Tanz / Ritual -
Integrität und das Fremde

Copyright (C) Marianne Nürnberger 2001
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2. Teil


Rituelle Wirkkraft - Das transkulturelle Potential

Tanz und Wahrnehmung. Tanzausdruck, rituelle Erfahrung und Kulturkontext - Möglichkeiten und Grenzen der Kinetologie. Zur Problematik der Entkontextualisierung von Erfahrung in der Suche nach Objektivität.

 

In diesem Abschnitt wird die Frage erörtert, ob und in welcher Weise tänzerische und rituelle Bewegung eine willentliche Veränderung der Seinserfahrung und des Befindens des sich Bewegenden oder seiner Zuseher hervorrufen kann, Veränderungen, die sich auf allen Ebenen der Seinserfahrung, körperlich, emotional und geistig beziehen können. Weiters wird hinterfragt, wie sich eine derartige Intentionalität im motorischen Bereich ausdrücken kann und auf welche Weise sie kulturabhängig ist. Dabei soll vor allem der Beziehungsbereich zwischen Bewegungsmotorik und jenen Seinsstadien behandelt werden, die unter dem Begriff ASC (Altered States of Consciousness), Psi-Kräfte, Bewusstseinserweiterung oder auch transformatives Bewusstsein in unterschiedlichsten Sparten der Literatur abgehandelt werden. Obwohl diese ganzheitlich körperlich-geistigen Zustände auf verschiedenen Wegen erreicht werden können, spielt die Induktion durch körperliche Bewegungen und Tanz eine bedeutende Rolle. In den Sechzigerjahren wurden ausgehend von Randbereichen der medizinischen Forschung und innerhalb von Subkulturen vor allem Induktionswege über verschiedene traditionelle und neue psychoaktive Substanzen bekannt und berüchtigt. Heute beschäftigen sich unter anderem die sogenannten 'alternativen' Randbereiche der Medizin und des Sports, sowie ein wachsender mainstream-Bereich der Freizeitindustrie im Gefolge der sogenannten New-Age-Bewegung mit konzentrativen Bewegungstechniken aus dem indigenen amerikanischen, afrikanischen und vor allem auch asiatischen Raum, die Bewusstseinsveränderungen bewirken und zur Steigerung von Psi-Kräften führen können. Im Vergleich zum Bereich der sehr breit erörterten sozialisierenden und auch psychotherapeutisch relevanten normalisierenden Wirkungen des Tanzes und der rituellen Körperbewegung erscheinen jene Befindensveränderungen, die mit einer Erweiterung des Bewusstseins, mit außeralltäglichen und sogenannten 'übersinnlichen' Wahrnehmungen und auch mit ungewöhnlichen körperlichen Fähigkeiten einhergehen, in der ethnologischen und tanzwissenschaftlichen Literatur noch immer recht vernachlässigt. Dies ist umso bedauerlicher als 1.- zu solchen Themen eine breite Palette an irreführender und oberflächlicher Populärliteratur unter der Rubrik 'New Age' angeboten wird, 2.- in zahlreichen öffentlichen Kursen mehr oder minder qualifizierter Unterricht in derartigen Techniken und in abenteuerlichen modernen Mischformen als fernöstliche Therapie oder als authentischer spiritueller Weg und dergleichen mehr verkauft wird und 3.- verschiedene Sekten und Untergrundorganisationen einige der fragliche Techniken dazu missbrauchen, Menschen in psychische und physische Abhängigkeiten zu bringen. Eine ernsthafte Untersuchung des transkulturellen Wirksamkeitspotentials körperorientierter Induktionsprozesse der fraglichen psychophysischen Seinszu- stände ist daher dringlich angebracht. Das in der Folge dargestellte Material will dazu einige Denkanstöße liefern und vor allem einige Prämissen klären.

Zu den in der anthropologischen und tanzwissenschaftlichen Literatur am häufigsten erwähnten Befindensveränderungen durch Tanz gehören kathartische und ekstatische Zustände, die deshalb am Anfang dieser Untersuchung stehen. In der nachfolgenden kinetologischen Untersuchung wird das Hauptaugenmerk auf den tänzerischen Ausdruck rituell intendierter Befindensveränderung gelegt und der Frage der kulturellen Prägung des Bewegungsausdrucks nachgegangen. Es ist dies ein Bereich, in dem zwei Strategien seitens der Wissenschaft vorherrschen: einerseits die klassisch wissenschaftliche Strategie der Leugnung und Ignoranz gegenüber derartigen transformativen Prozessen, andererseits die populärere Strategie der Leugnung und Ignoranz gegenüber der kulturellen und soziologischen Konditionierung der fraglichen Prozesse. In ergänzenden Abschnitten wird die kartesianischen Dualisierung von Körper und Geist und die etische Definition rituell erzeugter Geist/Körper-Zustände problematisiert.

 

 

Tanz und Wahrnehmung

Emotionalisierung und Katharsis. Ekstase und Trance. Bewegung als Erkenntnisweg.

 

Tanz kann spezifische Wahrnehmungsveränderungen sowohl in den Ausführenden als auch in Zusehern hervorrufen. Die bekannteste unter ihnen betrifft die Intensivierung von Gefühlen, was sowohl in rituellem Rahmen als auch in der modernen Tanztherapie vielfach funktionalisiert wird. Daneben kann Tanz aber auch spezifische ekstatische Zustände, Meditations-, Besessenheits- und Trancezustände erzeugen oder zumindest unterstützen. Schließlich bedeutet Tanz für viele Menschen in vielen Kulturen einen inneren Weg der Erkenntnis.

 

 

Emotionalisierung und Katharsis

 

Das Phänomen der Katharsis gehört zu den ältesten Untersuchungsobjekten der Theaterwissenschaft. Schon Aristoteles, ein Schüler Platons, entwickelte das Konzept, dass Schauspiel idealerweise Katharsis bewirken soll, das heißt, eine Läuterung des Menschen durch die Erzeugung intensiver Emotionen, wie Furcht und Mitleid. Das Wiedererleben schmerzvoller Erfahrungen sollte zu der Erlösung von früheren nicht ausgelebten Konflikten führen (z.B. Hanna 1983: 29). Diese Auffassung entbehrt bis heute nicht der Aktualität und wurde deshalb verschiedentlich wieder aufgegriffen, um pädagogische, sozialisierende oder therapeutische Anwendungen von Tanz und Theater zu begründen.

Delsarte widmete sich der Erforschung des körperlichen Ausdrucks von Emotionen und beeinflusste seit den Siebzigerjahren des 19. Jahrhunderts eine ganze Generation von Mittelklassetöchtern, Turnlehrern, Tänzern und Darstellern, die sich seinen Prinzipien folgend auf Wiesen, in Turnsälen und auf Bühnen bis zur Lächerlichkeit theatralisch gebärdeten (Daly 1995: 122-125). Kurze Zeit später ging Charles Darwin in seinem "The Expression of Emotions in Man and Animal" (1965: 365; zitiert nach Daly 1995: 123) von einer Reziprozität zwischen Emotion und Bewegung aus: Ausdruck von Emotionen intensiviere Bewegung, Unterdrückung von Emotion schwäche sie. Isadora Duncan (1877-1927) war eine der ersten Tänzerinnen, die sich weiterreichend für die Gegenwirkung zwischen Gefühl und Bewegung interessierte: Nicht nur manifestiere sich Emotion in Bewegung, fand sie heraus, Bewegung induziere auch Emotion. Damit folgte sie dem amerikanischen Psychologen William James, der, entgegen den Ansichten seiner Zeit, dass Emotionen dem körperlichen Ausdruck vorangehen, schon 1890 in seinen "Principles of Psychology" argumentierte, dass Emotionen dem körperlichen Ausdruck folgen. Gleichzeitig bemühte sie sich um Konzentration auf das innere Erleben und die Vergrößerung der eigenen Gefühle durch die Bewegung. Sie verzichtete zu diesem Zweck sogar auf den Trainingsspiegel, um nicht durch ihren äußeren Ausdruck abgelenkt zu werden. (Daly 1995:120,136)

Scheff (1979) stellte den Kontext zwischen Tanz, Theater, Ritual und Therapie in umfassenderer Weise dar. Der Ausgangspunkt von Scheff ist die Beobachtung, dass in den meisten Kulturen der Welt der Ausbruch von Emotion bestraft wird - es ist dies nach Scheff die fast universelle Art in der gelehrt wird mit allen Arten von materiellen und immateriellen Ausscheidungen und Entladungen umzugehen. Er unterscheidet emotionalen Notstand, wie Trauer, Furcht, Aggression, Langeweile, Spannung oder Verletzung, von emotionaler Entladung. Theater und Riten wirken nach seiner Sichtweise sozial entlastend von Emotionen und haben dadurch therapeutischen Effekt. Dieser besteht darin, dass durch das Loswerden der Emotionen die Toleranz anderen gegenüber gefördert wird, die Klarheit des Denkens und die Aufnahmefähigkeit, sowie eine Erleichterung von Druckempfindungen feststellbar sind (Scheff 1979: 53).

Das Gelingen des Prozesses setzt eine ideale innere Distanz des Publikums zu den provozierten und gezeigten Emotionen voraus, die er 'ästhetische Distanz' nennt (ibid.: 61f). Diese steht zwischen den Zuständen der 'Unterdistanzierung' und der 'Überdistanzierung'. Bei Unterdistanzierung erfolgt ein einfaches Wiedererleben der fraglichen Emotionen, was keine Entlastung bewirkt, sondern sogar gegenteiligen Effekt haben kann: zum Beispiel erzeugen Filme in Breitwandformat bei geringem räumlichen Abstand von der Leinwand im Zuseher dieselbe Qualität wie echtes Erleben oder sie nähern sich diesem zu sehr an. Dadurch entstehen belastende Emotionen, die wieder unterdrückt werden. Auch wenn ein Klient in einer Analysesituation zu nahe an belastendes Erleben herangeführt wird ist die Entlastung gefährdet. Bei Überdistanzierung erfolgt dagegen überhaupt kein Miterleben, keine emotionale Identifikation. Um ein eigenes Beispiel zu nennen: ein singhalesisches Tanzritual, das dem Austreiben von Dämonen dient, kann einen Europäer nicht heilen, der ungenügend akkulturiert ist und weder den sprachlichen noch den visuellen Inhalten folgen kann. Erst die 'ästhetische Distanz' ermöglicht ein Nacherleben in einer ungefährlich empfundenen Situation, wodurch ein Ausagieren und Ablassen von Emotionen erfolgt. Diese Art von Katharsis wird in den Riten durch raffinierte Techniken und Mittel bewusst herbeigeführt. Sie erfolgt auch in Theater und Film etc., jedoch zumeist als unbewusster Nebeneffekt. Sie ist verbunden mit lebhaften psychophysischen Wiedererfahrungen und mit Erinnerung von Verdrängtem in einer Erfahrung der Kopräsenz von Vergangenem und Gegenwärtigem. Unter anderem wird Katharsis von der Scientology-Sekte in ihrem als 'Clearing' bekannt gewordenen Prozess als Grundlage der psychophysischen Umprogrammierung ihrer Sektenmitglieder angewandt.

Scheff wehrt sich mit seiner Arbeit gegen Auffassungen wie jene von Goffman (1971: 62), der das Ritual unter anderem als bloß konventionalisierten mechanistischen Akt bezeichnet hat, durch den ein Individuum seinen Respekt und seine Achtung für irgendein Objekt von absolutem Wert ausdrückt. Zu den Verfechtern von Ritualtheorien, die sich nur in negativem Sinn mit Emotionalität auseinandersetzen, zählt Scheff auch Geertz, Malinowski und Freud, die nach Scheff den emotionalen Seiten von Religion und Riten eher negativ gegenüber stehen. Geertz bezeichnete diese Aspekte zum Beispiel als vergängliche und flüchtige Seiten der Religion, ohne Zielbestimmung und die nur "im Hinblick auf die Bedingungen, denen sie entspringen sollen, Sinn ergeben" (Geertz 1991: 58):

Für Geertz sind Gefühle nicht Voraussetzung von Motivation, keine Erkenntnis- oder Orientierungshilfen wie für jene Neurologen und Psychologen, deren Erkenntnisse Goleman (1996) zusammenfasste. Vielmehr benötigen sie nach Geertz' Vorstellung ihnen äußerliche, religiöse Symbole um präzise definiert werden zu können (ibid.: 67). Lévi Strauss, Turner, Firth, Douglas, sie alle behandelten Riten immer wieder praktisch unter Ausschluss ihrer emotionalen Logik. Für Scheff ist jedoch gerade die emotionale Beteiligung das Essentielle der Wirkung von Religionen und Riten. Bei ihm leben Emotionen nicht von Riten wie bei Geertz, sondern Riten leben von Emotionen. Je weniger emotional ein Ritual wird, desto 'toter', desto sinnentleerter ist es - Kirchgänge als Routine, etwa.

Scheff betrachtet unter anderem auch das Phänomen jener Heiltänze, welche mit Besessenheitstrance einher gehen, unter dem Aspekt der Katharsis. Das Phänomen der Besessenheitstrance steht weltweit in enger Verbindung mit dem Tanz und ist überhaupt der häufigste mit Tanz verbundene Dissoziationszustand (Bourguignon 1968: 14). Der Glaube an Besessenheit kann jedoch auch andere Ereignisse als Trancen betreffen und nicht immer ist der Trancer der 'Besessene' (ibid.: 32). Besessenheit ist nach Scheff als Krankheit nur dann heilbar, wenn der Patient in einem Zwiespalt des Glaubens zu ihr steht. Das Ritual stellt nach Scheff diesen Zwiespalt her. Zweifel ist die Voraussetzung für die erfolgreiche Distanzierung des Patienten. Im Verlauf der Heilung wird nach Scheff die Unterdistanzierung des Patienten in seinem Besessenheitserlebnis überwunden. Ich habe über einen solchen Prozess a.a.O. (1994: 145) gesagt: durch das Ritual wird der Patient dazu gebracht, den Dämon in der Maske des Ritualtänzers veräußerlicht und personifiziert vor sich zu sehen, was seine Befreiung von der dämonischen Macht seiner Krankheit einleitet.

Ein bestimmter Bereiche des Gehirns, der Mandelkern, kann emotionale Erinnerungen bewahren, von denen wir nie bewusst Kenntnis genommen haben, und sehr rasche emotionale Reaktionen auslösen, wobei alle höheren Zentren des Gehirns ausgelassen werden. Neurobiologen, wie Larry Cahill, vermuten, dass das Gehirn zwei Gedächtnissysteme hat, eines für normale und eines für emotionsgeladene Informationen (Goleman 1996:38f). Eine möglichst ungehinderte Wahrnehmung von Gefühlen ist für die rationale Bewältigung des Alltags notwendig und erstrebenswert, um das Spektrum unserer Wahlmöglichkeiten auf eine leichter handhabbare Entscheidungsmatrix einzuengen (ibid.: 76). Dabei gibt es zwei Ebenen von Emotionen, eine bewusste und eine unbewusste. Wenn eine Emotion ins Bewusstsein dringt wird sie im frontalen Kortex registriert (ibid.: 77f). Körperliche Stimulation durch Berührungsreize, körperliche Bewegung, die Einnahme bestimmter Körperhaltungen, aber auch deren bloße Beobachtung kann diesen Bewusstwerdungs-Prozess hervorrufen. Zum Beispiel baut die Bio-Energetik nach Lowen (1987) ihren psychotherapeutischen Ansatz auf dieser Erkenntnis auf. Scheff geht jedoch noch einen Schritt weiter und meint Katharsis sei auch dann therapeutisch wirksam, wenn die Ursachen für die emotionale Beteiligung unbewusst bleiben (ibid.: 68-70). Die oft erreichbare Kopräsenz von Vergangenem und Gegenwärtigem (ibid.: 75), die Zusammenhänge bewusst macht, hätte bloß zusätzliche therapeutische Qualität.

In vielen Teilen der Welt sind Katharsis und andere Techniken zur Veränderung emotionalen Befindens Teil der therapeutischen Wirkung von traditionellen und auch modernen Tanzriten und konzentrativen Bewegungstechniken. Im rezenten China hat sich eine zeitlang ein Stil des Qui Gong etabliert, der auf die Ausagierung unterdrückter Gefühle in tranceartigen Zuständen hin orientiert war. Diese Richtung genoß enorme Popularität und erzielte beträchtliche therapeutische Erfolge. In einem Klima der extremen gesellschaftlichen Abwertung und daraus resultierenden Unterdrückung von emotionalem Ausdruck in China wurde durch diese Form des Qui Gong ein sozial akzeptables kathartisches Therapeutikum geboten (Ots 1994). Ähnliches gilt für eine breite Palette von therapeutischen Heiltänzen, von den Exorzismustänzen an der Südküste Sri Lankas bis zur modernen euroamerikanische Tanztherapie, die sich alle in unterschiedlicher Gewichtung auch die kathartische Wirkung von Tanz zunutze machen. Ob nun der Therapeut selbst tanzt, wie in Sri Lanka oder der Kranke der Tänzer ist, überall basiert zumindest ein Teil der Heilwirkung darauf, dass der Tanz Persönlichkeitsmerkmale offenbart und ins Bewusstsein bringt. Doch wird über Musik, Bewegung und Tanz auch anders gearteter Einfluss auf Persönlichkeitsmerkmale genommen. In vielen Riten, die mit einem Konzept der Besessenheit arbeiten, werden bestimmte und immer auch kulturtypische Gruppierungen von Emotionen, physischem Erscheinungsbild und menschlichem Verhalten zu Rollenbildern zusammengefasst, die durch mythische Gestalten, Dämonen oder Götter personifiziert werden. Die therapeutische Technik der Besessenheitstrance verwendet also neben dem kathartischen Element auch eine eigene 'Typenlehre' und natürlich auch verschiedene Aspekte des Ausagierens, aber auch der heilsamen Alternation von sozialen Rollen.

In der traditionellen Arbeit der Trommler/Therapeuten der westafrikanischen Minianka (Diallo & Hall 1989: 97-99,141-171,165-169) spielte Katharsis stets eine anerkannte Rolle, um ihre tanzenden Patienten von verdrängten Emotionen und Bewusstseinsinhalten zu entlasten. Freilich basiert hier der therapeutische Prozess - anders als in dem von Ots geschilderten Fall - nicht allein auf dem kathartischen Element. In der rigide nach erblichen Berufsgruppen strukturierten Gesellschaft der Minianka werden über den Heiltanz alternative Emotions- und Reaktionsmodelle anhand psychophysischer Rollenbilder in der Form alternativer Arbeitstänze angeboten. So erhält etwa ein zu depressiven Stimmungen neigender Hirte, der in seinem eigenen Berufstanz die introvertierte Gemütshaltung seines Berufes und die passive Weite seiner Arbeitsumgebung thematisiert, die Möglichkeit in den extrovertierten, aggressiven und zupackenden sowie deutlich strukturierten Bewegungen des Schmiedetanzes eine heilende Alternative des Seins zu erfahren. Um den Musikern zu ermöglichen, intuitiv die richtige Begleitmusik für den oft viele Stunden in Anspruch nehmenden Heiltanz der unterschiedlich Kranken zu finden, ist das traditionelle Training der Trommlertherapeuten darauf ausgelegt, ihr eigenes Ego systematisch zu reduzieren. Der Trommler wird explizit dazu angehalten, sich als Künstler unbeschränkt seiner Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus muss ihre Aufmerksamkeit geschult werden, um auf den Prozess der Persönlichkeitsveränderung der Kranken, wie er sich in ihren Tanzbewegungen ausdrückt, jederzeit richtig reagieren zu können. Diese Flexibilität ermöglichte es afrikanischen Therapeuten, die nur über ihre traditionelle Ausbildung verfügten, wie Diallo, selbst im Westen erfolgreich zu praktizieren.

