zweidimensionalen Modell kommt als dritte Dimension noch die Intensität von Emotionen hinzu, sodaß das resultierende strukturelle Modell einer halbierten Orange ähnelt: Je intensiver die Emotion, desto weiter oben auf der vertikalen Intensitätsdimension – je geringer die Intensität, desto geringer der Unterschied zwischen den Emotionen und desto weiter unten die Anordnung.
Sekundäre Emotionen
Immer dann, wenn die Bewertung eines Ereignisses oder Reizes in mehr
als einer emotionsspezifischen Einschätzung resultiert, treten zwei
oder mehrere Primäremotionen gleichzeitig auf und es kommt zu komplexen,
sekundären
Emotionen, die je nach Ähnlichkeit der beteiligten Primäremotionen
entweder als Dyaden oder als Triaden erscheinen. Danach ergeben
unmittelbar benachbarte Primäremotionen primäre Dyaden(Freude
und Akzeptieren ergeben Liebe). Mischungen von zwei durch eine dazwischenliegende
Emotion getrennte Primäremotionen ergeben
sekundäre Dyaden
(Ärger und Freude ergeben Stolz) und Kombinationen von Primäremotionen,
die durch zwei dazwischenliegende Emotionen voneinander getrennt sind,
also relativ unähnlich sind, ergeben tertiäre Dyaden .(z.B.
Scham aus der Synthese von Furcht und Ekel).
Treten schließlich entgegengesetzte primäre Emotionen gleichzeitig
auf (Konflikt!)(z.B.: Ärger: Angriff und Furcht: Fluchttendenz), können
sie sich, sofern sie gleich stark sind, gegenseitig "hemmen oder neutralisieren"und
es kann zu einer Immobilisierung des Handelns kommen.
KRITIK DER GRUNDANNAHMEN DER BASISEMOTIONSTHEORIEN
Die Annahme: Eine Teilmenge der Emotionen, die Primär- oder Basisemotionen,
seien biologisch und psychologisch grundlegend, ist die zentrale These
von zumindest einer bedeutsamen Gruppe evolutionspsychologisch orientierter
Emotionstheorien.
Im Folgenden die wichtigsten Kritikpunkte gegen die 2 Grundannahmen
der Basisemotionstheorien unter bevorzugter Berücksichtigung der Theorien
von Mc Dougall und Plutchik:
Es gibt zwischen den einzelnen Theoretikern erhebliche Unterschiede
in Bezug auf Anzahl und Identität der Basisemotionen sowie der
Kriterien, die eine Emotion erfüllen muß, um zu den Basisemotionen
gerechnet zu werden.
Die Tatsache, daß bisher keine allgemeine Übereinstimmung
in Bezug auf die Identität der Basisemotionen erzielt wurde, mag zwar
skeptisch stimmen, beweist aber nicht, daß es keine Basisemotionen
gibt, die nicht durch weitere Forschung bestätigt werden könnten.
Darüber hinaus könnte die unterschiedliche Namensgebung für
ein und dieselbe Primäremotion eine Teilschuld an den Abweichungen
tragen. Weiters führen verschiedene Autoren unterschiedliche Kriterien
zur Klassifikation einer Emotion als biologisch grundlegend an:
Zur Erhärtung empirischer Evidenz müßte man mindestens
nachweisen,
daß die entsprechenden Emotionen tatsächlich durch die postulierten,
emotionspezifischen Aspekte oder Komponenten charakterisiert sind, wie
sie insbesondere emotionsspezifische Muster peripher-physiologischer Veränderungen,
spezifische Handlungstendenzen, spezifische Gefühle und emotionsspezifische
Auslöser oder etwa auch emotionsspezifische Gesichtsausdrücke
oder sogar zentralnervöse Veränderungen darstellen.
Im Folgenden eine kurze Übersicht über die postulierten Funktionen
und die relevanten Befunde:
Die relativ überzeugendsten Belege liegen bisher für die
Emotionsspezifität des mimischen Ausdrucks vor, jedoch legen
theoretische Überlegungen und empirische Befunde nahe, daß emotionale
Gesichtsausdrücke weniger eng mit Emotionen verbunden sind, als man
laut evolutionspsycholgischer Theorien erwarten sollte, denn emotionale
Gesichtausdrücke können auch in Abwesenheit der jeweiligen Emotion
auftreten, während sie in Anwesenheit der Emotion häufig fehlen.
