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Ist Modernisierung hoffnungslos? Sind Eliten effizient? Ist Mentoring ein Ausweg? Einige genderfokussierte Anmerkungen zur Unruhe im Wissenschaftsbetrieb

So kann man es auch sagen: Es sei der Anteil weiblicher Studierender kontinuierlich gestiegen, freut sich Ministerin Gehrer, "doch gibt es nach wie vor viele wissenschaftliche Arbeitsfelder, in denen Frauen unterrepräsentiert sind." Und zwar mit der Quote 0 am oberen Ende der Pyramide, wie wir aus den kaum sich verändernden Statistiken wissen. In dem selben Buch, in dessen Vorwort die Bildungs- und Wissenschaftsministerin dieses Exempel an Euphemismus vorführt, steht weiter hinten zu lesen, dass bei Beibehaltung des Veränderungstempos der letzten 20 Jahre erst im Jahr 2270 zu erwarten ist, dass Frauen zu gleichen Teilen wie Männer in den Spitzenpositionen der Wissenschaft vertreten sein werden.
Bei besagtem Buch handelt es sich um Band 20 der Reihe "Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft", der dem Thema "Mentoring für Wissenschafterinnen" gewidmet ist und anlässlich des Frauentages am 8. März präsentiert wurde. Wien ist entgegen der Gehrer'schen Euphorie mitnichten eine "rühmliche Ausnahme" in Sachen Gleichstellungspolitik, wie auch die Vizerektorin Sebök bei dieser Präsentation klarstellt, und schon auf der ersten Seite des Textteils steht seitens der Herausgeberinnen unmissverständlich zu lesen: Die gegenwärtige Reform der Universitäten "weckt kaum Hoffnungen auf eine tatsächliche Modernisierung im emanzipatorischen Sinne." Eine Einschätzung, der in unterschiedlichen Nuancen in mehreren Beiträgen des Bandes zu begegnen ist.
In der Tat haben die negativen Folgen, die sich aus dem Umbau des Hochschulbereichs unter den neoliberalen Maximen von Ökonomisierung und (Arbeits-) Marktkompatibilität ergeben, auch und vor allem eine geschlechtsspezifische Seite, die Ungleichgewichte, Ausschlüsse und Diskriminierungen verstärkt und so die 'Männerinstitution Universität' einzementiert. Die neu eingeführten und viel diskutierten Zugangsbeschränkungen etwa diskriminieren Frauen in besonderem Maße, wie die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) immer wieder betont (siehe Interview), doch lassen sich auch andere Beispiele für die geschlechtsspezifische Auswirkungen der aktuellen Reformen nennen: Das neue Universitätsgesetz 2002 legt wesentliche Entscheidungen nur noch in die Hand von ProfessorInnen, bei denen Frauen freilich unterrepräsentiert sind, was abermals zu einer "Vermännlichung" der Strukturen führt. Oder: Wenn bei externen Lehrbeauftragten massiv eingespart wird, trifft das Frauen ungleich stärker als Männer, weil sie es sind, die tendenziell in diese Vertragsform gedrängt werden, liegen ihnen in der "klassischen" Laufbahn doch seit Jahrzehnten die gleichen Steine im Weg.

Zwang zur Ökonomisierung

"Die Einführung der Studiengebühren, die Entlassung der Universität in die ‚Autonomie' und die damit einhergehende Abschaffung demokratischer Strukturen sowie die Einführung von Zugangsbeschränkungen stellen eine Art vorauseilenden Gehorsam der schwarz/blau/orangen Bundesregierung gegenüber neoliberalen Tendenzen auf EU-Ebene dar", sagt die ÖH. Die Universitäten werden zu Dienstleistungsunternehmen, die Studierenden zu deren KundInnen. Und so ist auch die Terminologie, die auf Studierende und den wissenschaftlichen Nachwuchs angewandt wird, wie aus Managmentseminaren entlehnt, in Wahrheit aber längts etabliert: um "Personalentwicklungsangebote" geht es da, um "Erfolgsstrategien", "Karriereperspektiven", "Leistungsoptimierung" und "Effizienzsteigerung", und auch der Herr Vertreter des Wissenschaftsministeriums erklärt bei der Buchpräsentation, das Mentoring-Programm für Wissenschafterinnen als lohnende Investition in die "Humanressourcen der Wissenschaft" zu verbuchen.
Eine Bildungspolitik unter dem "Zwang zur Ökonomisierung" geht auf Kosten von Demokratie, Kritik und selbständigem Denken. Die Elite-Projekte, die derzeit die besseren Chancen auf Ressourcen (und Schlagzeilen) haben, sind auch in diesem Licht zu sehen: Österreich liegt mit seinen 5,4% Bildungsausgaben gemessen am BIP unter dem OECD-Schnitt, und während an den 'normalen' Universitäten eine stromlinienförmige Massenabfertigung im Eiltempo etabliert wird, soll es einer kleinen Elite vorbehalten werden, Zugang zu einer Form des Forschens und Sich Bildens zu erhalten, die darüber hinaus geht. Kritische, innovative oder gar interdisziplinäre Projekte haben immer geringere Chancen, an die notwendigen Ressourcen zu ihrer sinnvollen Verwirklichung zu gelangen. Gerade Sozial- und Kulturwissenschaften sind davon betroffen, denn "schließlich haben sie den Anspruch, umfassendes Wissen über die Menschen zu sammeln; sie sollen auch der Selbstreflexion und der besseren Organisation des menschlichen Zusammenlebens dienen und nicht Profite erwirtschaften", wie eine ehemalige Teilnehmerin am Mentoring-Programm schreibt.