Der tibetische Buddhismus kennt Übungen für den Körper/Geist, die besonders in intellektuellen Kreisen Amerikas und Deutschlands auch außerhalb Asiens durch die Publikationen und praktischen Workshops von Tarthang Tulku bekannt wurden. Die Technik heißt Kum Nye und wird in ihrem Ursprungsland als 'weiche Medizin' für Selbstbehandlungen praktiziert (Tarthang Tulku 1991:7-9). Eine der Übungen ist offensichtlich dazu gedacht, ein Maximum an Erleichterung durch kathartische Befreiung von negativen Seinszuständen zu ermöglichen. In der Befolgung von Tarthangs Anweisun- gen habe ich unter anderem seine Übung Nr. 89, "Transformation von Energien" (ibid.: 227-230), gemeinsam mit in kleinen Gruppen verteilten, insgesamt etwas mehr als 100 Teilnehmern von unterschiedlicher sozialer Herkunft erprobt. Diese nahmen zwischen 1989 und 1994 unter meiner Leitung an zahlreichen kleineren Treffen und Workshops zumeist außerhalb des universitären Rahmens in Österreich und Deutschland teil. In der Praxis zeigte sich, dass diese Übung in erster Linie aggressive Emotionen mit den einher gehenden Muskelspannungen, aber auch Müdigkeit und Stress abbaut. Während der Übung wird Aggressivität zuerst über mehrere Stufen, die bestimmte Bewegungsabläufe, Atemtechniken und Visualisierungen beinhalten, akkumuliert und schließlich auf kontrollierte Art entladen. Diese Katharsis geschieht durch ein kraftvolles Vorwärtsstoßen der Arme bei gleichzeitigem Schreien von "Ah!", wobei sehr viel Aufmerksamkeit auf die genaue Atmung in allen Phasen der Übung, auf eine exakte Positionierung der Arme und Hände, auf einen Schwerpunkt im Unterleib, auf fließende Bewegung und auf die Übergänge zwischen ziemlich starker Kontraktion zu kontrollierter Entspannung gerichtet wird, insbesondere während der abschließenden Phase, wenn die Arme sich unmittelbar nach der abrupten 'Entladung' im Vorwärtsstoßen sehr langsam, wie gegen den Widerstand der Luft senken, bis sie entspannt an den Seiten des Körpers herabhängen. Der angenehme, beruhigende Effekt war dabei bei allen Teilnehmern um so intensiver wahrnehmbar, je mehr vorher an Spannung und aggressiver Verkrampfung mobilisiert worden war. Der Gesamtprozess schien ebenso sehr auf Ausführung, Darstellung und einer Art Tanz zu beruhen als auch auf einem konzentrierten Wiedererleben von Körper-Emotions-Bewusstsein. Nach drei oder mehr intensiven und detaillierten Wiederholungen der Übung änderte sich die Wirkung dann in der Regel und eine stille und unterschwellige Form der Ekstase, wie sie sonst nur nach langer Meditationsübung erreicht wird, konnte sich innerhalb einer hingebungsvoll übenden Gruppe aufbauen. In dieser Kum Nye-Übung ist Katharsis nur ein Mittel, den Übergang in meditative Körper/Geist-Zustände zu erleichtern, die oft mit spirituellen Formen kontrollierter Ekstasen einher gehen. Die meisten dieser Übungen kommen jedoch ohne Katharsis aus. In langsamen, kontinuierlich fließenden, konzentrativen und oft isolatorischen Bewegungen werden hier Stimmungen beobachtbar gemacht, beruhigt und zu jener Form von ruhiger und gedankenleerer Ekstase transformiert, die gelungene Meditation auszeichnet.

 

 

Ekstase und Trance
 

Bereits der Musikologe Curt Sachs (1933:34) stellte in seinem Buch "Eine Weltgeschichte des Tanzes" heraus: "Jeder Tanz ist und gibt Ekstase". Sachs (1933:39) schreibt insbesondere dem "bildfreien" oder "abstrakten Tanz" zu: "Er bezweckt die Ekstase schlechthin, oder er nimmt die Form der mystischen Einkreisung an, in der die Kraft von den Kreisenden auf die Eingeschlossenen oder umgekehrt von den Eingeschlossenen auf die Umkreisenden überspringt". Auch in Südasien wird der nichtdarstellende Tanz (nrtta) als sakralste Form des Tanzes aufgefasst, in der eine direkte Kommunikation mit dem Göttlichen erreicht werden kann. Weltweit sind ekstatisierende und Trance induzierende Tänze Teil von therapeutischen, aber auch mystischen religiösen Kulten.

Bourguignon (1968: 9f) fasst einige historische Phänomene und Untersuchungen des Trancetanz zusammen: Der italienische Arzt S. Brambilla (1939) beschreibt die 'Teufelskrankheit' unter den Einwohnern von Eritrea und Amhara in Äthiopien, die cherbé genannt wird. Hier ist rhythmischer Trance-Tanz sowohl Ausdruck krankhafter Besessenheit als auch ein Versuch diese durch kathartischen Exorzismus zu heilen. Ähnlich ist das von Ernesto de Martino (1959) untersuchte Phänomen des tarantismo, das gemeinsame Ursprünge mit der italienischen Tarantella aufweist. Psychosomatische Störungen werden hier als durch den Biss einer Tarantel verursacht erklärt und in jährlichen Riten zu Peter und Paul, am 28. und 29. Juni, in der Kapelle von St. Paul in Salerno behandelt, indem die Leidenden bis zur Erschöpfung tanzen. Ein großer Teil der Tanzenden erfährt dabei verschiedenen Dissoziationszustände, die von ziemlicher Gewalt sein können und auch bis zur Bewusstlosigkeit führen. Ähnliche Praktiken gibt es in Sizilien, Sardinien und Spanien. Während des Mittelalters fanden in Europa periodische Tanzepidemien von Massencharakter Verbreitung (Hecker 1888, Martin 1914). Sekten von Tänzern - ähnlich der bereits erwähnten Sekte der Springer im heutigen slowenisch-südsteirischen Grenzgebiet (vgl. Kap. "Die Dämonisierung des Körpers") - praktizierten Tanz als Ritual und Gottesverehrung. Gegen den Widerstand breiter Teile des christlichen Klerus haben sich solche Praktiken vor allem in Belgien und Luxemburg bis heute erhalten. Auch im alten und im neuen Testament finden sich viele Beispiele für ekstatisierende Tänze die der mystischen Vereinigung mit dem Göttlichen dienten. Bourguignon (1968: 16) nennt Saul, der mit einer Gruppe von ekstatischen Propheten reiste (I Samuel 10), und David, der vor Gott mit all seiner Kraft tanzte (II Samuel 6), sowie die Praktiken der Chassidim (Hasidim) unter den Juden Osteuropas. Der personifizierende und ausagierende Typus der Besessenheitstrance spielte hingegen eine größere Rolle in den altgriechischen Kulten des Dionysos und der Korybanten, die sich insbesondere in den rituellen Feuertänzen Nordgriechenlands bis zum heutigen Tag teilweise erhalten haben und nach Jeanmaire (1951) Ähnlichkeiten mit dem rezenten zar-Kult in Äthiopien hatten (Bourguignon 1968: 16f).

 

Selbst der moderne Ausdruckstanz blieb nicht unberührt von dem Widerhall dieser Entwicklungen. Rudolf von Laban kommentierte 1935 in seiner Autobiographie (1989:69) den Zusammenhang zwischen Tanz, Ekstase und Unverwundbarkeit, den er in den Riten der Derwische selbst beobachten konnte. Eine Anmerkung der Herausgeber erklärt dazu:

Rudolf von Labans Vater wurde Gouverneur von Bosnien, einer Provinz des Habsburgischen Reiches Nahe der türkischen Grenze, wo die Zeremonien und Tänze der Derwische Teil von Labans wichtigsten Jugendeindrücken wurden. Diese Erfahrung hatte schließlich einen starken Einfluss auf sein späteres tänzerisches Konzept (Partsch-Bergsohn 1994: 12).

Auch Mary Wigman betrachtete Ekstase als unverzichtbaren Bestandteil ihrer Tanzdarbietungen:

Sie benützte Ekstase um Trancebewegungen und mystische Rituale tänzerisch darzustellen und zu erforschen. Insbesondere entwickelte sie ihre eigenen Drehtänze:

Auf die Rückgriffe des Modern Dance und der modernen Tanztherapie auf rituelle Formen der Befindensveränderung wird in einem späteren Kapitel über die Reritualisierung von Tanz noch näher eingegangen werden.

Konzentrative Bewegung und Tanz können Veränderungen des Körpertonus, von Emotionen und Geisteshaltungen sowie Veränderungen des Bewusstseins von sehr wachen, meditativen, Bewusstseinserweiterten Zuständen bis hin zu tiefer Trance oder Besessenheit mit mythischer Wahrnehmung und zuweilen auch nachfolgender Amnesie induzieren. Die enorme kulturelle Bedeutung von veränderten Bewusstseinszuständen ist durch verschiedene quantitative Untersuchungen (Bourguignon 1973: 17) belegt. Der Induktion solcher Zustände durch Tanz und konzentrative Bewegung kommt dabei aufgrund seiner weltweiten Verbreitung und seines hohen Alters zentrale Bedeutung zu (Bourguignon 1968: 19). Die Verwendung von Tanz zur Erreichung mystischer Zustände ist typischerweise ein Gruppenphänomen. Entweder treten die Tänzer selbst in Gruppen auf oder ein einzelner Ritualspezialist entwickelt seine Trance durch Tanz vor einem Publikum. Werden solche Zustände privat angestrebt, so scheint anderen Methoden meist der Vorzug gegeben zu werden. Doch gibt es auch säkulare Adaptionen solcher ekstatisierender Tänze. Bourguignon (ibid.: 21) nennt als Beispiel die Hora der israelischen Pioniere, einen ekstatischen wirbelnden Kreis- tanz, in dessen intensivem Spektrum persönlicher Befreiungserfahrung nichts Übernatürliches involviert wird. Vielmehr handelt es sich hier um eine Erneuerung des Gefühls der Gruppenzusammengehörigkeit und geradezu der Priorität der Gruppe über das Individuum. Hier erscheint der Tanz als Ritual noch als das, was Victor Turner (1982:19)) als soziale 'Meta-Erfahrungen' oder 'Wellenberge (high tides) sozialer Erfahrung' bezeichnet hat und Snyder als Mikrokosmos sieht, der zu bestimmten Anlässen einige der bedeutungsvollsten Aspekte der Makrokultur kritisch fokussiert (Snyder 1986: 22).

Besonders in jenen Formen des Tanzes, die als Dialog mit Göttern, Dämonen oder Geistern fungieren, spielen im unterschiedlichen Ausmaß hypnotische, trancefördernde und trancebedingte Bewegungen - Drehungen und Wirbel, Zittern und Stampfen - eine Rolle, oft unterstützt von rhythmischen und emotionalisierenden oder auch erschreckenden und aufwühlenden Klängen, die bemerkenswert häufig perkussiv erzeugt werden, durch Membranophone oder Metallophone, wie Sistren und Fußschellen, aber auch durch Flöte, Schenai, Trompete und andere Aerophone begleitet werden, welche schrille oder hohe, die Aufmerksamkeit fokussierende, nervenerschütternde und ergreifende Töne erzeugen. Oft wird die rituelle Bedeutung dieser Instrumente durch eine religiöse Verehrung unterstrichen, die ihnen entgegengebracht wird, wie zum Beispiel den Fußschellen in verschiedenen tanzbezogenen Riten des südasiatischen Raums (27) oder den Trommeln in verschiedenen afrikanischen Tanzritualen. Diese Formen und Techniken begründen sich aus der Domäne der Bewusstseinsveränderung, die eine unvergleichlich große Rolle im Dialog mit dem Unbekannten, den Schicksalsmächten spielt. Schon Plato beschrieb jene Art von Ekstase und Wahn, die unbedingt nötig ist um einen Seher, einen Mantis, die Zukunft ahnend vorausschauen zu lassen, die aber auch dem Künstler die Pforten seiner Kunst eröffnet (Kranz, undat.: 182f). Er benannte die ekstatisierenden Kraft als Daimon und gab ihr die Ambivalenz des wertvoll-gefährlichen. In diesem Rahmen begründet sich auch die ambivalente Bewertung der Tanzkunst in der Antike. Obwohl er die Willkür orgiastischer Tanzriten als des Menschen unwürdig ablehnte, sprach Plato doch auch von Ungebildeten als "tanzlosen Leuten" (achoreutos) (Hanna 1983: 29). Tanz und verschiedene konzentrative Bewegungstechniken, können als Induktion von außergewöhnlichen Bewusstseinszuständen verwendet werden, die jene Sinneswahrnehmungen begünstigen, die man im Westen oft als 'übernatürliche' Fähigkeiten bezeichnete - jene Fähigkeiten also, die dem Heiler, Schamanen, Ritualtänzer zu seiner Tätigkeit der Kommunikation mit den verschiedenen beherrschenden Mächten des Unbekannten, mit Geistern, Göttern und Dämonen, meist unabdingbar erschienen. Jene Fähigkeiten aber auch, die ein Klerus oft für sich allein beansprucht und jedenfalls zu kontrollieren bestrebt ist.

Ioan M. Lewis (1989) und Victor Turner (1989a, 1989b) haben in unterschiedlicher Weise auf ein gewisses 'demokratisches' Element kollektiver Trancen und ekstatischer Bewusstseinszustände hingewiesen. Die damit oft einhergehende temporäre Umkehrung der Strukturen der Alltagsgesellschaft ist immer wieder als soziales Ventil für die Unterdrückten und Benachteiligten einer Gesellschaft beschrieben worden. Sie ist keine Außerkraftsetzung derselben, sondern wirkt vielmehr strukturerhaltend. I. Lewis (1989) hat in seinem Werk über ekstatische Religionen zwei Pole zu definieren versucht, zwischen denen sich diese Formen der 'Bemächtigung' der Ritualspezialisten durch religiöse Gestalten und Kräfte ereignen: zum einen die Ekstasen von Repräsentanten zentraler Instanzen politischer und religiöser Macht und zum anderen Ekstasen von Mitgliedern marginalisierter Gruppen, deren Riten eine Art Gegenstruktur mit kathartischer, aber gesellschaftserhaltender Funktion spiegeln. Lewis' (1989) Ansicht, dass eigentliche Besessenheitstrancen - was immer Lewis darunter konkret versteht, den er subsummiert unter diesen Begriff auch kulturelle Phänomene, für die keine emischen Äquivalente dieses Begriffs existieren - als Phänomen immer nur mit dem Typus von marginalen ekstatischen Riten einhergeht, kann jedoch als zweifelhaft gelten. Die Identifikation mit übermenschlichen Mächten, die bis zum völligen Verschwinden der eigenen Ich-Wahrnehmung geht, ist ein viel weiter verbreitetes, komplexeres und in viel mehr Formen auftauchendes Phänomen, als dies in Lewis (1989) Arbeit den Anschein hat. Die sogenannte 'Ventilfunktion' der temporären Rollenumkehr ist früher auch verschiedentlich (z.B. Pieris 1986: 45) als eine durchaus effektive und funktionelle Form der Kontrolle der Mächtigen durch die Rangniedrigsten einer Gesellschaft beschrieben worden, eine Sichtweise, die auch von den Ritualspezialisten selbst bis heute oft gerne präsentiert wird. Als Universalie kann bislang nur gelten, dass alle Formen ekstatischer Religiosität mit körperlichen und psychischen Veränderungen einhergehen und die Mehrzahl davon durch Musik und Tanz stimuliert werden.

Vielfach vermutet wird in diesem Zusammenhang eine herausragende Bedeutung der rhythmischen Stimulation durch Bewegungen oder Klangreize bei der Induktion von Emotionen und ASC (Altered States of Consciousness). Rouget (1980), der eine generelle Verbindung zwischen Musik und Trance, nicht jedoch zur Besessenheit (28) postulierte, stellte fest, dass es indes keine bestimmte Art von Rhythmus ist, die quasi automatisch Trance hervorruft. Jeannette H. Henney studierte das Tranceverhalten der sogenannten St. Vincent Shakers und kommt zu dem Schluss, dass zwei Ebenen der Induktion von Dissoziationszuständen beschrieben werden können: Zum einen gehen einzelne Individuen während dem stundenlangen Prozess des Singens von Hymnen und Anhörens von Predigten in Trance, während dem der Rhythmus durch Händeklatschen und Fußstampfen akzentuiert wird. Zum anderen findet eine zweite kollektivere Ebene der Induktion dort statt, wo etwa das Geräusch des Atemholens in der Gruppe rhythmisiert wird oder Bewegungsmuster entpersönlicht und vereinheitlicht werden, so dass jede Person dieselbe Bewegung reproduziert:

Es gibt eine ganz alltägliche ekstatische Tanzerfahrung, die auch Laien immer wieder machen, etwas, das wohl alle Tanzenthusiasten, mich selbst eingeschlossen, zum Beispiel auch mit den rituellen Tänzern Sri Lankas teilen. Es ist dies die Erfahrung eines körperlich- geistigen Zustands, in dem man sich selbst vergisst und nur der Tanz als Erlebnis zählt, in dem man seine Leistungsgrenzen permanent erweitern kann und in dem Energien aus der Tanzaktion selbst gezogen werden, so dass das Überhandnehmen von Ermüdung lange Zeit hinausgezögert wird. Auch die Dynamische Meditation der Rajneesh-Sekte basiert im wesentlichen auf einer Mobilisierung von psychophysischen Energien durch rhythmische Bewegung zur geeigneten Musik. Derartige Übungen beeindrucken, indem sie Ressourcen erfahrbar machen, die auf alltäglichem Weg nicht angezapft werden können. Auf der physikalischen Ebene ist das ein Paradoxon. Natürlich kann niemand für ewig, etwa im Sinne eines Perpetuum mobile, tanzen. Für eine gewisse Zeit, welche bei den Tanzpriestern Sri Lankas nicht selten über 10 Stunden beträgt, kann jedoch die Ekstase, die durch den Tanz erreicht wird, über die körperliche Ermüdung durch die motorische Aktivität siegen. Höchstleistungen aller Art, intellektuelle und körperliche, werden von dieser ganz spezi- fischen Emotion begleitet, die nach Mihaly Csikszentmihalyi (1993) als 'Fließen' beschrieben wird, "ein unwiderstehliches, hochgradig motivierendes Gefühl milder Ekstase" (Goleman 1996: 121), das besonders mühelos durch Tanz zu erreichen und Kennzeichen des kollektiven Erlebens bei vielen Riten ist (näheres dazu z.B. auch in Turner 1989a: 89-94, Schechner 1990: 21f.).

 

 

Bewegung als Erkenntnisweg

 

Das ekstatisierende Potential des Tanzes wird seltener, wie bei den Senoi Temiars, aus Spaß, im Spiel und um seiner selbst willen erkundet (Jennings 1995). Öfter wird es für sakrale und therapeutische Ziele funktionalisiert, wobei die Teilnahme am Tranceerleben mehr oder weniger demokratisch geteilt werden kann, wie bei den von Katz (1982) untersuchten !Kung, oder aber in erster Linie Spezialisten, wie bei den Azande Zentralafrikas (Prinz 1994) oder den Ritualtänzern Sri Lankas vorbehalten bleibt. In Sri Lanka ist der Weg des Tanzes in die Ekstase für Nichtspezialisten nach und nach sozial unakzeptabel geworden, so dass alle Tanzaktivität sich für lange Perioden der Geschichte auf einige eng umschriebene soziale Gruppen beschränkte, die lange Ausbildungszeiten durchliefen. Für Magier, Schamanen, Heiler oder Priester, wird der durch Übung kontrollierbar gewordene Zustand der Trance wichtiger Bestandteil ihrer Berufsausübung. Der Zugang zur Trance wird oft über längere Perioden einer Lehrzeit geübt und ist neben theoretischen und praktischen Kenntnissen, die medizinische Bereiche, religiöse Vorstellungen und anderes umfassen können, wichtigster Bestandteil des Erfahrungsprozesses der Initiationen in diese Berufsgruppen.

Prinz (1994: 137-139) hat hervorgehoben, dass der ekstatische Initiationstanz (avule) sowohl Höhepunkt als auch Ende der Lehrzeit des Azande-Schamanen darstellt, zugleich aber zu allen Gelegenheiten wiederholt werden kann, um seinen Anspruch als Heiler zu erneuern, um seine Aufgabe der Kommunikation mit seinen Geistern im Sinne der Klienten nachzukommen und vor allem, um sein magisches Kraftzentrum im Epigastrikum wieder aufzuladen. So erscheint der Tanz selbst als Erkenntnisweg, in dem wichtige Quellen der Kraft und des Wissens erschlossen werden, die für den therapeutischen Erfolg des Schamanen von Bedeutung sind.

Auch in Sri Lanka macht eine lange Lehrzeit den Ritualspezialisten nach und nach nicht nur zu einem virtuosen Tänzer, sondern zu einem sicheren Handhaber ekstatischer Zustände. Obwohl der singhalesische Ritualtänzer kein körperliches Kraftzentrum im besonderen auflädt, so berichtet er doch von einer Teilhabe an übermenschlichen, für therapeutische Ziele manipulierbaren Kräften, die göttlichen oder dämonischen Ursprungs sein können oder - wie bei den Azande - im Zusammenhang mit Ahnengeistern stehen.

