Henning Schluß / Fabio Crivellari:

Videodokumentation von Unterricht in der DDR als Quelle – Ergebnisse eines DFG-Projekts zur medialen Unterrichtsforschung

In: Pädagogische Rundschau 4/2007, 61. Jg. S. 437-452.

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Im Jahr 1977 wurde im Videokabinett der Humboldt-Universität zu Berlin zu Zwecken der Unterrichtsforschung und Lehrerbildung eine Unterrichtsstunde aufgezeichnet, die sich mit der Geschichte des Mauerbaus beschäftigt. Die Videoaufzeichnung des Geschehens möchten wir in diesem Beitrag einer historischen und pädagogischen Analyse unterziehen und dabei die Erkenntnispotentiale einer solchen interdisziplinären Lektüre ausloten.

Von einer solch offiziösen Veranstaltung wie der Unterrichtsaufzeichnung von 1977 darf man ein hohes Maß an propagandistischem Elan erwarten. Tatsächlich folgt die Interpretation des historischen Geschehens im Unterricht der damaligen offiziellen Perspektive, um –wenig überraschend – den Mauerbau als außenpolitisch motivierten Akt der Friedenssicherung zu definieren. Ziel dieses Textes ist es indes nicht, den inhaltlich brisanten „Stoff“ der Stunde und die hoch problematische Perspektive zum Mauerbau historisch-kritisch zu diskutieren und das dort kommunizierte Geschichtsbild zu hinterfragen.[1] Vielmehr geht es uns hier um eine kritische Diskussion dieser etwa dreißig Jahre alten audiovisuellen Quelle, als Grundlage für Fragen der historischen Erziehungswissenschaft.[2]

Unser Text unternimmt die interdisziplinäre Annäherung an das Material, indem eine medienhistorische und eine pädagogische Perspektive miteinander experimentell kombiniert werden. Das bedeutet, dass historische, medienwissenschaftliche und pädagogische Aspekte nicht getrennt und nacheinander abgearbeitet werden, sondern ihre Fragehorizonte ineinander laufen:

·           Historisch ist der vorgeführte Ansatz insofern, als mit dem audiovisuellen Material quellenkritisch umgegangen wird. Quellenkritik wird hier als Rekonstruktion des medialen Entstehungsrahmens verstanden, was für die Geschichtswissenschaft noch immer eine experimentelle Ausweitung des Methodenapparates darstellt.[3] Was also – so lautet unsere Frage – lässt sich quellenkritisch über das Material sagen und welche  analytischen Implikationen ergeben sich daraus?

·           Erziehungswissenschaftlich ist die Betrachtung insofern, als unsere Lektüre die These aufstellt, dass die etwa 45-minütige Dokumentation durchweg als authentische Unterrichtssituation verstanden werden kann. Dabei lassen wir uns von der Vermutung leiten, dass die Unterrichtsdokumentation gerade deswegen so authentisch wirken kann, weil der Unterricht durch Momente der pädagogischen Kontingenz gekennzeichnet ist, die den perfektionistischen Anspruch an ein Lehrstück mehrfach unterlaufen. Pointierter formuliert: der Anspruch einer perfekten Inszenierung führt zwangsläufig zu ihrem Scheitern. Glaubwürdig machen sie dagegen Momente der Unzulänglichkeit.

Für beide Seiten gleichermaßen von Interesse ist die Frage, inwiefern pädagogische Ansätze für die Analyse historischen Materials aufschlussreich sein können.

Um die beiden Herangehensweisen zu kombinieren, lenken wir den Blick auf die spezifische mediale Inszenierung des damaligen Unterrichts. Dieser Blick wird die thematischen Aspekte zwar berücksichtigen ohne sie aber zu kommentieren. Nur so kann es gelingen, die enge Verschränkung des Unterrichtskonzepts und seiner Inszenierungsebenen systematisch offen zu legen und kritisch zu analysieren. In einer Anlage wird die in einem Gemeinschaftsprojekt von Humboldt-Universität, der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und dem FWU realisierte didaktische DVD: „Der Mauerbau im Geschichtsunterricht der DDR“ vorgestellt, mit der das Material selbst wieder für den heutigen Schulunterricht aufbereitet wurde.

1.       Das DFG-Forschungsprojekt zur Rettung und Überspielung von Videoaufzeichnungen von DDR-Unterricht

Unterrichtsmitschnitte sind seit geraumer Zeit ein probates Mittel der Lehrerausbildung. An der Humboldt-Universität zu Berlin wurden vor einigen Jahren etwa 100 aufgezeichnete Unterrichtsstunden aus den siebziger Jahren gefunden, die in einem von der DFG geförderten Forschungsprojekt untersucht und ediert werden. Gemeinsam mit dem Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (FWU) und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur wurde eine erste dieser Stunden prototypisch für den Einsatz im modernen Unterricht und in der Lehreraus und -fortbildung für die Verwendung im Schulunterricht systematisch aufbereitet.

1.1.  Das Material

An der Humboldt-Universität zu Berlin wurde seit Beginn der 70er Jahre im Medienkabinett der Sektion Pädagogik, dem späteren audiovisuellen Zentrum (ZAL), Unterricht zu Lehrerausbildungs und -forschungszwecken aufgezeichnet. Nach der zufälligen Auffindung einiger dieser Bänder konnten ca. 100 von ihnen mit Unterrichtsaufzeichnungen zu verschiedensten Themen geborgen werden.[4] Diese Aufzeichnungen stellen einen äußerst seltenen Fundus an Unterrichtsaufzeichnungen aus der DDR dar. Diese Artefakte können der pädagogischen Forschung sowohl in den Bereichen der Medienpädagogik, der allgemeinen Pädagogik, der historischen Erziehungswissenschaft, der Unterrichtsforschung, den Fach-Didaktiken und der allgemeinen Didaktik wertvolles Material zur Verfügung stellen. Für die erziehungswissenschaftliche Forschung liegt gerade in der thematischen Breite des aufgezeichneten Unterrichts eine besondere Stärke des Materials.

1.2.  Zur Geschichte der Unterrichtsdokumentation

Unsere Betrachtung geht vom inszenatorischen Charakter der Unterrichtsdokumentation und der damit verbundenen Problematik der Beobachtersituation aus. Diese Problematik war stets Gegenstand der dokumentarischen Diskussionen. Schon früh in der Geschichte der Pädagogik wurden Überlegungen angestellt, wie die flüchtigen Prozesse pädagogischer Interaktion festgehalten werden könnten. Erste Bemühungen finden sich bereits bei Herbart. Aloys Fischer und Rudolf Lochner forderten in der Abkehr von einer philosophisch normativ argumentierenden Pädagogik die Hinwendung zu den „pädagogischen Tatsachen“.[5] Systematisch widmet sich die auf Peter Petersen zurückgehende „Pädagogische Tatsachenforschung“ diesem Feld.[6] Besonders in der Lehrerausbildung, aber auch in der Reflexion pädagogischer Praxis wurde diese Frage immer wieder diskutiert, denn im Gegensatz zu naturwissenschaftlichen Experimenten sind pädagogische Interaktionen keineswegs unter gleichen Bedingungen wiederholbar, sondern strukturell einmalig. Wenn das Experiment an den gleichen Zöglingen wiederholt wird, so sind es nicht mehr die Gleichen, wie vor dem ersten Experiment, denn das pädagogische Experiment selbst hat zu deren Veränderung beigetragen. Sie können nun nicht künstlich in den gleichsam naiven Stand zurück versetzt werden. Ebenso unmöglich ist eine Wiederherstellung der ursprünglichen Bedingungen, da die Individualität dieser Zöglinge sich von der des ersten Experiments unterscheidet.[7]  Da also die Wiederholung von Experimenten im naturwissenschaftlichen Sinne in der Pädagogik nicht möglich ist, lag die Alternative einer Protokollierung von Unterricht nahe. Allerdings stieß deren Erkenntniswert allein durch die subjektive Perspektive des Protokollanten an enge Grenzen. Häufig wurden solche Unterrichtsprotokolle erst im Nachhinein von den Unterrichtenden erstellt.[8] Auch die anderen Varianten der Unterrichtsdokumentation (Selbstbeobachtung und Nachbesinnung des Unterrichtenden oder die Dokumentation von Arbeitsergebnissen der Schüler) weisen spezifische Probleme auf.[9] Eine Alternative dazu besonders im Bereich der Lehrerausbildung schien die direkte Beobachtung unterrichtlicher Vollzüge durch die Lehramtsaspiranten (Hospitation, z.T. mit medialer Dokumentation, z.B. Fotobildserie, vgl. ebd.) zu sein. Allerdings stellte sich hier die Frage der Beeinflussung der Unterrichtssituation durch die Hospitationsgruppe. An der Pädagogischen Fakultät (mittlerweile Sektion) der Humboldt Universität wurde deshalb die Variante einer direkten Unterrichtsbeobachtung ganzer Seminargruppen durch halbverspiegelte Scheiben gewählt.[10] Die Schüler wussten so zwar, dass sie beobachtet wurden, allerdings waren die Beobachter nicht direkt im Raum präsent und also nicht hör- und sichtbar. Auch ein solches Verfahren birgt jedoch Probleme. Zwar nehmen die Beobachter nun nicht mehr unmittelbar auf das zu Beobachtende Einfluss, allerdings ist das Problem der Perspektivität der Beobachtung keineswegs aufgehoben, sondern lediglich vervielfältigt, da nun nicht mehr ein Unterrichtsprotokoll vorlag, das alle als Grundlage hatten, sondern jeder Beobachter seine Perspektive auf das beobachtete Unterrichtsgeschehen einbrachte. Gleichzeitig konnte, aufgrund der seitlichen Perspektive, von den Beobachtern nicht das ganze Geschehen im Klassenraum gesehen werden. Z.B. blieb die Tafel außerhalb des Blickfeldes. Darüber hinaus blieb auch in dieser Variante der Beobachtung die pädagogische Interaktion flüchtig und nach dem Experiment unwiederbringlich verloren. So gab es seit der Mitte des letzten Jahrhunderts Bemühungen, Unterricht audiovisuell aufzuzeichnen, um ihn der kontrollierten pädagogischen Analyse zugänglich machen zu können. An der Humboldt-Universität wurde dazu mit einer Filmkamera experimentiert, die zentral von der Raumdecke hängend montiert war. Dies war aus verschiedenen Gründen nicht erfolgreich. Zum einen war die Kamera zu laut, um ungestörten Unterricht zu ermöglichen, zum zweiten zeigte sie die Bilder von oben, was eine nicht sehr aussagekräftige Perspektive war. Zum dritten gab es unlösbare Probleme in der Bild-Ton-Synchronisation. Dies Vorhaben wurde deshalb wieder aufgegeben.

