Lehre

Beobachtungsspezialisten

Während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft gab es in Salzburg wie in anderen Städten auch eine Demonstration gegen die Gipfelauftriebe und die Politik, für die diese stehen. Nach deren Ende wurde der Demonstrant Jan K. von Zivilbeamten, die sich nicht einmal auswiesen, herausgegriffen, festgenommen und kurzfristig eingesperrt. Dem folgte eine Anzeige wegen Sachbeschädigung und Landfriedensbruch, denn er soll für Farbbeutelwürfe und das Besprühen eines Polizeiautos verantwortlich gewesen sein. Als Jan wegen der offensichtlich unverhältnismäßigen und gewaltsamen Umstände seiner Festnahme eine UVS-Beschwerde einreichte, folgte eine Anzeige wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt und Angriff auf einen Beamten auf den Fuß (!).
Die Beschwerde wurde – auch für KennerInnen der Materie – völlig überraschend abgewiesen, im Strafprozess wurde Jan von einem Richter zu vier Monaten bedingter Haft verurteilt, dessen politische Haltung schon vor dem Prozess allgemein bekannt war und der sich von der Widersprüchlichkeit und Konstruiertheit der de facto nicht vorhandenen Beweise nicht weiter stören ließ. Die Verurteilung gründet im Wesentlichen auf der Aussage eines – wie beteuert wurde – "Beobachtungsspezialisten", der die begangenen Straftaten genau observiert haben will.

Sind die Taten, für die du verurteilt wurdest, auf irgend einem Video zu sehen?

Nein. Diese Demonstration wurde von sehr viel Polizei, vielfach in Zivil, bewacht, und es wurde auch viel gefilmt. Dennoch war da offensichtlich nichts Verwertbares dabei. Das heißt also, dass die Leute auf den Filmen entweder nicht identifizierbar sind und die Aufnahmen somit nutzlos, oder sie wollen sie aus taktischen Gründen nicht herzeigen. Wir wissen z.B., dass es ein Polizeivideo von meiner Festnahme gibt, auf dem ja zu sehen sein müsste, wie ich angeblich Polizisten attackiere. Aber das wurde angeblich gelöscht. Jedenfalls wurde mit der ganzen Filmerei ein großer technischer Aufwand betrieben, und im Endeffekt hatten sie nichts in der Hand.

Dieser Aufwand wird doch ad absurdum geführt, wenn es schlussendlich nur die Aussagen von einzelnen Beamten sind, die zu so einer Verurteilung führen.

Ich glaube, der Sinn von der ganzen Technik besteht auch darin, dass sie die Leute einschüchtern, verunsichern und auch lähmen soll. Das kann man überhaupt auf den öffentlichen Raum ausdehnen: Dass Leute gefilmt und überwacht werden, soll ihr Verhalten beeinflussen. Wenn bei einer Kundgebung so demonstrativ Autos mit Riesen-Kameras hingestellt werden, ist das offensichtlich. Zum anderen glaube ich sehr wohl, dass viel von diesem Material archiviert wird, nicht nur um des Archivierens willen. Es gibt wohl auch gut funktionierende Archive, deren Daten unter Verschluss gehalten werden, weil sie illegal sind und eigentlich gelöscht werden müssten.

Geht es bei solchen Überwachungen also nur um Repression?

Argumentiert wird eher mit Prävention, indem gesagt wird, ohne Überwachung wäre alles viel schlimmer. Hier sind viele Interessen im Spiel: Es gibt Polizeikreise, die sich selbst beschäftigen wollen, es gibt die Interessen der Firmen, die das entsprechende Equipment verkaufen; und es gibt in Polizei und Politik ein Denken, das von Paranoia geprägt ist. Sicher ist jedenfalls, dass die effizienteste Repression im Kopf stattfindet. Wenn Leute etwas machen wollen, dann finden sie Wege das zu tun, auch unter den Augen der Polizei und ihrer Kameras.

Deine Geschichte klingt so, als hätte das jedem/r auf der Demo passieren können.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht wegen dem verhaftet wurde, was ich auf der Demo gemacht habe. Es ist unklar, warum sie mich ausgesucht haben. Zum anderen gibt es immer diesen Aspekt des Wahllosen: Einerseits funktioniert Repression sehr zielgerichtet, andererseits muss sie immer auch einen Rest an Unberechenbarkeit haben. Bei einer Ringblockade in Wien kann es sein, dass die Polizisten auf die Leute einprügeln, oder aber, dass sie gar nichts machen. Repression soll nie ganz kalkulierbar sein.

Da Jan gegen das skandalöse Urteil berufen wird, ist er auf finanzielle Unterstützung angewiesen: KV Infoladen Salzburg Kontonr.: 350-141 BLZ: 49460 Sparda Bank. Kennwort: soli

Erschienen in MALMOE # 36 (Februar 2007)