Der singhalesische Bühnentänzer Chitrasena, der Freud und Jung gelesen hat und der als erfolgreichster Modernist einer der berühmtesten Tänzer Sri Lankas ist, übersetzt und rationalisiert den Dämonenglauben, der den therapeutischen Exorzismustanzriten seines Landes zugrunde liegt, so:

Chitrasena hat ebenso wie viele andere moderne Singhalesen die westliche kartesische Trennung zwischen Körper und Geist in hohem Grad assimiliert, glaubt jedoch deshalb noch lange nicht an eine Trennung zwischen äußeren und inneren Kräften, die am Menschen wirken, sondern sieht diese als Einheit. Dem Menschen begegnet, was seinem Entwicklungsgrad entspricht. Tanz kann dabei Erkenntnisweg werden, ja er glaubt sogar, dass genau das die ursprüngliche und erste kulturelle Funktion des Tanzes war:

 

John Blacking (1986: 7) argumentiert, dass Tanz als nonverbaler Ausdruck von Denken, als performative und expressive Form ebenso fundamental und wichtig für menschliches Leben ist, wie verbale und andere propositionale und diskursive Denkweisen, die für die linke Hemisphäre typisch sind. Diese beiden kontrastierenden und komplementären 'Denkweisen' sind nicht an bestimmte Aktivitäten gebunden, sondern sind vielmehr Arten Informationen zu gestalten. Auch Sprache kann performativ gestaltet werden - Blacking verwendet das Beispiel von Martin Luthers Rede "I have a dream" - und ebenso kann Tanz eine Behauptung aufstellen, wofür im folgenden noch reichlich Beispiele genannt werden. Blacking (1986: 6, 14) geht dabei soweit, Tanz nicht nur als beobachtbares Produkt intentionaler menschlicher Aktion zu sehen, sondern auch als eigenständige und grundlegende Denkweise (mode of thought, auch dance mode), die er mit eben jener Denkweise gleichsetzt, die große Entdeckungen und Erfindungen hervorbringt und von der er (ibid.: 7) glaubt, dass es ein Teil ihrer Stärke ist, eben nonverbal und insbesondere unter Nutzung der rechten Gehirnhemisphäre zu funktionieren. Und all diese Sichtweisen sind nun nicht mehr so weit entfernt von dem südasiatischen Konzept des Tanzes als Methode der Schöpfung der Welt schlechthin, göttlich personifiziert in der Gestalt des Siva Nataraj .

Georg Ivanovich Gurdjieff (ca. 1872-1949) der in Alexandropol unweit der türkischen Grenze geboren wurde und dessen spätere mystische Lehren und Praktiken schon durch die vielen multikulturellen Einflüsse seiner Jugend in Kars (Armenien) - auch durch Yezidis, Kurden, Muslime, orthodoxe Christen, Assyrer und Armenier - bestimmt wurden, war ein Anti-Intellektueller, der weniger durch konventionelle verbale Vermittlung als durch die sogenannten Movements und andere Erfahrungspraktiken lehrte. Das Material zu diesen feierlich anmutenden, geometrisch organisierten kollektiven Tanzmeditationen sammelte er auf seinen zahlreichen Reisen und brachte es in eine Form, die er für den westlichen Menschen als geeignet erachtete. In neuerer Zeit wurden diese spirituellen Lehrtänze zum Beispiel von Mitgliedern der Rajneesh-Sekte wiederbelebt, wodurch ich Gelegenheit zur Einsicht einer Videoaufnahme bekam. Trotzdem den Movements gegenüber den mir bekannten außereuropäischen religiösen Tanztraditionen etwas ungewöhnlich Schweres, Konstruiertes und Künstliches anhaftet, vermitteln sie doch auch die typische rituelle Stimmung einer sakralen Kommunion mit dem Höchsten.

Tarthang Tulku (1991), ein tibetisch-buddhistischer Priester, hat mit seinen persönlichem Wirken in Amerika und in Europa und mit seinem Buch über die konzentrativen Bewegungsübungen der Tibeter, Kum Nye, Europäern einen authentischeren und vielseitiger anwendbaren Zugang als Gurdjieff zur Bewegung nicht nur als Ausdruck von Gefühlen, Geisteshaltungen und Bewusstseinszuständen, sondern auch als Mittel zur meditativen Veränderung derselben und als spirituellen Weg verschafft. Kum Nye ist in Tibet sowohl ein Teil der buddhistischen Überlieferungen der Vinaya Schriften als auch medizinischer Lehrbücher (Tarthang Tulku 1991: 7f). Die langsamen Bewegungsübungen, die Bewegung, Konzentration und Atmung synchronisieren, werden durch andere Meditationsanleitungen und eine Methode der Selbstmassage ergänzt. Sie stellen methodische Überlieferungen und Techniken auf einem bestimmten spirituellen Weg der Selbstfindung und Selbsterkenntnis dar.

Da sich solche und viele andere psychophysische Schulen von Bewegungs-Übungen, Praktiken und Riten nicht vollständig auf soziale Funktionalisierungen reduzieren lassen, tendiert unter anderem auch Snyder (1986: 22) dazu, körperliche Bewegung wie Tanz, in seinem Aspekt als Ritual, als Erfassbarmachung des menschlichen kognitiven Prozesses selbst aufzufassen:

Das Ritual ist bei Snyder (ibid.: 23) darüber hinaus generell das Medium der Vermittlung zwischen Tanz und moralischer Weltsicht und in dieser Funktion essentiell für das Verständnis der Bedeutung von Tanz in der Relation zur Kultur. Auch aus dieser Perspektive kann die intime Nähe, in der kunstvolle Bewegung zu einem spirituellen Weg oder einem moralischen Weg der Erkenntnis steht, erahnt werden. In seinem vollen Umfang akzeptiert wird diese Nähe allerdings erst von dem Forscher, der diesen Weg auch selbst erprobt hat und in irgendeiner Form Erfahrungen mit Tanz oder konzentrativer Bewegung als einen Weg zur Ergründung des Seins gesammelt hat. Für Snyder, die die Notwendigkeit der tänzerischen Selbsterfahrung für die Forschung immer wieder betonte, muss Bewegung und Gestik letztendlich in erster Linie als transformativer Prozess betrachtet werden. Und das Verständnis dieses transformativen Prozesses hängt eng mit dem Verständnis von ASC- (Altered States of Consciousness-) Phänomenen zusammen (ibid.: 25):

In der Folge versieht Schneider ein Zitat von Ludwig in Tart (1969: 10) mit ihren Anmerkungen in Klammern und erweitert die Definition von ASC so:

In der Anwendung der Passage der Definition, in der ASC mit jenen Stimuli in Beziehung gesetzt wird, "welche den normalen Ablauf von motorischen Impulsen durchkreuzen", schlägt Snyder vor, Tanz per definitionem als nichtnormalen Ablauf motorischer Impulse zu betrachten. Ludwig belegt die Veränderungen in "emotionalen Stimmungen, des normalen Flusses und der Organisation kognitiver Prozesse" durch Beispiele aus dem Bereich anstrengender physischer Aktivitäten, wo diese Veränderungen durch sensorische Überflutung unterstützt werden, aber auch durch Beispiele aus dem Bereich fokussierter oder selektiver exzessiver Aufmerksamkeit (Konzentration in der alle anderen Dinge ausgeblendet werden), wie sie hochkomplexe und anspruchsvolle Bewegungsmuster - Wirbeln, Drehungen, Sprünge - darstellen, aber auch in hochkomplizierten gestische oder motorische Sequenzen - wie im indischen Bharata Natyam oder auch im rezenten Breakdance - gefordert ist. Nach Ludwig (1969, nach Snyder 1986: 27) führen diese transformativen Prozesse zu Verzerrungen in der Wahrnehmung, wie zum Beispiel zu Störungen des Zeitgefühls.

Jeder, der gerne tanzt - auch wenn er so wie ich kein professioneller Tänzer ist - kennt die Erfahrung, dass Tanzen in eine andere Wahrnehmung von Realität führen kann. Ludwig (ibid.) spricht von "Veränderungen im Denken", "Wandel von Bedeutung und Inhalt". Es kommt zu Veränderungen "von emotionaler Erfahrung" und zum "Eindruck der Unbeschreibbarkeit" dieser Erfahrung, die - wie Snyder (op.cit.) anmerkt - zu heilig ist um verbal artikuliert zu werden und eine tiefe Erfahrungswahrnehmung von Wahrheit und Wissen beinhaltet . "Hypersuggestibilität" verhilft dem Tänzer und allen, die an dem Tanzereignis irgendwie - auch als bloße Zuseher - teilnehmen zu derselben Erfahrung der Transformation, die auch mit den Gefühlen einer "Verjüngung" und "Erneuerung" (Ludwig op. cit.) einher gehen.

Aus ähnlichen Erfahrungen heraus gestalte ich Bewegungsriten, die ich nach einer privaten Erprobungsphase an kleine Kreise interessierter Erwachsener unterschiedlichster Herkunft weitergebe und in denen solche kollektiven und auch mystischen Erfahrungen gefahrlos erforscht werden können. Für Menschen, die keine Schwierigkeiten mit freien und improvisierten Bewegungen haben, ist die Übung "Das Mysterium des eigenen Weges finden" geeignet, eine Übung die zu meditativer Musik, aber auch ohne Musik ausgeführt werden kann:

Aus dem aufrechten Stand auf leicht gebeugten Beinen heraus, wird zunächst das rechte Bein sehr langsam hoch angehoben. Dabei wird darauf geachtet, wohin das Schwergewicht des Körpers den sich entwickelnden großen und extrem langsamen Schritt lenken möchte. Mit den sich auf diese Weise spontan entwickelnden sehr langsamen und hoch ausgreifenden Schreitbewegungen wird nun abwechselnd und dem inneren Bewegungsgefühl folgend nach vor, rechts oder links ausgeschritten, wobei stets der gesamte Körper in die Bewegungsrichtung gedreht wird. Die Körperhaltung bleibt dabei im wesentlichen sehr aufrecht, das Becken in einer Linie mit der Wirbelsäule, der Schultergürtel gerade. Die Arme unterstützen mit sehr langsamen, aber ausladenden Bewegungen das Gleichgewicht des schreitenden Körpers. Die zunächst zögernde, suchende und langsame Bewegung, die von den Beinen und Hüften getragen wird und viel Balancearbeit erfordern soll, wird nun behutsam in ihrer Geschwindigkeit gesteigert bis sie dadurch in ihrer Anmutungsqualität an Entschiedenheit gewinnt. Man 'entscheidet' sich nun immer rascher für 'Abzweigungen, Wege und gerade oder verschlungene Pfade eines imaginären Labyrinths', bis man auf ein 'deutlich wahrnehmbares inneres Zögern' stößt - und Stop! - Hier verharrt man einige Zeit auf der Stelle, so dass man diesem Gefühl in seinem Inneren nachspüren kann, zulassen kann, dass es sich voll entfaltet. Der Übungsleiter achtet darauf, dass das Zeichen zum Weitermachen erst dann gegeben wird, wenn (fast) alle Teilnehmer an dieser Stelle angelangt sind, um die Synchronisation des Gruppenerlebens zu unterstützen. Ein Bein wird nun abgewinkelt und noch einmal langsam vor dem Körper erhoben. Aus dieser inneren Balance heraus greifen die Hände nach vor in die Innenkanten eines imaginären geschlossenen Vorhangs, der - wie der Übungsleiter erklärt - 'das Alltägliche vom Transzendentalen' trennt. 'Der Vorhang wird aufgezogen', so wie es dem eigenen Charakter entspricht: neugierig und langsam oder abrupt und unerschrocken, usw. Kaum ist er geöffnet, lässt man seinen Körper neue, langsame Bewegungen finden, welche die Themen 'Freiheit' und 'Fliegen' ausdrücken, wobei auch die Weite des Raumes mit den Armen anzudeuten ist. Bei gleichmäßiger Langsamkeit der Bewegungen, die nun neben Armen und Beinen auch Kopf, Gesicht, Rumpf, Hände und Finger erfassen können, soll nun den Themen 'Vieldeutigkeit' und 'Unerwartetes' Ausdruck verliehen werden, indem zum Beispiel auch außergewöhnliche Schreitrichtungen, wie schräg nach hinten, zugelassen werden, oder Schreitbewegungen nicht mit dem ganzen Körper gefolgt wird, so dass spannungsvolle und merkwürdige Körperhaltungen erzielt werden, oder auch andere Gesten erforscht werden, vor allem solche, die man noch nie gemacht hat. Schließlich lässt man eine letzte Bewegung in einem langsamen Sinkenlassen der Arme ausklingen, bei gleichzeitigem Zurückgehen in die Anfangshaltung, aufrechter Stand bei leicht gebeugten Knien. Man setzt sich nach einigen Sekunden in eine Meditationshaltung und erforscht die Veränderungen, die das gerade Erlebte in gedanklicher Hinsicht, in Bezug auf Stimmung, Emotionalität und Körperempfinden ausgelöst hat. Staunende Ergriffenheit und Beseeltheit von der eigenen Bewegung gehören zu den unmittelbaren Ergebnissen dieser Übung. In der nachfolgenden Besinnungsphase wird generell ein Gefühl der Gelöstheit vertieft werden, können aber auch Erinnerungen an spontane Ideen und Einsichten während der Übung auftauchen. Diese und ähnliche Wirkungen können durch dreimalige Wiederholung und Variation im Verlauf einer Unterrichtseinheit, über die Verinnerlichung der Logik des Ablaufs, an Intensität noch gewinnen.

Meine These ist, dass technisch einfache Übungen wie die oben beschriebene, einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Übergänge und Zusammenhänge zwischen Psyche und Physis, zwischen konzeptueller und kinästhetischer Realität in der rituellen Produktion und Erfahrung von Psi-Kräften und ASC liefern können und auch die für einen Tanz- und Ritualforscher notwendige Fähigkeit zur Empathie mit den inneren und äußeren Vorgängen bei Bewegungsriten im nichtwestlichen Raum entwickeln helfen. Solche Verständnis- 'Nachhilfe' scheint für westliche Wissenschaftler in der Regel notwendig zu sein: Untersuchungen von Robert Ornstein und vor allem auch durch den Nobelpreisträger Roger Sperry legen nämlich nahe, dass rechtshemisphärischer experimenteller und kinästhetischer Wissenserwerb im euro-amerikanischen Raum vernachlässigt wird (Snyder 1986:28).

 

 

 

Tanzausdruck, rituelle Erfahrung und Kulturkontext -
Möglichkeiten und Grenzen der Kinetologie

Definition der kinetologischen Methode. Kinetologische Gegenüberstellung ausgewählter Aspekte von Sufitanz und singhalesischem Ritualtanz.

 

Hörmann (1993:18), Leiter des Instituts für Musik- und Tanzpädagogik der Deutschen Sporthochschule Köln, weist auf die etymologischen Wurzeln von Begriffen wie Emotion und 'movement' hin, die nach indogermanischem Sprachgebrauch einen generellen Sinnzusammenhang zwischen Gefühl, Bewegung, Erregung und Musik herstellen. In den Ausdrucksbewegungen des Menschen im Tanz, aber zum Beispiel auch in seiner Handschrift ist Rhythmus ein primäres Ausdrucksmerkmal. Hörmann schreibt in einem Vergleich zwischen Tanzwissenschaft und Graphologie:

Hörmann (ibid.: 5) übernimmt von Johann Caspar Lavater, dem Begründer der Ausdruckspsychologie, die polare Unterscheidung von 'personalem' und 'personabgelöstem Ausdruck'. Er ordnet Tanz der bewusst geformten künstlerischen Verwendung von Bewegungsmöglichkeiten zu (ibid.: 7). Über Tanz sagt er weiter:

Hörmann unterscheidet zwischen tanzimmanentem psychischen Geschehen zur Komposition, Improvisation und Interpretation und einem tanzbezogenem psychischen Geschehen und seiner zweckgerichteten Verwendung. Ersteres enthält das gesamte tänzerische Material und seinen Bezug zu Geschichte und Gegenwart, während letzteres die Erforschung und Vermittlung der Vielfalt an tanzbedingten psychischen Wirkungen und die Anwendung ihrer Phänomene in außertänzerischen Zusammenhängen umfasst. Hörmann orientiert sich so wie viele andere Tanzwissenschaftler in der Analyse der tanzpsycho- logischen Gegebenheiten mehr oder minder eng an Labans Kriterien: Körper, Bewegungsantrieb/-impuls (effort), Raum als Körperperipherie und architektonisch- geometrisch begrenzendes Gebilde sowie Gestik und Körperpositur (shape). Zeit, Raum, Kraft und Fluß sind auch nach Hörmann (ibid.: 19) jene vier Faktoren, die im tanztherapeutischen Prozess zum "Erwerb eines afunktionalen Lebensgefühls", zu einem "neuen Staunen, Bewundern der kleinen und großen Zusammenhänge" und zur "Gewissheit, fähig zu sein, Neues und Altgewohntes unter neuen Gesichtsweisen wahrzunehmen, zu modifizieren oder gar zu schaffen" beitragen können. Hörmann betont jedoch (z.B. ibid.: 134), dass die Kriterien Labans nicht dazu herangezogen werden können, Bewegungskonstellationen dezidierte Inhalte zuzuordnen. Er zitiert dazu Bartenieff und Davis (1972:6), die feststellen, dass eine Analyse nach effort-shape die Art der Bewegung beschreibt, jedoch nicht dazu imstande ist, deren Zweckgerichtetheit, also was getan wird, beziehungsweise die symbolische oder semantische Bedeutung der Bewegung zu analysieren.

 

Die Untersuchung des zweiten Bereichs der Tanzpsychologie nach Hörmann, nämlich von tanzbezogenem psychischen Geschehen und seiner zweckgerichteten Verwendung kann wegen der innigen Verflechtung dieser Bereiche mit kulturellen Inhalten nur dann erfolg- versprechend verlaufen, wenn sie eine psychologische und intentionale Deutung motorischer und kinetischer Abläufe mit einer ethnologischen Untersuchung kultureller Zusammenhänge kombiniert. Ich möchte als Beispiel für eine derartige Untersuchungsmethode eine rudimentäre Untersuchung zweier Tanzritengattungen nach allgemeinen Ausdrucksmerkmalen der Gesamtheit des Tanzereignisses folgen lassen. Die ethnologische kontextuelle Untersuchung wird in dieser kinetologischen Methode ergänzt durch eine psychologische Bewegungsdeutung, welche, aufgrund meiner graphologischen Ausbildung als diplomiertes Mitglied des Verbands Schweizerischer Graphologen und meiner langjährigen Praxis als Schriftpsychologin und Schriftsachverständige, in Anlehnung an die psychologische Deutung des Bewegungsausdrucks von Handschriften erfolgt. Tänze und Handschriften teilen miteinander sowohl Anteile von Werkgestalt (Kirchhoff 1962, 1963,1965a und b) (30) als auch von Ausdruckscharakter (u.a. Klages 1936, Müller & Enskat 1993), wobei in ihnen zu unterschiedlichen Anteilen sowohl biologische als auch individuelle, kulturelle und epochale Charakteristika zum Tragen kommen. In einem Versuch der Anwendung schriftpsychologischer Methodik auf den Tanz müssen selbstverständlich die Besonderheiten der drei- dimensionalen ganzkörperlichen Bewegung und des Vorführrahmens im Sinne von Labans Kriterien gegenüber der speziellen Ausdrucksbewegung der Hand und der zweidimensionalen Gestaltung des Schriftfeldes Berücksichtigung finden.

 

 

Definition der kinetologischen Methode

 

Die Kinetologie versteht sich als Lehre von der Deutung der Bewegung als Symbol, leiblichem Ausdruck, leitbildhafter Darstellung und Ursache von bewegungsbezogenem psychophysischem Geschehen und der zweckgerichteten Verwendung von Bewegung in rituellem und künstlerischem Kontext. Die Kinetologie grenzt sich sowohl gegenüber der Motologie (medizinische Lehre von der menschlichen Motorik und deren Anwendung in Erziehung und Therapie) als auch gegenüber der Kinetik (physikalische Lehre von der Bewegung durch Kräfte) ab. Die Kinetologie befasst sich einerseits mit somatischen Anteilen der Bewegung, indem sie - zum Beispiel in Weiterentwicklung graphologischer Erkenntnisse - die dreidimensionale Bewegung des menschlichen Körpers im Raum auf psychologische Inhalte hin untersucht, andererseits zieht sie in der Anwendung sozialanthropologischer Erkenntnisse kulturspezifische Eigenarten und Inhalte und Symbole sowie emische Erklä- rungen des Geschehens für die wissenschaftliche Interpretation heran. Die kinetologische Interpretation erwächst aus der Inbeziehungsetzung dieser beiden Bereiche. Die tanzkinetologische Interpretation beinhaltet sowohl die psychosoziale als auch die intentionale Deutung der Tanzbewegung. Von einer tanzkinetologischen Interpretation können insbesondere zu psychologischen, soziologischen, ethnomedizinischen und religionswissenschaftlichen Fragestellungen zusätzliche Informationen zu gängigen Untersuchungsmethoden getanzter Inhalte erhofft werden.

Es folgt nun ein kinetologischer Vergleich einiger charakteristischer Merkmale des singhalesischen Ritualtanzes und des Sufitanzes, der zur Illustration der kinetologischen Methode und auch meiner weiteren Argumentation zum Ausmaß und zur kulturbedingten Begrenzungen transformativer Wirkungen von Tanz dient, ohne indes Anspruch auf Vollständigkeit der Abhandlung zu erheben.

 

 

Kinetologische Gegenüberstellung ausgewählter Aspekte von Sufitanz und singhalesischem Ritualtanz

Sozialanthropologische Vorermittlung. Kinetologische Bestandsaufnahme des singhalesischen Ritualtanzes. Kinetologische Bestandsaufnahme des Drehtanzes der Mevlevi-Derwische. Ergebnisse des kinetologischen Vergleichs.