Der Schwierigkeit der räumlichen Perspektivität der Beobachter und ihres so eingegrenzten Sichtfeldes wurde im pädagogischen Labor der HU so begegnet, dass eine Fernsehkamera Aufnahmen der Tafelanschriften in den Beobachtungsraum überspielte. Der Leiter des pädagogischen Labors kam später auf die Idee, zwischen die Kamera und den Monitor ein Aufzeichnungsgerät zu schalten, einen Videorecorder, wie er damals beim Fernsehen Verwendung fand. Vorerst weckte dieses Verfahren Hoffnungen, alle Probleme der Unterrichtsbeobachtung lösen zu können. Es schien so, als könnte durch dieses Mittel die „Wendung zur ‚exakten’ Forschung“ vollzogen werden, die verstanden wurde als „nachprüfbare Fixierung des phänomenologischen Observationsbereiches“.[11] Es zeigte sich jedoch bald, dass dem nicht so war und neue Probleme hinzutraten.[12] Diskutiert wurden vor allem die folgenden:

- Die Beeinflussung der Lehrer und Lehrerinnen sowie Schüler und Schülerinnen konnte durch die notwendige umfangreiche technische Apparatur und die Anwesenheit von Kameraleuten, Wissenschaftlern etc. gegenüber herkömmlichen Formen der Unterrichtsbeobachtung sogar noch verstärkt werden.

- Die vorgebliche Genauigkeit der Aufzeichnung führt zu einer Verfremdung des dokumentierten Unterrichts. Er verliert an Unmittelbarkeit. Gewöhnung an die außergewöhnliche Situation könne diesen Verfremdungseffekt vermindern.

- Zu unterscheiden sind Aufzeichnungen mit mobilem Instrumentarium und die Aufzeichnung in einer eigens hergerichteten Studioklasse. Während bei ersterem die vertraute Umgebung erhalten bleibt, jedoch die technischen Möglichkeiten eingeschränkt sind, ist bei letzterer Variante der Verfremdungseffekt größer, aber die technischen Möglichkeiten (durch mehrere Kameras, Mikrofone etc.).

- Verschiedene unterrichtlich bedeutsame Prozesse sind mit Video nur schwer zu erfassen. Wenn der Schwerpunkt unterrichtlichen Handelns z.B. in der Selbsttätigkeit der Schüler und Schülerinnen liegt, kann sich dies unterschiedlich ausdrücken. Während ein Plenumsgespräch verhältnismäßig gut zu dokumentieren ist, sind Gruppenarbeiten, Stillarbeiten, Ausfüllen von Arbeitsblättern etc. dem Medium Video nur sehr eingeschränkt zugänglich. Hier sind ergänzende Methoden der Unterrichtsdokumentation unerlässlich.[13]

- In Ost und West immer wieder diskutiert wurden die Probleme der Repräsentativität, Aufnahmestrategien, Objektivität, Filmsprache und der Manipulation.[14] Diese Debatten wurden bereits in den Sechziger Jahren in der DDR auf einem internationalen Symposion in Greifswald unter dem Thema: „Symposion zu Fragen des authentischen Erfassens von Unterrichts- und Erziehungssituationen durch unbemerktes Filmen“ geführt. Diese Tagung wurde später gesamtdeutsch rezipiert.[15] Auch im westlichen Forschungskontext wurden Untersuchungen zur Frage der Authentizität durchgeführt.[16]

Auffälligerweise ist die Forschung zur Unterrichtsdokumentation per Video nach einer längeren Pause, in der der Schwerpunkt zum Verhältnis von Video und Unterricht vor allem bedingt durch den Siegeszug des VHS-Standards[17] vor allem darauf lag, wie Videofilme im Unterricht eingesetzt werden können,[18] wird die Videodokumentation in jüngster Zeit wieder zum wesentlichen Gegenstand empirischer Unterrichtsforschung.[19] Video wird dort zwar als selbstverständliches Mittel der Unterrichtsdokumentation verwandt, die Schärfe der Problemstellung wie sie in den 70er Jahren bereits erarbeitet war, wird in den neueren Arbeiten zum Thema jedoch kaum erreicht und zum großen Teil nicht einmal rezipiert.[20]

1.3.  Neue Forschungsperspektiven durch die Bergung der ostdeutschen Unterrichtsaufzeichnungen

Vor der Wende und der Vereinigung Deutschlands blieb die Beschäftigung mit dem Vergleich deutsch-deutscher Bildungssysteme auf wenige Experten beschränkt.[21] Besonders ist hier der Name Oskar Anweilers zu nennen,[22] dessen Analysen sich nicht nur auf den ostdeutschen Raum bezogen, sondern darüber hinaus ganz Osteuropa im Blick hatten.[23] Besonderes im Fokus vergleichender Untersuchungen standen dabei vor allem die Bildungssysteme.[24] Nach der Wiedervereinigung rückte das Interesse am Vergleich der Bildungssysteme von einem Randgebiet in das Zentrum der Erziehungswissenschaft und der Bildungspolitik.[25] Darüber hinaus konnte durch die Öffnung der Grenzen auch die vergleichende Akteursforschung neue Möglichkeiten nutzen.[26] Die Ergebnisse dieser Forschungen wurden durchaus kontrovers diskutiert. Das häufig zugrunde gelegte Transformationsmodell der „nachholenden Modernisierung“ aus dem Bereich der Sozialwissenschaften wurde auch in diesen selbst hinterfragt.[27] Neben die Vergleiche der Bildungssysteme rückten auch immer mehr konkrete fachdidaktische und fachmethodische Vergleiche.[28] 1995 wurde eine von der DFG unterstützte Forschergruppe gegründet, die sich interdisziplinär mit der Bildung und Schule im Transformationsprozess von SBZ, DDR und neuen Ländern beschäftigte. Die Ergebnisse dieser groß angelegten Untersuchungen sind im Abschlussbericht der Forschergruppe zusammengefasst.[29]

Trotz dieser Blüte der vergleichenden Ost-West-Forschung wurde die Ebene des Unterrichts in all diesen Untersuchungen mit wenigen Ausnahmen kaum erfasst.[30] Dies lag vor allem daran, dass eine Hospitation des Unterrichts durch westdeutsche Wissenschaftler in der sozialistischen DDR nicht, oder nur in seltensten Ausnahmen, geduldet wurde und ostdeutsche Erziehungswissenschaftler wiederum bis auf seltene Ausnahmen, keinen Zugang zu westdeutschem Unterricht hatten. Nach dem Ende des staatssozialistischen Bildungssystems in der DDR fehlte dieser Gegenstand des Vergleiches. Erhalten blieb jedoch ein Großteil der schriftlichen Dokumente, die nun z. T. erstmals den ehemaligen westdeutschen Wissenschaftlern zur Verfügung standen und so immenses Material für die Vergleichsforschung bereitstellten. Es ist nur auf den ersten Blick verwunderlich, dass die unterrichtliche Vergleichsforschung auf die mittels Video dokumentierten Unterrichtsstunden nicht zurückgriff. Wie gezeigt (s.o.) hatte die Videodokumentation von Unterricht ihre Hochzeit in den 70er und frühen 80er Jahren und verlor danach an Bedeutung. Die Entsorgung der Abspieltechnik nach der Wende an den Universitäten der DDR sowie der Austausch des Großteils des Personals führten dazu, dass diese Dokumente einerseits in Vergessenheit gerieten und zum anderen die Möglichkeit der Präsentation und Bearbeitung auch technisch nicht mehr gegeben war.

