J. Henning Schluß

Huber, wie hältst Du's mit der Ehe?

EINGETRAGENE PARTNERSCHAFT.  Die evangelische Kirche hätte den Gesetzentwurf stürmisch begrüßen müssen. Nur einer hat sich bisher laut zu Wort gemeldet - mit Kritik

"Importierte Lustknaben", "ideologische Vernebelung" der "natürlichen Ordnung", "Degeneration" und "homosexuelle Liaison" sind die Stichworte, die dem jüngst verstorbenen Erzbischof Johannes Dyba zum Stichwort Homo-Ehe einfielen. Von dem Fuldaer Geistlichen, in Personalunion auch katholischer Militärbischof und Hardliner in Sachen Schwangerenkonfliktberatung, war wohl nichts anderes zu erwarten. Bedenklicher ist dagegen schon, wenn der einflussreiche und als progressiv geltende evangelische Berliner Bischof Wolfgang Huber den rot-grünen Gesetzentwurf zur Eingetragenen Partnerschaft mit deutlichen Worten ablehnt. Huber sieht darin eine Nivellierung des Leitbildes der Ehe: "Es kann nicht der Sinn ... sein, alles zu egalisieren", sagte er dem Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt. Außerdem soll den Schwulen das Standesamt verschlossen bleiben, meinte Huber.

Der Bischof gibt vor, sich mit seiner Meinung auf ein Papier der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) zu stützen. In Wahrheit jedoch verkehrt es die Intentionen des Papiers. Neue rechtliche Regelungen für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften, heißt es dort, stellen "für sich allein noch keine Schwächung und Aushöhlung der Institution Ehe dar." Es gehe nicht um eine Alternative zur Ehe, sondern "um die Stützung des Willens zum verantwortlichen Umgang miteinander"; und zwar "dort, wo die Lebensform der Ehe nicht gewählt werden kann." Auch Warnungen, dass das Leitbild Ehe Schaden nehme könne, sind dem Papier nicht zu entnehmen. Die Orientierungskraft der Ehe als Leitbild "zeigt sich nicht zuletzt daran, dass sich alle Bemühungen um eine gesonderte Rechtsform für gleichgeschlechtliche Partnerschaften an ... der Ehe orientieren." Die Stellungnahme des Kirchenamtes der EKD vom Anfang des Jahres war eine Reaktion auf den ersten Gesetzentwurf aus dem Hause Däubler-Gmelin. Es unterstützte das Anliegen des Gesetzentwurfes, den Abbau von Diskriminierung, lehnte ihn jedoch noch aus verschiedenen Gründen ab. Die nun von den Regierungsfraktionen eingebrachte, stark überarbeitete Gesetzesvorlage bietet zu den meisten dieser Kritiken keinen Anlass mehr.

Allerdings zeigt das Papier auch die Grenzen auf, die die EKD nicht zu übertreten gewillt ist. Speziell, wenn für Partnerschaften von Mann und Frau neben der Ehe ein weiteres Rechtsinstitut geschaffen werden sollte und so die Ehe "geschwächt und ausgehöhlt" würde. All dies ist im Gesetzentwurf ausdrücklich nicht der Fall: Die Regelung gilt nur für gleichgeschlechtliche Paare, und das neue familienrechtliche Institut ist auch in den Rechten deutlich von der Ehe unterschieden. Justizministerin Herta Däubler-Gmelin begründete dies damit, dass man für die Regelung der eingetragenen Partnerschaft die Ehe nur insofern zum Vorbild nehmen kann, als Rechtsbeziehungen zwischen Ehegatten nicht "in der Möglichkeit begründet sind, gemeinsame Kinder zu haben". Genau dies entspricht der Erwartung der EKD. Denn es gebe Sachgründe, die die Ungleichbehandlung gegenüber der Ehe erzwingen - die fehlende Offenheit für Kinder in der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, meinen sowohl Däubler-Gmelin wie die EKD.

Und das hat Konsequenzen: Von der Möglichkeit des Ehegattensplittings, des Zugewinnausgleichs im Trennungsfall und vom Adoptionsrecht bleiben diese Paare weiterhin ausgeschlossen. Sicher können wir uns fragen, ob hier nicht Ursache und Wirkung verwechselt werden, denn würde das Adoptionsrecht zugestanden, fiele auch die exklusive Offenheit der Ehe für Kinder als Argument weg, zumal ausdrücklich auch die EKD in ihrer Orientierungshilfe "Mit Spannungen leben" diese Offenheit nicht biologisch missverstehen will.