 

Sozialanthropologische Vorermittlung

 

Die Gegenüberstellung dieser beiden Ritualformen ist zugleich auch bis zu einem gewissen Grad eine Gegenüberstellung von Vertretern der beiden grundlegenden Typen von ekstatischem Tanz nach Bourguignon (1968: 19): Tanz zur rituellen Ausagierung einer Rolle (Exorzismus Sri Lankas) und Tanz als Vehikel für die Erreichung mystischer Stadien (Sufireigen).

Tänze, die der Personifikation von Geistern und anderen Wesenheiten dienen, sind oft Teil von Besessenheitskulten, die es in allen Teilen der Welt gibt. Am besten bekannt sind jene aus Westafrika und aus Amerika: aus Kuba, Jamaika, Haiti, Trinidad und Brasilien. Andere berühmte Besessenheitstrancephänomene - nicht unbedingt jedoch Besessenheitskulte im Sinn von Bourguignon - finden sich in Indonesien, besonders in Bali, in Südindien und Sri Lanka sowie in SO-Asien, vor allem in Malaysien und Vietnam. Besessenheitskulte im engeren Sinn involvieren nach Bourguignon (1968: 27) organisierte Gruppen, die manchmal auf Verwandtschaftseinheiten aufbauen und oft komplexe Hierarchien, Initiationen und Mitgliedschaftsregeln beinhalten. In jedem Fall besteht ein Teil des Rituals aus der dramatischen, theatralischen (oder semi-theatralischen) Personifikation verschiedener spiritueller Wesen durch Angehörige der Gruppe von Ritualspezialisten bzw. deren Patienten, wobei auch Masken eine Rolle spielen können. Die Personifikation wird in einem mehr oder minder intensiven Stadium der Dissoziation durch eine Person ausgeführt, deren Aktionen mehr dem besessenmachenden Geist oder Dämon als ihr selbst zugeschrieben werden. Das Ritual ist öffentlich oder besteht zumindest aus Zusehern und einem oder mehreren Performern. Oft folgt auf eine Episode der Dissoziation und Personifikation eine Amnesie: der Trancer erinnert sich nicht an das, was geschehen ist. Diese Ereignisse können Teil eines Gottesdienstes sein, aber auch - und eventuell gleichzeitig - therapeutische Zwecke verfol- gen. In der Literatur wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass es sich bei der Majorität der Besessenheitstrancer um Frauen handelt (z.B. Bourguignon 1968, Kapferer 1983, Lewis 1989). In Sri Lanka (Nürnberger 1994) sind die trancenden Ritualspezialisten jedoch traditionell Männer, wenn auch viele ihrer Patienten, die während der Exorzismusriten bisweilen ebenfalls in Trance versetzt werden, weiblichen Geschlechts sind. Die Ritualspezialisten erfahren keine Amnesie und sie betonen ihre Fähigkeit zur Beherrschung ihrer veränderten Geist/Körperzustände, während von den Patienten erwartet wird, dass sie sich nicht an ihr 'dämonisches' Erleben erinnern und sie generell als den übermenschlichen Kräften ausgeliefert gelten. Dabei bleibt der srilankische Tanz jedoch nicht auf Formen des Besessenheitstanzes und exorzierenden Maskentanzes beschränkt, auch Tanzriten mit anderen Funktionen, wie der Sicherung von Frieden und Fruchtbarkeit und der Kommunikation mit verschiedenen Gottheiten, Dämonen und anderen Wesen zum Zwecke ihrer Beschwichtigung in Zeiten der Bedrängnis und Not, wie insbesondere in den aufwendigen priesterlichen Riten des Hochlands, werden im wesentlichen in dem im Folgenden beschriebenen Stil getanzt. Auf anwendungstypische Variationen wird gesondert eingegangen. Den Tanzriten Sri Lankas liegt ein synkretistischer Volksglaube zugrunde, der frühe schamanistische und naturreligiöse Elemente, mit vedischen und buddhistischen Traditionen vereint. Der Theravadabuddhismus der Singhalesen steht aus religiösen und politischen Gründen in einem gewissen Spannungsverhältnis zu diesen Ritualtraditionen, einerseits wegen der Nähe dieser Praktiken zur Ekstase, die generell als eher unheilvoller Zustand gewertet wird, andererseits durch deren Affinität mit tamilischen Traditionen. Der Theravadabuddhismus neigt generell dazu, Eingriffen in das menschliche Schicksal mit Misstrauen entgegenzutreten (Ames 1963, Bechert 1988, Gombrich & Obeyesekere 1988, Kapferer 1983, Nürnberger 1994, Raghavan 1967, Wirz 1954). Der hier vorgestellte singhalesischen Tanzstil ist weniger ein typischer Vertreter der Besessenheitstänze im Sinne von Bourgouignons Erhebungen, sondern eher typisch als eine Ritualtanzform der aktiven Schicksalskorrektur. Als solchen möchte ich ihn dem Sufi-Tanz gegenüberstellen, der als ein Gebetstanz dem Zweck der mystischen Kommunion einer religiösen Gruppe mit Gott, dem Absoluten, dient.

Der Sufismus (Bijlefeld 1992, Lanczkowski 1989:173, Schah 1977, Schimmel 1992, Touma 1978: 152-155) hat sich seit dem 7. und 8. Jh.u.Z. als Widerstand gegen die Weltlichkeit und lose Moral der herrschenden Umayyad-Kreise aus dem Islam heraus entwickelt. Neuplatonische, gnostische und indische Ideen haben die Entstehung dieser islamischen Form der Mystik gefördert. Seine größten Vertreter waren jedoch nicht Araber, sondern Perser. Der Sufismus wurde im Laufe seiner Geschichte von islamischen Gelehrten wegen seiner mystischen Dimensionen wiederholt angegriffen. Ihre Kritik traf einerseits das Streben nach einer persönlichen Erfahrung von Gott, wobei eine Vernachlässigung der etablierten religiösen Gebote befürchtet wurde. Andererseits sahen sie in der sufistischen Idee der Einheit mit Gott eine Leugnung des islamischen Prinzips des 'Andersseins' von Gott. Erst Al-Ghazali, der traditionelle theologische Positionen mit einer gemäßigten Form des Sufismus vereinte, verhalf den mystischen Schulen des Islam zu breiterer Akzeptanz.

Der mystische Terminus wajd wird oft als 'Ekstase' übersetzt und bedeutet wörtlich 'Finden', dass heißt:

Der rezent gebräuchlich gewordene Ausdruck "Sufi-Tanz" bezieht sich auf diesen Drehtanz Sema oder auch Sama der Sufi Derwische in der Tradition von Hz. Mevlana Celalettin Rumi (1207-1273). Der Gurdjieff-Schüler Bennett (1978:124), der selbst aus erster Hand Wissen über Initiationsprozesse verschiedener Kulturen sammeln konnte, berichtet, dass dieser Drehtanz nur einer von drei Teilen des Mevlevi-Ritus ist. Der erste Teil ist eine geistige Vorbereitung durch die Praxis des Sikr (auch Dhikr), der Wiederholung einer einigenden Anrufung oder einfach eines Namens Gottes. Der zweite Teil ist die darauffolgende Prozession vor dem Sheikh mit Musikbegleitung, bei der sich die Derwische einzeln vor den Grabmalen verehrter Sheikhs verneigen. Diese Phase wird durch ein Signal von den Musikern abgeschlossen, das die Derwische dazu veranlasst an ihren Plätzen in Stille zu erstarren, womit eine Erfahrung der Loslösung vom physischen Körper vermittelt werden soll, nach Bennett auch ein Symbol für den physischen Tod. Dann erst setzt die Musik mit einem starken Rhythmus wieder ein und die bekannte und im Folgenden näher analysierte Drehbewegung beginnt als dritter Teil des Gebetsrituals. Die kreisenden Bewegungen des nach Bennett auch Derv genannten Tanzes sollen unter anderem die Seligkeit des Paradieses repräsentieren, wenn die Seele in die neue Dimension des Kreises eintritt (ibid.). Nach Bourguignon (1968:22) sind verschiedene Orden oder Bruderschaften der tanzenden Derwische von Nordafrika bis nach Indochina verbreitet. Ihre Riten zeigen folgende Grundmerkmale: Wiederholungen, manchmal hundertemale, der Gebetsformel des Dhikr, wobei diese von einer Gruppe von Männern die einem Anführer unisono antworten, ausgeführt werden. Diese Antworten werden durch typische drehende und rhythmische Bewegungen des Rumpfes - oder auch durch auf komplexer Choreographie beruhenden Tanz mit Vollkörperdrehung - und durch ein charakteristisches Ein- und Ausatmungsmuster begleitet. Der Rhythmus des Gebets und der Bewegung wird gesteigert, zuerst langsam und dann immer schneller. Viele, wenn nicht alle der Teilnehmer erreichen mystische Stadien und gehen in Trance. Tänze wie der Tanz der moslemischen Sufi-Derwische oder beispielsweise auch der amerikanischen Kirchengemeinden der Schwarzen von der Art der Pfingstgemeinden oder Fundamentalisten haben die Erreichung einer Einheit mit dem Allerheiligsten, ein Stadium der gestärkten Hoffnung, ein Gefühl der Befreiung, der Erlösung und der sakralen Euphorie zum Ziel. Die Erfahrung ist sehr persönlicher Natur, wird aber innerhalb einer Gruppe und oft in gemeinsamer Anstrengung erreicht - ob durch Gebete und Verehrung, durch rhythmischen Gesang und Tanz oder durch andere spirituelle Übungen und sehr wahrscheinlich in einer Kombination von mehreren dieser Wege. In der Periode der Dissoziation kommt es zu einer Verengung und Intensivierung der Wahrneh- mung und danach folgt die Erinnerung an eine sublime und oft unaussprechliche Freude und Befriedigung (Bourguignon 1968:22).

 

 

Kinetologische Bestandsaufnahme des singhalesischen Ritualtanzes

 

Singhalesische Ritualtänze sind von langer Dauer, bis zu etwa 24 Stunden, von überwiegend metrischer, aber polyrhythmischer Struktur und mit großem Kraftaufwand verbunden, was mit den graphologischen Kriterien 'Rhythmus', 'Regelmäßigkeit', 'Niveau' und 'Druck' zu vergleichen ist. Das zeugt nach der hier angewandten kinetologischen Deutung von einem starken Einsatz des Willens, Durchhaltevermögen, Widerstandskraft, Ausdauer und kommuniziert auch die Zuverlässigkeit der Tänzer. Ausstattung und Gestaltung sind prunkvoll, symbolreich und traditionell, ohne kurzlebigen Kaprizen oder Moden unterworfen zu sein (vgl.: 'maßvolle Bereicherung').

Der Klangcharakter ist durch den lauten und vollen Klang (vgl. 'Farbigkeit') der komplizierten Unisonoschläge (vgl. 'Ebenmaß') des Trommelensembles auf gestimmten Trommelfellen geprägt. Ausstattung und Klangcharakter zeigen insgesamt Kennzeichen von Ausgehen auf Wirkung, Machtdemonstration, Bestimmtheit, Gefühlsreichtum und Prunk- liebe, aber auch Unterordnung unter gemeinschaftliche Ziele.

Die singhalesischen Ritualtänze sind klar und mehrfach, z.B. nach rituellem Inhalt, nach Taktart und rhythmischer Akzentuierung, gegliedert, wobei die inhaltlichen Abschnitte eindeutig von einander getrennt und einem umfassenden Plan untergeordnet sind. Das ist Ausdruck von klarem Überblick über das Ganze und Organisationssinn bei gleichzeitig eher geringer Spontaneität, was vielleicht angesichts der Bedeutung von ASC und Formen der Ekstase bei diesen Riten zunächst erstaunen könnte. Gerade das ist indes ein Hinweis auf den Wert der kinetologischen Analyse, um dem Zweck und Inhalt von Bewegungsriten gerecht werden zu können: die ekstatischen Körper/Geistzustände der singhalesischen Ritualtänzer befinden sich tatsächlich unter umfassender und gezielt trainierter Kontrolle, die auch dramatisch demonstriert wird: so z.B. die Unverwundbarkeit des Ritualtänzers durch Feuer in Fackeltänzen und Feuerlaufen. Gleichzeitig drückt sich im Merkmal der klaren Gliederung eine gewisse Begrifflichkeit in der inhaltlichen Struktur der Riten aus, jeder Abschnitt ist eindeutig festgelegten Inhalten gewidmet: 1.- der Patient wird fasziniert und die Götter werden angerufen; 2.- das Kollektiv wird emotionalisiert und die Götter/Dämonen erscheinen; 4.- im Hauptteil wird die Argumentation der Heilung inszeniert: Menschen ebenso wie Götter und Dämonen werden an ihre Pflichten erinnert, gleichzeitig wird ihre Macht und Hierarchie bestätigt, und zuletzt 5.- wird das Tanzopfer beendet.

Die Nutzung des Raumes ist nach allen Seiten nahezu gleich. Der Aktionsraum wird noch dazu erweitert, indem in einzelnen Sequenzen der Aktionsradius vom Tanzplatz bis ins Haus verlegt und auf einzelne Zuseher oder Ehrengäste ausgedehnt wird. Die Kommuni- kationshaltung ist nach dem Grad der Raumausnutzung als direkt, überschwenglich, kontroll- erheischend und besitznehmend zu bezeichnen.

Bei den Bewegungen dominieren kraftvolle, zentrifugale, kreisende, runde, bogenförmige (vgl. 'Völle' und 'Gespanntheit') und endbetonte Formen: Anzeichen und Symbol für Unbefangenheit, Lebensdrang, seelische Fülle, Humor und ein gehobenes Selbstgefühl sowie Durchsetzungskraft. Bis auf wenige Passagen werden Arme und Beine jedoch, so wie dies in den südasiatischen Tanzstilen im allgemeinen der Fall ist (z.B. Gheerawo 1997: 45f), stets abgewinkelt gehalten und erfolgen Hebungen der Gliedmaßen nur auf halbe Höhe, was den graphologischen Kriterien 'geschlossene Formen' und 'geringe Längenunterschiede' entspräche. Dies drückt ein Leitbild der Selbstverteidigung, ein Abgrenzen gegen das Fremde und Unbekannte, Konzentration, aber auch Gelassenheit, inneres Gleichgewicht und Reife aus.

 

Die Handflächen werden bei gestreckten Fingern anmutig und in rhythmischem Wechsel zugleich oder gegenläufig einwärts und auswärts gedreht, was ein kontrolliertes Pendeln zwischen Selbstschutz und Öffnung be-'deutet'. Es ist dies gleichsam ein Spiegel der Betonung individueller Unantastbarkeit, wie sie sich auch in vielen südasiatischen Grußgesten wiederfindet, die zugleich das Gegenüber ehren und in berührungsloser Distanz halten. Obwohl das wechselweise Präsentieren von Handrücken und Handfläche klare Versteifungsakzente und Abschlüsse der Hin- und Herbewegungen der Gliedmaßen setzt, ergibt sich doch insgesamt, auch durch den Mangel an Streckungen der Gliedmaßen, bei aller Vitalität und Bestimmtheit ein gelösteres Bewegungsbild als etwa im europäischen Ballett.

Die Kriterien der Völle, der runden und nach allen Seiten kurvigen, aber eher geschlossenen Formen sind im übrigen auch der Mehrzahl der singhalesischen Handschriften eigen, die auch in der graphischen Betonung des Mittelbandes der Schrift ein national- typisches Leitbild des In-sich-Ruhens, der Disziplin bei gleichzeitiger seelischer Fülle, der Gemütswärme und der geschmeidigen psychologischen Anpassung in einer Balance von Altruismus und Selbstschutz offenbart, Eigenschaften, die auch vom Standpunkt des Theravadabuddhismus her als erstrebenswert gelten.

 

 

zwei singhalesische Handschriften (aus Disanayaka in The Culture of Sri Lanka 1: 44)

 

Der Wechsel von ausrollenden und einrollenden, spiraligen Buchstabenformen, sowie von Arkaden und Girlanden gibt ein ebenso bewegtes Bild des Pendelns zwischen Verteidigung und Öffnung wie die beschriebene Bewegung der Hände im Tanz. Der schnörkelige, eher langsame Schrifttypus paßt gut zur zentralen kulturellen Bedeutung der aufwendig geschmückten rituellen Tanzperformance, die künstlerische, psychologische und physiologische Virtuosität verbindet.

Die Tanzbewegungen sind eher rechtsläufig (31), das Streben zur Welt und den Willen zur Auseinandersetzung betonend. Gleichzeitig zeugen lange Passagen von engen Gruppierungen und Bewegungsradien von Selbstbeherrschung, Mäßigung und gebundener Kraft. Letzteres gilt mehr für die priesterlichen Riten des Hochlands als für die Exorzismustänze des Tieflands, welche stärker auch Salto- und Drehtänze in lose wirbelnder Kreisformation einsetzen, gelegentlich Zügellosigkeit, jedenfalls mehr Offenheit suggerierend. Auch abrupte Unregelmäßigkeiten, originelle Wendungen und gelenkige Mobilität spielen im südlichen Tieflandtanz eine größere Rolle. Sie sind kinetologischer Ausdruck von angestrebten Eigenschaften wie Beweglichkeit, Witz, Impulsivität, Anpassungsfähigkeit, parapsychologischem Können und Medialität als notwendigen Fähigkeiten der Exorzisten in ihrer Funktion als Therapeuten gegenüber der mehr priesterlichen Funktion des Ritualtänzers des majestätischen Hochlandrituals.

 

 

Kinetologische Bestandsaufnahme des Drehtanzes der Mevlevi-Derwische

 

Der Drehtanz der Mevlevi-Derwische zeigt eindringliche monotone Herzrhythmusstruktur bei mäßigem Krafteinsatz, was nach kinetologischer Interpretation Gemütvölle, Herzlichkeit und In-sich-Ruhen ausdrückt. Die Tanzbewegungen sind extrem einfach, gleichmäßig und uniform, geringe Wertschätzung des Äußerlichen, Abstraktionsvermögen und routinierten Willenseinsatz bei konstruktiver Zweckorientierung und Einordnung in die Gruppe andeutend (nach graphologischen Kriterien 'vereinfacht' im Gegensatz zur 'Bereicherung' des singhalesischen Tanzes).

Die Armgestik ist bis zu einer lockeren Streckung weit ausgreifend und wirkt stark stilisiert, Ehrgeiz, Leistungswille und geistigen Anspruch preisgebend: "Ich war ein verborgener Schatz und sehnte mich, erkannt zu werden" ist die Ursache des Seins nach Auffassung der Sufi, ist die Erklärung für die Entstehung der Vielheit, durch die die Einheit sich selbst betrachtet (Özelsel 1996:185). Die gegenüber den singhalesischen Ritualtänzen eher passive Rezeptivität drückt sich auch in dem vergleichsweise geringen Krafteinsatz des Gebetstanzes aus.

Der Sufismus ist in erster Linie aus dem persischen Sprachraum in die Türkei, aber auch in den indopakistanischen Raum gelangt. Es ist deshalb vielleicht interessant hier anzumerken, dass auch die arabische Handschrift und ihre persischen Formen überwiegend durch weit ausgreifende Linien, bei einem schmalen und 'mageren' Mittelband (d.h. ohne runde Schleifenformen), insbesondere auch durch hohe, geradlinige und nach oben weisende Oberlängen gekennzeichnet ist, was auf eine kulturspezifische Höherbewertung idealistischer Ziele, auf eine Betonung des Geistes gegenüber der Materialität und Sinnlichkeit und auf eine Tendenz zur Abstraktion hindeutet, während der Verlauf der arabischen Schrift von rechts nach links die kulturelle Akzeptanz der Introversion, der Konzentration und des Rückzugs vor der Außenwelt akzentuiert (32).

 

 

Seite aus einer persischen Handschrift von Ghath Gwaliors "Fünf Juwelen" (33), Universitätsbibliothek Aligarh (aus Schimmel 1992:505)

 

 

 

 

arabische Handschrift (aus Cobbaert 1987:149)

 

Das gleichermaßen kühl wie graziös anmutende Schriftbild der arabischen Schreibschriften hebt sich deutlich von ihrer reich geschmückten Kalligraphiekunst ab, indem im Alltag klaren, vereinfachten und rasch auszuführenden Formen in einem Prozess der kulturgesteuerter Auslese der Vorzug gegeben wurde. Dieses Schriftbild passt gut zu einer Kultur der Abstraktion und technischen Konstruktivität, die schon früh in der Geschichte hervorragende Mathematiker, Astronomen, Mediziner und Bewässerungstechniker hervorgebracht hat, die aber andererseits zu einer ethisch begründeten Ablehnung der lebenslustigen und sinnlichen Ausdrucksformen, wie jene des Tanzes oder auch der Mode in der öffentlichen Sphäre tendiert.