Gender Mainstreaming

Solche Zugänge haben mit Gegenwind zu rechnen, wo 'Modernisierung' um sich greift, eine Modernisierung, die - wie gezeigt - auch eine Re-Maskulinisierung des universitären Betriebes mit sich bringt. Doch könnte der ohnehin in Gang befindliche Reformprozess nicht auch die Chance bieten, geschlechterpolitische Verbesserungen zu erzielen? Viel Hoffnungen werden diesbezüglich an das Prinzip 'Gender Mainstreaming' geknüpft, dem sich 2000 schon die blauschwarze Regierung und im Jahr 2004 auch die Universität Wien verpflichtet haben. Es sieht vor, die Geschlechterperspektive nicht additiv hinzu zu ziehen, sondern in alle Handlungen, Entscheidungen und Projekte auf allen Ebenen zu integrieren. Vieles spricht ganz offensichtlich dagegen, dass diese tösenden Verpflichtungen auch tatsächlich konkrete Verbesserungen bringen; vielmehr bleibt Gender Mainstreaming "oft ein Papiertiger", wie etwa die Studienvertretung Politikwissenschaft betont, "der lediglich als Vorwand dient, um Mittel für spezifische Frauenfördermaßnahmen zu streichen und autonome Frauenprojekte einzustellen."
Als alles andere als additiv will auch das Mentoring-Programm für Wissenschafterinnen verstanden sein. Es begreift sich als Teil eines weit gefassten Gleichstellungskonzeptes. Grundgedanke ist, dass die herkömmliche Förderung und Betreuung junger Wissenschafterinnen durch ihre etablierten KollegInnen durch ihren informellen Charakter auf Beziehungen und Seilschaften, und damit auf Abhängigkeiten beruhen, die nicht selten paternalistische Züge tragen und immanent frauenfeindlich oder zumindest -ausschließend sind. Da 'offizielle' Fördermaßnahmen jedoch "nur in Verbindung mit diesen traditionellen Förderbeziehungen ihre tatsächlich integrative Wirkung" zeigen, wie es in dem erwähnten Band heißt, setzt das Programm genau bei den Strukturen der Mentoring-Beziehungen selbst an und begreift sich als Schnittstelle zwischen formeller und informeller Frauenförderung. Zentral ist dabei aber ein "politisiertes Verständnis von Mentoring", das auf eine Struktur- und Kulturveränderung der Universität als Ganzes abzielt, weil es Wissenschafts- und Institutionenkritik mit einschließt: Förderung als politisierte Praxis muss "von kritischen Reflexionen über die geltenden Normen und Vorstellungen von Wissenschaftlichkeit, Leistung und Verdienst begleitet sein."
Das Konzept gilt seitens aller Beteiligten, wie aus den Berichten hervorgeht, als Erfolg. Aber auch hier ist wie bei Gender Mainstreaming überhaupt schwer zu messen, was denn als Erfolg gelten kann. Zum einen wird ein "realistisch-visionärer Blick über Gläserne Decken hinaus" beansprucht, zum anderen erklärt eine ehemalige Teilnehmerin, der Erfolg des Programmes lasse sich in den an Land gezogenen universitären Anstellungsverhältnissen messen - und muss sich dadurch die Frage gefallen lassen, ob ausgerechnet dieser Maßstab der proklamierten "Institutionenkritik" wirklich gut zu Gesicht steht.

Ingo Lauggas

Herta Neubauer, Evi Genetti, Waltraud Schlögl (Hg.): Mentoring für Wissenschafterinnen - Im Spannungsfeld universitärer Kultur- und Strukturveränderung. Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft 20. bm:bwk, Wien 2005

Erschienen in MALMOE #31 (März 2006)
Siehe auch das Interview mit der ÖH-Frauenreferentin Susanne Kimm