Guten Abend, meine Damen und Herren, ich freue mich sehr, dass ich heute die Ausstellung „Entgrenzung“ von Maximilian Gottschlich eröffnen darf. Es ist gewissermaßen für uns beide ein Erlebnis „back to the roots. Das Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien ist mein Heimatinstitut, an das ich für diesen Abend mit großer Freude zurückkehre.

Back to the roots - zurück zu den Wurzeln heißt es heute auch für Maximilian Gottschlich. Geboren 1948 in Wien, meinte er als Jugendlicher, dass seine Berufung in der Malerei liege. Angespornt durch viele anregende Gespräche mit seinem jüdischen Vater, durch die Auseinandersetzung mit seiner Familiengeschichte und durch etliche Besuche im damaligen 20er Haus, begann Gottschlich zu malen. Es gab da aber immer ein Spannungsfeld zwischen dem Malen und dem Wort. Letztlich hat das Wort gesiegt und er wurde Journalist. Die Malerei musste – fürs erste warten.

„Es war nicht schmerzhaft. Es ist einfach ausgelaufen. Es war für mich nicht abendfüllend. Das lyrische Wort und der Umgang mit dem Journalismus sind in den Fokus meines Interesses gerückt. Dann kam die Wissenschaft und da blieb kein Raum für anderes. Das analytisch-rationale Denken und Schreiben, das Sich-Abstützen in der Argumentation stand im Mittelpunkt. Das Sich-Frei bewegen können war weg. Die wissenschaftliche Laufbahn hatte eine Dimension bekommen, die sich nicht positiv auf das Kreative ausgewirkt hat, sagt Maximilian Gottschlich über seinen damaligen Weg.

Heute weiß er, weshalb er in jungen Jahren sehr bald wieder aufgehört hatte zu malen. Die Phase dazwischen war wichtig: Jede Anschauung lebt nicht ohne Begrifflichkeit. In seiner Anfangsphase als Maler habe er experimentiert, er wollte Botschaften vermitteln, doch das Rüstzeug sei noch nicht da gewesen. Etwas ausdrücken wollen, das war ihm in der Kunst schon damals ein Anliegen. Heute ist er dabei, seine Sprache in der Kunst zu finden. Seine Arbeiten leben durch eine unglaubliche Heterogenität, eine Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten.

„Wissenschaft und Kunst sind keine Gegensätze – sie repräsentieren nur unterschiedliche Interaktionssphären, mit deren Hilfe wir nicht nur Anschauungen über die Wirklichkeit, sondern die Wirklichkeit selbst hervorbringen …“, so Maximilian Gottschlich. Im Unterschied zur Wissenschaft gibt man in der Kunst viel von sich selbst preis. Sein Motto: Überzeugungen haben, und sich dazu bekennen!

Sich hinter neutraler Wissenschaftlichkeit zu verstecken war nie sein Fach. Was man denkt, auch transparent zu machen, das bringt dem Künstler eine weitere Dimension, sich seelisch öffnen. Durch seine Arbeit lässt er Einblicke in die intimsten Bereiche seiner Seele zu. Dem heutigen Abend stand er bang gegenüber, aber auch mit der gehörigen Portion an Neugier: Die interessante Selbsterfahrung besteht darin, dass der Künstler im Unterschied zur Wissenschaft hier schutzlos ist, der Künstler ist dem Urteil der anderen ausgeliefert.

Die Lebensthemen von Maximilian Gottschlich sind in der Wissenschaft die gleichen wie in der Kunst, die Grenzgängerschaft hat ihn immer interessiert. Das Gegebene zu übersteigen. Das Gegenständliche zieht ihn in der Kunst nicht an. Auch hier steht das Geistige, die Spiritualität im Mittelpunkt. Der Raum hinter dem Sichtbaren. In der abstrakten Kunst und in diesem Rahmen will er seine eigene Sprache finden.

Eine große Rolle spielt auch die Grenzgängerschaft zwischen Judentum und Christentum. Sich selbst bezeichnet er als „jüdisch imprägnierter Christ“. Er fühlt seine Heimat in beiden Religionen und ist zutiefst davon überzeugt, dass beides zusammengehört. Fragen jüdisch-christlicher Verständigung und Spiritualität ziehen sich wie ein roter Faden durch sein Leben und machen ihn offen für Erfahrungen aus beiden Religionen – aus denen er auch viel Kraft und Energie schöpft. Hier spielt er eine essentielle Rolle, als Botschafter des Dialogs.

Erlauben Sie mir, an den Schluss das Zitat eines Künstlers zu stellen, den wir beide – back to the roots - sehr verehren. Marc Chagall: „Mein Vater hatte blaue Augen, aber seine Hände waren voller Schwielen. Er arbeitete, er betete, er schwieg. Wie er, war auch ich schweigsam. Was sollte aus mir werden? Sollte ich so mein ganzes Leben lang bleiben, vor einer Wand sitzend oder sollte ich ebenfalls Tonnen schleppen? Ich betrachtete meine Hände. Ich hatte zu zarte Hände. Ich musste einen besonderen Beruf finden, eine Beschäftigung, die mich nicht zwingen würde, mich vom Himmel und den Sternen abzuwenden, und die mir erlauben würde, meinen Sinn des Lebens zu finden. Ja, genau das suchte ich. In meiner Heimat jedoch hatte niemals jemand vor mir die Worte ‚Kunst, Künstler’ ausgesprochen. ‚Was ist das, ein Künstler?’ fragte ich.“
In diesem Sinn wünsche ich der Ausstellung viel Erfolg und Maximilian Gottschlich viel Kraft für seine weiteren schöpferischen Aktivitäten.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Dr. Danielle Spera,
Jüdisches Museum Wien, Direktorin