Lehre

Ich bin so frei

Eine Reportage vom Tag der Freien Medien in der Fluc-Wanne

Ich treffe kurz vor 5 ein, der Gang in die Fluc-Wanne ist links und rechts von Zeitungstischen mit Freien Medien gesäumt, ein Tisch für MALMOE scheint nicht frei zu sein. Ich orte aber einen unbewachten Global 2000-Tisch und erkläre diese Initiative – trotz aufgelegter Global News – zum Nicht-Medium, schiebe den Pickerlkram zusammen und besetze die Hälfte des Tisches. Da kommt auch schon der säumige Umweltschützer gelaufen, doch dieses attraktive Plätzchen zwischen TBA, the gap, fiber, an.schläge und Freie Plakatierer lasse ich mir nicht mehr nehmen und toleriere dafür, dass die Global-Plakate hinter mir hängen bleiben.
Es kommt, wie es kommen muss: ein Typ, der mich für Global 2000 hält und sich selbst für witzig, fragt mich, wie das Wetter im neuen Jahr wird. Ich drücke ihm ungerührt MALMOE 43 in die Hand und verweise auf den Klima-Schwerpunkt.

Die anderen Fragen, die ständig an mich gerichtet werden, treffen mich völlig unvorbereitet: „Was ist MALMOE denn für eine Zeitung?“ Hmm, gute Frage: Was ist MALMOE denn für eine Zeitung. „Wie finanziert Ihr euch?“ Tja, da staun ich auch immer wieder drüber.
Als guter Eisbrecher, die Sondernummer „Wir nennen es rechtsextrem“ zu promoten, erweist sich der Hinweis, dass wir sie gemacht haben, weil wir das Wahlergebnis und das alles so arg finden. Ja, das finden hier alle arg und nehmen gleich eine Ausgabe.

Unser Stand ist im Vergleich zu den anderen kümmerlich: die an.schläge-Frauen haben eine Lichterkette mitgebracht und verkaufen Taschen und T-Shirts. Bei fiber gibts hübsche Zünder, wie auch bei Orange 94.0, überall stehen Schnickschnack und Gimmicks und Laptops herum, alle haben Plakate vor und hinter sich hängen. Ich setze eine Miene auf, die vermitteln soll, dass es zu unserer textlastigen Arroganz gehört, dass wir nicht mehr Aufwand für unseren Tisch betreiben, als Zeitungen draufzulegen. Manche haben sogar „Zur freien Entnahme“-Schilder gebastelt, bei mir steht nur das vom Fluc bereitgestellte „Vorsicht: Taschendiebe!“

Ein Junge, von dem ich erwartet hätte, dass er mich fragt, was MALMOE denn für eine Zeitung ist, verkündet vielmehr: „Ein Mädel in meiner Klasse hat ein Buch über Euch gemacht!“ Wie, ein Buch? Was für eine Klasse denn? Irgendwas mit Graphik sagt er und dass das Buch jetzt schon in der Rathaus-Bibliothek ausgestellt ist. Hm, Sachen gibts. Bücher gibts.

Es ist eiskalt. Merke: Wenn man in der Fluc-Wanne nicht tanzt, ist sie eiskalt.

Noch später als MALMOE kommen die Streifzüge, die natürlich gar keinen freien Tisch mehr finden. Ich bin grade am Rückweg vom fiber-Zünder Stibitzen und werde von den Streifzügen gleich für einen Offiziellen gehalten: „Du siehst so offiziell aus.“ Also so was. Ich beschließe daraufhin, die natürlich wieder verwaiste Global 2000-Tischhälfte mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, damit sich die Streifzüge nicht hier niederlassen. Sie kriegen ein Plätzchen zwischen Klo und Keine Delikatessen. Tja, wer zu spät kommt...

Professionelle Fotografen schwirren herum. Einer beschließt just in dem Augenblick, den MALMOE-Stand zu fotografieren, als ich den letzten Schluck aus meinem Dosenbier drücke. Mein erster Gedanke: Hoffentlich ist das MALMOE-Logo mit drauf, sonst hält man mich noch für die Grundrisse. Dann kommt noch ein Fotograf und sagt, ich soll irgendwie posen. Mediengeil und -hörig wie ich bin, halte ich Wir nennen es rechtsextrem in die Kamera, dem Fotografen gefällts.

Was macht eigentlich DATUM hier? Was ist ein Freies Medium?