Ein Forschungsprojekt das derzeit an der Humboldt-Universität von der DFG gefördert wird, macht es sich deshalb zur Aufgabe, die Grundlage dafür zu schaffen, dass diese Lücke der vergleichenden Unterrichtsforschung durch die Bergung des noch vorhandenen Materials geschlossen werden kann.[31] Um die wissenschaftliche Weiterarbeit mit dem Material zu ermöglichen, ist eine Erschließung und Verschlagwortung notwendig. Der so entstehende Katalog mit einem Zugriff auf die downstreamfähige Version der Stunde im wmv-Format, wir derzeit digitalisiert über die „Virtuelle Fachbibliothek Pädagogik“ beim Deutschen Bildungsserver eingestellt (http://www.fachportal-paedagogik.de/filme). Für höhere Qualitätsansprüche steht eine MPG2-Version zur Verfügung. Die vergleichende Analyse auf der Grundlage des geretteten Materials soll in einem zweiten Schritt erfolgen.[32]

2.       Eine Schulstunde zur Sicherung der Staatsgrenze

Während die Arbeit an der Überspielung der 100 Unterrichtsstunden derzeit abgeschlossen wird, konnte die erste Schulstunde, eine Geschichtsstunde aus dem Jahr 1977 mit dem Thema „Die Sicherung der Staatsgrenze am 13.8.1961 – Ein Willkürakt oder ein Akt zur Sicherung des Friedens“ nicht nur vollständig restauriert, sondern auch intensiv auf ihre Hintergründe hin untersucht werden. Es ist gelungen, die damals technisch und inhaltlich Verantwortlichen zu eruieren und sie zu den Hintergründen, den Absichten, den Adressaten, dem Motiv, den technischen Voraussetzungen und vielem mehr zu befragen. Darüber hinaus konnte die ehemalige Schulklasse ausfindig gemacht und zu einer Betrachtung und Diskussion der Aufzeichnung eingeladen werden. Gemeinsam mit dem FWU in München und der Stiftung Aufarbeitung konnte das gesamte Material auf einer DVD mit ausführlichem Hintergrundmaterial angereichert werden, das auch Lehrerhandreichungen und Unterrichtsvorschläge umfasst sowie Hintergrundliteratur integriert.[33] Insofern ist der seltene Fall eingetreten, dass aus der medienpädagogischen Ursprungsintention, der Unterrichtsdokumentation auf Video, mittlerweile selbst ein mediendidaktisches Unterrichtmittel geworden ist.

2.1.  Der Unterrichtsmitschnitt als Quelle für die Erziehungswissenschaft

Der Unterrichtsmitschnitt von 1977 stellt eine Quelle dar, deren Erkenntniswert über die Dokumentation einer Unterrichtsstunde deutlich hinausgeht und an dem exemplarisch analysiert werden kann, wie mit einem medial mehrfach transformierten Artefakt umgegangen werden kann. Quellenkritisch ist zu reflektieren, dass in der Videodokumentation einer Schulstunde nicht nur das Unterrichtsgeschehen aufgezeichnet ist, sondern darüber hinaus es sich um eine Quelle handelt, deren mediale Transformationen mit den inszenatorischen Ebenen des Vorgangs einhergehen. Systematisch lassen sich also die medialen Schichten, die sich um ein Ereignis im Videokabinett der HU im Jahr 1977 anlagerten, analog zu den inszenatorischen Absichten angeben, um so Ansätze einer medienhistorischen Quellenkritik zu buchstabieren.

2.2.  Unterricht als Inszenierung

Unterricht als ergebnisorientiertem und tendenziell kontrollierten, gelenktem Kommunikationsprozess kommt per se eine inszenatorische Qualität zu, die durch angebbare Rollenmuster analytisch greifbar wird. Ist die Inszenierung des Kommunikationsmodells „Unterricht“ durch eine echte Interaktion, also durch Kommunikation unter Anwesenden gekennzeichnet, so findet in der vermutlich primär zum Zwecke der Lehrerbildung an der HU in Berlin aufgezeichneten Unterrichtsstunde eine kommunikative Transformation statt, die den Betrachter am Ereignis selbst nicht mehr interaktiv teilhaben lässt. Es handelt sich also um eine inszenierte Inszenierung mit ebenfalls klar angebbaren Rollen, die nun aber nicht mehr interagieren, sondern auf ein Rezeptionsmodell hin ausgerichtet sind. Dieser ersten Transformation vom Unterricht hin zur Demonstration folgen auch inhaltliche Veränderungen. Zur Ebene des unterrichtsimmanenten Lehr-Lernprozesses auf das Stundenziel der Lehrerin hin tritt gewissermaßen die Inszenierung als Handlungsintention nächster Ordnung. Auf dieser Ebene geht es vor allem darum, einen idealtypischen Unterricht zu demonstrieren und weniger darum, mit den Schülern ergebnisorientiert Lernziele zu erarbeiten.

Eine weitere medial-kommunikative Transformation besteht in der audiovisuellen Aufzeichnung des Unterrichts, die den Betrachter nun auch räumlich und zeitlich vom Geschehen entfernt. Dies geschieht nicht nur in der Rezeptionssituation beispielsweise in einem beliebigen Lehrerseminar, sondern auch in der technischen Veränderung der Wahrnehmung. So wird die technisch-mediale Vermittlung ebenso durch die Schwarzweiß-Aufnahme sinnfällig wie durch das visuelle Rauschen der frühen Videoaufnahme, das freilich durch die spezifische Überlieferungssituation noch erheblich verstärkt oder überhaupt erst generiert wird. Die Inszenierung eines Demonstrationsunterrichts wird somit durch die spezifische Rahmung als medientechnisch initialisierte Kommunikationssituation unterstrichen. Das bedeutet, dass die Aufnahme selbst nicht nur die Inszenierung der Inszenierung von Unterricht vorstellt, sondern durch die technischen Möglichkeiten am Drehort, sowie Montage und Kameraperspektive erneut einen medialen Transformationsprozess am Schneidetisch durchlaufen hat. Dass den Beteiligten, nicht zuletzt den Schülern, die inszenatorische Qualität durchaus bewusst war, zeigt der in der Dokumentation noch vor dem offiziellen Stundenbeginn auf der Tonspur hörbare Ausspruch eines Schülers: „Film ab!“, der in seiner Zweideutigkeit als Startsignal für die Aufnahme ebenso wie für das Abspielen eines fertigen Filmes die Situation deutlicher auf den Punkt bringt, als dies dem Schüler damals bewusst gewesen sein mag.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was diese Quelle denn nun eigentlich dokumentiert. Um dies zu beantworten, muss geklärt werden, an welchen Stellen die inszenatorischen Ansprüche zu inhaltlichen Konsequenzen führen. Sie tun dies erwartungsgemäß in didaktischer wie historischer Hinsicht, denn das Ziel der Lehrerbildung erforderte ein idealtypisches Unterrichtsmodell. Die Lehrerin (und in begrenztem Umfang auch die Schüler) hatten es also nicht mehr nur mit den ihnen bekannten Rollenerwartungen zu tun, sondern sie mussten die jeweils anderen Rezipienten mitreflektieren: Lehramtskandidaten und Fachdidaktiker, die sowohl die didaktische Konzeption als auch die thematische „Planerfüllung“ im Blick hatten.