Der einzige relevante Unterschied von EKD-Papier und Gesetzentwurf taucht bei der Frage auf, wie die Beendigung der Diskriminierung homosexueller Partnerschaften institutionell gefasst werden könnte. Hier hat sich die Koalition gegen den privatrechtlichen Vertrag und für das familienrechtliche Institut entschieden, inklusive öffentlicher Registrierung im Standesamt. Die EKD schlug vor, um den Unterschied von Partnerschaft und Ehe deutlich zu machen, nicht das Standesamt zu wählen. Aber auch privatrechtliche Verträge genügen der Kirche nicht. So verwunderlich es auch erscheint, dass gerade die evangelische Kirche sich daran beteiligt, das Standesamt als einen Quasi-Altar zu behandeln und nicht als Personenstandsbehörde, so kann diese konjunktivische Differenz nicht ernstlich der Grund für die Ablehnung des Gesetzentwurfes durch Bischof Huber sein.

Die Hamburger Bischöfin Jepsen dagegen bleibt bei Ihrer positiven Reaktion - "Ich befürworte alles, was diese Menschen in die gegenseitige Verantwortung und Verpflichtung bringt." - und damit auf der Leitungsebene der EKD ziemlich allein. Der Graben verlaufe zwischen "engagierten Frauen und Kirchen leitenden Männern". Und tatsächlich bekommt Jepsen auf leitender Ebene Unterstützung nur von Elisabeth Lingner, Präsidentin der nordelbischen Synode. Sie befürwortet seit Jahren auch das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Partner.

Von der EKD war zum nun vorgelegten Gesetzentwurf bislang nur eine Stellungnahme ihres Sprechers Thomas Krüger zu hören, der das Gesetz ablehnte, weil alles "sehr eheähnlich formuliert" sei. Dies führe zu einer "Verwechselbarkeit" von Ehe und "eingetragenen Lebenspartnerschaften", obwohl das Papier des EKD-Rats dies noch als Indiz der starken Leitbildfunktion der Ehe angesehen hatte. Der Ratsvorsitzende, Präses Manfred Kock, hält sich bislang mit einer Stellungnahme zurück. Die Ankündigungen von CDU/CSU, gemeinsam mit den Kirchen eine Kampagne gegen die Gesetzesinitiative zu starten, hat er aber auch nicht dementiert.

Wolfgang Huber ist also nicht allein. Den ehemaligen SPD-Bundestagskandidaten stört es dabei offensichtlich nicht, wenn er immer wieder, wie schon im Falle LER (Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde) mit der CDU/CSU auf einer Linie schwimmt. Anscheinend stört ihn auch der offensichtliche Rückfall hinter die Positionen der EKD-Stellungnahme nicht, z. B. dort, wo er an der Option der privatrechtlichen Verträge festhält.

Über die Hintergründe dieses Festhaltens an der Diskriminierung kann nur spekuliert werden. Noch bei einem Treffen mit Berliner Theologieprofessoren vor zwei Jahren hat Huber gegen die Mehrheit der dort versammelten Hochschullehrer festgestellt, die Etablierung von eingetragenen Partnerschaften bedeute keine Nivellierung der Ehe, erzählen Teilnehmer. Das Gegenteil behauptet er heute.

Am wahrscheinlichsten sind es noch kirchenpolitische oder zumindest -taktische Überlegungen, die zum Umschwung geführt haben können. Stimmgewaltige biblizisitische Kreise stilisieren die Frage Homo-Ehe zu einem casus confessionis, an dem sich der wahre Glaube entscheidet. Dabei nimmt es die Kirchenleitung offensichtlich in Kauf, alle die Gruppen und Initiativen zu verprellen, die sich seit Jahren für ein Ende der Diskriminierung von Schwulen und Lesben in Kirche und Gesellschaft eingesetzt haben. Vielleicht verschätzen sich die Kirchenoberen bei dieser Kalkulation genauso wie die CDU/CSU, die erstaunt zur Kenntnis nehmen musste, dass eine gesellschaftliche Mehrheit die Gleichberechtigung der gleichgeschlechtlichen Liebe schon lange als überfällig ansieht.

Jenseits dieses pragmatischen Arguments sollten die Kirchenleitungen jedoch noch etwas anderes berücksichtigen. Dem gängigen theologischen Verständnis zufolge ist Sünde die Störung von Beziehungen. Wenn kirchliche Vertreter nun einen Gesetzentwurf bekämpfen, der "Verlässlichkeit und Verantwortung" in Beziehungen stärken will, müssen sie sich fragen lassen, inwiefern sie dies verantworten können.

Der Autor ist Theologe und arbeitet als Erziehungswissenschaftler an der Berliner Humboldt-Universität.