Predigt am 25.2.2007  in der Landeskirchlichen Gemeinschaft Oranienburg

Lk: 22, 31-34, Ankündigung der Verleugnung des Petrus

 

Kanzelgruß:

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.

 

31 Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen.

32 Ich aber habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.

33 Er aber sprach zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.

34 Er aber sprach: Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, daß du mich kennst.

 

Ihr Lieben,

am Anfang der Fastenzeit bietet uns der Predigtext – auch für die Nichtraucher unter uns - reichlich starken Tobak. Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. Das wird ja nicht irgendwem gesagt, sondern Simon, dem Fischer, dem Menschenfischer, dem Treuesten unter den Jüngern.

Wie siebt man denn den Weizen. Als jemand, der mit Landwirtschaft nichts zu tun hat, stelle ich es mir so vor. Da sind die guten Weizenkörner, die fallen durch das Sieb und dann bleiben Steine und Unrat im Sieb zurück. Vielleicht wurde das auch andersherum gemacht, die guten Weizenkörner blieben im Sieb zurück und die Spreu fiel durch das Sieb. In jedem Fall ist deutlich, die Spreu wird vom Weizen getrennt. Der Satan selbst übernimmt diese Aufgabe. Kein Menschenfreund ist es, dieser Satan. Wo er siebt, was bleibt da noch an Weizen übrig? Wir fragen uns das ja ganz unwillkürlich selbst. Wann werden wir gesiebt? Wann haben wir versagt? Wann sind wir unserer Verantwortung nicht gerecht geworden, wann sind wir unseren Nächsten nicht gerecht geworden? Wann sind wir unseren Fernsten nicht gerecht geworden? Wann sind wir Gottes guter Schöpfung nicht gerecht geworden? Es wird so kommen, wir werden immer wieder gesiebt werden. Welche Möglichkeit gibt es, dem zu entrinnen? Wer viel tut, macht viele Fehler, wer wenig tut macht wenig Fehler. Es soll Leute geben, die gar keine Fehler machen, sagt das Sprichwort. Aber wenn wir nichts tun, unsere Talente vergraben, dann werden wir wohl gerade gesiebt und aussortiert werden. Nein, das Sieben des Satans wird nicht heiter werden. Wo er siebt, wird nicht viel Weizen bleiben.

 

32 Ich aber habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre.

Woran kann der Glaube zerbrechen? An Enttäuschung? An enttäuschten Hoffnungen? Das mag schon sein, aber ist doch ein merkwürdiger Glaube, der sich an die Erfüllung von bestimmten Hoffnungen klammern wollte. Viel mehr stimmt doch was Martin  Luther King sagte, „Glaube, das ist der Umgang mit enttäuschten Hoffnungen“. Ein Glauben bei dem alle Hoffnungen sich erfüllen ist keine Kunst, wer sollte da nicht glauben? Nein, beim Glauben wird es immer auch darum gehen, dass manche Hoffnungen sich nicht erfüllen. Das gehört dazu zum Glauben und das kann ihn reicher machen, tiefer. Ein Glauben, der durch die Tiefen enttäuschter Hoffnungen hindurchgetragen hat.

