Gottesdienst Mi., 24.12.05. 17 Uhr Lehnitz von Dr. Henning
Schluß, Oranienburg, www.henning.schluss.de.vu
Predigt
Ihr Lieben,
eben im Krippenspiel haben wir es gesehen, Gottes Kind ist
dieser Welt geschenkt worden. Ein schönes Kind, wer würde sich nicht freuen,
wenn ein Kind geboren wird. Dabei ist das mit den Geschenken ja immer so eine
Sache.
Für Euch jüngere ist das vielleicht
noch am einfacher. Geschenke sind doch prima, was gibt’s denn da zu meckern?
Aber vielleicht geht es Euch manchmal auch schon so, dass die Freude beim
ersten Geschenk noch unbändig ist und beim zweiten noch ganz groß und beim
dritten ist es eine riesen Überraschung, dass da so ein toller Lego-Kasten drin
ist und beim vierten Paket noch ein Auto und eine Puppe und noch ein
Hubschrauber und ein Teddy und irgendwann hat man dann so viele Sachen
geschenkt bekommen, dass die Freude gar nicht ausreicht für die ganzen
Geschenke und man bei den letzten Geschenken nur noch pflichtgemäß sagt:
„Vielen Dank lieber Onkel Paul für die schöne Spielzeugeisenbahn“ und sie zu
den anderen Spielzeugeisenbahnen stellt. Und dann ist da auch noch das
Christkind geboren – noch so ein Geschenk – wo stellen wir das jetzt gleich
hin?
Für uns größere ist das manchmal
auch schwierig. Es fängt beim Geschenke besorgen an. Das was zu schenken so in der
Macht des Geldbeutels liegt ist meist alles schon vorhanden. Noch ein Schlips
kann wenigstens nicht schaden und nimmt nicht allzu viel Platz im
Kleiderschrank weg. Ein kleines Goldkettchen passt auch noch in den Nachttisch
aber noch eine praktische Küchenmaschine? Ich will nicht die ganze Freude
vorwegnehmen.
Aber auch denen unter uns, die es
mit dem alten Vorhaben versucht haben, dieses Jahr nun wirklich nichts zu
schenken, geht es vermutlich nicht wirklich besser. Ephraim Kishon hat die
Situation unnachahmlich beschrieben. Werden die anderen nicht enttäuscht sein,
wenn es wirklich gar nichts gibt? Wenigstens eine Kleinigkeit? Wie groß darf
eine Kleinigkeit sein?
Die Alternative sind ganz klare
Wünsche, die jungen Leute, die richten gerade ihren Haushalt ein und denen
fehlt noch eine Suppenschüssel, ein Akkuschrauber, ein Weinglasset. Aber wenn
man die falsche Suppenschüssel, den falschen Akkuschrauber, das falsche
Weinglasset kauft? Um nichts falsch zu machen schenkt man dann doch lieber
dezent einen kleinen Umschlag und schreibt „für die Suppenschüssel“ drauf. Auch
wenn man vermutlich manchem Ärger aus dem Weg geht, ist es noch ein richtiges
Geschenk?
Was für eine Sorte Geschenk ist das
Christkind? Ist es ein Geschenk der Sorte Schlips, das einmal getragen im
Kleiderschrank verschwindet?, Ein Geschenk der Sorte Küchenmaschine, dem die
alte Küchenmaschine weichen muss, die doch noch ganz gut funktioniert hat? Ein
Geschenk der Sorte „Bargeld“ – das kann man immer gebrauchen und ist als
universales Äquivalent zu vielerlei nütze? Ist so das Kind in der Krippe, zu
vielerlei nütze?
