Wochenschlußandacht in der Heilandskirche

 

- Orgelvorspiel

 

- Begrüßung

 

- Lied: 165 1, 2, 6

 

- Psalm 46, 2-12 (EG: 757)

- Ehr sei dem Vater und dem Sohn…

 

- Gebet

Unser Gott,

in deiner Güte gibst du uns mehr, als wir verdienen. Darum hilf uns, auch gütig zu sein und den anderen zu gönnen, was du ihnen schenkst. Dies bitten wir dich durch Christus, unseren Bruder.

 

- Wochen-Lied:  342, 1-4

 

- Predigt

Ich möchte gemeinsam mit Ihnen über den Wochenspruch der kommenden Woche nachdenken. Er heißt: „Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.“ Was denken Sie, in welchem Teil der Bibel könnte so ein Spruch wohl stehen? „Wir liegen vor dir mit unserem Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit“? Nicht die eigene Gerechtigkeit ist es, die uns Gott den Menschen angenehm macht, sondern Gottes Barmherzigkeit ist es, die ihm den Menschen so lieb macht. Nicht das eigene Streben und Bemühen, nicht das Gesetz einzuhalten und sei es ein göttliches Gesetz, sondern seine Gnade, der haben wir seine Zuwendung zu verdanken.

Umfrage:

 

Wir kommen gleich darauf zurück. Zu unserem Wochenspruch passt im Inhalt genau das Wochenlied. Das soll ja auch so sein. Wir haben also mit dem Wochenlied eine Interpretation des Wochenspruches. Ich lese die Verse noch einmal, die wir eben gesungen haben:

Es ist das Heil nun kommen her von Gnad und lauter Güte,

die Werk, die helfen nimmermehr, sie können nicht behüten. Der Glaub sieht Jesus Christus an, der hat für uns genug getan, er ist der Mittler worden.

2. Was Gott im Gesetz geboten hat, da man es nicht konnt halten, erhob sich Zorn und große Not vor Gott so mannigfalten; vom Fleisch wollt nicht heraus der Geist, vom Gesetz erfordert allermeist, es war mit uns verloren.

3. Doch musst das Gesetz erfüllet sein, sonst wärn wir all verdorben. Drum schickt Gott seinen Sohn herein, der selber Mensch ist worden; das ganz Gesetz hat er erfüllt, damit seins Vaters Zorn gestillt, der über uns ging alle.

 

In diesem Lied wird uns eine ganze Theologie, eigentlich sogar eine Christologie (die Lehre von Christus) präsentiert. Das Lied deutet das ganze Christusgeschehen. Das Zentrum der evangelischen Theologie. Vergegenwärtigen wir uns kurz die Situation vor der Reformation. Die Menschen bewegte die Frage, wie kann ich für meine Seele sorgen? Das hieß, wie bekomme ich ein gutes Verhältnis zu Gott, damit er für meine Seele sorgt? Die traditionelle Antwort ist einfach: Halt Dich an die Regeln die Gott dir gibt und dir geht’s gut. Die Regeln die Gott gibt, die Gebote, man bemühte sich freilich sie zu halten. Aber den Menschen damals fiel es genauso schwer wie es uns fällt, sie merkten immer wieder, dass sie anderen Menschen etwas schuldig geblieben sind. Und indem sie anderen Menschen etwas schuldig blieben, blieben sie auch Gott etwas schuldig. Die Kirche entwickelte ein gutes Mittel um diese Schuld abzutragen. Wenn man Ablasscheine kaufte, dann konnte man die Zeit im Fegefeuer verringern, die man für seine Schuld abzusitzen hatte. Besonders clevere Ablaßhändler behaupteten sogar, dass man die Schuld selbst so tilgen könne. Es war ein glänzendes Geschäft, mit dem nebenbei noch bedeutende Kulturdenkmäler wie der Petersdom finanziert wurden. „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt“ rief der berühmteste Ablaßprediger Tetzel. Luther konnte sich mit dieser einfachen Antwort nicht zufrieden geben. Er glaubte, die Menschen würden betrogen mit diesem Handel: Geld gegen Seelenheil. Aber so sehr er sich auch für sich selbst bemühte, fand er doch keine überzeugende Antwort auf die Frage die ihn umtrieb: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ und das heiß ja, wie wird Gott MIR gnädig, mir, der ich schuldig bin? Er bemühte sich dem Willen Gottes in allem zu entsprechen und doch sah er, dass er diesem Willen nicht gewachsen war. Die Beruhigungen seiner Freunde beruhigten ihn nicht, zu ernst war ihm das Problem.