Die Drehbewegung des Mevlevi-Tanzes ist gegen den Uhrzeigersinn, aus graphologischer Perspektive 'linksläufig', in Richtung Herz und damit nach innen, aber mit rechtem Fuss antreibend, und damit auch auf die Kollektivität und nach außen hin gerichtet, in diesem Aspekt gewissermaßen 'rechtsläufig', zum einen Konzentration und Sammlung, zum anderen auch Streben, Wissensdurst und Dienst an der Allgemeinheit andeutend: Der im Sinne der Sufi 'verwirklichte Mensch' (insan-i-kamil) lebt im Einklang mit der göttlichen Natur, indem er überbewusste Zustände zu entwickeln lernt (ibid.: 186). Die Arme der Derwische sind zunächst vor der Brust gekreuzt, auf Konzentration und Besinnung und auf eine Abkehr von der Außenwelt verweisend (vgl. graphologisches Kriterium 'geschlossene Formen'). Dann öffnen sich die Arme in zentrifugaler Bewegung bis zu einer lockeren Streckung auf etwas über Schulterhöhe steigend. Die rechte Hand weist nach oben, die linke nach unten. Damit wird ein weiteres rechtsläufiges und ausgreifendes ('offenes') Bewegungselement dem introvertierten und mehr konzentrativen ('geschlossenen') Formen des Anfangs entgegengesetzt. Hier wird nun ein Gleichgewicht zwischen Hingabe im Streben nach kosmischer Aufnahmebereitschaft und Aufrechterhaltung der Realitätsbezogenheit angedeutet.

Die Tanzbewegungen der Mevlevi-Derwische sind, ebenso wie der singhalesische Ritualtanz, nach ihrer emischen Bedeutung mehrfach semantisch gegliedert. Die Derwische kreisen um ihren eigenen Mittelpunkt und um den Sheykh, der das Ritual leitet, 'wie die Planeten um die Sonne', eine Metapher für die kosmische Ausrichtung des Rituals. Der Sheykh oder (seltener) die Sheykha sind die lebenden Repräsentanten der Überlieferungskette (silsile), die auf den Propheten Mohammed zurückgeführt wird, und ihr Segenseinfluss (baraka) schließt die Derwische an diese Kette an (Özelsel 1996:188). Die leichte Rechtsneigung des Kopfes "verbindet mit einer imaginären Linie Gehirn und Herz" (ibid.), was auf die Integration von Gefühl und Verstand hinweist.

Die emische Interpretation der zentrifugalen Streckung der Arme ist nach Özelsel (ibid.) das Empfangen des göttlichen Segens durch die nach oben gedrehte rechte und die Weitergabe dieses Segens an die Welt durch die nach unten weisende linke Handfläche. Hier wird ein linksläufiger Energiestrom suggeriert, der nach kinetologischer Analyse, ganz bedeutungskonform zu der emischen Auffassung, als Bestreben zu Erwerb und Sammlung, aber auch als Akt der geistigen Konzentration interpretiert werden muss. Der linke Fuß bleibt dem Boden verhaftet, während der rechte den Drehschwung gibt, sich rhythmisch hebt und abstößt und das Tempo der Drehung bestimmt. Dies kennzeichnet einen Rechtsantrieb der Bewegung in der Unterzone, der hier wegen der Schlichtheit und Stilisierung (vgl. graphologisches Kriterium 'hohes Formniveau') Transformation von Trieben zu geistigen Zielen ausdrückt, trotz der faktischen Linksdrehung, die mehr auf Herzbetonung und deshalb auf Mütterlichkeitsideale, weibliche, empfangende Spiritualität, seelischen Reichtum und in der Betonung der Bewegung unterer Extremitäten (vgl. graphologische Kategorie 'Unterlänge') auch Zugang zum kollektiven Unterbewußtsein verweist.

 

 

Ergebnisse des kinetologischen Vergleichs
 

Während die spezifische Formenvielfalt und die Art der üppigen Ausstattung singhalesischer Tanzriten aufgrund der kinetologischen und daher kontextgebundenen Analyse sofort eine vielfältige Ausrichtung auf extrovertierte und willenskontrollierte Beeindruckung eines Publikums durch Krafteinsatz und Formenvariationen und ein Streben nach kommunikativer Einflussnahme auf Patient und Zuseher, auf Götter und Dämonen im Sinne eines Verlangens nach aktiver Schicksalskorrektur und Eingriff in die Außenwelt preisgeben, herrscht bei den hochstilisierten und stark vereinfachten Formen des Reigentanzes Sema der Mevlevi- Derwische die Ausrichtung auf das mehr rezeptive spirituelle und sich-öffnende Erleben der Tänzer selbst vor, wird der Tanz zum Mittel der hingebungsvollen Einswerdung mit dem Höchsten und so zum Gottesdienst in engstem Sinn. Wenn daher die Sufi-Tänzer durch den Symbolgehalt ihrer Gesten daran erinnert werden, dass sie sich nicht allein für sich selbst drehen, sondern um der Allgemeinheit zu dienen, so ist auch dies in erster Linie für ihr persönliches und introvertiertes Erleben wichtig. Beide Ritualtanzformen setzen die Tänzer als Mittler zwischen den jenseitigen und diesseitigen Dimensionen der Existenz ein und doch haben sie sich so verschieden - und, wie man sieht, durchaus funktionell - bewegungspsychologisch spezialisiert.

 

 

Zur Problematik der Entkontextualisierung von Erfahrung in der Suche nach Objektivität

Die 'New-Age-Falle' - Anmerkungen zu Goodmans transkultureller Untersuchung ritueller Körperhaltungen; Techniken der Konditionierung von Körper/Geist. Die 'Primitivitätsfalle' - Kritik an einigen Aspekten der Thesen von Douglas zur Ritenforschung; Beschränkungen aus der kartesischen Annahme einer permanenten Trennbarkeit von Körper und Geist. Zur Problematik etischer Interpretation rituell erzeugter Körper/Geist - Zustände.

 

Wenn man aus den bisherigen Untersuchungen zu den objektiven Hintergründen ritueller Zielsetzung und Wirksamkeit Schlüsse ziehen wollte, so kommt man nicht umhin festzustellen, dass in der einschlägigen Literatur vor allem zwei Fehler beständig wiederholt wurden. Der eine Fehler beruht auf den Folgen einer unbewussten Abwehr und Leugnung des Phänomens der erweiterten Bewusstseins- und Seinszustände, der Leugnung der Freisetzung außeralltäglicher und im Westen oft unvorstellbarer menschlicher Fähigkeiten und ritueller Wirksamkeiten. Hier finden sich Forscher und Forscherinnen, die zwar die Funktion von Riten als soziale und psychologische Techniken zur Aufrechterhaltung der Strukturen einer Kultur und Gesellschaft analysieren, aber physikalische Messbarkeiten, wie etwa feststellbare Veränderungen in der körperlichen Konstitution von Ritualspezialisten und ihren Patienten und deren menschlichen Fähigkeiten in der Regel negieren. Dieser Ansatz führt in der Folge zu den heute immer unrealistischer erscheinenden Argumentationen über die kulturelle Inferiorität außereuropäischer Kulturen, wobei der Verzicht auf religiöse Mythen mit Rationalismus gleichgesetzt wird und als 'überlegen' und 'wissenschaftlich' gegenüber dem 'abergläubischen' Weltbild der anderen Kultur aufgefasst werden. Ich möchte diesen Fehler im wissenschaftlichen Ansatz daher als 'Primitivitäts-Falle' titulieren.

Die andere, jüngere Position kann als extreme Reaktion auf die damit einher gehende Beschneidung menschlicher Phänomene, wie sie die Leugnung von Phänomenen wie Trance und sogenannten 'übersinnliche' Fähigkeiten darstellen, gelten: sie engagiert sich für den empirischen, naturwissenschaftlichen Beweis der transkulturellen Relevanz ekstatischer Phänomene unter der Vernachlässigung ihrer gesamtkulturellen Kontexthaftigkeit. Den Fehlglauben an die bedingungslose Übertragbarkeit solcher Phänomene ohne Rücksicht auf kulturellen Kontext möchte ich als 'New-Age-Falle' bezeichnen.

Ich möchte mit Aspekten einiger aus biologistischer Interpretation reduktionistisch erscheinenden Theorien von Felicitas Goodman als Beispiel für die 'New-Age-Falle' beginnen und in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung der von Goodman außer Acht gelassenen kulturspezifischen Konditionierungen von Körper/Geist-Zuständen hinweisen. Goodmans Theorien haben unter anderem auch in die viel zitierten Ansätze der Theateranthropologie Schechners (bes. 1993) Eingang gefunden, weshalb sie für die vorliegende Arbeit wichtig erschienen. Als Beispiel für die 'Primitivitätsfalle' möchte ich einige Aspekte der Ritualtheorien von Mary Douglas kritisch im Hinblick auf 'Soziologismen' beleuchten und in diesem Zusammenhang auf die Beschränkungen einer kartesischen Sichtweise über die permanente analytische Trennbarkeit von Körper und Geist hinweisen. Douglas ist von herausragender Bedeutung in der gegenwärtigen Diskussion um die Zusammenhänge zwischen Körper (Leiblichkeit) und Kultur, weshalb einige ihrer Äußerungen hier näher untersucht werden. Die hier kritisierten Einzelaspekte der viel beachteten Ansätze der beiden Forscherinnen schmälern ihre Verdienste nicht. Es soll jedoch die Notwendigkeit interdisziplinärer und auch innovativer Ansätze auf dem Gebiet der ethnologischen Ritualforschung unterstrichen werden. Abschließend wird in diesem Kapitel auf die allgemeine Problematik etischer Definitionen kulturgeprägter Körper/Geist-Zustände hingewiesen.

 

 

Die 'New-Age-Falle' - Anmerkungen zu Goodmans transkultureller Untersuchung ritueller Körperhaltungen

 

Ähnlich wie ihre Lehrerin Bourguignon versuchte Goodman Trancephänomene rationalem Denken zugänglich zu machen. In ihrem Bemühen um Wahrheitsfindung engagierte sie sich für die Konstruktion einer naturwissenschaftlichen Methode in der Tranceforschung, indem sie ihre Aufmerksamkeit biologischen Determinanten des Tranceverhaltens zuwandte. Sie fertigte physikalische Klanganalysen der Glossolalie an, wodurch es ihr gelang den Nachweis für typische Gemeinsamkeiten in der Verlaufsform dieses Phänomens zu erbringen: - kurze Silben, die mit Konsonanten beginnen, - Rhythmik und Akzentuierung in gleichlange Einheiten, - Intonationsmuster mit Höhepunkt gegen Ende des ersten Drittels und langsamen Abfall bis zum Schluß (Goodman 1991: 31f.). Aus diesen messbaren Ergebnissen kam sie zu dem Schluss, dass nicht sprachliche, also kulturelle Gesetze das Glossolalie-Geschehen determinierten, sondern körperliche, also biologische:

Es war für sie dann nur ein kleiner Schritt weiter zu der Schlußfolgerung, dass Zungensprechen kein eigentlich religiöses oder ideologisches Phänomen ist. Weder Inhalte noch Glauben machen jemanden zu einem Zungensprecher. Vielmehr ist es aus ihrer Sicht ganz im Gegenteil das transkulturelle Phänomen der Glossolalie selbst, das auf der ganzen Welt religiöse Glaubensvorstellungen prägt (Schechner 1993:241). Was hier etwas unterbetont erscheint, ist, dass die Wertung und Sinngebung des biologischen Substratums dieses Phänomens nichts desto trotz den Kulturen und menschlichen Individuen vorbehalten bleibt. Und die Bereiche, die verschiedene Religionen und Kulturen einem solchen Phänomen zuweisen, können zwischen den Polen der Pathologie und des Sakralen eine beträchtliche Bandweite an Abweichungen aufweisen. Der Lesers möchte seine Aufmerksamkeit darauf richten, dass dem Glauben an messende Verfahren bisweilen die Vollständigkeit einer Phänomenbeschreibung geopfert wird.

Goodman setzte ihre Arbeit, die als ein Bemühen um die Legitimation der Trance-Forschung durch Empirie verstanden werden muss, nun in dem Versuch fort, einen transkulturellen Zusammenhang der Glossolalie zu bestimmten Formen der rhythmischen Stimulation nachzuweisen. Dabei "stolperte" sie, nach ihren Worten, "über eine beachtliche Beobachtung" (Goodman 1990: 103). Bestimmte, detailliert festgelegte, rituelle Körperhaltungen, die sie aus ikonographischen Darstellungen unterschiedlicher Herkunft rekonstruierte, rufen nach einer Induktion von Trance, angeblich direkt, auf somatischem Weg, nicht nur bestimmte somatische Wahrnehmungen, sondern auch sehr spezifische veränderte Bewusstseinsinhalte der Tranceerfahrung hervor. Zu diesen Erfahrungen gehört zum Beispiel das Auftreten relativ gleichartiger mythischer Figuren in immer denselben genau strukturierten Sinnzusammenhängen.

Nach Goodman (1992) ist ein Ritual eine geschlossene Folge von Handlungen, "deren ausdrückliche Aufgabe es ist, die Verbindung zur anderen Wirklichkeit herzustellen und auf diese Weise in den Ausübenden zu einem religiösen Erleben zu führen" (ibid:27). In dieser Definition fehlt bezeichnenderweise ein Hinweis auf kulturimmanente Unterschiede in der Auffassung und Wahrnehmung der Gestalt dessen, was sie 'andere Wirklichkeit' nennt. Bereits 1977 kam Goodman zu dem Ergebnis, dass "die in der Kunst versunkener Kulturen bewahrten außerordentlich abwechslungsreichen Körperhaltungen", in Wirklichkeit "in sich geschlossene Rituale" sind, die auch ohne Übernahme der meist unbekannten Kultur unter Hinzufügung einer rhythmischen Anregung, etwa durch Rasseln, zu neuem Leben erstehen würden. In ihren mehr als 20-jährigen Untersuchungen zur Rekonstruktion frühgeschichtlicher Überlieferungen und religiöser Phänomene glaubte sie in Einzelversuchen an Probanden herausgefunden zu haben, dass jede einzelne der Körperhaltungen innerhalb eines gewissen Rahmens ein anderes visionäres Erlebnis beinhaltet, dessen Charakteristika quer durch die Probanden und unabhängig von deren kultureller Herkunft immer gleich bleiben. So kann zwischen Haltungen unterschieden werden, die das Erlebnis einer Seefahrt vermitteln und anderen, die das Heilen, das Wahrsagen, die Metamorphose und anderes betreffen (ibid.: 31).

Goodman (1990:107) lehnte die Imitation der Riten jener Kulturen, aus deren Kontext die von ihr verwendeten Haltungen stammten, mit der Begründung ab, dass die Verankerung dieser Riten in den jeweiligen Kulturen nicht imitierbar ist. Sie schuf aber letztlich eine selbsterfundene rituelle Abfolge an einem speziell zu diesem Zweck geschaffenen Platz, dem sogenannten 'Kiva', am Cuyamungue Institut, einem Klassenraum, der halb unter der Erde lag und den gleichnamigen heiligen Ritualplätzen der Pueblo Indianer Amerikas nachempfunden wurde. Ihr "invariables Rezept" (Schechner 1993:243) bestand in folgender Abfolge:

a) Eröffnungsritual im 'Kiva',

b) Tanzspiel im Tanzhof,

c) metamorphosischer Tanz, in dem jeder Teilnehmer die Bewegungen seines "Tiergeistes" tanzt und sich gegebenenfalls in dieses Tier "verwandelt",

d) eine kurze Abschlusssequenz im 'Kiva', eine Verabschiedung der Geister und Rückkehr zur normalen Realität.

 

Nach meinen eigenen Erfahrungen mit Trancen in Gruppen sind die von Goodman postulierten Zusammenhänge zwischen biologischen Faktoren und subjektivem Erleben zwar vorhanden, aber im Sinne der vorangegangenen kurzen kinetologischen Gegenüberstellung von Derwischtanz und singhalesischem Ritualtanz wesentlich unspezifischer. Ich vermute, dass für die Ergebnisse Goodmans nicht nur die Körperhaltungen der Probanden, sondern auch die Erwartungshaltung und freigesetzte rituelle Energie von Goodman selbst eine entscheidende Rolle gespielt hat. Während der von mir in Wien zwischen 1989 und 1994 geleiteten Workshops zur Bewusstseinsveränderung durch konzentrative Bewegung traten mit auffallender Regelmäßigkeit Phänomene kollektiver telepathischer Übertragungen von eben stattfindenden inneren Wahrnehmungsprozessen und Visionsinhalten zwischen den Teilnehmern auf. Dabei nahmen meine eigenen Wahrnehmungen und Vorstellungen, die selbstverständlich von meiner Vorbereitung als Workshopleiterin her durch Erwartungen geprägt waren, die dominanteste Rolle ein, indem sie das Erleben der anderen Teilnehmer am häufigsten inhaltlich beeinflussten. Goodmans Probanden befanden sich ebenfalls in erweiterten Bewusstseinszuständen, welche nonverbale und telepathische Übertragungen begünstigen, ein Umstand, der m.E. in Goodmans Analysen zu wenig berücksichtigt erscheint. Nonverbale Formen der Übertragung können einen größeren Anteil an der von ihr beschriebenen, bis ins Einzelne gehenden Parallelität der mythischen Erfahrungsgestalt der Bewusstseinsinhalte, Bilder und Visionen ihrer Probanden haben, als deren exakt gleiche Körperhaltungen.

Ihr Argument, dass bei ihren Forschungen telepathische Übertragungen ausgeschaltet wären, weil bei den Versuchen unbekannt ist, welche Formen die Wahrnehmungen annehmen, ist - wenn überhaupt - nur für den jeweiligen Erstversuch - ob unter ihrer Anleitung oder an sich selbst - relevant. Bei jeder Wiederholung, aber auch schon bei ihren Erstversuchen, kann sie ihre Erwartungen auf ihre jeweiligen Probanden und auf ihr eigenes Erleben übertragen haben. Sie selbst hatte selbstverständlich Kenntnisse und Vorstellungen darüber, aus welchem kulturellen Bereich ihr eigenes Bewegungsmaterial stammte, Inhalte, die sich nicht einfach aus ihren Erwartungen und Visionen und somit auch aus dem Bewusstsein ihrer Probanden verbannen lassen, seien sie nun bewusst oder ins Unterbewusstsein verdrängt. Goodman betreute ihre Einzelversuchspersonen persönlich und korrigierte ihre Körperstellungen bisweilen unter körperlicher Berührung. Dabei können Stimmungen und Erwartungen sehr gut auf nonverbalem Weg weitergegeben werden. Man vermisst in ihren Veröffentlichungen auch Berichte über abklärende Blindversuche mit uninitiiertem Betreuungspersonal, mit nach dem Zufallsprinzip gewählten Stellungen, etc. Schließlich, wenn diese Körperstellungen selbst schon Riten sind, warum hat sie dann eine viel aufwendigere Ritualabfolge mit Einstimmung, Tanz und Ausklang entwickelt? Diese oben beschriebene ausführlichere Form von Ritual setzt zweifellos derart komplexe und vielschichtige Wirkungen frei, dass eine singulär biologische Verursachung von Erlebensinhalten bei den Teilnehmern ausgeschlossen werden kann. Ironischerweise argumentiert und verhält sich Goodman hier in mancherlei Hinsicht mehr wie eine initiierte Ritualspezialistin als eine Naturwissenschaftlerin, wobei die Übergänge zwischen beiden Professionen im gegenwärtigen Trend liegen und so wie auch bei manchen Vertretern der Theateranthropologie fließend bleiben.

Allerdings reproduziert Goodman hier eine Ansicht, die man in in vielen Kulturen teilt, dass nämlich bestimmte genau festgelegte Haltungen oder Bewegungsmuster bestimmte psychische oder mystische Erlebnisse direkt hervorrufen, bestimmte Götter oder Dämonen rufen, bestimmte Erlebnisse provozieren können. So kennen singhalesische Ritualtänzer Tanzschritte, die sogenannten ves pada, die Besessenheitsverhalten provozieren. Anders als für Ritualspezialisten (34) besteht für Wissenschaftler die Verpflichtung, hier genau zwischen oberflächlichen Beobachtungen einerseits und mythischen und technischen Details andererseits zu unterscheiden. Hierbei kommen zunächst zwei Thesen für einen Erklärungsversuch bezüglich der immer wieder beobachtbaren Koppelung von Bewegungsfolge und Bewusstseinszustand in Betracht: Die eine erklärt diese Koppelung durch die Herausbildung einer Art bedingten Reflexes - ähnlich dem 'Ankern' bei der Coaching-Technik des Neurolinguistischen Programmierens (Weiß 1990: 45-97), die zweite - die Goodmans - geht von einer direkten Körper/Geist-Einheit und der direkten Aktivierung von 'archaischen' und rituellen Bewusstseinsinhalten und -zuständen über Körperbewegung aus. Diese beiden Ursachen tendieren dazu gemeinsam, auf gleichen und auch auf unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen auf eine Art und Weise wirksam werden, die ihre Differenzierung erschwert: z.B. als eine kulturell bestimmte und erlernte Verankerung der Koppelung einer Art von Körperhaltung mit der Vision einer Gottheit, und als gleichzeitige direkt kinetisch induzierte 'archaische' Wahrnehmungsintensität, wie etwa eine allgemeine Stimulierung des bildhaften und problemlösenden Denkens unter Zugriff auf besondere Bewusstseinsschichten durch dieselbe Haltung (35). Die subjektive Erfahrung der Tanzenden und Trancenden vereinigt in sich stets Aspekte physischer und konzeptueller Realität, so wie dies etwa von Newman (1980) anhand der Trance-Erfahrung der !Kung Buschmänner untersucht wurde. Dazu kommt dann als ein drittes und sicherlich noch nicht letztes bedeutsames Glied ritueller Erfahrung die Übertragung von Inhalten durch nonverbale Signale verschiedener Art, die dazu beitragen, in einer Gruppe homogene Ergebnisfolgen nach der Einnahme spezieller Haltungen zu erzielen.