Ich würde Euch gern einen Gedanken
von Dietrich Bonhoeffer vorstellen. Bonhoeffer meinte, dass wir in einer Zeit
leben würden, die Gott eigentlich nicht mehr braucht. Sie braucht Gott nicht
mehr, weil er zur Erklärung der Welt nicht mehr notwendig ist. Früher, als es
noch keine wissenschaftliche Erklärung der Entstehung der Welt gab, da brauchte
man noch Gott, der als mythischer Weltenschöpfer fungierte. Früher, als man
noch nichts von der Evolutionstheorie wusste, da brauchte man Gott, damit die
Entstehung der Tiere und der Menschen erklärbar wurde. Früher, als es noch
keine Medizin gab und das Leben ständig von unsichtbaren Krankheiten zum Tode
bedroht war, da brauchte man Gott, damit er diesem zufälligen Leben einen Sinn
geben konnte. Heute, da der Mensch selbstbestimmt sich selbst bestimmt kann er
auch sich selbst einen Sinn geben. Wir brauchen Gott nicht mehr um das werden
der Welt, des Menschen oder den Sinn des Ganzen zu erklären. Die Welt sei in
gewisser Weise mündig geworden, mündig von Gott. Gott als Welterklärungsinstanz
ist überflüssig geworden. Und damit ist ein Prozess ans Ende gekommen, meinte
Bonhoeffer, der schon ganz am Anfang des Alten Testaments seinen Anfang genommen
hat. Ganz am Anfang der Bibel, da steht nämlich die Schöpfungsgeschichte. Und
schon dort wird mit den Mythen der Nachbarvölker aufgeräumt. Von wegen, dass
Sonne, Mond und Sterne Götter seien, es sind ganz einfach Lichter, Lichter die
Gott gemacht hat. Mit der Schöpfungsgeschichte wurden so die anderen Götter der
Sonne und der Sterne abgeschafft. Die Welt brauchte sie nicht mehr. Die
Wissenschaft und Technik hat das mit Gott dann auch so gemacht. Er wird nicht
mehr gebraucht um Welt und Menschen zu erklären. Gern wird das in kirchlichen
Kreisen bedauert. Es wird dann geseufzt, ach früher, als wir Gott noch
brauchten, da wars besser. Bonhoeffer sah das nicht so. Er war froh, dass wir
Gott nicht mehr brauchten zur Erklärung der Welt. Denn wenn man Gott so gebraucht,
dann muss er immer eine ganz bestimmte Funktion erfüllen. Gott ist quasi ein
Lückenbüßer für all das, was wir noch nicht besser wissen. Und wenn der Mensch
dann in den Weltraum fliegen kann und auch dort Gott nicht antrifft, dann rückt
Gott wieder ein Stück weiter an den Rand, dahin, wo wir’s noch nicht genau
wissen. Auf diese Weise verschwindet Gott Stück für Stück immer weiter aus
unserem Leben. Wenn wir Gott als Welterklärungsprinzip verstehen, dann haben
wir ihn dazu verurteilt aus unserer Welt immer weiter zu verschwinden. Und
Bonhoeffer meinte nun, es ist ganz gut, dass Gott auf diese Weise aus der Welt
verschwunden ist. Nicht dass er damit ganz verschwunden wäre, aber wenn Gott
nicht mehr Lückenbüßer sein muss für alles was wir noch nicht wissen, wenn er
nicht mehr von uns in Lehrstellen hineingepresst werden muss, dann kann Gott
als der zur Welt kommen, als der er wirklich ist. Er kann sich selbst so zur
Sprache bringen, wie er möchte, dass von ihm gesprochen wird. Er kann sich
selbst so in Erfahrung bringen, wie er möchte, dass wir ihn erfahren. Nicht
irgendwo ganz am Rand unseres Wissens, sondern vielmehr mitten in unserem
Leben. Als unser Gott mitten in unserem Leben möchte er erfahren, erzählt und
erlebt werden. Und Weihnachten ist genau dies Fest, in dem Gott sich als der zu
erkennen gibt der er ist. Weihnachten, die Geburt des Kindes Jesus ist Gottes
Geschenk an uns Menschen. In diesem Kind, in diesem Menschen können wir
erleben, wie Gott ist.
Das ist eine andere Art Geschenk
als von denen vorhin die Rede war. Kein überflüssiges Geschenk. Ein Kind ist
kein Geschenk, das in dem nächstbesten Nachttisch verschwindet. Aber auch kein
Geschenk so funktional wie eine Suppenschüssel, ein Akkuschrauber oder ein
Weinglasset. Da weiß man gleich, wofür es gut ist. Das weiß man bei Gott als
großem Welterklärer auch, aber weiß man es bei einem Kind? Nicht, dass Kinder
zu nichts nütze wären, aber weiß man es, wozu ein Kind nutzt? Das ist doch die
falsche Frage, wenn ein Kind geboren wird, „wozu nutzt es“. Gott kommt heute
als Kind zu seiner Welt. Das ist sein Geschenk. Ein Kind ist ein Geschenk das
uns herausfordert. Es fordert uns heraus eine Beziehung zu ihm aufzunehmen. Wer
geht schon gleichgültig an einem Kind vorbei, wenn es einen anlacht? Und wenn man
doch nicht gleich reagiert, dann kann so ein kleines Kind auch noch ganz andere
Töne anschlagen. Dann werden wir schon reagieren müssen. Ein seltsames
Geschenk, so ein Kind. Eines zu dem wir uns verhalten müssen. Und wenn wir uns
zu ihm verhalten, dann setzen wir uns automatisch mit dem in Beziehung, der uns
dieses Kind geschenkt hat. Das ist der
Sinn von Weihnachten, Gott will, dass wir uns über dieses Kind zu ihm in
Beziehung setzen.
Ein Geschenk das Freude bringt –
Arbeit auch, bestimmt. Aber ein Geschenk, über das wir Gott besser kennenlernen
können. Und das sind am Ende ja zu Weihnachten doch auch immer für uns die
schönsten Geschenke, Geschenke, die uns etwas über den Schenker verraten, die
uns vielleicht sogar sagen, Du bist mir wichtig, Du bist von mir gemeint, mit
Dir ist es mir Ernst, mit Dir will ich mich Freuen!
Amen.