Die Befunde zur Existenz emotionsspezifischer peripher-physiologischer
Veränderungen sind zu einem großen Teil widersprüchlich
und teilweise nicht repliziert.
Daß einige Emotionen mehr oder weniger regelmäßig
mit bestimmten Handlungsimpulsen verbunden sind ( z.B. Furcht –
Flucht, Ärger – Impuls, Gegner zu schädigen), ist plausibel,
die Alltagserfahrung und einige empirische Befunde weisen aber darauf hin,
daß der Zusammenhang zwischen Emotionen und Handlungstendenzen nicht
so eng ist, wie Mc Dougall und Plutchik das annehmen . Z.B. kann vermutlich
ein und dieselbe Emotion in unterschiedlichen Situationen zusammen mit
unterschiedlichen Handlungstendenzen auftreten (Beispiel: Furcht – Flucht
oder sich verstecken oder sich totstellen oder sich durch einen Angriff
verteidigen). Umgekehrt können dieselben Handlungen und Handlungsimpulse
je nach Situation auch bei unterschiedlichen Emotionen auftreten (man kann
z.B. aus Furcht oder Wut angreifen).
Zur Diskussion um das Gefühlserleben schließen die
Autoren, daß die postulierte körperliche Grundlage hinfällig
wäre, wenn peripher-physiologische Veränderungen weitgehend emotionsunspezifisch
sein sollten.
Die Einschätzung, daß unterschiedliche Basisemotionen durch
unterschiedliche Muster von Situationseinschätzungen charakterisiert
sind, findet sich bei Plutchik, in abgeschwächter Form bei Mc Dougall
und konnte in den letzten Jahren in zahlreichen intrakulturellen sowie
einigen interkulturellen Untersuchungen bestätigt werden.
Zur Behauptung der biologischen Funktion der Basisemotionen
im
Sinne der Effektivität, bestimmte wiederkehrende Anpassungsprobleme
zu lösen, gibt es sehr wenig empirische Untermauerung oder Versuche
dazu. Es wird statt dessen zumeist auf die "Augenscheinfunktionalität"
vertraut.(Für Ekel, Überraschung und Furcht ist ein denkbarer
biologischer Nutzen leicht zu finden, für Trauer und Freude nicht
so offensichtlich).
Daher erhebt sich die Forderung, den Augenschein durch unabhängige
Evidenz zu erhärten.
Sind Basisemotionen psychologisch grundlegend?
Die Annahme der Emotionstheoretiker, Basisemotionen wie Ärger, Furcht oder Ekel seien durch ein emotionsspezifisches, nicht weiter analysierbares Gefühl gekennzeichnet, läßt sich wahrscheinlich nicht halten, da die angeblichen Basisgefühle bestimmte Gefühlskomponenten teilen. Darauf haben die Introspektionisten der Jahrhundertwende schon hingewiesen; überdies sind die meisten Emotionen entweder lustvoll oder unlustvoll, haben also gemeinsame Komponenten. Dementsprechend könnten die meisten Basisefühle aber als Varianten der noch grundlegenderen Gefühle Lust und Unlust aufgefaßt werden. Diese alternative (Basis-)Emotionstheorie wurde und wird bis heute von verschiedenen Theoretikern vertreten.
Die Herleitung der Sekundäremotionen von den Primäremotionen
zerfällt in zwei unterschiedliche Theorien:
1. Sekundäremotionen beruhen auf Komplexen oder Mischungen von
zwei oder mehreren Primäremotionen (sie wird in ihrer Ausschließlichkeit
insbesondere von Plutchik vertreten)
2. Sekundäremotionen beruhen auf einer oder mehreren Primäremotionen
plus weiteren Komponenten, insbesondere bestimmten bewertenden Kognitionen
über die auslösende Situation. Genauer: Ein unanalysierbares
Basisgefühl und eine bestimmte Situationseinschätzung, welche
das Basisgefühl verursachte (z.B. Traurigkeit und Einschätzung,
einer andern Person sei ein Leid geschehen, würde im sekundären
Gefühl "Mitleid" resultieren).
