Kirche der Abiturienten Religionsunterricht und Gemeinde haben es schwer, Hauptschüler zu erreichen.

Henning Schluß in: Die Kirche 8.6.2008, Nr. 23, S. 1.

Ja, wir sind eine Kirche der Abiturienten. Das Wort Max Webers von der „Religion als Opfer des Intellekts“, hat sich nicht so bestätigt, dass alle Intellektuellen der Kirche den Rücken kehren würden. Offenbar wird Glauben und Wissenschaft von vielen Menschen nicht mehr als Widerspruch erlebt, sondern als unterschiedliche Zugangsweisen auf die Welt erfahren, die je besonderes zu leisten vermögen. Eine gute Nachricht also!

Obwohl längst nicht alle Intellektuellen der Kirche verbunden sind, ist es doch auffällig, dass Jugendliche, die kein Abitur machen, in unseren Konfirmandengruppen und im Religionsunterricht kaum vorkommen. Weshalb verliert die Kirche den Kontakt zu den Menschen, die früher gern „einfache Menschen“ genannt wurden und ihre breite Basis bildeten? Den Kontakt zur Arbeiterklasse verlor die Kirche durch ihr Verkennen der sozialen Frage schon im 19. Jahrhundert. Wichtiger aber ist heute, dass es diese Arbeiterklasse kaum noch gibt. Immer mehr Schüler schließen ihre Schullaufbahn mit dem Abitur ab. Was früher ein Privileg für wenige war, ist heute die Regel. Das ist auch gut so, weil Bildung Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht. Bildung bedeutet, sich mit Welt und Menschen auseinanderzusetzen. Martin Luther wusste, dass allgemeine Bildung auch die Voraussetzung eines mündigen Christentums ist. Nur Menschen, die Lesen können, können in der Bibel überprüfen, ob auch stimmt, was die Kirche verkündet, so Luthers Argument. Das Versprechen auf ökonomischen Erfolg kann Bildung dagegen nicht mehr in allen Fällen einlösen. Bildungsnah und einkommensschwach - diese Kombination wird häufiger.

Dass die „einfachen Leute“ nicht mehr wie selbstverständlich in der Kirche sind, zeigt: Marx‘ Diagnose trifft nicht mehr zu, dass die Religion beruhigendes „Opium des Volkes“ ist. Das Bemühen um die Nachfolge Jesu ist als Opiat schlecht geeignet. Dass Nachfolge jedoch nur Abiturienten könnten, ist ein krasses Missverständnis der biblischen Botschaft. Von der Nachfolge Jesu her wird unser kirchlicher Auftrag deutlich, die Gute Botschaft auch an Oberschüler zu adressieren. Das kann bedeuten, Religionsunterricht nicht nur an Grundschulen und Gymnasien anzubieten, sondern auch für Berufsschulen Unterrichtsmodelle zu stärken. Die Konfirmation ist für alle Schülerinnen und Schüler eine Alternative zur Jugendweihe. Sie könnte auch wie die Jugendweihe beworben werden. Inhaltlich ist sie mit den Konfi-Camps schon vielerorts für junge Leute spannender als es die Jugendweihekurse sind. Wenn wir uns darauf einlassen und uns nicht abschotten können wir erfahren, dass die vermeintlich „einfachen Menschen“ im gleichen Maße Gegenüber Gottes sind, wie die mit Abitur. Von Bildungszertifikaten brauchen wir uns nicht unsere Neugier auf Menschen verstellen zu lassen.

Der Autor ist Pädagoge und Theologe und hat selbst kein Abitur.

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