Das bedeutete, dass weniger die Erkenntnisfortschritte der Schüler als vielmehr das Erreichen eines thematischen Horizonts für die Betrachter im historischen Interesse dieses konkreten Unterrichtsgeschehens lag. Dafür war es wichtig, dass das gewählte Thema in einer Unterrichtsstunde behandelt werden konnte. Das Ansinnen, die  Sicherung der Staatsgrenze am 13.8.1961 als durch das Aufspannen eines historischen Kontextes der Innen- und Außenpolitik der DDR von 1949 an als Akt zur Friedenssicherung unwiderleglich deutlich werden zu lassen, erscheint schon rein unterrichtsstrategisch reichlich ambitioniert, ganz unabhängig von den inhaltlichen Anforderungen an solch ein politisch sensibles Thema. Die Konsequenz daraus sind häufige, in hohem Tempo gehaltene, zusammenfassende Lehrervorträge. Zu dem weiten Themenfeld gesellt sich ein didaktisches Konzept, das alternierenden Medieneinsatz mit Klassengesprächen kombiniert. Die Medien, die dabei zum Einsatz kommen, sind: Folien, ein Schaubild über das Epidiaskop, Schallplatte und Tafelbild. Für 1977 darf dies als hoch aktueller Standard gelten, der im Videokabinett der HU allerdings auch einen Techniker erforderte, der den Schallplattenausschnitt einspielte und damit auch dem heutigen Betrachter die Ausnahmesituation unterstreicht. Dieser strenge Wechsel von Medieneinsatz, Lehrervortrag und Klassengespräch lässt nur wenig Raum für freie Diskussionen. So werden häufig die Wortbeiträge der Schüler und Schülerinnen zwar zur Kenntnis genommen, aber nicht weiter geführt. Selten wird das zeitliche und inhaltliche Korsett der doppelten Inszenierung deutlicher als in jener Unterrichtssequenz, in der die Arbeit mit dem Tafelbild zu sehen ist. Zwar werden die Schüler und Schülerinnen intensiv eingebunden und befragt, ihre Wortmeldungen jedoch werden – nicht immer plausibel – umformuliert und dem Konzept des vorgefertigten Tafelbildes angepasst oder vielmehr untergeordnet.

An diesen wenigen Beispielen schon wird deutlich, wie die Inhalte des Videos auf den spezifischen Charakter einer demonstrativen Videodokumentation hin quellenkritisch befragt werden können. Mag die technische Qualität des Bandes auch an versteckte Überwachungskameras erinnern und sich daraus heute ein besonderer geschichtsdidaktischer Reiz für den Unterrichtseinsatz ergeben, zeigt sich doch bei genauer Betrachtung, dass hier nicht nur eine besondere und einmalige Unterrichtswirklichkeit sondern auch ein expliziter Unterrichtsanspruch inszeniert wurde.

Es schließt sich die Frage an, ob und wie gelungen die Inszenierungen denn sind? Trotz des hohen inszenatorischen Aufwandes wirkt die Stunde keineswegs wie ein einstudiertes Theaterstück. Eine Szene aus der „Feuerzangenbowle“ mag uns erheitern, die Illusion einer authentischen Unterrichtssituation vermag sie jedoch nicht zu erzeugen. Dies gelingt im hier aufgezeichneten Unterricht, so unsere These, gerade und vor allem durch die mangelnde Perfektion des Unterrichtsverlaufs bei gleichzeitig hohem Perfektionsanspruch. Mehr noch scheint es, dass es gerade dieser Wille zur perfekten Inszenierung ist, der in der Unterrichtsstunde zu Fehlern und Irritationen führt, die eine pädagogische Authentizität und Glaubwürdigkeit erst stiften können.

Hätte man eine perfekte Demonstrationsstunde inszenieren wollen, so hätten statt Schülern Komparsen im Videokabinett gesessen oder die Schülerinnen und Schüler hätten die Stunde wie ein Rollenspiel einüben können. Zumindest aber hätten sie intensiv auf diese Stunde inhaltlich vorbereitet werden können.[34] All dies ist nicht geschehen. Lediglich eine Schülerin  hat sich – wie in gewöhnlichen Stunden auch – mit ihrem Kurzvortrag vorbereitet. Dagegen weist diese exemplarische Unterrichtsdokumentation wiederholt Momente der Unverfügbarkeit unterrichtlicher Situationen auf, was dem schulischen Alltag in hohem Maße entspricht. Erst durch die Integration solcher Momente unterrichtlicher Interaktion wird die aufgezeichnete Schulstunde als Demonstrationsstunde glaubwürdig. Dabei sichert nicht nur die prinzipielle Fehlbarkeit, sondern auch das faktische Vorkommen von Fehlern, diese Glaubwürdigkeit ab, denn Personen mit Lehrerfahrung erleben häufig diese Kontingenz als entscheidendes Charakteristikum unterrichtlicher Wirklichkeit. Insofern wird es für sie zum Kriterium von Authentizität. Die misslungene Stunden-Zusammenfassung mag dafür wieder als Beispiel dienen. Weil die Lehrerin die Zusammenfassung viel zu hastig im Zeitraffertempo durchführt, kann sie die Schüleraussagen nicht mehr würdigen und nicht auf sie eingehen, sie muss sie faktisch ignorieren, auch wenn sie sie reflexartig mit „ja“ kommentiert.

Andererseits ist es freilich keine Stunde, die nur aus Fehlern besteht, denn dann wäre sie als Demonstration bestenfalls auf dem Wege der Negation nützlich.[35] Wichtig ist dabei, dass die Lehrerin die Unterrichtsinteraktionen im Großen und Ganzen souverän dominiert um ein positives Beispiel für Lehramtstudenten abgeben zu können. Dabei ist es in so einer politisch besonders herausgehobenen und angreifbaren Unterrichtseinheit, deren Aufnahme keine 300 Meter vom Brandenburger Tor entfernt stattgefunden hat, beinahe erstaunlich, mit welcher Konsequenz Frau Betge das Unterrichtsgespräch führt und auch „heikle“ Situationen nicht ohne Geschick in die von ihr gewünschte Richtung weist,[36] wie sich z.B. im folgenden Gesprächsausschnitt zeigt:

- Carola: „Aber da hab’ ich mal noch ‘ne Frage: (Lehrerin: „Bitte!“) Wie ist denn das überhaupt möglich, dann da schon zu sagen, dass das zwei deutsche Staaten sind, also zwei verschiedene Staaten, wenn wir z. B. bei der Olympiade noch unter Deutschland gestartet sind?“

- Lehrerin: „Ja, das waren internationale Vereinbarungen, wo sich also diese These, oder sagen wir mal, diese Realität noch nicht durchgesetzt hatte, die sich aber später durchsetzt. Das erste Mal treten wir z. B. als selbständige Vertretung der DDR 1959 dann auf der Genfer Außenministerkonferenz in Erscheinung. Ja und von da an wird dann die Anerkennung der DDR schrittweise vorangetrieben. Das ist ein langwieriger Prozess gewesen, die Anerkennung der DDR also voranzutreiben. Und so muss man das also sehen, eingeordnet, schrittweise, ja.“

- Jörg: „Na ja, und wieso dauert es so lange, bis wir anerkannt werden und die drüben eher?“

Lehrerin: „Ja, das hängt damit zus…, kann man sehr leicht erklären. Möchte es jemand selber

erklären? Kann’s sich jemand selbst erklären? Womit hängt das zusammen, was meinen Sie?“[37]

         Die Frage von Jörg ist durchaus problematisch. Die Situation könnte der Lehrerin leicht entgleiten und eine Diskussion anstoßen, die das Erreichen ihres Stundenziels inhaltlich und zeitlich in Frage stellt. Mit einer Antwort würde sie möglicherweise diese „ausufernde“ Diskussion noch befördern, denn sie böte selbst einen Angriffspunkt ihrer sonst auf Lückenlosigkeit bedachten Argumentationskette. So besinnt sie sich noch beim Sprechen und gibt die Frage zurück in die Klasse. Potentielle Provokationen können sich nun kaum noch gegen die Lehrerin richten, sondern werden auf eine Diskussion innerhalb der Klasse umgelenkt, womit freilich auch ihr Reiz verschwunden ist. Tatsächlich gibt ein anderer Schüler alsbald die „richtige“ Antwort und die Schülerdiskussion kann wieder in „geordneten“ Bahnen verlaufen.

Die Situation zeigt das Dilemma der Stunde exemplarisch auf: Zum einen sind freie Diskussionen an dieser Stelle weder aus zeitlichen noch aus politischen Gründen erwünscht, denn sie gefährden in beiderlei Hinsicht das Stundenkonzept, das hier ja im Vordergrund steht. So wählt die Lehrerin nach ihrer spontanen Reaktion die Frage selbst knapp zu beantworten noch im Sprechen einen anderen Ausweg, indem sie die Frage als Gegenfrage zurückgibt, nachdem sie die Antwort zuvor schon als „ganz leicht“ in eine geringe Leistungsstufe taxiert hat. Genau diese „allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Sprechen“ (und diesem Falle eben nicht nur die Verfertigung, sondern die Korrektur des Gedankens beim Sprechen) ist es, die die Stunde als beispielhafte Unterrichtsstunde glaubhaft macht.