         Verrat? Kann es Verrat sein, der den Glauben zum Aufhören bringt? Ich weiß nicht, wer von Euch den Film „Jeder schweigt von etwas anderem“ kennt. Ein Dokumentarfilm von zwei jungen Filmemachern. Erzählt werden die Geschichten von drei Familien. Die Eltern sind in der DDR eingesperrt worden, die Kinder wurden ihnen weggenommen. Später wurden sie vom Westen freigekauft. Tine und Matthias Storck waren ein junges Paar aus Berlin, die in Greifswald studierten. Er Theologie, sie Zahnmedizin. Weil ihnen ein Fluchtangebot zugespielt wurde, wurden sie zu 2 Jahren und 8 Montan Gefängnis verurteilt. Dabei hatten sie das Fluchtangebot nie angenommen, sie hatten aber auch denjenigen, der es ihnen übermittelt hatte nicht angezeigt, sondern noch im Prozeß zu decken versucht. Das war Pfarrer Rudolf aus Herzberg. Ein ganz oppositioneller DDR-Pfarrer. Nachdem sie freigekauft worden waren, nach über 14 Monaten Haft, wurde Matthias Storck im Westen Pfarrer. Nach der Wende kam heraus, dass Pfarrer Rudolf ein IM war. Er hatte aber nicht nur sie und andere bespitzelt, sondern sie bewusst in eine Falle gelockt. Die Stasi hatte ihm diese Fluchtmöglichkeit zugesteckt, war über alles informiert und andere, die diese vermeintliche Chance wahrnahmen, wurden in Polen verhaftet. Pfarrer Rudolf hatte sie alle ans Messer geliefert. Matthias Storck beschreibt in seinen Büchern sehr eindringlich, wie ihm ein Pfeiler der Welt einstürzte. Wie ihm sein Glauben ins Wanken kam. Und doch der Glaube hielt stand. Sicher, es war nicht mehr der gleiche Glaube unser Glauben verändert sich, wie wir uns selbst verändern. Wie sollte das auch nicht sein. Was uns im Umgang mit unseren Nächsten bewegt, das bewegt uns auch im Umgang mit Gott, denn genauso will er ja unter uns sein, in unseren Nächsten. Glaube verändert sich, aber er kann sogar den Verrat überstehen.

         Vielleicht ist es die schwerste Prüfung für den Glauben, wenn wir uns in uns selbst täuschen. Wenn wir merken, wir können uns selbst nicht mehr sicher sein. Und das nicht in periphären Angelegenheiten, in Randerscheinungen und Unwichtigem, „Adiaphora“, sondern in dem was uns unbedingt angeht. Wenn wir merken, wir können uns selbst nicht trauen, wir sind von uns selbst enttäuscht, wir haben nicht nur andere, sondern uns selbst verraten. Beim Verrat an jemand anderem besteht ja immerhin noch die Chance der Vergebung. Beim Verrat an uns selbst, wer sollte uns vergeben? Wir selbst? Hier kann er schon aufhören, der Glaube. Was hat noch bestand, wenn wir nicht einmal mehr uns selbst trauen können?

         32 „Ich aber habe für dich gebeten, daß dein Glaube nicht aufhöre.“ Sagt Jesus zu Simon. Und was wir alle wissen, dass der Glaube kein Verdienst ist, dass er ein Geschenk von Gottes Gnade ist, dass wir uns ihn nicht verdienen können, dass wir nicht stolz sein können auf unseren Glauben, weil er nichts ist, was man erwirbt. Diese Wiederentdeckung Luthers, die uns als guten Evangelischen immer flott von der Zunge geht, in diesem Satz können wir seine ganze Bedeutung spüren: „Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre“ Jesus bittet, betet für Simon, er betet, dass sein Glaube nicht aufhören möge. Wie leicht könnte es sein, dass der Glaube aufhört nach diesem Sieben des Satans das uns jederzeit treffen kann, nach dieser Enttäuschung, nach diesem Verrat an Jesus und an sich selbst. Jesus befiehlt nicht zu glauben. Er teilt den Glauben nicht zu aber er bittet, er betet um den Glauben, er betet, dass der Glauben des Simon auch nach allem nicht aufhöre. Es ist ein Geschenk, eine Gabe, eine Gnade, der Glaube. Jesus erbittet ihn für uns.

„32 Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.“

Es muss wie eine Frechheit in den Ohren des Simon geklungen haben. Er hatte doch schon seinen neuen Beinahmen, „Petrus“ – der Fels. Er war der Fels. Hatte er sich nicht immer als der erste, der treueste unter den Jüngern erwiesen? Die anderen erkannten ihn an. Er war der zweite Mann der uneingeschränkt zu Jesus stand, der als erster Aussprach, was Jesus für einer sei. Daß er der verheißene Messias selbst sei. Er sollte sich dereinst bekehren??? Das hieß doch, er ist jetzt noch nicht bekehrt. Ein ungläubiger, ein unwissender, ein nichts. Was wollte Jesus damit andeuten – eine Frechheit!