Eines Tages machte er eine Entdeckung. Keine Neuentdeckung, eher eine Wiederentdeckung von etwas, dass er die ganze Zeit wusste. Beim studieren der Briefe des Paulus merkte Luther plötzlich, es ist gar nicht so, dass Gott die Erfüllung des Gesetzes durch die Menschen zur Bedingung seiner Zuwendung macht, sondern vielmehr ist es so, dass Gott selbst den Menschen Gerechtigkeit schenkt. Die Menschen sind ihm Recht, so wie sie sind. Sie sind schon von ihm angenommen. An dieser Frage entzweite sich die Kirche. Und erst dieser Tage ist mit der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre von Evangelischen und Katholischen etwas Bewegung in diese verfahrene Kiste geraten. Vertreter beider Kirchen stimmten darin mehr oder weniger im Grundsatz überein, dass nicht das Verdienst des Menschen die Zuwendung Gottes bewirkt, sondern Gott sich den Menschen zuwendet und dies allerdings nicht folgenlos bleibt. Mehr noch als diese gemeinsame Erklärung hat aber der Protest zahlreicher evangelischer Theologen für Aufmerksamkeit gesorgt, die behaupten, man dürfe nicht so weit auf die Katholiken zugehen, wie es in dieser Erklärung geschehen sei, die Rechtfertigung allein durch Gnade sei es, was uns Evangelische ganz deutlich von allen unterscheide.

Ich sagte eben, das sei gar keine Neuentdeckung, sondern es sei eigentlich eine Wiederentdeckung. Luther macht diese Entdeckung in einem Brief des Paulus. D. h. Paulus hatte sie auch schon gemacht, sie ist dann aber wieder in den Hintergrund getreten. Paulus ärgerte sich allerdings nicht mit Katholiken herum, sondern sein Pendant sind die Juden und die Christen, die aus dem Judentum kommen. Und wie wir wissen, ist Paulus selbst einer von ihnen, er kennt sich also mit dem Judentum aus. Lange Zeit ist Paulus nun so verstanden worden, als sagte er: Die Juden versuchten Gott Recht zu sein, indem sie seine Gebote erfüllten. Sie eiferten dem Gesetz nach und könnten es doch nie vollständig einhalten, so sehr sie sich auch bemühten. Und so können wir unser Gesangbuchlied gleich gegen zwei Parteien gerichtet sehen: Gegen die Katholiken und gegen die Juden, die beide meinen, aus eigenem Verdienst gerecht werden zu können.

„Was Gott im Gsetz geboten hat, da man es nicht konnt halten, erhob sich Zorn und große Not vor Gott so mannigfalten.“ Und dann aber kommt Christus und versöhnt den Zorn Gottes.

Wenn wir nun noch einmal nachdenken, in welchem Teil der Bibel wohl unser Wochenspruch steht, so müssen wir wohl sagen, er steht sicherlich im Neuen Testament und wendet sich, mit Paulus und Luther gegen die falsche Auffassung, die Gnade Gottes sei durch unser eigenes gerechtes Handeln zu bekommen. „Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.“

