FWF: „Zu Diensten, Ihre Majestät!“: Management-Tools der Corporation „Kaiserhof“

Dass der Wiener Kaiser­hof mit sein­er gewalti­gen Größe von bis zu 3.000 Beschäftigten effizient wie ein Unternehmen „gem­anagt“ wurde, zeigen His­torik­er jet­zt erst­mals detail­liert auf. So unter­suchen sie aktuell die soge­nan­nten Instruk­tions­büch­er, die dem Hof­per­son­al genaue Anweisun­gen gaben, wer welche Auf­gabe wie zu erledi­gen hat­te. Durch deren Auswer­tung im Rah­men eines Pro­jek­tes des Wis­senschafts­fonds FWF wird die organ­isatorische Prax­is am Wiener Hof wieder nachvol­lziehbar und in Form ein­er Darstel­lung der bre­it­en Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Der Wiener Hof war wohl eines der ersten Großun­ternehmen. Denn spricht man von der „Größe“ des Kaiser­hofes, ist damit keineswegs dessen Bedeu­tung als eines der wichtig­sten poli­tis­chen Entschei­dungszen­tren Europas gemeint, son­dern dessen tat­säch­liche physis­che Größe: Im Umfang ein­er kleinen Stadt beschäftigte der Kaiser­hof im 17. Jahrhun­dert 1.000 und im 19. Jahrhun­dert bere­its 3.000 Men­schen. Diese küm­merten sich darum, dass der Kaiser sein Essen auf den Tisch bekam, dass die Wäsche gewaschen oder die Pferde ver­sorgt wurden.

Doch wie hat man damals die vielfälti­gen Auf­gaben organ­isiert, wie genau hat der Wiener Hof funk­tion­iert? Umfassende Antworten auf diese Fra­gen geben jet­zt erst­mals Wis­senschaftler des Insti­tuts für Öster­re­ichis­che Geschichts­forschung an der Uni­ver­sität Wien. Im Rah­men des Pro­jek­tes „Zu Dien­sten Ihrer Majestät!“ wer­den die organ­isatorischen Abläufe am Hof rekon­stru­iert und ihnen damit neues Leben eingehaucht.

Strenges Reg­i­ment

Die Koor­di­na­tion der vie­len Beschäftigten, die am Wiener Kaiser­hof die ver­schieden­sten Funk­tio­nen bek­lei­de­ten, bedeutete einen großen Organ­i­sa­tion­saufwand und bedurfte klar­er Entschei­dungsstruk­turen — wie in einem mod­er­nen Unternehmen. Um den Überblick nicht zu ver­lieren und Leer­läufe zu ver­mei­den, griff man am Kaiser­hof auf ein ganz spezielles „Man­age­ment-Tool“ zurück: soge­nan­nte Instruk­tions­büch­er, die nun im Rah­men des Pro­jek­tes analysiert werden.

In den Instruk­tions­büch­ern wur­den Instruk­tio­nen, also Hand­lungsan­leitun­gen für 80 ver­schiedene Ämter am Wiener Hof fest­ge­hal­ten. Diese gaben den Beschäftigten vor, wie Arbeit­sauf­gaben kor­rekt und im Sinne des Hofes erledigt wer­den mussten. Dementsprechend wurde auch gle­ich fest­ge­hal­ten, wie die Bedi­en­steten kon­trol­liert wur­den, welchen Befehlsstruk­turen Folge zu leis­ten war und welche Organ­i­sa­tion­sstruk­tur am Hof generell galt“, so Pro­jek­tleit­er Prof. Mar­tin Scheutz. Aber auch eine Art „Cor­po­rate Iden­ti­ty“ ist in den Instruk­tions­büch­ern enthal­ten: So kommt darin beispiel­sweise immer wieder der Ruf nach Ord­nung, Effizienz und Sparsamkeit vor, wird die wichtige Rolle von Rang und Würde betont oder aus religiös­er Sicht die Angst vor dem Protes­tantismus offensichtlich.

Dem Kaiser(hof) ganz nah

Die Instruk­tions­büch­er wur­den über einen Zeitraum von mehr als 200 Jahren geführt und vom Per­son­al des Ober­sthofmeis­ters, der ober­sten admin­is­tra­tiv­en Instanz, aktuell gehal­ten. Dabei ent­standen vier Bände mit ins­ge­samt 1.400 handgeschriebe­nen Seit­en. Im Rah­men des Pro­jek­tes wird nun eine Edi­tion dieser Hand­schriften ange­fer­tigt und im Anschluss daran aus­gew­ertet, um die Organ­i­sa­tion des Wiener Hofes detail­ge­treu darzustellen. „Unser Ziel ist es, über eine sta­tis­che Beschrei­bung der Organ­i­sa­tion­sstruk­turen hin­auszuge­hen und ein lebendi­ges Bild der Prax­is vom Funk­tion­ieren des Wiener Hofes zu erstellen. Wir wer­den die Organ­i­sa­tion­sebe­nen, die Vorgänge, die Inter­ak­tio­nen und Inter­de­pen­den­zen im Detail betra­cht­en und dicht beschreiben, um die Organ­i­sa­tion am Kaiser­hof als dynamis­chen Prozess darzustellen“, betont Prof. Scheutz.

Während die Edi­tion der bish­er nur hand­schriftlich vor­liegen­den Instruk­tions­büch­er vor allem der nationalen und inter­na­tionalen Forschungscom­mu­ni­ty dienen soll — unter anderem um mit deren Hil­fe Ver­gle­iche zu anderen Höfen herzustellen -, kom­men auch alle Inter­essierten aus der bre­it­en Öffentlichkeit nicht zu kurz. Denn gestützt auf die Edi­tion der Instruk­tions­büch­er wird im Rah­men des FWF-Pro­jek­tes auch eine Darstel­lung zur Organ­i­sa­tion­s­geschichte des Wiener Hofes erarbeitet.

Presseaussendung des FWF: http://www.fwf.ac.at/de/public_relations/press/pv200903-de.html

Abb./Quelle: Öster­re­ichis­ches Staat­sarchiv (OeS­tA-HHS­tA, OMeA SR 72/r 121)