Peer Review
Letztlich ist diese Frage vermutlich nicht mit einem klaren
Nein oder Ja zu beantworten. Zu komplex sind die Zusammenhänge
mit wissenschaftlicher Karriereplanung und Geschäft. Jeder sollte sich
selbst darüber ein Urteil bilden. Der Autor anerkennt zwar die großen
Vorteile und Hilfen, die ihm Peer Review im Rahmenseiner wissenschaftlichen
Tätigkeit geboten hat; er glaubt allerdings, dass diese Vorteile zumindest
teilweise wieder wettgemacht wurden durch oft sinnlose Verzögerung der
Publikation, verbunden manchmal mit einer Verzerrung des Inhaltes und sinnlosem
Aufwand. Dies mag für ausgefallene originelle und innovative
Inhalte eher gelten als für gut etablierte, wo die Qualitätsverbesserung
durch Peer Review wohl eher zum Tragen kommt.
Letzt endlich wird vermutlich der Kostenfaktor ausschlaggebend
sein; die Bibliotheken und öffentlichen Haushalte, sowie die autonomen
Universitäten werden die explodierenden Kosten der Printmedien, welche
Peer Review betreiben, nicht mehr zahlen wollen und können. Und die Peers
werden nicht mehr unbezahlt und beinahe unbedankt aufwendige Gutachten erstellen
wollen. Bedeutende wissenschaftliche Organisationen, wie etwa das Centre National
de la Recherche Scientifique (CNRS), die Max-Planck-Gesellschaft (MPI) oder
die Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), um nur einige zu nennen, bekennen
sich bereits jetzt in ihrer Berliner Erklärung über offenen
Zugang zu wissenschaftlichem Wissen eindeutig zu offenen, frei zugänglichen
elektronischen Archiven. Dort werden auch klar die veränderten Rahmenbedingungen
für das Peer Review ausgesprochen: Es ist klar, das diese Entwicklungen
das Wesen des wissenschaftlichen Publizierens und des existierenden Systems
der Qualitätssicherung grundlegend verändern können.[[...]]
Wir beabsichtigen deshalb unsere Forscher und Stipendiaten dazu anzuhalten,
ihre Arbeiten nach dem Prinzip des offenen Zugangs zu veröffentlichen;
[[...]]Mittel und Wege zu finden, um für die Open Access-Beiträge
und Online- Zeitschriften die wissenschaftliche Qualitätssicherung zu gewahrleisten
und die Regelnder Guten Wissenschaftlichen Praxis einzuhalten; dafür
einzutreten, dass OpenAccess-Veröffentlichungen bei der Begutachtung
von Forschungsleistungen und wissenschaftlicher Karriere anerkannt werden; [[...]]
Man wird sehen, welche Taten von diesen großen europäischen Wissenschaftsorganisationen
folgen werden. Vielleicht bedarf es auch des couragierten Auftretens einzelner,
prominenter, und finanziell und statusmäßig abgesicherter Wissenschafter,
um diese Prozesse zu beschleunigen. Was die Finanzierung von Forschungsprojekten
betrifft, wäre auch eine radikal andere Aufteilung von Forschungsgeldern
als bisher vorstellbar ; etwa indem 70 % der Mittel über Peers
verteilt werden, 20 % über ein Schöffensystem, sowie 10 % gänzlich
zufällig. Eine solche Strategie musste aber begleitet und adaptiert werden
durch nachträgliche Bewertungen, die wiederum durch Fachkollegen und Laienrichter
zu erfolgen hatte. Abschließend soll noch einmal ein Aspekt wissenschaftlicher
Arbeit erwähnt werden, den man nicht hoch genug bewerten kann: Wissenschaft
kann nur lebendig und produktiv bleiben, wenn sie mit Leidenschaft betrieben
wird, Freude bereitet und auch Spaß macht. Es hat wenig Sinn, Menschen,
die bereit sind, einen Großteil ihrer Lebenszeit für wissenschaftliche
Forschungen zu nutzen und dabei anteilig sehr schlecht bezahlt werden, auch
noch Sand in den Weg zu streuen. Defätistische Einstellungen wie save
a tree, reject a paper, wie man sie an Turen von Peers
plakativ dargestellt vorfindet, gehören hinterfragt. Letztlich ist alles
einem historischen Wandel unterzogen, auch die wissenschaftliche Publizistik
und die Methoden, wie wissenschaftliche Leistungen bewertet werden. Wie Präsident
Roosevelt einmal feststellte [19], bedarf eine funktionierende, sich entwickelnde
Gesellschaft eine fortwahrende, friedliche Revolution.