 

 

Techniken der Konditionierung von Körper/Geist

 

In Sri Lanka gibt es neben rituellen Lauten (mantram) auch Rhythmus- und Bewegungsfolgen (awesa pada), die der Exorzismustänzer für die Induktion einer Trance im Patienten benutzt. Hierbei ist zunächst nur der Ritualtänzer aktiv, der Patient indes faszinierter Zuseher, der erst nach und nach von dem Geschehen ergriffen wird und schließlich in den speziellen Körper/Geist-Zustand verfällt, der für ein Gelingen des Heilrituals erforderlich ist. Der Zuseher wird von dem Bewegungskünstler oder Ritualtänzer zu Beginn des Rituals durch eine spezifische Art der Interaktion in einen hypnoseähnlichen Zustand versetzt. Diese Arbeit nennen singhalesische Tänzer wasi kirima. Ein Exorzismustänzer der Fischerkaste (karave) von der Südküste Sri Lankas beschreibt diesen Begriff:

Der Ritualtänzer nimmt den Patienten bei der Hand und fordert ihn höflich auf, die Öllämpchen für den Buddha und in der Folge für die Gottheiten der vier Weltenviertel zu entzünden. Er singt die Rezitation der 'Zufluchtnahme' zu Buddha, der Lehre (dhamma) und dem Klerus (sangha). Das ist 'wasi für die erste Lampe'. Die Anrufungen der Gottheiten der vier Weltenviertel (hatara varan deviyo) sind 'wasi für die vier folgenden Lampen'. Jede der Anrufungen verbreitet eine eigene Stimmung, die den Patienten gefangen nimmt und ihn fasziniert. Schließlich wird das Öllämpchen für den Hauptdämon der Heilungszeremonie in einer Inkantation angerufen, und das ist nun ein melodiöses Lied, das noch ohne Trommelbegleitung angestimmt wird, aber schon mit einer Fackel in der einen Hand. Die beiden Attraktionen des Klanges und des Fackellichts fixieren gemeinsam die Aufmerksamkeit des Patienten. Durch die hinweisenden Tanzbewegungen der Fackel in der Hand des Ritualtänzers, wird die Aufmerksamkeit des Patienten nun auf den mit Blumen, Betelblättern und einigen Münzen bestückten Opferaltar (mal yahan) gerichtet. Das ist ebenfalls wasi. In der anderen Hand hält der Ritualtänzer eine Art Zauberstab, aus Rohr kunstvoll gebogen, den rituellen Pfeil (igaha), welcher dem hinduistischen Gott des Tanzes und der Erschaffung, Erhaltung und Zerstörung der Welt, Siva, zugeordnet wird. Nun berührt er in fließenden Bewegungen damit den Kopf des Patienten, stellt eine körperliche Verbindung her zwischen sich und dem Patienten und beginnt zugleich einen anderen Reim zu singen. Er berührt nacheinander den Kopf und die Augen des Patienten, die Nase, den Mund, die Schultern, Unterarme, Arme - und für jeden Körperteil gibt es ein eigenes gesungenes Gedicht. Und dann streicht er mit seinem Stab von oben nach unten über den Körper des Patienten und singt: "jetzt ist Dein Körper mit mir". Schritt für Schritt wird so wasi erzeugt: die erste Lampe, die vier Richtungen des Raumes und dann das Berühren des Patienten.

An den geeigneten Stellen im Ablauf tritt der Exorzismustänzer vor den sitzenden Patienten hin, richtet sich auf und beugt sich von oben etwas auf ihn hinunter und weist auf ihn mit seinem Zauberstab. Das ist der 'Pfeil Sivas', dessen eines Ende eine symbolische Pfeilspitze, 'das dritte Auge Sivas', aus jungen Kokosblättern ziert, der in seiner geschwungenen und filigranen Ornamentik schon als Objekt an sich fasziniert. Und der Exorzistentänzer starrt dazu dem Patienten direkt in die Augen, und spricht ihn mit befehlender Stimme an: "Du musst sagen, was Deine Krankheit ist, sonst gibt es für Dich kein Entkommen. Du weißt, dass dieser Stab sehr mächtig ist. Dieser Stab gehört dem großen Gott Siva. Du weißt, dass sein Geist darin wohnt." Und mit all diesen Handlungen wird die Aufmerksamkeit des Patienten gebannt, so werden seine Augen dem Ritualtänzer nun überall hin folgen, wohin immer er sich auch bewegt, wie immer er auch tanzt, welche Masken er ihm auch zeigen wird - immer wird der Patient den Tänzer beobachten. Und der Patient wird die Kostüme betrachten, die Worte hören und die Melodien werden ihn ergreifen, - alles wird er fasziniert verfolgen. Das ist wasi. (Interview Bandusena, ibid.)

Die spezifischen Einzelheiten der Erfahrung des Patienten im Ritual wird durch diese Prozedur nicht etwa im Sinne einer bloßen Suggestion oder Hypnose (37) festgelegt. Sie beinhaltet unter anderem Sequenzen, die der Diagnose dienen und in denen in Abhängigkeit von den spontanen Reaktionen des Patienten der die Besessenheit verursachende Dämon ausfindig gemacht wird, wie mir Sederaman (38) versicherte. Dennoch ermöglicht wasi erst die volle Entfaltung der therapeutischen Wirkung des Rituals, die einen abgelenkten oder auch intellektuell distanzierten Patienten nur schwer erreichen könnte. Hier ist es also nicht eine 'ästhetische Distanz', die Heilung bewirkt, sondern die totale Einvernahme durch das Geschehen, die nicht nur den Geist des Patienten ergreift, sondern auch seinen Körper dazu bringt in Anfällen von awesa (39) zu zittern, unwillentlich zu tanzen und schließlich - wenn auch die anwesenden meta-menschlichen Personifikationen befriedet sind - zu gesunden.

In Südasien gibt es ein Konzept, dass die Erzeugung magischer und ritueller Wirksamkeiten als einen Prozess, der über drei Stadien erfolgt, erläutert. Diese Stadien heißen mantra, yantra und tantra. Sie beschreiben unter anderem den Ablauf der Konditionierung von Körper/Geist-Zuständen über die Etablierung von Schlüsselreizen.

Als Fundus für Schlüsselreize, die kulturell konditioniertes Erleben induzieren, kommt letztlich der gesamte psychomotorische Komplex der Tanzriten mit ihren Mythen und Körperhaltungen in Frage, der indexikalisch die verschiedensten kulturgebundenen Syndrome und Verhaltensweisen zitiert und für seine Zwecke funktionalisiert. Insbesondere Schauspiel hat eine tragende Funktion in den Exorzismusriten der Südküste Sri Lankas. Denn die Zuseher sollen auch ohne detaillierte Kenntnisse der mythologischen Symbolik dem Hauptgeschehen des Rituals folgen können. Ein Beispiel:

Einem Patienten, der chronisch fiebert und alles Essen erbricht, bei dem westliche alopathische und östliche ayurvedische Medizin versagt haben, wird der Gulma - Dämon vorgetanzt (40). Er präsentiert seinen aufgeblähten Bauch, schwankende und kraftlos wirkende unsichere Tanzbewegungen, einen rollenden und nach vorn überhängenden Kopf und seine Maske mit qualverzerrtem Mund. Er imitiert die Bewegungen bei Erbrechen und Blähungen, er jammert und klagt. Der Dämon ist zuerst furchteinflößend, dann mitleiderregend, dann lächerlich. Schließlich zieht das Lachen der Zuseher immer mehr Neugierige zum Geschehen heran, und je größer die Zahl der Teilnehmer desto sicherer ist aufgrund der gemeinsam erzeugten heilsamen Magie der Erfolg des Exorzismus. Der Auftritt ist Teil einer Folge von Dämonengestalten, doch wird er vor diesem Patienten besonders lang und ausführlich getanzt, denn diese Maske personifiziert das Krankheitsbild des Patienten. Der Patient, der von Beginn an durch wasi kirima fasziniert wurde, verfällt im Sitzen in ein Zittern des ganzen Körpers, welches mit einem Zustand unwillkürlicher 'Besessenheit', der kulturspezifisch als awesa bezeichnet wird, assoziiert ist. Eine heilsame Katharsis nimmt nun ihren Lauf, die gegen Mitternacht im Hahnenopfer ihren Höhepunkt erreicht: Der Exorzist schwenkt einen lebenden Hahn über dem Kopf des Patienten, der als Sitz seiner Krankheit gilt. Sobald der Exorzist nun den Kopf des Patienten mit dem Hahn berührt wird die Krankheit - so weiß der Patient ebenso wie sein Heiler - von seinem Kopf in den Hahn übergehen (41). Häufig stirbt der nicht eben sanft behandelte Hahn einige Stunden nach einem solchen Ritual, was als Zeichen verstanden wird, dass der Dämon das Opfer angenommen hat und den Patienten in Hinkunft in Frieden lassen wird.

Ein anderes Beispiel: Ein Patient, der aufgrund psychischer Beschwerden, wie Depressivität und Antriebsmangel sowie häufige Träume von seiner kürzlich verstorbenen, Großmutter, zu der er eine enge Bindung hatte, in Behandlung kam, wird einem Ritual ausgesetzt, in dem der Friedhofsdämon eine zentrale Rolle spielt. Der Große Friedhofsdämon, Maha Sohon Yaka, wird mit einem spezifischen Trommelrhythmus gerufen und es wird ihm ein spezifisches Opfer dargebracht. Der Opferaltar hat die achteckige Form eines Sarges. Das Opfer enthält Inhaltsstoffe, die nicht nur für den Eingeweihten auf die Identität des Dämons anspielen: so zum Beispiel Blumen und Pflanzen, die auf Friedhöfen wachsen und deren Duft den Kranken an ein Begräbnis erinnern. Der Gesang, der den Dämon ruft, gehört zu der melodischen Kategorie der Trauergesänge (vilape) und verbreitet eine gedrückte, sehnsüchtige und traurige Stimmung. Der Trommelrhythmus (maha sohon pada) wird dundung tatada dung tatada solmisiert und erinnert an den gebrochenen Gang der Trauernden, usw. (beide Beispiele: Bandusena, Interview am 6.6.1996, Ambalangoda). Der Patient wird also in all diesen Fällen über sehr virtuos gehandhabte vielfältige künstlerische und psychotrope Techniken sehr tief in seine pathologischen Zustände hineingelockt. Er erlebt eine geführte Reise durch pathologische und andere hochenergetische Zustände (Lachen, Weinen, Angst, Ekstase, Verwirrung), die immer wieder durch andere, ruhige und klare Passagen abgelöst werden, bis er sich selbständig von seinen krankhaften Zuständen entfernen kann. Diese Reise funktioniert über ein vielschichtiges System an Kulturindizes (vgl. Tambiah 1981), die dem Leidenden Vertrauen in diese kraftraubende bis zu 18-stündige Prozedur einflößen und ihm ein subtiles Netz an sinngebenden Bezügen zur Verfügung stellen. Doch ist jede dieser Riten im Verlauf auch einzigartig und auf den individuellen Kontext abgestimmt und bewirkt in kreativer Weise ein neues Sein in der Welt.

 

 

Die 'Primitivitäts-Falle' - Kritik an einigen Aspekten der Thesen von Douglas zur Ritenforschung

 

Dämonen, Götter und Geister werden in vielen Kulturen der Erde durch Bewusstseinsverändernde Tanzriten gerufen, gefeiert, befriedet und gebannt, oft mit dem Resultat, dass Kranke sich dadurch besser fühlen oder dass zumindest soziale Reintegration und Kooperation mit der Bezugsgruppe unterstützt werden. Diese rituellen Tanzpraktiken gehen davon aus, dass außerhalb des menschlichen Geist/Körpers existierende Wesenheiten auf das menschliche Schicksal einwirken und dass Tanz ein adäquates Mittel zur Kommunikation mit diesen Wesenheiten ist. Oft ist auch die Vorstellung von einem möglichen Seelenraub oder einer Inbesitznahme des lebenden Körpers durch fremde Mächte mit diesen Kulten verbunden. Andererseits ist die körperlich-geistige tänzerische Kommunikation mit diesen Mächten kein Selbstzweck, die Zukunft soll erforscht, ein Kranker soll geheilt, ein Stückchen Land von Trockenheit verschont werden. Um zu einer erfolgreichen Auseinandersetzung mit mythisch konzipierten Mächten zu gelangen, wird eine nichtalltägliche, eben mythische Rationalität wirksam, welche die alltäglichen dialogischen und selbstreflektiven Denkprozesse unterbindet.

Mary Douglas' Verdienst besteht darin, Riten als eine Form der Kommunikation aufzufassen, das in verdichteter, nonverbaler Gestalt die Geschichte der Gruppe vergegenwärtigt. Symbole, Tabus und Rituale sind nach Douglas (1993) Merkmale der Conditio humana und für den Menschen lebensnotwendige Orientierungshilfe. Eine besondere Rolle spielt dabei das Zeichen- und Ausdrucksrepertoire des Körpers. In und mittels der 'Sprache' der Körpersymbolik prägt die Vorstellung vom eigenen Körper auch das Gesellschaftsbild. Der Körper ist die Grundlage eines natürlichen Symbolsystems, dessen konkrete Ausprägung durch die soziale Dimension bestimmt wird. Mit diesen Feststellungen hat Mary Douglas die moderne Anthropologie und Ethnologie beeinflußt. Während ihre grundlegenden Überle- gungen nicht in Zweifel gezogen werden, werden in einzelnen Aspekten ihrer Theorie dennoch kritische Anmerkungen notwendig.

Grundsätzlich ist zu vermerken, dass Douglas, als exemplarische Vertreterin des diametralen Antipols zu den Biologismen Goodmanscher Prägung, körperbiologische Grundlagen ritueller Praxis gegenüber der Determinierung durch soziale Strukturen gering achtet oder gänzlich negiert. Waren für Goodman isolierte Körperhaltungen noch 'in sich geschlossene Riten', die prinzipiell bei Vertretern jeder Kultur erfahrbare Resultate zeitigten, so sind nunmehr die Regeln für das körperliche Ausdrucksverhalten zur Gänze erklärbar als Produkte der Sozialisation (Douglas 1993: 4), in Anlehnung an den Strukturalismus der Prägung durch Lévi Strauss, für den jedes Verhaltensdetail auf bestimmten Innervations- und Muskelaktions-Syndromen basiert, "die für sich echte Systeme bilden und darüber hinaus in den Gesamtkontext einer bestimmten Gesellschaft eingebettet sind" (ibid.: 5f, Douglas zitiert Strauss 1950: xii). Ritualismus reduziert sich für Douglas (1993:20) folgerichtig auf die Kernpunkte Symbolik und Glauben:

Nachdem Riten also solcherart ihrer technischen und rationalen Dimension als komplexe und geschickte Mittel zum Erreichen eines deklarierten Zweckes und in ihrer immanenten Funktion der Integration verschiedenster Ebenen des menschlichen Seins im Sinne meiner vorangegangenen Erläuterungen beraubt sind, erscheinen alle Aspekte, die rituelle Wirkun- gen, Situationsveränderungen oder auch die generelle Fähigkeit Kulturwandelvorgänge zu integrieren betreffen als dubios, sekundär und jedenfalls unterschiedlichen sozialen Strukturen zuordenbar:

Die ad hoc Unterstellung der Primitivität gesamter Kulturen (also sowohl der technischen Entwicklung als auch der geistigen Kultur und religiöser Formen, etc.) schafft Widersprüchlichkeiten. So erscheint denn an anderer Stelle (ibid.: 13) im Unterschied zur 'Stabilität' des obigen Zitats gerade die 'Wandelbarkeit' des 'allgemeinen und öffentlichen Gebrauchs religiöser Symbole' als ein Kennzeichen 'primitiver Gesellschaften', begründet dadurch, dass einer Adaption des symbolischen Ausdrucks an die jeweilige Handlungssituation kein Schrifttum und keine Chronik entgegenstünden. Dies widerspricht Auffassungen anderer anerkannter Autoren, die Riten als Praxis der Tradierung und sogar als wichtige Quellen für die Aufdeckung historischer Zusammenhänge in gesellschaftlichen Bereichen, wo Schrifttum fehlt, begreifen, wie sie zum Beispiel Obeyesekere (1984) anhand seiner Analysen der Geschichte der Pattini-Riten Sri Lankas vertritt. Douglas scheint jedenfalls eine Vorliebe für den Nexus zwischen Primitivität, Irrationalität und 'starken' Ausformungen von Ritualisierung, die bei ihr mit dem höchsten Grad an Wirksamkeits- glauben korrelieren, zu haben.

Es ist aber beispielsweise keineswegs generell so, wie Douglas (1985: 124) meint, dass in Ritualen durch ein Ausschalten der (alltäglichen Form von) rationalen Kontrolle das "potentielle Moment der Unordnung" zur Neubildung von Strukturen anerkannt wird. In ihrer Bevorzugung einer Sichtweise von technologisch unterlegenen Kulturen als auch generell primitiv, zitiert Douglas (1993:84f) breit und ohne essentielle Kritik die Auffassung von Durkheim & Mauss (1903: 5f), welche eine vorgebliche geistige Verwirrung der "am wenigsten entwickelten Gesellschaften" mit den Entwicklungsstadien der Kindheit (!) vergleichen. Ihre Umarmung des Begriffs der 'Primitivität' steht in jedem ihrer Werke über Riten unangenehm im Vordergrund, während sich nirgends eine eingehendere Würdigung der ritualtechnischen Leistungen der fraglichen Völker findet. So interessant ihre Überlegungen im einzelnen sind, schwanken ihre ethnologischen Beschreibungen doch dementsprechend reduktionistisch zwischen Kulturen mit der sprichwörtlichen, 'mechanischen' Solidarität, im Sinne Durkheims, die bar jeder sozialen Entwicklungsmöglichkeit sind, und mehr oder minder 'konfusen' Kleingruppen, die durch bloß 'egozentrische' Beziehungsverhältnisse zusammengehalten werden (ibid.: 90-95). Ethnien funktionieren dann zuweilen in ihrer Arbeit geradezu als Karikaturen von inkompetenten Figuren der westlichen Welt. So vergleicht sie das Klassifikationssystem des 'Big-Man' Systems Neuguineas mit Erfahrungen eines naiven Londoners und folgert,

Sosehr ihre Kritik der westlichen Gesellschaft zutreffend sein mag, so wenig ist die Art und Weise akzeptabel, in der hier pejorative Urteile über außereuropäische Kulturen transportiert werden, indem sie - achtlos, in einem Nebensatz - sowohl den Ituri-Wald-Pygmäen als auch den Anhängern des Peyotekults die Klarheit ihrer Symbolwelt und in unausgesprochener Weise auch generelle Urteilsfähigkeit einfach abspricht. Was wohl Vertreter dieser Ethnien ihrerseits über die Symbolwelt der Mary Douglas zu sagen wüßten? Ihre abschätzigen Worte erinnern in dieser Beziehung etwas an die Berichte eines Ortega aus dem Jahr 1745, in denen die rituellen Tanzfeste mexikanischer Indianer, die mit dem Konsum von Peyote für Visionssuchen einhergingen, als chaotische unsittliche Rauschorgien beschrieben werden, teils aus Unverständnis heraus, teils in dem deutlichen Bemühen, die religiösen Bräuche der kolonialisierten Völker zu diskriminieren (Kappeler 1991: 130).

Nun gilt aber im Einzelnen zum Beispiel, dass in Riten keineswegs notwendig im Sinne von Douglas (1985) bloße "Unordnung" einer "Ordnung" entgegengesetzt wird. Vielmehr ersetzt eine etwas mehr rechtshemisphärische, emotionale und körperliche Form des mythischen "Wissens", die aus einer konzentrativen Öffnung der Sinne und aus dem Faszinosum geboren wird, die alltägliche gedankliche Welterklärung. Dass Nichtdenken indes Ordnung und Erkenntnis beinhalten kann, ist für die meisten westlichen Forscher nach wie vor unvorstellbar, wenn sie nicht über einschlägige meditative (wie einige Vertreter der Transpersonalen Psychotherapie, Boorstein 1988) oder tänzerische Erfahrungen verfügen, oder jenen Pionieren der Forschung (z.B.: Laird 1989, Mitchell 1997) zugehören, die wenigstens Emotionen und den Körper als Erkenntnisinstrument und nicht als bloß passiven Spiegel von Ideen und gesellschaftlichen Zwängen anerkennen. Deshalb sehen sie auch nicht, wie oft sie real funktionierende körperliche und geistige energetische Beeinflussungen fälschlicherweise für chaotische oder 'bloß symbolische' Aktionen, für Suggestionen oder Einbildungen verkennen. Da sich heutzutage die ethnologische Fachwelt keineswegs mehr der Tatsache verschließt, dass Riten schöpferisch sind (inkl. Douglas, z.B. 1985: 97), Nichtdenken aber als Irrationalität und Chaos massive Angst einflößt, bleibt nur mehr, schöpferische Techniken, die auf nichtintellektuellen Erkenntnisformen fußen, in den Bereich des 'Primitiven' zu verdammen, ein Wort, das Douglas wohl zur häufigsten Kennzeichnung der von ihr untersuchten Ritualformen heranzieht.