Eine fiktive Unterrichtsstunde als Rollenspiel würde als Beispielstunde deshalb nicht taugen, weil es ihr an der Spontaneität mangelt, die eine reale Schulstunde mit all ihren Unwägbarkeiten bestimmt. Zur beispielhaften Stunde wird der Unterrichtsmitschnitt eben dadurch, dass die Lehrerin es im Großen und Ganzen versteht, mit den Unwägbarkeiten, Ungewissheiten und Offenheiten der unterrichtlichen Interaktion auch an einem politisch heiklen Thema umzugehen, ohne dabei ihr ideologisches Ziel aus den Augen zu verlieren oder seine Erreichung zu gefährden. Dabei zeigen gerade die handwerklichen Fehler in diesem Bemühen die Authentizität des Unterrichtsgeschehens an und erhöhen insofern – scheinbar paradoxer Weise – seine Glaubwürdigkeit als beispielhaften Unterricht.

2.3.  Schlussbetrachtung

Die vorliegende Skizze behandelt nur eine von etwa 100 Unterrichtsstunden. Dabei konnten medienhistorisch-quellenkritische und historisch-pädagogische Analysen, also methodische und inhaltliche Verfahren synthetisiert werden, um so ein Instrumentarium zu entwerfen, das für die Untersuchungen weiterer Unterrichtsdokumentationen auch für andere Fächer zugrunde gelegt werden kann. Die weitere Kontextualisierung mit den offiziellen Linien der DDR-Bildungspolitik, der Vergleich mit westdeutscher Bildungstradition und die explizite Frage nach Kriterien für einen affirmativen bzw. nicht-affirmativen  Unterricht[38] sollen im künftigen Projektverlauf den hier behandelten neue Fragen hinzufügen und das Analyseinstrumentarium weiter schärfen.

3.       Anhang - Die didaktische FWU DVD – Der Mauerbau im DDR-Unterricht

Schließlich ist auch die Aufbereitung des Materials als didaktische FWU-DVD eine weitere inszenatorische Überarbeitung. Die Relevanz dieser systematischen Trennung beruht auf der Tatsache, dass jede Inszenierung bestimmten Intentionen folgte, die diese auch einer systematischen Analyse zugänglich machen und die Verwendung des Materials verschiedenen Erkenntnisprozessen öffnen. Die Aufbereitung des Materials in einer didaktischen FWU-DVD folgte dem Experiment- und Projektcharakter des gesamten Vorhabens. Dabei stand die Frage im Vordergrund, ob sich die Aufzeichnung von Unterricht wiederum für Unterricht und Lehrebildung fruchtbar machen lassen kann. Die didaktische FWU-DVD schien das geeignete Mittel, um die Dokumentation didaktisch erschließbar zu halten

3.1.  Die didaktische DVD

Das Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht arbeitet seit 1999 an der Entwicklung der didaktischen DVD, die sich von herkömmlichen Schulmedienformaten deutlich unterscheidet. Die DVD wird hier nicht bloß zum materiellen Aspekt des Medienwandels, sondern bezieht die Grammatik des neuen Mediums in die didaktische Konzeption ein. Konkret bedeutet das, dass durch hohe Speicherkapazitäten Film erstmals mit hypertextuellen Modellen bei gleichzeitig akzeptabler bis guter Vorführqualität kombiniert werden kann. Dies entspricht in hohem Maße den aktuellen Anforderungen an einen Unterricht, in dem Lehrerinnen und Lehrer individuell über den Zugriff und die Nutzung von Unterrichtsmedien wählen und entscheiden können.  Die didaktische DVD hält somit nicht nur die Linearität des klassischen Films bereit, die nach wie vor ihre dramaturgischen und kausaldidaktischen Vorteile hat. Sie bietet dazu auch den Film (oder mehrere) thematisch organisierten Sequenzen an, die sowohl ein eigenes Vermittlungskonzept spiegeln, dem Lehrer ebenso wie dem Schüler im Frontalunterricht aber auch in anderen Sozialformen eine hohe Eigenständigkeit und variantenreiche Aufgabenstellungen ermöglichen. Die Ergänzung mit Zusatzmaterial wie beispielsweise Arbeitsblättern, Quellen, Interviews, Tondokumenten, Bildern, Grafiken, Tabellen etc. hat sich als besonders praxisnah erwiesen und trifft bei Lehrerinnen und Lehrern auf eine hohe Akzeptanz.

Für das hier vorliegende Material, das eine etwa 45minütige Unterrichtsstunde zeigt, bietet sich die sequenzierte Erschließung geradezu an, denn im 45-minütigen Schulunterricht muss der Medieneinsatz in der Regel auf eine akzeptable Länge reduziert bleiben, um mit dem Material noch arbeiten zu können. Die Strukturierung und Sequenzierung einer Unterrichtsstunde findet analytisch zunächst nach didaktischen Gesichtspunkten statt und gliedert die Aufnahme in bestimmte Arbeitsformen und Unterrichtssituationen.

Für die Aufbereitung als Unterrichtsmaterial wurde ein anderer Weg gewählt. Die Nomenklatur der Kapitel und Sequenzen folgt nun inhaltlichen Aspekten und greift damit nicht zuletzt auch das Unterrichtskonzept der aufgezeichneten Schulstunde auf. Diese historisch-thematische Betitelung erst erschließt die DVD auch der schülerseitigen Eigen- und Gruppenarbeit, denn mit Bezeichnungen wie Hypothesenstellung, Vertiefung oder Ergebnissicherung könnten sie gewiss wenig anfangen.

3.2.  Aufbau und Gestaltung

Neben der Unterrichtsaufzeichnung sind auf der DVD auch fünf Interviews enthalten, die mit Beteiligten von 1977 geführt wurden. Die Unterrichtsstunde selbst ist in zwei Hauptkapitel gegliedert: 1. „Konsolidierung der DDR bis 1961“ und 2. „1961: Die Mauer wird gebaut“ und spiegelt damit die beiden Hauptteile des Unterrichtskonzepts von 1977.  Das erste Kapitel ist in die Themenbereiche Innenpolitik (drei Sequenzen) und Außenpolitik (6 Sequenzen) gegliedert.

Das zweite Kapitel ist in die Themenbereiche „Zuspitzung der Krise 1961“ (3 Sequenzen) und „Bewertung durch die Schulklasse“ (3 Sequenzen) gegliedert. Die Zahlen signalisieren bereits den inhaltlichen Schwerpunkt der Stunde: Die außenpolitische Dimension nimmt mit über 21 Minuten zeitlich den Hauptteil der Stunde in Anspruch und führt konsequent auf das Lernziel hin, den Mauerbau gemäß offizieller Perspektive als außenpolitisch motivierte Tat zu begreifen (wohingegen die westliche Lesart dem Mauerbau als Fluchtverhinderung eine primär innenpolitische Motivation zugesprochen hat, eine Perspektive, die immerhin auch in dieser Stunde als „Abwerbung von Fachkräften“ und „Republikflucht“ auch vorkommt, nie jedoch zentral wird). Das letzte Kapitel „Bewertung durch die Schulklasse“, das wesentlich Elemente der Ergebnissicherung aber auch der allgemeinen Klassenverwaltung wie Hausaufgaben und Bewertung einzelner Schülerleistungen enthält, war inhaltlich nur schwer zu verorten und konnte auch als besonderer Bezug zur Erfahrungswelt heutiger Schülerinnen und Schüler unter diesem formalen Titel bestehen bleiben.

Im Perspektivwechsel kann das Material nun in thematischen Einheiten mit den Lesarten moderner Lehrpläne und Unterrichtsmaterialen kontrastierend erarbeitet werden, um so Erkenntnisse in der Wahrnahme dieser Differenzen zu gewinnen.