Bisher konnten keine überzeugenden Belege für die Theorie,
daß die postulierten Primäremotionen die Grundlage für
die übrigen Emotionen abgeben, vorgelegt werden. Darüber hinaus
lassen sich intuitiv gegen jede existierende Analyse von Sekundäremotionen
Gegenbeispiele bringen. Da aber die Methodik der Untersuchung sowie die
Einschränkung auf nur einige bestimmte Basisemotionstheorien die Resultate
beeinträchtigt haben könnten, bleibt zumindest theoretisch die
Möglichkeit einer späteren überzeugenderen Beweisführung.
MODERNE EVOLUTIONÄRE PSYCHOLOGIE
Schon Mc Dougall hatte die Schaffung einer "Evolutionären Psychologie" gefordert, welche die Grundlage der Sozialwissenschaften darstellen solle. Ihre Aufgabe besteht nach Mc Dougall darin, die Evolutionstheorie Darwins auf den Bereich des Psychischen anzuwenden. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, stimmt die moderne Evolutionäre Psychologie in Bezug auf ihre Grundannahmen und Ziele weitgehend mit Mc Dougalls Intentionen überein.
Grundannahmen, Ziele und Methoden der modernen Evolutionären Psychologie
Grundlegende Annahmen:
Die Evolutionäre Psychologie versteht sich nicht als Teildisziplin
der Psychologie sondern als theoretisches Paradigma, das bedeutet: eine
bestimmte Sichtweise der menschlichen Psyche und eine sich daraus ergebende
theoretische und methodische Herangehensweise an die Probleme der unterschiedlichen
psychologischen Teildisziplinen.
Dieses Paradigma begreift sich als Alternative zu der seit den 20-er
Jahren bis in die 70-er Jahre dominierenden Ansicht, daß die Architektur
der menschlichen Psyche zur Hauptsache aus einigen wenigen, bereichsunspezifischen
Allzweckmechanismen bestehe. Die moderne Evolutionäre Psychologie
schließt an die ältere Sichtweise der Pysche an, die von Mc
Dougall und anderen Instinkttheoretikern der Jahrhundertwernde vertreten
wurde. Sie nimmt an, daß die in der Evolution entstandene Architektur
der menschlichen Psyche voll von spezialisierten Schaltkreisen und Steuerungsmechanismen
ist, welche die Art und Weise lenken, wie wir Erfahrungen interpretieren,
Wissen erwerben und Entscheidungen fällen.
Es gab in der evolutionären Geschichte des Menschen für das
Individuum über Generationen hinweg immer wieder auftretende Probleme,
deren Lösung einen Anpassungsvorteil brachte. Zur Bewältigung
dieser zahlreichen Anpassungsprobleme haben sich durch natürliche
Selektion entsprechend viele verschiedene, bereichsspezifische, sogenannte
"evolutionäre
psychische Mechanismen" ("EP-Mechanismen") herausgebildet.
Ein EP-Mechanismus ist eine informationsverarbeitende Struktur oder ein Programm, für das gilt:
-) Die Beschränkung auf nur einige wenige Allzweckmechanismen hätten
zur effizienten Lösung der meisten adaptiven Probleme nicht gereicht.
Verschiedene Informationsverarbeitungsprobleme haben gewöhnlich verschiedene
Lösungen, und die Umsetzung dieser Lösungen erfordert voneinander
verschiedene, auf die jeweilige Funktion spezialisierte Mechanismen. (Vergleich
der Architektur der menschlichen Psyche mit einem Schweizer Taschenmesser,
dessen Nützlichkeit darauf beruht, daß es eine große Anzahl
von Komponenten hat, von denen eine jede gut zur Lösung eines unterschiedlichen
Problems geeignet ist.)