Heute bemüht sich die in der Konsolidierung begriffene transkulturelle Medizin und Psychotherapie die früher geltenden Dichotomien von Magie versus Wissenschaft oder mythisches Bewusstsein versus Vernunft zu hinterfragen (Quekelberghe & Eigner 1996: 10). Anders als die überwiegende Mehrzahl der Vertreter der Ethnologie, aber auch der Tanz- und Theateranthropologie, bemühen sich die Vertreter dieser neuen Richtung in der Erklärung von Seinszuständen wie Hypnose, multiple Persönlichkeit, schamanistische Trance oder rituelle Besessenheit heute vermehrt um eine Integration von wissenschaftlichen Ansätzen, wie z.B. der 'role-enactment' Theorie und der 'state' Theorie (Quekelberghe 1996: 24f). Die 'role-enactment' Theorie (Barber 1969; Spanos 1989) versucht Erklärungen aus dem Bereich der sozialpsychologischen Kommunikationsprozesse zu konzipieren, die auf mehrschichtige und meist subtile Weise zwischen den in der jeweiligen Situation interagierenden Personen stattfinden, während die 'state'-Theorie (vgl. Hildegard 1977) von spezifischen stark veränderten Bewusstseinszuständen ausgeht. Daneben gewinnen transpersonale, psychologische und erfahrungsorientierte, phänomenologische Ansätze (Peters 1989, Kalweit 1984, Katz 1986, Harner 1980, Walsh 1992 u.a.) an Bedeutung. Hier wird persönliche Ritualerfahrung als subjektbezogene Selbstentwicklung verstanden, die tiefe Erkenntnisse bringt und eine unversiegbare Quelle aller späteren Entwicklungspfade wird. Quekelberghe (1996: 25-29) vertritt in diesem Rahmen eine These vom Ritualspezialisten als Experten im 'generalisierten Bonding', dessen Anliegen es in erster Linie ist:

Diese Auffassung kommt meiner eigenen sehr nahe, die dazu tendiert, dem Ritualspezialisten die Funktion der heilsamen Integration verschiedener, individueller, kultureller, sozialer, ökologischer, psychischer und physischer Seinsebenen in seiner sich stetig verändernden Umwelt zuzuweisen. Ich bevorzuge den Ausdruck 'Integration' gegenüber dem Ausdruck 'Bonding' - da nicht alles 'Binden', sondern manches auch gewaltsames 'Trennen' und rituelles 'Entbinden' ist, und etwa das Phänomen der rituellen Institutionalisierung von Ablehnung sozialer Rollenzuweisungen (vgl. z.B. Obeyesekere 1984 oder Laderman 1996) und der rituellen Legitimierung temporärer oder danach sogar beständig bestehender alternativer Seinsweisen, welche zu anderen Zeiten, außerhalb des Rituals oder nach überkommener Sichtweise überhaupt gänzlich ausgeschlossen erscheinen, durch das Ritual aber innovativ etabliert werden, hierin vielleicht zu wenig impliziert wird.

Douglas (1993: z.B. 79-81, 218 f) behandelt in Anlehnung an Basil Bernstein (1965: 54) Riten in Anlehnung an Sprache im Spannungsfeld zwischen restringierenden und elaborierten Codes, als einerseits ökonomische Instrumente der Informationsübermittlung und der Stabilisierung oder bestenfalls politischen Manipulation bestimmter Sozial- und Machtstrukturen bis zu andererseits Ausdrucksformen persönlich-einmaliger Belange. Die Rolle des Heilers und Ritualtänzers im Prozess der Integration der verschiedensten Bereiche zum Zweck der Heilung des Patienten beinhaltet jedoch ganz andere und sehr zentrale Aspekte, neben dem Schöpfen aus dem kulturellen Wissen auch die permanente Aktualisierung des kollektiven Wissens über die Grenzbereiche zum Unbekannten (Schieffelin 1985). Schieffelin betont auch zentral emotionale Funktionen, vor allem die Beseitigung des destruktiven Potentials chaotischer Furcht durch die dramatische Formen sozialer Ordnungsprozesse, die seiner Meinung nach schamanistischen Riten zugrunde liegen und beruft sich in dieser Sichtweise auf die Werke früherer anthropologischer Theoretiker wie Lévi Strauss (1967) und Turner (1967). Die verschiedenen Formen ritueller Ordnung und Struktur erscheinen hier nicht als Ausdruck unterschiedlicher Gesellschaftsformen, sondern als universelle Mittel, etwa zur Abgrenzung gegen die existentiell bedrohliche Furcht vor dem Chaos in Krisenzeiten. Biesele & Floyd (1996:314) verweisen in diesem Zusammenhang auch auf andere Quellen, wie Malinowski (1928), der als erster die Rolle der Religion und Magie aus dem Bemühen erklärte, soziale Übereinkunft hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit von Beobachtbarkeiten zu induzieren, die dazu angelegt sind, das Chaos fernzuhalten. Während diese Quellen auch Großteils in Douglas Werk eingingen, ist doch die Anwendung der Erkenntnisse eine durchaus unterschiedliche. Rituale erscheinen in den letzgenannten, moderneren und erlebnisorientierteren Arbeiten geradezu als Gegenpole oder doch als etwas grundsätzlich Anderes im Vergleich zu den erwähnten Tendenzen von Douglas, sie auf reduktionistische Weise sozialstrukturalistisch, als Ausdruck und unterschiedliche Kategorien eines Spannungsfeldes zwischen (irrationaler) Klassifikationen und (desinteressierter) Verwirrung oder zwischen unterschiedlichen Formen von Machtdurchsetzungen zu betrachten.

 

 

Beschränkungen aus der kartesischen Annahme einer Trennbarkeit von Körper und Geist

 

Der Mythos bietet als verdichtetes Modell des Weltbildes oft subtilere Einsichten in rituelle Rationalität als die analytische ad hoc Annahme von einer mehr oder weniger relativen temporären 'Unordnung', die Teil einer festgelegte Struktur von Riten sein soll, wie dies von Douglas (1985:124) vorgeschlagen wurde. Die Erwägungen von Douglas (1993: 222f) zu der Untrennbarkeit von Geist und Materie sind in der Auseinandersetzung mit christlichen Mythen auf eine spekulativen Akzeptanz von christlichen Vorstellungen über den sakralen Charakter des Fleisches beschränkt. Sie bemüht sich in keiner Weise um eine Würdigung der Bedeutung von Riten als transformatives, psychophysisches, hautnahes und wirklichkeisveränderndes Erleben für den Einzelnen oder auch für Gruppen.

Der Mythos selbst ist nur ein relativ austauschbarer Boden, auf dem erst das eigentlich freizusetzende wesentliche Agens des Rituals gedeiht, die Transformationskraft des menschlichen Körper/Geistes, für dessen Erforschung der kartesianische Dualismus nach heutiger Erkenntnis nicht mehr sinnfindend und deshalb auch nicht mehr statthaft erscheint - und hier ist das kartesische Residuum, der blinde Fleck in den Landkarten der Theorien von Douglas zu vermerken. Merleau-Ponty (1962) hat die kartesische Trennung aus existentiell- phänomenologischer Sicht abgelehnt, für ihn ist das Subjekt nicht von seiner Körperlichkeit zu trennen. Der Körper ist für ihn eine spontane Synthese von Kräften, eine unreflektive oder präobjektive Einheit. Als solcher dient er als Urbasis unseres Seins in der Welt (Williams 1996: 25). Intelligenz, Zweckgerichtetheit und dergleichen sind selbst Facetten verkörperter Aktionen, und Merleau-Ponty lehnt deshalb ähnlich wie Gilbert Ryle (1949) das Vorhandensein eines inneren 'mentalen' Bereiches, der von solchen Aktionen zu trennen ist, ab (Crossley 1996: 100f). Tanz aus außereuropäischen Hochkulturen eignet sich vorzüglich dazu, die neuen Theorien über die Bedeutung von Körperlichkeit und Emotionalität für Bewusstheit und Prozesse der Erkenntnisfindung zu illustrieren, wie dies zum Beispiel Felicia Hughes-Freeland (1997a) anhand einer javanesischen Theorie zur Bewusstheit im Aufführungskontext exemplarisch ausführt.

Die kartesische Trennung in Untersuchungen über rituelles Geschehen beibehalten zu wollen, zieht zwangsläufig eine Verstümmelung der Ergebnisse nach sich. Rituelle Praktiken können weder zur Gänze auf metaphorischer Ebene noch als kulturelle Codes analysiert und verstanden werden. Tanzriten sind zum Beispiel Bewegungsaktionen, welche als solche Wirkkraft haben. Sie faszinieren durch andauernde Erinnerungen und Anspielungen auf verschiedene Körper/Geist-Seinszustände, die sowohl kulturvariable als auch allgemein- menschliche Komponenten beinhalten. Aber das ist nicht alles, Riten induzieren Körper/ Geist-Seinszustände in der Anwendung geschickter Techniken direkt und in der Unmittelbarkeit des Geschehens auch unabhängig von Sprache, sprachlichem Wissen und sprachlichen Ideologien, wobei das kulturelle Substratum den Bedeutungszusammenhang liefert, das unmittelbare Erleben aber nicht zur Gänze determiniert, sondern, wie dies Goodman angedeutet hat, auch universales menschliches Verhaltenspotential den rituellen Bereich in unterschiedlichsten Kulturen prägt. Dies gilt nicht nur für die bereits erwähnte Krankenbehandlung durch Exorzismustänze, dies gilt zum Beispiel auch für Initiationen und Transitionsriten wie z.B. die christliche Kommunion, wie Mitchell (1997: bes. 90f) über- zeugend argumentieren konnte. Riten schaffen Wissen durch Körper/Geist-Erfahrung. Rituelle Erfahrung wird als Referenz zur Erklärung und Bewältigung der Wirklichkeit herangezogen. Insoferne wird man in Zukunft gut daran tun, die Stärken psychologischer, soziologischer und biologischer Ansätze miteinander zu kombinieren und ihre Schwächen und Fallen, ihre blinden Flecken und Reduktionismen auch dadurch zu umgehen, indem man Rat direkt bei Spezialisten der Riten und in einer erfahrungsintensiven Auseinandersetzung mit den fraglichen Riten sucht.

 

 

Zur Problematik etischer Interpretation rituell erzeugter Körper/Geist-Zustände

 

Die rituell erzeugten Körper/Geist-Zustände sind außeralltäglich und vielgestaltig. Es sind typischerweise ambivalente Zustände, die sich zum einen durch besondere Fragilität, zum anderen aber durch besonderes Kraftpotential auszeichnen. Die westliche Wissenschaft ist in der Interpretation dieser Zustände allzu lange reduktionistisch und ethnozentrisch vorgegangen, indem solche Phänomene mit Symptomen psychiatrischer Erkrankungen wie z.B. Hysterie, psychogener Psychose, Schizophrenie oder Epilepsie gleichgesetzt wurden. Aber auch einseitig orientierte soziologische Erklärungsversuche wie z.B. im Ansatz von Lewis (1986) sind als teilweise reduktionistisch anzusehen:

Nicht immer dient die durch Tanz induzierte Erfahrung dazu, mit nichtmenschlichen Mächten irgendwelche Händel auszutragen. Trance-Tanz und konzentrative Bewegung kann der wunschlosen Vereinigung mit einem Höheren Selbst, der Buddha-Natur, Gott, Atman, Shiva oder Allah dienen. Meditation ist der ruhigste Zustand des inneren Raum/Zeit-Flusses und ist durch konzentrative, innere oder äußere Bewegungen erreichbar. Auch dieser Zustand wird in vielfältigem Kontext therapeutisch genutzt, in Sri Lanka z.B. im Rahmen des hinduistisch beeinflußten Planetenrituals Bali (Nürnberger 1991, 1994 und 2002).

Einige östliche Techniken scheinen bei der kinetischen Induktion von Tranceverhalten auf progressive Reduktion von Bewegung - von der exzessiven Tanzbewegung des Neulings zur mächtigeren und nahezu reglosen Trance des Meisters - zu basieren, wie dies Sue Jennings für die Senoi Temiars beschreibt (1995). Auch in den von Richard Katz (1982) beschriebenen Heiltechniken der afrikanischen !Kung, werden Trancen zunächst mit starkem Bewegungsaufwand erarbeitet, bis dieser kinetische Aufwand nach einem Erfahrungsprozess geringer wird und die Trancen kontrollierbarer. Andere Techniken, wie die der Exorzismustänzer Sri Lankas, führen zuweilen eine Trance bis zu kataleptischer Starre über einen frenetischen Ausbruch an Tanzenergie, rasche, virtuose und kodierte Schrittfolgen, Sprünge und saltoartige Körperdrehungen zu ergreifenden Trommelrhythmen, schwerem Weihrauch in professioneller Weise herbei und bisweilen auch unter geheimen, weil illegalen bzw. im allgemeinen in der buddhistischen Kultur verpönten Gebrauch von Cannabis bzw. Alkohol. In diesem Fall ist die Gefahr einer doppelten Marginalisierung, sowohl durch die indigene buddhistische Gesellschaft, als auch in der überregionalen wissenschaftlichen Aufarbeitung, einerseits wegen des Tanzes und der damit einhergehenden kulturell mit Mißtrauen bedachten Ekstatisierung, andererseits wegen des Rauschmittelgebrauchs, gegeben.

Trance gilt im Westen, wo eine religiöse und therapeutische Einbettung fehlt, als bloß gefährlicher, bei anderen Völkern, wie den Senoi Temiars, den Singhalesen oder !Kung jedoch - vorwiegend oder auch - als notwendiger, heilender und erstrebenswerter Zustand, der eng mit körperlichen und sozialen Transitionen verbunden ist. Es ist eher irreführend, wenn man, wie dies Douglas (1993:112-123) versucht, 'Ritualismus' von 'Begeisterungsreligiosität', eine 'Religiosität der Ekstase' von einer 'Religiosität der Kontrolle', trennen will, da viele Riten sowohl 'Kontrolle' als auch 'Ekstase' beinhalten, wie ich Anhand der kinetologischen Analysen der Tänze der Mevlevi-Derwische und der singhalesischen Ritualtänze ausgeführt habe. Auch die interessante These von Douglas (ibid.), dass Trancen umso eher gesellschaftlich gebilligt und begrüßt werden, je schwächer die betreffende Gesellschaft strukturiert ist, verlangt nach weiterer Differenzierung. Tranceverhalten mit ambivalenter gesellschaftlicher Bewertung, findet sich entgegen ihrer Annahme sowohl im Rahmen komplexer und hochstrukturierter Ritualzusammenhängen, wie in Sri Lanka, als auch in relativ informellen Riten, wie bei den !Kung, also sowohl innerhalb der eher niedrig strukturierten Stammesverbänden Afrikas als auch innerhalb der relativ rigiden Kastengesellschaften Südasiens, wobei es sicherlich eine ganze Reihe von Bezügen nach Douglas auch zwischen innerkulturell unterschiedlichen Bewertungssystemen von Trance und sozialen Machtverhältnissen aufzudecken gibt.

Darüber hinaus stellt sich jedoch immer auch die Frage, über welche Art von Erleben, über welche Bewusstseins- oder Seinszustände man hier eigentlich genau spricht. Trance, Besessenheit und auch Meditation werden in der Literatur oft in verwirrender Weise als zum einen austauschbare und zum anderen angeblich kulturinvariante Begriffe verwendet. Sehr wenig Rücksicht wird dabei auf emische semiotische Unterscheidungen gelegt und auf die Interpretation emischer Zuordnung von Inhalten. Verschiedene Autoren, wie Lewis (1989:39f) oder kürzlich Quekelberghe und Eigner (1996:10) haben auf diesen Sachverhalt in Bezug auf die Abgrenzung zwischen Trance, Besessenheit, Meditation, Hypnose, Dissoziation und profanem exaltiertem Benehmen hingewiesen.

Die Singhalesen anerkennen zum Beispiel heilsame Trance und krankhafte Besessenheit, wobei es individuelle Unterschiede in den Auffassungen über die Bedeutung der Terminologie gibt, die keine genauen Entsprechungen zu den Begriffen 'Trance' und 'Besessenheit' kennt. Es wird dabei zwischen verschiedenen als durch Götter oder Dämonen verursacht gedachten Körper/Geist-Beeinflussungen unterschieden, wobei sowohl von den Göttern als auch von den Dämonen heilende wie schädliche Krafteinflüsse ausgehen können, die auch allesamt in den Ritualtänzen des Landes eine Rolle spielen. In erster Linie sind es dort noch immer speziell ausgebildete männliche Ritualtänzer und religiöse Spezialisten, wie die Priester der Göttertempel, die als fähig erachtet werden, heilsame Trancen zu erfahren. Daneben treten traditionellerweise auch spontan durch Götter und Geister ergriffene Medien männlichen Geschlechts und von unterschiedlicher sozialer Herkunft in Erscheinung, deren rituelle 'Leistung' jedoch als weniger zuverlässig gilt, als die der etablierten Berufskasten. Schließlich gibt es auch moderne Prozesse der Umdeutung negativer dämonische Besessenheit bei Frauen in initiatorische heilsame Tranceerfahrungen (Obeyesekere 1981; Nürnberger 1993b, 1994, 1995) und moderne Übergriffe höherer Kasten in das Ritualspezialistenwesen (Kapferer 1983, Nürnberger 1994). Der Rest der srilankischen Bevölkerung, die Laien also, fürchtet sich vor jenen Bewusstseinsveränderungen und auch vor Krankheiten, die durch den 'bösen Blick' (disti) von Dämonen hervorgerufen werden. Theoretisch kann dennoch aus jedem (speziell jedem männlichen) Laien ein spontan egriffener Ritual- und Besessenheitsspezialist werden, wobei in der Praxis sowohl soziales Umfeld als auch Veranlagung darüber entscheiden werden.

Die indigene Unterscheidung folgt keiner westlichen Terminologie. Sie ist ohne klare Trennung zwischen gut und böse, Hexerei und Zauberei, Göttern und Dämonen - obwohl es sich, wohlgemerkt, um eine stark - entlang alter Kastenhierarchien - strukturierte Gesellschaft mit relativ rigiden Machtverhältnissen handelt. All diese Kategorien sind mehr oder weniger relativ und ihre Veränderungsmöglichkeiten werden nicht nur anerkannt, sondern geradezu betont. Awesa bedeutet z.B. Besessenheit durch vernachlässigte Ahnengeister, durch Dämonen oder durch Götter. Awesa kann Krankheitsbilder hervorrufen, aber auch spontan zu Wahrsagerei, Gedankenlesen, etc. befähigen. Aruda ist die Folge der willentlichen und professionellen Erarbeitung einer Teilhabung an der Kraft von bestimmten Geistern, Dämonen oder Göttern, aber auch die durch den Ritualtänzer willentlich induzierte hypnoseähnliche Trance des Patienten, die unter anderem der Auffindung des krankheitsverursachenden Geistes, Dämons oder Gottes dient. Aruda kann ebenfalls Krankheitsbilder hervorrufen oder aber zu außerordentlichen Leistungen wie etwa Wahrsagerei befähigen. Doch nun kommt es noch komplizierter: auch awesa lässt sich induzieren, aber nur z.B. durch gewisse Trommelrhythmen, Schrittfolgen, mantrams etc. Doch das empfindet der singhalesische Ritualspezialist als 'natürlich', während aruda als mit mehr 'Arbeit' verbunden erlebt wird. "Gegen awesa kannst Du nichts machen, aruda wird mit Arbeit herbeigeführt" (Interview mit Bandusena, Exorzismustänzer, Ambalangoda 1996). Dies ist eine vollkommen anders geartete Unterscheidung als die der geläufigen ethnographischen Fachliteratur. Sie überschreitet zum Beispiel die im Westen übliche begriffliche Trennung zwischen Trance, Besessenheit, Magie und Hexerei.

Früher (Nürnberger 1993b) ging ich in Anlehnung an Kapferer (1983) davon aus, dass awesa Besessenheit als Krankheit (bei Kapferer: durch Dämonen) und aruda Besessenheit als Gnade (bei Kapferer: durch Götter) bedeutet. Das Konzept der Besessenheit scheint jedoch nach meinen neueren Forschungen gänzlich in den Bereich emischer Pathologievorstellungen zu fallen und sowohl durch awesa, wie auch durch aruda hervorgerufen werden zu können. Diese beiden Formen der Bewusstseinsveränderung scheinen indes nach meinen neueren Untersuchungen nicht so sehr durch ihre Auswirkungen - die Krankheit oder Gnade sein kann -, sondern durch die Art der Kontrolle über sie voneinander unterschieden. Während awesa mehr oder weniger 'passiert' wird aruda über erlernbare Techniken 'erworben'.