Um den unterrichtlichen Einsatz zu unterstützen sind Unterrichtsentwürfe für die Sekundarstufen 1 und 2 sowie Arbeitsblätter mit erschließenden Fragen beigegeben worden, die einzelne Unterrichtsthemen etwa mit den Interviews mit damaligen Schülern oder den Erlebnisprotokollen von Fluchtgeschichten und anderen Quellen kombinieren. Weitere Medien und Dokumente stützen den variablen und kontextorientierten Einsatz der DVD, die so zu einer Basis mit der Auseinandersetzung mit dem historischen Mauerbau und den wechselnden Betrachtungen und Lesarten in der Geschichte beider deutscher Staaten werden kann. Dazu gehört auch der Mitschnitt einer Schola-Schulschallplatte, die in der aufgezeichneten Unterrichtsstunde zum Einsatz kam und auf der kontextfrei westliche Politikeraussagen zu einem militärischen Bedrohungsszenario gegenüber der DDR kumuliert wurden. Als Tonaufnahme und Textprotokoll ist dies eines der oben erwähnten Zusatzmedien, die einen kritisch-hermeneutischen Zugang zur damaligen Unterrichtssituation einerseits legen und auf einer methodischen Ebene die Problematik einer beliebeigen Kombination  historischer Dokumente und Quellenfragmente belegen können.

Besonders für die Lehrerbildung aber auch für die Sekundarstufe 2 sind Textauszüge aus dem damaligen Lehrplan, den offiziellen Unterrichtshinweisen und dem damaligen Schulbuch interessant.

Die einzelnen Einsatzszenarien sollen hier nicht weiter erörtert werden. Für den Fall der Unterrichtsstunde zum Mauerbau kann festgehalten werden, dass hier eine neuartige Form der Dokumentation gewählt wurde, die verschiedene Zielsetzungen verfolgte:

·      Zum einen sollte die Unterrichtsaufzeichnung zunächst auf zeitgemäßem Datenträger gesichert werden, der das Material für Forschung und Lehrer verfügbar halten kann.[39]

·      Zweitens sollte das Material so aufbereitet werden, dass es didaktischen Unterrichtsprinzipien und den Lehrplanansprüchen im Fach Geschichte in besonderer Weise genügt.

·      Drittens lassen sich anhand des Materials sowohl erziehungswissenschaftliche als auch historische Fragestellungen erörtern. Für die Erziehungswissenschaft geht es dabei um Strukturen unterrichtlicher Situationen in wechselnden historischen Kontexten. Für die Geschichtswissenschaft geht es um die besonderen Bedingungen der Produktion so genannter Wissenskulturen, in diesem Fall im schulischen Bereich. Beiden Disziplinen gemeinsam geht es um die Untersuchung medialer Vermittlungsstufen nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass die Wissenschaft sich zunehmend der Produktions- und Reproduktionsbedingungen ihrer Grundlagen und Aussagen bewusst wird.

 



[1] Was angesichts der plakativ vorgetragenen DDR-Perspektive dieses Unterrichts auch keine allzu große hermeneutische Herausforderung darstellen würde.

[2] Der hier verfolgte Ansatz entzieht sich ebenso wie das Material einer klaren Zuordnung in die Fachsystematik, was u.E. nach jedoch keinen Nachteil, sondern eher einen methodischen Vorteil darstellt.

[3] Der noch überwiegend den geschriebenen Quellen verpflichtet ist; vgl. Crivellari, Fabio/Sandl, Marcus: Die Medialität der Geschichte. Forschungsstand und Perspektiven einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Geschichts- und Medienwissenschaften, in: Historische Zeitschrift, Band 277(2003), S. 619-654, bes. S. 637ff.

[4] Die Tatsache, dass erst nach einem Jahr ein geeignetes Absiel- und Kopiergerät für die nicht standardisierten 1“-Bänder gefunden wurde, unterstreicht sowohl den mediendokumentarischen Wert des Vorhabens als auch die grundlegende Problematik der Archivierung von AV-Medien. Zur Überlieferungssituation vgl. Schluß, Henning: Negativität im Unterricht. In: Dietrich Benner (Hrsg.): Erziehung—Bildung — Negativität. 49. Beiheft der Z.f.Päd. Beltz, Weinheim-Basel, 2005, S. 182-196.

[5] Vgl. Fischer, Aloys: Über die Bedeutung des Experiments. 1913 und Röhrs, Herrmann (Hrsg.): Gesammelte Schriften Band 15. Die Pädagogik Aloys Fischers. Versuch einer systematischen Darstellung seines wissenschaftlichen Gesamtwerkes. Weinheim, Basel, Berlin 2003 (1953).

[6] Vgl.: Petersen, Peter und Else: Die pädagogische Tatsachenforschung. Hrsg. von Th. Rutt. Paderborn 1965. und: Koskenniemi, M.: Elemente der Unterrichtstheorie. München 1971, bes., S. 26.

[7] Dennoch gibt es in der Pädagogik durchaus vergleichbare und ähnlich wiederkehrende Situationen. Immer wieder wurde versucht, aus solchen „Typischen Situationen“ Standards zu entwickeln, die für die Lehrerausbildung bedeutsam sein sollten. In der DDR gab es dazu eine lebhafte, erstaunlich kritische Debatte, die von Neuner, Gerhard: Konstruktive Synthese – wichtige Richtung pädagogischen Denkens und Forschens. In: Pädagogik 5/1980, S. 349-364 ausgelöst, von Bastian, Ingeborg/Naumann, Werner: Zur didaktischen und erziehungstheoretischen Modellierung des pädagogischen Prozesses als einer theoretischen Grundlage seiner Gestaltung. In: Pädagogische Forschung. 2/1981, S. 94-108 und Neuner, Gerhard: Pädagogische Theorie und praktisches pädagogisches Handeln. In: Pädagogik 1982, S. 191-211 fortgeführt und in gewisser Weise durch Eichler, Wolfgang/Heimberger, Horst/Meumann, Eberhard/Werner, Bernhard: Praktisches pädagogisches Handeln – Ausgangspunkt und Ziel pädagogischer Theorie – Bilanz der Diskussion zu theoretischen und methodologischen Fragen der Pädagogik. In: Pädagogik 5/1984, S. 406-427 beendet wurde. In jüngster Zeit bemüht sich vor allem Fritz Oser darum, Standards professionellen Lehrerhandelns zu finden zu formulieren und auch mustergültig (mastery stage) filmisch zu dokumentieren (Oser, Fritz: Schrilles Theoriegezerre, oder warum Standards gewollt sein sollen. In: Z.f.Päd. 2/2005, S. 266-274). Freilich ist dieses Verfahren auch heute nicht ohne Kritik geblieben (vgl. Herzog, Walter: Müssen wir Standards wollen. In: Z.f.Päd. 2/2005, S. 252-258).

[8] Vgl. Grammes, Tilman: Didaktische Praxis – Unterrichtsprotokoll. Staatsbürgerkunde in der DDR. In: Gegenwartskunde 4/1995, S. 499-512; weitere Beispiele in: Grammes, Tilman/Schluß, Henning/Vogler, Hans-Joachim: Staatsbürgerkunde in der DDR – Ein Dokumentenband. Schriften zur politischen Didaktik, Band 31. VS-Verlag, Wiesbaden 2006.

[9] Vgl. Hoof, Dieter: Unterrichtsstudien – Ergebnisse didaktischer Untersuchungen mit Videoaufzeichnungen. Hannover 1972, S. 25 ff.

[10] Vgl.: Heun, Hans-Georg: Die Organisation und Leitung der Arbeit mit audiovisuellen Lehr- und Lernmitteln an der Humboldt-Universität zu Berlin. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin, Gesellschaftswissenschaftliche Reihe, Audiovisuelle Lehr- und Lernmittel an Hochschulen. 35. Jg. 1986/7, S. 620-625.

[11] Vgl. Hoof a.a.O., S. 29.

[12]  Alfons Schorb darf wohl ohne Übertreibung als der Pionier und Inspirator der audiovisuellen Unterrichtsdokumentation in der Bundesrepublik bezeichnet werden. Vgl. Schorb, Alfons Otto: Die Unterrichtsmitschau in der Praxis der Lehrerbildung : Eine empirische Untersuchung zur 1. Studienphase. Bad Godesberg 1966; Schorb, Alfons Otto: Methodische Beiträge zur Praxis der Bildungsforschung. München 1976; Schorb, Alfons Otto/Louis, B.: Unterrichtsanalyse : ein Grundkurs im Medienverband.  München 1975; Kuckuck, Kurt/Schorb, Alfons Otto/Wimmer, Erika: Phänomenkatalog zur Erschließung von Unterrichtsdokumenten. Grünwald: Inst. für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht, 1979.

[13] Vgl. Hoof 1972 a.a.O., S. 29-36.

[14] Vgl. Deschler, Hans-Peter: Theorie und Technik der Unterrichtsdokumentation. München 1974, S. 99-116.

[15] Vgl. Deschler 1974 a.a.O., S. 117f.

[16] Vgl. Stern, G./Masling, J.: Effekt of the observer in the classroom. In: J. Educ. Psychol., 60, Nr. 5, 1969, S. 351-354; Samph, Th. (1968): Observer Effekts on Teacher Behavior. In: Dissertation Abstracts, 1969, vol. 29, S. 2573.