         „So stärke deine Brüder.“ Nach der Beleidigung dann nun wieder dies. Wer soll das verstehen, ein Wechselbad der Gefühle. Und tat er das denn nicht bereits jetzt? Seine Geschwister stärken? Keine Frage wie Petrus reagiert. Der Ernst der Lage ist Petrus sehr bewusst. Der Verrat des Judas ist bereits geschehen. Das letzte Abendmahl ist schon gefeiert. Es ist die Zeit der letzten Gespräche Jesu mit den Jüngern. Sie alle zeugen von Abschied, Ende, ja vom Tod.

Simon ist kein Feigling. Keiner der jetzt noch schnell die Kurve kratzt, da der Stern von Jesus so rapide sinkt. Er lässt ihn nicht im Stich. Auch nicht im Gefängnis und im Tod. Simon ist Petrus, der Fels. Auf ihn kann Jesus bauen. Auf ihn kann er sich verlassen. Er weiß was gespielt wird. Ihm muss man nichts vormachen und er wird bis zum Ende dabeisen. Das ist er Jesus schuldig, das ist er sich schuldig. „33 Er aber sprach zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.“

         Petrus brüstet sich nicht. Sicher, Jesus hat ihn provoziert, hat seine Treue in Frage gestellt. Aber da kann er die Hand für sich ins Feuer legen. -  Wo können wir die Hand für uns ins Feuer legen?

         „34 Er aber sprach: Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, daß du mich kennst.“

         Es schwingt kein Vorwurf mit in diesem Satz. Es ist eine Feststellung. Eine sachliche Feststellung. Kein Vorwurf, keine Anklage, kein Wutausbruch. Es wird so sein. Du wirst mich verraten. Du, der Du mit mir ins Gefängnis, gar in den Tod gehen willst, Du wirst mich verraten. Du wirst ableugnen, mich zu kennen.

Nicht einmal Enttäuschung ist in diesem Satz. Enttäuschung ist dann später in Gethsemane, als die Jünger schlafen, wo sie doch ein letztes Mal mit und bei ihm beten sollten. „Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, daß du mich kennst.“ Und nicht nur, dass kein Vorwurf darin ist. Während er ihn am Anfang mit „Simon“ ansprach, sagt er nun „Petrus“ zu ihm. Petrus, der Fels. Man kann dies ja unterschiedlich lesen. Man kann es wie die blanke Ironie lesen: „Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, daß du mich kennst.“ Ich glaube nicht, dass Jesus dies ironisch sagte. Er weiß was er sagt. Er wählt seine Worte bewusst. Gerade dieser Simon, der ihn verrät, der sich selbst verrät, dem alles wegbrechen müsste, der nichts mehr hat, woran er sich halten könnte, sein Zutraun zu sich selbst, es wird zerbröseln beim Hahnenkrähen. Sein Zutraun zu Jesus – ihn hat er doch verraten. Er hat ihn verraten, obwohl er ihm das Gegenteil versprochen hat. Und genau zu diesem Simon sagt Jesus: „Petrus“. Dieser Simon ist sein Petrus.

 

Amen.

 

Kanzelsegen:

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sine in Christus Jesus.

Amen.

 

Guter Gott!

Du enthüllst die Wahrheit – aber Du stellst nicht bloß.

Du weißt, wer ich bin und zeigst es mir.

Du gibst Dich keinen Illusionen über mich hin und gibst mir Dein Zutraun.

Du weißt um meine Schwäche und mein Versagen und bleibst mir treu.

Du erleidest meinen Verrat an Dir, ein Verrat, den ich mir selbst nicht zugetraut hätte und hältst zu mir.

Guter Gott, bitte Du für uns, dass unser Glaube nicht aufhöre, Amen.

 

 

 

 

 

 

- Vater unser

Vater unser im Himmel.

Geheiligt werde den Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn Dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Amen.

 

L: „Der Herr segne euch und behüte euch.

Der Herr lasse leuchten sein Angesicht über euch und sei euch gnädig.

Der Herr erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch + Frieden.“

G:      Amen

 

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