Die heilsame Trance kann sowohl durch den Kommunikation mit Göttern als auch durch dämonischen Einfluß hervorgerufen werden und manifestiert sich als zusätzliche heilsame Kraft, die dem Ritualspezialisten zur Verfügung steht. Besessenheit, ein Zustand, für den kein völlig äquivalenter Ausdruck im Singhalesischen zu existieren scheint, ist hingegen Ausdruck von passiver Beeinträchtigung der eigenen Persönlichkeit und kann tödlich enden. Entgegen der definitorischen Abgrenzung zwischen Trance und Besessenheit durch Bourguignon (1983:13) können (müssen aber nicht) in Sri Lanka beide Zustände, der der heilsamen Trance ebenso wie jener der krankhaften Besessenheit, mit dem Phänomen der abrupten Persönlichkeitsveränderung und des temporären Verlusts des Erinnerungs- vermögens einher gehen. Die spontane und nicht in einer traditionellen Ritualspezialisten- lehre erarbeitete Fähigkeit zur Kommunikation mit den existenzbestimmenden Mächten wird für prekärer und instabiler gehalten als die erlernte und gemäß ritueller Überlieferungen innerhalb einer traditionellen Ritualspezialistenkaste erworbene Technik. Deshalb wird die Kunst des traditionellen singhalesischen Ritualtänzers für zuverlässiger gehalten als jene eines mediumistischen Ekstasepriesters.

Das wird unter anderem evident durch die gewohnheitsmäßige Prüfung der Fähigkeiten eines Ekstasepriesters, bevor man seine Dienste in Anspruch nimmt. Er wird zum Beispiel aufgefordert anzugeben, wo der Frager einen bestimmten Gegenstand zu Hause plaziert hat. Nur wenn er den Ort zufriedenstellend beschreiben kann, wird das eigentliche Anliegen vorgetragen, welches dann etwa das Auffinden eines gestohlenen Gegenstandes betreffen kann. Manchmal fordert der Gott, Dämon oder Geist auch eine Opfergabe, die zum Erlangen eines gewünschten Ausgangs nötig ist. Von einem Ekstasepriester - und seinem seit kurzem ebenfalls vorkommenden weiblichen Pendant, der Ekstasepriesterin - wird stets immanent befürchtet, er/sie könne seiner/ ihrer spontan erworbenen Fähigkeiten ebenso plötzlich wieder verlustig gehen, was diese Kontrollen sinnvoll erscheinen läßt. Das Medium wendet sich an seinen 'Hilfsgeist', oft an eine erwählte Gottheit (ista devata) oder den Geist einer verstorbenen nahestehenden Person, der die 'Brücke' zu jenem Unbekannten bildet, das es zu ergründen gilt.

Im Falle des traditionellen srilankischen Exorzismustänzers ist die Lage anders: die Ursache des Mißstandes wird hier von vornherein in der Einwirkung böswilliger schicksalsbeherrschender Mächte vermutet. Diese werden herbeizitiert und die Schuldigen aus ihren Reihen ermittelt und durch Opferungen, Dekorationen, Speisen, Gerüche, Klänge und Tanz befriedet. Die Virtuosität des Ritualtänzers macht eine vorausgehende Prüfung seiner Fähigkeiten obsolet. Er hat sich in jahrelangem mühsamen Training eine breit anerkannte Technik der Kommunikation mit Dämonen und Göttern erworben.

Die erwähnte srilankische Differenzierung zwischen den zwei Arten der rituellen Bewusstseinsveränderung awesa und aruda impliziert statt der nach Lewis' und Turners Arbeiten zu erwartenden temporären Gegenstruktur mit demokratisierenden Zügen in erster Linie eine temporäre Verstärkung des Gefälles zwischen Ritualspezialisten und dem restlichem Volk (42), aus welcher Gesellschaftsschichte die Anwesenden auch immer stammen mögen, indem nach den emischen sprachlichen Konzepten die kontrollierte und kontrollierende Fähigkeit des traditionellen Ritualspezialisten gegenüber den unzuverlässigeren und zufälligeren Fähigkeiten des spontan ergriffenen Mediums, das aus allen Bevölkerungsgruppen stammen kann, unterstrichen wird. Das könnte zwar theoretisch einer Douglas'schen nach der rigiden Sozialstruktur zu erwartenden gesellschaftlichen Vorliebe für restringierende Codes entsprechen, kann aber auch durchaus pragmatischen Überlegungen des Klientels über die Zuverlässigkeit der beiden Ritualspezialistengruppen entspringen. Das letztere Argument wird man freilich nur dann in Erwägung ziehen, wenn man nicht von Vornherein annimmt, es mit Praktiken zu tun zu haben, die bloß auf die Sicherung von Machtverhältnissen abzielen und denen in erster Linie irrationale Weltbilder zugrunde liegen, sondern mit einer zumindest potentiellen transformativen Wirksamkeit der entsprechenden Riten und Praktiken im Sinne ihrer deklarierten Ziele (Wahrheitsfindung, Heilung, Auffindung, etc.) rechnet.

Ich bin deshalb etwas näher auf diesen sperrigen und auch von den singhalesischen Ritualspezialisten selbst individuell verschieden interpretierten Fall eingegangen, um darauf aufmerksam zu machen, dass strukturelle Dualismen wie 'gut' und 'böse', 'Zauberei' und 'Hexerei', 'Göttlichkeit' und 'Dämonenhaftigkeit', 'Natur' und 'Kultur', 'Körper' und 'Geist' bloße Übertragungen theoretischer Konstrukte von unserer auf andere Kulturen bedeuten können.

Alle Riten wirken aus ihrer jeweiligen kulturellen Einbettung heraus. Wichtig erscheint in jedem Fall der körperlich-geistige und mythische Gesamtprozess des Rituals, um das 'Wie' seiner Wirkung zu verstehen. Wir müssen uns bemühen zu begreifen, was zu welchem Zweck gemacht und kommuniziert wird. In Chitrasenas pragmatischen Worten:

Der Mensch ist auch in Chitrasenas modern kartesisch gefärbter südasiatischer Sicht immer noch eine offene Tür, dessen Identität aus einem beständigen Prozess der Integration von äußerer und innerer Erfahrung erwächst.

Mit dem singhalesischen Wort für die transformative Kraft, mit der Spezialisten und Zauberer Dämonen dirigieren können (angama, angan) werden auch Beschwörungsformeln und Zaubersprüche bezeichnet. Ist es also eine sprachliche Kraft? Nicht essentiell, denn anga, anga, oder anga heißt 'Körper', im eigentlichen wie auch im übertragenen Sinn. Zauberkraft ist Körper/Geist-Wissen. In dem Wort wasikarana kommt die Überlagerung der magischen Kraft mit den Faktoren des Begehrens und der Überlegenheit zum Ausdruck. Wasa heißt unter anderem 'Wunsch, Begehren, Autorität, Meisterschaft', aber auch 'gezähmt' und 'fasziniert'. Überlegenes körperlich-geistiges Begehren überträgt sich auf andere Wesen und macht diese dienstbar. Aruda oder arudha bedeutet nicht nur die aktive und erarbeitete Teilhabung an einer übermenschlichen, göttlichen oder dämonischen Kraft und Stärke, sondern auch aufsteigen (wie auf ein Pferd, wie die Sonne oder auch einen Berg hinauf). Sie hat eine Qualität, die im Körper hinaufzusteigen und aus dem Körper herauszutreten scheint. Demgegenüber hat awesa eine passivere Qualität. Awesana bedeutet nicht nur 'dämonische Besessenheit', sondern auch 'ein Haus, in dem gearbeitet wird', wie eine Fabrik oder Werkstatt. Wenn jemand mit awesa rituell arbeitet, prophezeit, wahrsagt, heilt oder daran erkrankt ist, so tut er dies als körperliches Gefäß für mythische Mächte, die in ihm arbeiten. Wenn jedoch aruda stattfindet, so wird aktiv eine körpergeistige Teilhabung an den Qualitäten dieser Mächte erreicht, sie können dirigiert werden, mißbräuchlich, selbstzerstörerisch oder heilend, wie auch immer.

Trance und Besessenheit gelten im außereuropäischen Raum oft als Zustände, die durch Kontakte mit nichtmenschlichen, aber durchaus personifizierten Wesen hervorgerufen werden können, so wie diese in dialoghaften künstlerischen Auseinandersetzungen durch Tanz rituell besänftigt werden. Solche 'Wesen' werden durch rituelle, auf Körper und Geist orientierte Praktiken beherrschbare Potentialitäten menschlichen Befindens und Verhaltens. Tänzerische, perfekt kontrollierte und koordinierte, bisweilen auch ekstatische Bewegung sind essentieller Bestandteil des für die Heilung des Patienten notwendigen Faszinosums und der Transformationskraft dieser Riten, in deren Mittelpunkt das Streben nach Beherrschung dieser Mächte geht. Sie sind nichtmenschliche personifizierte Kräfte und gleichzeitig werden menschliche persönliche Verhaltensweisen über sie entpersonifiziert und gerade dadurch modifizierbar gemacht. Chitrasenas "Kommunikation auf einer sehr hohen Ebene" ist eine Kommunikation des Ritualtänzers mit Persönlichkeitsanteilen seines Patienten von unterschiedlicher Herkunft, die befremdlich und dissoziiert erscheinen, bis sie durch den rituellen Prozess und über eine Welt mythischer Wesenheiten in kulturell und individuell, physisch und psychisch verarbeitbaren Kontext verwiesen werden.

 

 

 

2. Zusammenfassung

 

Ein allgemeines und auch transkulturell wirksames Potential von Tanz und konzentrativer Bewegung zur Erzeugung von Psi-Kräften, von Heilung oder Bewusstseinsveränderung kann - in einem durch Kulturvariablen begrenzten Rahmen - bestätigt werden. Einige der hier beschriebenen Auswirkungen von Tanz und konzentrativer Bewegung, wie Emotionalisierung, Katharsis und die Erzeugung des Flow-Erlebnisses, aber etwa auch in speziellen Fällen die Erzeugung archetypischer Visionsinhalte, können bisweilen über die Barrieren von Kultur und Sprache hinweg Menschen ergreifen, die sich dieser Bewegungspraktiken bedienen oder auch bloß als Zuseher aussetzen. Tiefergehende religiöse Heilserfahrungen, spezifischere Visionen - zum Beispiel mit ikonographischen oder mythologischen Details, Erreichung von Zuständen gesteigerter Wahrnehmung und Fähigkeiten oder gar Heilungen von Krankheiten, wie sie bestimmte rituelle Tanz- und Bewegungspraktiken in ihrem angestammten soziokulturellen Rahmen zuweilen hervorrufen, sind jedoch in der Regel von einer ausreichenden Akkulturation in die Herkunftskultur der jeweiligen Praxis abhängig. Denn Bewegungsriten und Tanz beziehen sich indexikalisch auf sprachliche Konzepte, weltanschauliche und ätiologische Inhalte und dergleichen mehr und schöpfen aus diesem gesamtkulturellen Fundus ihre transformierende Kraft. Diese transformierende Kraft basiert letztlich auf einer virtuosen Handhabung von Zusammenhängen und Abhängigkeiten zwischen Körperlichkeit und Bewusstsein. Ihre Handhabung erfolgt jedoch über kulturelle Konzepte, Metaphern und Kodes, wie dies an Beispielen aus dem Verhaltensrepertoire von Klienten und rituellen Heilern im Rahmen singhalesischer Exorzismustänze abgehandelt wurde.

Ekstatisierende und emotionalisierende Bewegungstechniken werden auf der ganzen Welt praktiziert. Ihr Wiederaufleben auch in jenen Ländern, in denen sich Kirche und Klerus im Laufe der religionshistorischen Entwicklung von Tanzriten und anderen ekstatisierenden Bewegungsritualen distanziert haben, als Glaubenspraxis von Sekten und religiösen Randgruppen, läßt auf eine tiefe menschliche Sehnsucht nach den damit einhergehenden Befindensänderungen schließen. Praktiken verschiedener Sekten, aber auch in zunehmenden Maße Angebote von Therapeuten und Anbietern am Freizeit- und Fitneßsektor, die die Entlehnung und Vermarktung von Techniken aus dem außereuropäischem Raum beinhalten, müssen in diesem globalen Zusammenhang beurteilt werden. In dieser Hinsicht erscheint eine Marginalisierung oder Verteufelung der fraglichen Techniken als ausgesprochen kontraproduktiv, da sie der Verbreitung falscher Erwartungen und der skrupellosen Vermarktung von Halbwahrheiten weiter Vorschub leisten. Vielmehr muss sich die weitere Forschung auf diesem Gebiet um eine subtil differenzierende und kritische Darstellung des therapeutischen und spirituellen Potentials von tanz- und bewegungsorientierten rituellen Praktiken der verschiedenen Kulturen der Welt bemühen.

Einen wesentlichen Beitrag dazu können detaillierte ethnographische Tanz- und Ritualstudien leisten, die jedoch auch von Untersuchungen der motorischen Induktion von verändertem Befinden begleitet werden sollten. Die in dieser Arbeit erstmals konzipierte kinetologische Methode stellt eine derartige Kombination eines sozialanthropologischen Ansatzes mit der Untersuchung von psychologischem Ausdruck und Intention der motorischen Bewegung dar. In vorsichtiger Anwendung können auf solche und ähnliche Art kombinierte Methoden zusätzliche Informationen über noch unbekannte Zusammenhänge zwischen Psyche und Physis des Menschen liefern. Es ist jedenfalls dringend anzuraten, dass sich Forscher und Forscherinnen auf diesem Gebiet einer praktischen körperlichen und geistigen Erfahrung der von ihnen untersuchten und erschlossenen Zusammenhänge unterziehen, bei ausreichender Akkulturationsbedingung direkt im Feld, ansonsten in einem geeigneten experimentellen und an die eigene kulturelle Herkunft angepaßten Rahmen. Diese Versuche müssen von einem nie ermüdenden kritisch offenen Blick auf die eigene Erwar- tungshaltung und auf die Wirksamkeit möglicher unerwarteter dritter Einflüsse begleitet werden. Weder darf die psychophysisch transformierende Kraft konzentrativer körperlicher Bewegung unterschätzt, noch dürfen soziokulturelle Konditionierungen außer Acht gelassen werden.

 


Anmerkungen

27 So durchliefen die Tempeltänzerinnen (devadasi) des südindischen Raums vor ihrem Debüt das Ritual der Verehrung der Fußschellen (gejje pooje), das nahezu ein Äquivalent zur Heirat für die Tänzerin darstellte, die so symbolisch eng mit der Kunst des Tanzes verbunden wurde (Rao & Devi 1993:140). blue2_5.gif zur Textstelle

28 Zu einer Kritik der begrifflichen Trennung zwischen Trance und Besessenheit siehe weiter unten in diesem Abschnitt. blue2_5.gif zur Textstelle

29 Dieser Ausdruck wird im allgemeinen übersetzt als: böser Blick (evil eye), dämonischer Angriff (attack of the demonic); nach Clough (1982:265) auch: umgangsprachlich für 'drishti', 'Hellsicht, Weisheit, religiöse Erleuchtung' (sight, wisdom, religious illumination). blue2_5.gif zur Textstelle

30 Quellen zur Ausdruckspsychologie zitiert nach einer Anmerkung des Herausgebers in Müller und Enskat (1993: 44). blue2_5.gif zur Textstelle

31 Bei der Übertragung der graphologischen Rechts- und Linksläufigkeit auf den Tanz ist zweierlei zu berücksichtigen: Erstens umfasst der Begriff der Linksläufigkeit in der Kinetologie sinngemäß auch nach rückwärts gerichtete Bewegung, sowie die Rechtsläufigkeit auch vorwärtsgerichtete Bewegung einbeziehen muss, zweitens ist auf kulturgebundene Bedeutungen und umfassendere Dichotomien, wie etwa die südasiatischen Zuordnungen von Sonne-rechts, Mond-links zu achten. Allerdings ähneln die indigenen Deutungen von modernen südasiatische Choreographien durchaus den Ergebnissen einer Analyse nach diesen erweiterten Regeln der Graphologie. So bezeichnet Chandralekha (Bharucha 1995:60) als Hauptthema horizontaler Bewegungslinien die 'Harmonie' (vgl. 'Kommunikation'), vertikaler Linien die 'Konfrontation' (vgl. 'Streben'), diagonaler Linien den 'Konflikt' (vgl. 'Unruhe'). Chandralekha spricht auch von der 'Stärke' der Bewegung von der linken hinteren Bühnenecke zu der vorderen rechten (rechtsläufig, d.h. 'in die Zukunft', 'extrovertiert auf die Welt hin gerichtet') im Gegensatz zu der 'Schwäche' der entgegengesetzten Diagonale (linksläufig, 'introvertiert'). blue2_5.gif zur Textstelle

32 Die nationaltypischen Betonungen sind von den Schulvorlagen zu unterscheiden. Die Schulvorlage ist kein ausdruckstheoretisch fundierter Normwert (Müller & Enskat 1993: 73). Sie ist aber Ausdruck der Zeit, der vorgeschriebenen Norm, "das ein Gremium ersonnen hat, das aus ihrer Zeit verhafteten Individuen besteht, die sich darüber einig wurden, diese Norm zu setzen" (ibid.: 40). blue2_5.gif zur Textstelle

33 Das Werk "Die Fünf Juwelen" (Al-jawahir al-khamsa) befasst sich mit sufischen Sitten und Praktiken, Astrologie und Meditation. Sein Verfasser, Muhammad Ghauth Gwaliori (st.1562) ist Hauptrepräsentant des Shattari-Ordens, der sich auf Indien und Indonesien beschränkt. (Schimmel 1992: 500f) blue2_5.gif zur Textstelle

34 Dass Goodman sich wie eine Ritualspezialistin verhält, hat allerdings auch bewundernswerte Aspekte. So wurde ihr von der bekannten Trancetanzspezialistin, Workshopleiterin und Buchautorin Kaye Hoffman (in persönlichem Gespräch mit d.A.) attestiert, dass sie "Macht über Geister und Dämonen hat" und über "außergewöhnliche Kräfte verfügt". blue2_5.gif zur Textstelle

35 Solche Unterscheidungen sind essentiell für das Verständnis des subjektiven Erlebens und seiner rituellen Bedeutung, die durch einen biologischen Befund aus EEG-Untersuchungen, Blutdruck- und Pulsmessungen in der Art von Goodmans Untersuchungen an der Universität in München 1982 und Wien 1987 (Goodman 1990:106), allein sicher nicht erschließbar sind. blue2_5.gif zur Textstelle

36 lt. zweisprachig (Englisch und Singhalesisch) geführtem Interview am 6.6.1996, Ambalangoda, Sri Lanka blue2_5.gif zur Textstelle

37 Pieris (1986: 232) schrieb in seinem 1920 erstmals erschienenem Buch noch: "Hypnotism has been always employed, though it is branded to-day by well-meaning persons under the name of 'devil-ceremonies'", wobei unter letzterem Begriff die Exorzismustänze des Südens Sri Lankas zusammengefasst wurden. blue2_5.gif zur Textstelle

38 Sederaman, ein Angehöriger der ältesten Ritualtänzergruppe, der Trommler-Kaste (berava), verfügt auch aufgrund seiner besonders langen Familientradition über Wissen aus älteren Quellen als Bandusena. Interview mit Sederaman 1995 in London. blue2_5.gif zur Textstelle

39 Zur Erklärung von awesa siehe Abschnitt "Zur Problematik etischer Interpretation rituell erzeugter Körper/Geist-Zustände". blue2_5.gif zur Textstelle

40 Videoaufzeichnung in Besitz der Autorin. blue2_5.gif zur Textstelle

41 Es gibt auch andere rituelle Handlungen, die das Entfernen der Krankheit aus dem Körper des Patienten illustrieren und in Gang setzen: z.B. das weit verbreitete Ausstreichen der Körpergliedmaßen nach außen, was in Sri Lanka häufig mit einer in die Hälfte geschnittenen Limone knapp über der Haut ausgeführt wird. Limonen gelten als reinigend und kühlend (vgl. auch Nürnberger 2002). Man erzählt einander deshalb, um die Wirksamkeit von Riten zu unterstreichen auch, dass ganze Limonenbäume in der Nähe eines Ritualschauplatzes wenige Tage nach großen erfolgreichen Riten vertrocknet und zugrundegegangen sind (Interviews mit Ritualtänzern 1995, 1996). blue2_5.gif zur Textstelle

42 Aus etischer Sicht kann hier freilich auch von der Erzeugung einer Communitas im Sinne Turners, nämlich im Sinne einer Gleichmachung aller Nichtritualspezialisten unter dem Ritualspezialisten gesprochen werden. blue2_5.gif zur Textstelle


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"Tanz/Ritual - Integrität und das Fremde"

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Univ.-Doz. Dr. Marianne Nürnberger Uni Wien