[17] Die Ursache für diesen Trend liegt darin, dass sich die Video-Technik in den achtziger Jahren zu einem Massenmedium entwickelt hat, das im schulischen Einsatz erst jüngst und allmählich von der DVD abgelöst wird. Zwar erklären Leiterinnen und Leiter kommunaler Medienzentren unisono, dass derzeit (Stand 2005) noch mehr VHS als DVD ausgeliehen werden. Das geht allerdings mit der noch deutlich höheren Verfügbarkeit der VHS gegenüber der DVD mit Schulfilmen einher, denn gleichzeitig ist eine Trendwende hin zur DVD erkennbar. Zu beachten ist dabei auch, dass es sich hier nicht nur um neue Trägermedien sondern auch um neue Medienkonzepte handelt, s.u.

[18] Vgl. z.B.: Löschmann, Marianne:  Fernsehen und Video als Lehr- und Lernmittel im Fremdsprachenunterricht. In: Deutsch als Fremdsprache, 26 1989/1, S. 24-29; Pfützner, Stephan:  Video, ein „neues“ Medium?! Die Kulturtechnik Video. In: Primar, 6 (1997) 17, S. 52-54; Hilscher, Helmut:  Videoeinsatz in der Lehre. In: Physik in der Schule, 38 2000/3, S. 198-200; Perrey, Gudrun:  Arbeiten mit der Videokamera. In: Zielsprache Englisch, 19 1989/1, S. 20-24; Klapper, John:  Zur Arbeit mit Videoaufzeichnungen von Lernleistungen im Fremdsprachenunterricht. In: Fremdsprachenunterricht, 38 (47) 1994/2, S. 88-92; Petersen, Jörg/Reinert, Gerd-Bodo (Hrsg.):  Lehren und Lernen im Umfeld neuer Technologien. Reflexionen vor Ort. Frankfurt, Main/Berlin 1994; Marizzi, Hans:  Unterrichtsprinzip „Medienerziehung“. Praxisbericht zu: Schülerradio, Fotografie, Video, Zeitung. In: Erziehung und Unterricht, 147 1997/1, S. 86-96.

[19] Vgl. z. B. Winkler, Waldemar:  Technologische Hilfsmittel bei der systematischen Analyse von Sportunterricht und der Verbesserung des Lehrerverhaltens. In: Betrifft Sport, 17 1995/6, S. 33-41; McDermot, Ray: In Praise of Negation. In: Dietrich Benner (Hrsg.): Erziehung – Bildung – Negativität. 49. Beiheft der Zeitschrift für Pädagogik, Beltz, Weinheim-Basel 2005, S. 150-170; Klieme, Eckhard:  Was ist guter Unterricht? - Ergebnisse der TIMS-Videostudie im Fach Mathematik. In: Herausforderungen der Bildungsgesellschaft. Weimar 2002, S. 89-113 oder das Schwerpunktheft der Z.f.Päd 6/2006.

[20] Vgl. Stadler, Helga:  Lehr- und Lernprozesse unter der Lupe - Videos als Mittel zur Qualitätsverbesserung von Unterricht. In: Didaktik der Physik - Vorträge, Physikertagung 2002 Leipzig 2002 (ohne Seite). Ausnahmen stellen z.B. die Aufsätze von Tilman Grammes zum Thema dar, der sich in einem losen Netzwerk von Forschern seit Jahren mit diesem Thema beschäftigt (vgl. Gagel, Walter/Grammes, Tilman/Unger, Andreas (Hrsg.):  Politikdidaktik praktisch. Mehrperspektivische Unterrichtsanalysen. Ein Videobuch. Schwalbach: Wochenschau 1992, Reihe:  Politik und Bildung. 3; Grammes, Tilman:  Gesprächskultur des Redens über Unterricht. Hinweise zum Umgang mit Videodokumentationen und Transkriptionen von Unterricht. In: Gegenwartskunde, 40 1991/4, S. 473-484) oder auch eine Anzahl von Publikationen in der MedienPädagogik z.B. Mayring, Philipp/Gläser-Ziduka, Michaela/Ziegelbauer, Sascha: Auswertung von Videoaufnahmen mit Hilfe der Qualitativen Inhaltsanalyse – ein Beispiel aus der Unterrichtsforschung. In: MedienPädagogik 1/2005, www.medienpaed.com/04-1/mayring04-1.pdf. und Kommer, Sven/Biermann, Ralf: Video(technik) in der erziehungswissenschaftlichen Forschung. In: MedienPädagogik 1/2005, www.medienpaed.com/04-1/kommer04-1.pdf

[21] Helmchen, Jürgen: Die Pädagogik und das Bildungssystem der DDR im Spiegel der bundesrepublikanischen Erziehungswissenschaft. Oldenburg 1981.

[22] Vgl. z. B. Anweiler, Oskar (Hrsg.): Polytechnische Bildung und technische Elementarerziehung. Bad-Heilbrunn 1969; Anweiler, Oskar: Schulpolitik und Schulsystem in der DDR. Opladen 1988; Anweiler, Oskar: Kritische Evaluation der westdeutschen Vergleichenden Erziehungswissenschaft am Beispiel ihrer Analysen zur Schulentwicklung in der DDR. In: Pädagogik und Schule in Ost und West, 39, 1991/2, S. 66-70; Anweiler, Oskar: Bildungspolitik in Deutschland 1945-1965. Aspekte und Probleme eines Vergleichs zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik in historischer und aktueller Sicht In: Hoffmann, Dietrich/Neumann, Karl (Hrsg.): Erziehung und Erziehungswissenschaft in der BRD und der DDR Band 1: Die Teilung der Pädagogik (1945-1965). Weinheim 1994, S. 15-40.

[23] Anweiler, Oskar (Hrsg.): Die sowjetische Bildungspolitik 1958-1973. Texte und Dokumente. Heidelberg 1976; Anweiler, Oskar (Hrsg.): Die sowjetische Bildungspolitik 1917-1960. Dokumente und Texte. Wiesbaden 1979; Anweiler, Oskar (Hrsg.): World Congress for Soviet and East European Studies : Bildung und Erziehung in Osteuropa im 20. Jahrhundert : ausgewählte Beiträge zum zweiten Weltkongreß für Sowjet- und Osteuropastudien. Berlin 1982; Anweiler, Oskar (Hrsg.): Staatliche Steuerung und Eigendynamik im Bildungs- und Erziehungswesen osteuropäischer Staaten und der DDR. Berlin 1986; Anweiler, Oskar (Hrsg.): Systemwandel im Bildungs- und Erziehungswesen in Osteuropa. Berlin 1992.

[24] Vgl. z. B. Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Hrsg.): Materialien zur Lage der Nation. Vergleich von Bildung und Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik. Köln 1990; Köhler, Gabriele: Der bildungspolitische Einigungsprozess 1990. Opladen 2000; Oberliesen, Rolf (Hrsg.): Schule Ost – Schule West: ein deutsch-deutscher Reformdialog. Hamburg 1992; Tenorth, Heinz-Elmar: Erziehungsstaaten. Pädagogik des Staates und Etatismus der Erziehung. In: Erziehungsstaaten. Historisch-vergleichende Analysen ihrer Denktraditionen und nationaler Gestalten. Weinheim 1998, S. 13-53; Zymek, Bernd: Die Schulentwicklung in der DDR im Kontext einer Sozialgeschichte des deutschen Schulsystems. Historisch-vergleichende Analyse lokaler Schulangebotsstrukturen in Mecklenburg und Westfalen. 1900 - 1990. In: Bildungsgeschichte einer Diktatur. Bildung und Erziehung in SBZ und DDR im historisch-gesellschaftlichen Kontext. Weinheim 1997, S. 25-53; Bress, Ludwig/Hentzschel, Manfred: Die Düpierung einer Theorie durch die Praxis. Das Ende des Systemvergleichs und der Beginn der großen Transformation in kulturelle Vielfalt. In: Deutschland-Archiv 23, 1990/7, S. 1035-1047; Siebert-Klein, Margrete: Two worlds of science learning: a look at the Germanics. In: Science education in global perspective. Boulder, Colo. Westview Pr. 1985 S. 97-154.

[25] Vgl. Anweiler, Oskar/Mitter, Wolfgang/Peisert, Hansgert/Schäfer, Hans-Peter/Stratenwerth, Wolfgang: Vergleich von Bildung und Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik. Köln 1990.

