"Man liebt nicht, man haßt nicht" – Ein Gespräch mit Dr. Clementine Zernik

Clementine Zernik (geborene Bloch) wurde am 28. September 1905 in Wien geboren. Sie studierte Rechtswissenschaft in Wien und promovierte 1929. Danach war sie bis 1936 als Rechtsanwaltsanwärterin, später als Rechtsanwältin bis 1938 tätig. Sie arbeitete vor allem als Armenverteidigerin und am Jugendgericht. Im Zuge der Etablierung der NS-Herrschaft in Österreich wurde sie 1938 aus der Rechtsanwaltskammer ausgeschlossen, was praktisch einem Berufsverbot gleichkam. Noch im selben Jahr, im Juli 1938, emigrierte sie in die Vereinigten Staaten, nachdem sie ein erstes Affidavit im April verfallen hatte lassen, um ihrem Vater, der inhaftiert war, helfen zu können.

Da sie ihren erlernten Beruf aufgrund der völlig unterschiedlichen Rechtssysteme in Mitteleuropa und den USA nicht mehr ausüben konnte, war sie in den Jahren 1938 und 1939 in einer Speditionsfirma in New York tätig, bei der sie durch Zufall eine Anstellung erhalten hatte. Im Anschluß daran absolvierte sie eine Lehrerausbildung, die sie 1941 mit einem Master-of-Arts-Degree abschloß.

Ab 1940 war Clementine Zernik Generalsekretärin der "Austrian Action". Zu ihren Hauptaufgabenbereichen zählte neben organisatorischen Tätigkeiten vor allem die materielle Unterstützung und juristische Beratung von Emigranten.

Am 31. Dezember 1943 erwarb sie die Staatsbürgerschaft der Vereinigten Staaten.

In den Jahren 1942 bis 1944 war sie für das "British Information Service" tätig, wo sie unter anderem abgehörte deutsche Radiosendungen übersetzte. Im Jahr 1944 wechselte sie zum "Office of War Information". Von 1944 bis 1945 arbeitete sie als "Writer, Researcher and Chief Translator" für die "American Broadcasting Station in Europe" (ABSIE), die ihren Sitz in London hatte. Hier verfaßte sie Manuskripte für Radiosendungen, die nach Österreich und Deutschland ausgestrahlt wurden. Die Palette ihrer publizistischen Tätigkeiten reichte von militärischen Programmen wie den "Prisoner of War Messages" über "Labour News" bis zu Programmen für Frauen. Viele dieser Nachrichten sprach sie auch selbst. Darüberhinaus war sie noch "Chief Translator" für alle anderen Programme.

Im Juli 1945 kehrte Clementine Zernik nach New York zurück.

Ab 1946 war sie als Direktorin eines sogenannten "Displaced Person Camps" für die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) tätig. Vorübergehend leitete sie in Deutschland auch ein Lager für Kinder. Nachdem sie ihre Aufgabe dort erfüllt hatte, mußte sie sich ab Juli 1947 eine Zeitlang wieder mit Gelegenheitsjobs durchschlagen.

Im Oktober 1948 kehrte sie abermals nach New York zurück und war bis 1975 als Bibliothekarin für die UN-Library tätig. Dort fungierte sie quasi als Informationsschnittstelle zur "New York Public Library". Daneben war sie seit 1956 Mitglied und zeitweise auch im Vorstand der "Austrian American Federation", deren Präsidentin sie auch heute noch ist. Ab 1965 war sie Redakteurin diverser Publikationen dieser Organisation. Von 1962 bis 1964 war sie ehrenamtliche Mitarbeiterin des Österreichischen Konsulats in New York. 1975 wurde sie pensioniert.

1977 erhielt Clementine Zernik das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, 1980 das Goldene Doktordiplom der Universität Wien und 1985 das Silberne Ehrenzeichen der Stadt Wien.

Dr. Clementine Zernik starb am 31 .Dezember 1996 in New York.

 

Regie, Gestaltung: Matthias Karmasin, Christiane Mitterhauser, Michael Nitsche
VHS, 58 Min., New York und Wien 1990, Videoarchiv No 153


Ein Videoprojekt im Rahmen der
Lehrveranstaltung "Kommunikationswissenschaftliche Methodenlehre (Oral History)"
Leitung: Univ.-Ass. Dr. Manfred Bobrowsky


Für den Inhalt verantwortlich: Michael Nitsche