-) Das zweite Argument lautet: Die Auffassung, die Psyche bestehe aus
einigen wenigen Allzweckmechanismen erweist sich in den letzten Jahren
empirisch als zunehmend problematisch, dagegen häufen sich die Befunde,
die für eine mehr oder weniger starke Bereichsspezifität psychischer
Mechanismen sprechen.
Ziele und Methoden der Evolutionären Psychologie:
Das zentrale Anliegen der Evolutionären Psychologie besteht darin,
die in der Evolution entstandenen EP-Mechanismen zu identifizieren und
ihre Funktionsweise aufzuklären; "sie erforscht die durch natürliche
Selektion entstandenen ‚Konstruktionsmerkmale‘ derjenigen Mechanismen,
die Verhalten kontrollieren."
Zur Lösung dieser Aufgabe ist es notwendig, zu untersuchen, welche
konkreten Anpassungsprobleme in der evolutionären Geschichte des Menschen
existierten und zu überlegen, in welcher Weise bzw. durch welche EP-Mechanismen
sie gelöst worden sein könnten. Die konkrete Fragestellung lautet
also: Welche biologische Funktion könnte dieses Verhalten bzw. der
ihm zu Grunde liegende Mechanismus haben?
Die funktionelle Betrachtungsweise ist wesentlich für die
Evolutionäre Psychologie: Es wird untersucht, welche Funktion
ein Merkmal hat bzw. aufgrund welcher Wirkung es gegenüber Alternativen
selektiert wurde.
Zum Nachweis, daß ein in Frage stehender psychischer Mechanismus
ein EP-Mechanismus ist, muß gezeigt werden, daß dieser Mechanismus
zur Bewältigung eines Anpassungsproblems entstanden ist. Starke Hinweise
darauf stellen folgende Merkmale dar:
1. Der in Frage stehend Mechanismus tritt speziesweit (beim Menschen:
interkulturell) auf
2. Es gibt ein Anpassungsproblem, das dieser Mechanismus löst,
und er löst es besonders effizient
3. Seine Existenz kann nicht besser durch die Annahme erklärt
werden, daß er ein Nebenprodukt einer anderen Anpassung oder eine
zufällige Entwicklung darstellt.
EINE ILLUSTRATION NEUERER EVOLUTIONSPSYCHOLOGISCHER
FORSCHUNG:
DIE ANALYSE SEXUELLER EIFERSUCHT
Die Evolutionäre Psychologie ist keineswegs auf die Erforschung
der den Emotionen zu Grunde liegenden EP-Mechanismen beschränkt, doch
sind Emotionen Musterbeispiele von EP-Mechanismen.
Es finden sich zwar bislang nur wenige Arbeiten, die auf der Grundlage
einer evolutionspsychologischen Analyse von Emotionen spezifische Hypothesen
abgeleitet und einer empirischen Überprüfung unterzogen haben,
zum Thema geschlechtsspezifischer Unterschiede in Bezug auf die Auslöser
von Eifersucht liegen allerdings schon eine ganze Reihe von relevanten
Arbeiten mit gut replizierten Ergebnissen vor.
Anhand dieser Arbeiten sollen im Folgenden mögliche Fragestellungen,
Hypothesen und empirische Überprüfungen einer modernen Evolutionspsychologie
der Emotionen illustriert werden.
Eifersucht ist (nach Daly, Wilson und Weghorst:1982) ein emotionaler
Zustand, "der durch die wahrgenommene Bedrohung einer wertgeschätzten
Beziehung oder Position (durch einen Rivalen oder eine Rivalin) ausgelöst
wird und Verhalten motiviert, das darauf abzielt, dieser Bedrohung entgegenzuwirken.
Eifersucht ist ‚sexuell‘, wenn die wertgeschätzte Beziehung sexueller
Natur ist".