[26] Vgl. Behnken, Imbke u.a (Hrsg.).: Schülerstudie `90. Jugendliche im Prozeß der Vereinigung. In: Behnken, Imbke/Zinnecker, Jürgen: Kindheiten, Band 1, Weinheim und München, 1991; Behnken, Imbke u.a.: Schule, Schüler und Lehrer im Vorfeld der Vereinigung. Bericht aus einer ersten gesamtdeutschen Schülerbefragung. In: Pädagogik, 42. Jahrgang, 1990, S. 38-43; Conrad, Gabriele: Kind und Erzieher in der BRD und in der DDR. In: Böhm, Winfried (Hrsg.): Internationale Pädagogik Band 2. Würzburg 1982; Sturzbecher, Dietmar/Kalb, Klaus: Vergleichende Analyse elterlicher Erziehungsziele in der ehemaligen DDR und der alten Bundesrepublik. In: Psychologie in Erziehung und Unterricht, 40. Jahrgang, 1993, S.143-147, Wasser, Ulrike: Jugend, Ideale, Idole. Junge Menschen in Ost und West in den 80er Jahren. In: Praxis Geschichte, 2000/3, S. 23-27.

[27] Vgl. schon Lepsius, M. Rainer: Soziologische Theoreme über die Sozialstruktur der „Moderne“ und die „Modernisierung“. In: Koselleck, R. (Hrsg.): Studien zum Beginn der modernen Welt. Stuttgart 1977, S. 10-29; nach der deutschen Vereinigung z. B. Meyer, Hansgünter: Transformation der Sozialstruktur in Ostdeutschland. In Glatzer, Wolfgang/Ostner, Ilona (Hrsg.): Deutschland im Wandel – Sozialstrukturelle Analysen. Opladen 1999 Zu einer Kritik des Konzepts und einer pädagogischen Alternative vgl.: Schluß, Henning: Lehrplanentwicklung in den Neuen Ländern – Nachholende Modernisierung oder reflexive Transformation? Wochenschauverlag, Schwalbach/Ts. 2003.

[28] Vgl. z. B. Reinermann, Ursula: Zur Methodik der Erziehung und des Unterrichts auf der Primarstufe in der DDR und in NRW – Schwerpunkte und Innovationen. Berlin 1983; Klingberg, Lothar: Östliches und Westliches in der deutschen Didaktik-Landschaft. Anmerkungen zum deutsch-deutschen Didaktiker-Dialog. In: Pädagogik und Schulalltag, 51/1996 4, S. 502-508; Schmid, Hans-Dieter: Historisches Lernen im geteilten Deutschland. Zusammenfassung und Auswertung der Diskussion. In: Historisches Lernen im vereinten Deutschland. Nation - Europa - Welt. Weinheim 1995, S. 89-95; Mütter, Bernd: Geschichte der deutschen Geschichtsdidaktik in der Epoche der Teilung 1945 - 1990. Perspektiven einer gesamtdeutschen Geschichtsdidaktik. In: Historisches Lernen im vereinten Deutschland. Nation - Europa - Welt. Weinheim 1995, S. 96-123; Pietzsch, Günter: Die Behandlung der Dezimalbrüche in den allgemeinbildenden Schulen der ehemaligen DDR mit einem Ausblick auf die Behandlung der Dezimalbrüche in Ungarn und der Sowjetunion. In: Der Mathematikunterricht, 37 1991/2, S. 22-38; Bernard, Franz/Bonz, Bernhard: Unterrichtsmethodik und Fachdidaktik des Technikunterrichts in der DDR und der BRD. In: Forschung zur Berufsbildung, 24, 1990/5, S. 198-206, Blänsdorf, Agnes: Die deutsche Geschichte in der Sicht der DDR. Ein Vergleich mit der Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich seit 1945. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 39, 1988/5, S. 263-290; Hempel, Marlies: Verschieden und doch gleich. Schule und Geschlechterverhältnisse in Ost und West. Bad-Heilbrunn 1995; Faulenbach, Bernd: Ost- West- Unterschiede als Herausforderungen politischer Bildungsarbeit im vereinigten Deutschland. In: Jahrbuch Arbeit, Bildung, Kultur. Band 15/16 1997/98 Recklinghausen 1998 S.89-101.

[29] Vgl. Benner, Dietrich/Merkens, Hans: Schlußbericht der Forschergruppe Bildung und Schule im Transformationsprozeß von SBZ, DDR und neuen Ländern - Untersuchungen zu Kontinuität und Wandel, Berlin 2000.

[30] Vgl. Hesse, Horst/Fischer, Arndt/Hoppe, Rainer (Hrsg.): Kommunikation und Kooperation im Unterricht. Erfahrungen aus Ost und West. Positionen, Praxisberichte, Aufgabenfelder. In: Meyer, Ernst/Rainer, Winkler (Hrsg.): Grundlagen der Schulpädagogik, Band 3. Hohengehren 1992.

[31] Vgl. Schluß, Henning: Unterricht in der DDR – Videodokumentationen rekonstruiert. In: Die Deutsche Schule. 97. Jg., 2005, H. 4, S. 510.

[32] Als Vergleichsmaterial bieten sich vor allem die Aufnahmen des hochschulinternen Fernsehens der PH Heidelberg (vgl. Uffelmann, Uwe/Cser, Andreas: Aus der Praxis des problemorientierten Geschichtsunterrichts. Empirische Befunde auf der Basis der Auswertung von Video-Band-Aufzeichnungen in: Geschichtsdidaktik 1977, Heft 1, S. 1-12), die Produktionen des Instituts für Unterrichtsmitschau an der LMU in München  (vgl. Hüther, Jürgen: Alfons Otto Schorb (1921 – 1983). In: merz 2003/01 S. 53-56), die Berliner Unterrichtsmitschnitte auf VHS, die am LISUM in Berlin lagern und Aufzeichnungen aus dem Grundschulprojekt Gievenbeck an. Seit 1970 wurden in verschiedenen Modellprojekten der BLK Medien für die Lehrerbildung produziert. Darunter waren auch immer Unterrichtsdokumentationen, beispielsweise im Modellprojekt „Unterricht in Dokumenten“, in dessen Rahmen das FWU von 1969 bis 1978 160 Produktionen erstellte, die in insgesamt 7656 Kopien verbreitet wurden. Diese Modellprojekte wurden bis 1984 in einer umfangreichen Studie evaluiert (vgl. Konzen, Franz/Leist Kurt/Roeder, Wilfried: Erprobungsprogramm für die Medienpakete des FWU zur Lehrerbildung - Abschlussbericht, 2 Bde., Berlin 1984f.). Ein entsprechendes Projekt wurde von Henning Schluß bei der DFG beantragt.

[33] Vgl. Schluß, Henning: Der Mauerbau im DDR-Unterricht. Didaktische DVD, FWU München-Grünwald, 2005a. Nr.: 46 02332. + Begleitheft.

[34] Die Schulklasse war lediglich zur vorhergehenden Geschichtsstunde ebenfalls in dem Videokabinett und wurde dort probehalber aufgenommen, um den Fremdheitseffekt der Aufnahmesituation in einem unbekannten Raum zu verringern.

[35] So konnten diese Aufzeichnungen auch benutzt werden. Der Leiter des Medienzentrums, der auch selbst Lehrveranstaltungen zur allgemeinen Didaktik hielt, sagt im Interview, er habe die Stundenaufzeichnungen vor allem als Negativbeispiele genutzt. Vgl. DVD Der Mauerbau, Transkription Interview Dr. Heun.

[36] Insofern ist dies nur unter der Bedingung als „geschickt“ zu deuten, wenn man die Prämisse dieser Aufzeichnung akzeptiert, Unterricht zum Thema Mauerbau solle unstreitig das Ziel verfolgen, der Mauerbau sei als „Beitrag zur Sicherung des Friedens“ und keineswegs ein Akt der Freiheitsberaubung zu werten. Diese Prämisse, den Mauerbau als Beitrag zur Friedenssicherung zu interpretieren, kann für die Arbeitsgruppe um Florian Osburg unterstellt werden, da sie der Lehrplan genau so verlangte wie die Staatsdoktrin. Die Situation, die hier von der Lehrerin strategisch gelöst wurde, bestand darin, ein feststehendes ideologisches Stundenziel zu erreichen, das dem Alltagsempfinden der allermeisten Menschen in der DDR und wohl auch diesen Schülerinnen und Schülern keineswegs entsprach.

[37] Schluß: DVD 2005 (a.a.O.): Kapitel 6 „Schülerdiskussion“.

[38] Vgl. Schluß 2003, vgl. Anm. 27.

[39] Die Problematik einer dauerhaften alters- und technisch systembeständigen Speicherung hat sich damit freilich nicht erübrigt.

 

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