Ein Kamerateam, ich glaube Okto, diskutiert gefühlte eineinhalb Stunden vor meiner Nase, wie sie das nun anlegen wollen, wie sie die Szenerie abzufilmen gedenken. Elende Basisdemokratie, daran also erkennt man Freie Medien. Sie nutzen das viele Weiß auf unserem 44er-Cover für den Weißabgleich der Kamera. „Damit dann nicht alles blau ist“, erklärt der Kameramann. Gut, denke ich, dann hat die Sondernummer wirklich ihren Zweck erfüllt, wenn sie ihren Beitrag dazu leistet, dass dann nicht alles blau ist.

6 Uhr: In der Wanne am Ende des kalten Ganges beginnt die Vorstellung aller Medien, die das wollten. Ich wollte das nicht. Ich bleibe bei meinem Tisch und bewache unsere Zeitungen, Vorsicht Taschendiebe, man weiß ja nie. Dieses Schwänzen rächt sich umgehend, denn plötzlich baut sich ein Kamerateam von UTV buchstäblich vor mir auf, leuchtet mich an und verdonnert mich zum Interview. Es rächt sich weiters, dass das einzige Coaching, das Beat mir mit auf den Weg gegeben hat, der Hinweis war: „Wahrscheinlich haben die dort gar keinen richtigen Begriff von Freien Medien.“ Promt ruft UTV vor laufender Kamera meinen Begriff von Freien Medien ab. Ich gehe auf Nummer sicher und sage, was sind schon Freie Medien. Wie ich denn die Zukunft der Freien Medien sehe? Aus einem Impuls disse ich DATUM und sage, dass die sicher Zukunft haben, denn der Mainstream hat immer Zukunft: womit ich mich im Rennen um den sympathischsten Freien Medienvertreter gleich mal aus dem Spiel nehme.

Okto.tv hat seinen Weißabgleich und den sorgsam durchdachten Kameraschwenk über die Tische abgeschlossen und sucht nun auch Interview-PartnerInnen. Das veranlasst mich – Taschendiebe hin oder her – unseren Tisch allein zu lassen und mir am Praterstern ein Kebab zu holen.

Als Dinner-TV sehe ich mir einen grausligen KanalB-Film über Genua '01 an: blutüberströmte Prügelopfer, blutverschmierte Fliesenböden, und das ohne Ton, dafür in Endlosschleife, brr. Der KanalB-Vertreter heuert mich nach kurzem Kennenlernen als Untertitelübersetzer für Italienisch und Spanisch an.

Von den Endlos-Päsentationen Gelangweilte schlendern auf und ab. Post It: Wir sollten uns überlegen, immer eine so reißerische Schlagzeile aufs Cover zu setzen: # 44 geht deutlich besser als # 43, bei absolut gleichberechtigter Platzierung.

Halb 8. Alle warten auf die Podiumsdiskussion. Der SPÖ-Gemeinderat, der mitdiskutieren soll, spricht mich an und beteuert, wir hätten zusammen ÖH gemacht, was natürlich stimmt. Und wir seien beide blader geworden seither. Also so was, wie stellt denn der sich Volksnähe vor?

Viertel nach 8, das Podium formiert sich. Das mit Karin Resetarits als Moderatorin war tatsächlich kein Scherz; vielmehr scheint sie sich nun zu fragen, ob es ein Scherz war, sie für diesen Ort anzuheuern. Sie hat zu Hause Kärtchen vorbereitet. Die zeigt sie nun her und sagt, dass sie zu Hause Kärtchen vorbereitet hat, sich aber nun nicht mehr auskennt, wer wer ist. Einem ihrer Kärtchen entnimmt sie, um welche Fragen sie die Diskussion kreisen zu lassen gedenkt, nämlich erstens: Brauchen wir Freie Medien, und zweitens: Erfahren diese genug Unterstützung?
Ich maße mir spontan an, die Antworten auf diese schonungslos investigativen Fragen trotz der erdrückenden Meinungsvielfalt von 8 (acht!) PodiumsdiskutantInnen zumindest tendenziell zu erahnen, und beschließe, sie nicht abzuwarten. Ich erteile der netten TBA-Frau die Vollmacht, die verbliebenen MALMOEs zu verschenken, und fühle mit Genugtuung, wie mir von der Radtour vom Praterstern in meinen Westbezirk endlich wieder warm wird...

Link zum Freien Medium MALMOE

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