Unser Spruch steht jedoch im alten Testament. Im Buch Daniel. Daniel wird uns als ein Hofbeamter an einem Königshof im babylonischen Exil vorgestellt. Er erlebt dort viele Bewährungsproben und hat Visionen. Die Zeit, in der das Buch geschrieben wurde, war ähnlich bedrohlich, wie die Zeit von der es berichtet. Auch hier war Israel unterdrückt, wie seinerzeit im Exil. Und dieser Daniel sagt etwas, von dem wir meinten, das sei eine evangelische, wenigstens aber eine christliche Besonderheit. Die anderen meinen, sie würden durch Werke gerechtfertigt, wir aber wissen, das haben wir allein der Gnade Gottes zu verdanken. Und dann weiß Daniel das auch schon? Und Paulus, wenn wir noch einmal genauer im Römerbrief nachlesen, dann schreibt Paulus dort überhaupt nicht, die Juden glauben, sie werden durch gesetzestreues Handeln Gott recht, sondern er schreibt genau auf, dass schon Moses wusste, dass wir Gott recht sind dadurch, dass wir ihm Glauben. Das ist sein Geschenk an uns. Er zitiert Jesaja: „Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.“ (Röm. 10) Paulus will nicht spalten, sondern zeigt vielmehr, dass Juden und Christen Gott in der gleichen Weise verstanden haben. Jesus hat das oft demonstriert, was es heißt, dass Gott einen vorbehaltlos annimmt. Wenn er mit Zöllnern, Sündern, Huren zusammen ist, dann war das für viele ein Skandal. Und doch zeigt er gerade darin, Gott fordert keine Voraussetzung dafür, dass er sich den Menschen zuwendet. Er ist für uns da. Für jeden von uns.

Ich finde es seltsam, wenn wir nun diese Zuwendung Gottes dazu benutzen, uns voneinander abzugrenzen. Die Christen von den Juden, die Evangelischen von den Katholischen. Für das Wochen-Lied, das in der Reformationszeit entstanden ist, mag man das in gewisser Weise verstehen. An dieser Frage ging es damals ums Ganze. Heute könnten wir doch aber viel entspannter sehen, was uns verbindet. Juden und Christen wussten darum, dass Gott sich den Menschen vorbehaltlos zuwendet. Menschen können Gottes Zuwendung nicht kaufen und das brauchen wir auch gar nicht. Evangelische und Katholische wissen heute, dass die Seele nicht durch Ablassbriefe gerettet wird. Wir sind geliebt und gewollt von Gott, gleich ob Katholiken oder Protestanten, Juden oder Christen. Und wir können zuversichtlich sein, dass diese erfahrene Zuwendung auch für unser Handeln nicht ohne Folgen bleibt, dass auch wir uns unseren Nächsten zuwenden. Die Agende schlägt deshalb auch noch ein anderes Wochenlied vor. Eines, das nicht so sehr auf die Trennung und das unterscheidende abhebt, sondern eines dass sich freut darüber, dass Gott sich uns bedingungslos zuwendet. Dies Lied wollen lasst uns nun zusammen singen.

 

- Lied: 409, 1-8

 


- Gebet

Laßt uns gemeinsam Fürbitte halten:

Guter Gott, wir sehen und erleben täglich, dass Menschen getrennt sind, dass Sie Mauern zwischen sich aufrichten um sich zu schützen. Wir erleben das in Israel, wo die Palestinensergebiete von einer Mauer durchkreuzt werden. Menschen kommen nicht mehr zu ihrer Arbeit, nicht mehr auf ihre Felder, nicht mehr zu ihren Familien.

Wir, die wir in einer Stadt leben, die lange durch eine Mauer getrennt war, wissen, was das bedeutet. Und doch erlebe ich es auch an mir, dass ich Mauern aufbaue, um mich abzuschotten, um mich selbst zu sichern um mich nicht verletzlich zu machen.

Guter Gott, unser aller Vater, gib uns das Vertrauen, das keine Mauern braucht. Zeige uns andere Wege das Leben sicherer zu machen, Wege des Miteinander. Gib uns Alternativen zum Mauerbau damit wir uns nicht abschirmen von Deiner Zuwendung, sondern uns auf sie einlassen.

 

- Vaterunser

Vater unser im Himmel.

Geheiligt werde den Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heut.

Und vergib uns unsere Schuld,

wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.

Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen.

Denn Dein ist das Reich und die Kraft

und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Amen.

 

- Lied 171, 1-4

 

- Segen:

L: „Der Herr segne euch und behüte euch. Der Herr lasse leuchten sein Angesicht über euch und sei euch gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch + Frieden.“

G/Orgel:           Amen, Amen, Amen

 

- Orgelnachspiel