Im Gegensatz zu den früher erwähnten Basisemotionstheoretikern
sind einige gegenwärtige evolutionspsychologisch orientierte Autoren
der Ansicht, daß Eifersucht durchaus zu den primären Emotionen
gerechnet werden sollte. Für diese Auffassung läßt sich
zunächst ins Feld führen,
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Buss et al. (1992): Amerika |
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Buunk et al.(1996): Amerika |
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Holland |
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Deutschland |
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Für diese Divergenzen zwischen den einzelnen Ländern sind
mehrere Erklärungen denkbar:
-) mangelnde Vergleichbarkeit der Stichproben
-) übersetzungsbedingte Unterschiede zwischen den vorgelegten
Szenarien
-) kulturelle Unterschiede in den Einstellungen gegenüber Sexualität
Buss et al. (1992) überprüften die Hypothese geschlechtsspezifischer Unterschiede in Bezug auf die Auslöser sexueller Eifersucht noch in einer weiteren Studie, in der als Index für die Intensität der Eifersucht nicht subjektive Angaben, sondern physiologische Reaktionen verwendet wurden.
Männliche und weibliche Studierende hatten sich jeweils 3 Situationen
intensiv vorzustellen:
-) Eine neutrale Situation
-) Sexuelle Untreue
-) Emotionale Untreue
Währenddessen wurde die elektrische Hautleitfähigkeit an der
Hand der Personen gemessen (für die die Schweißdrüsenaktivität
von besonderer Bedeutung ist).
Ergebnis: Bei Männern trat bei der Vorstellung sexueller Untreue
der Partnerin eine signifikant größere Zunahme der Hautleitfähigkeit
auf als bei der Vorstellung emotionaler Untreue, während sich für
die Frauen der umgekehrte Befund ergab.
Der Autor will nun diese Ergebnisse überwiegend als Stütze
für die zur Debatte stehende evolutionspsychologische Hypothese werten,
meint aber, daß die Aussagekraft der Untersuchungen dadurch eingeschränkt
würde, daß in diesen Studien ausschließlich hypothetische
Situationen thematisiert wurden. Ob die ausgelösten Gefühle hinsichtlich
Qualität und Intensität jedoch mit denen vergleichbar seien,
die in entsprechenden Realsituationen auftreten, sei nicht sicher.
Ein weiterer Erklärungsansatz (Wiedermann und Allgeier, 1993)
aus der Lern- bzw. Sozialisationstheorie wäre die nach Geschlechtern
aufgrund ihrer Erziehung unterschiedene Valenz sexuellen Erfolgs bzw. emotionaler
Verbundenheit für die Partnerschaft. Für Frauen würde emotionale
Untreue das von ihnen als bedeutsam erachtete Beziehungsziel in Frage stellen
und demgemäß Eifersucht auslösen, für Männer
aus diesem Grund sexuelle Untreue. In einer Untersuchung ergab sich zwischen
den beiden Varianten eine negative Korrelation.
Einer 2. lern- bzw. sozialisationstheoretischen Alternativerklärung
(DeSteno und Salovey 1996) zufolge sollen die geschlechtsspezifischen Unterschiede
im Antwortverhalten in den Untersuchungen von Buss und Buunk et al. darauf
zurückzuführen sein, daß Frauen und Männer im Lauf
ihrer Sozialisation unterschiedliche Überzeugungen über den Zusammenhang
zwischen emotionaler und sexueller Untreue des Partners bzw. der Partnerin
erworben haben. Männer neigen dazu, bei Vorliegen weiblicher sexueller
Untreue auch auf emotionale Untreue zu schließen, Frauen scheinen
eher immer dann, wenn Männer emotional untreu sind, sexuelle Untreue
zu implizieren und darum eifersüchtig zu werden.
Zur empirischen Überprüfung dieser Erklärung legten DeSteno und Salovey (1996a) den Versuchspersonen das gleiche Szenario vor wie Buss (1992), zusätzlich zu der Entscheidung, aufgrund welcher der beiden Formen der Untreue man stärker aufgebracht wäre, hatten die Vpn jeweils auf einer 9-Punkte-Skala einzuschätzen,
Kritik: Ethnisch-kulturelle Faktoren werden nach der Untersuchung
von Buunk nicht mehr berücksichtigt.
Literaturverzeichnis:
Meyer, W.U., Schützwohl, A. & Reisenzein, R. (1997). Einführung in die Emotionspsychologie. Band II. Evolutionspsychologische Emotionstheorien. Verlag Hans Huber.