Gegenstand dieser Untersuchung sind die Lehrplanentwicklungen in den Fächern LER (Lebenskunde -Ethik-Religion) in Brandenburg und Sozialkunde in Thüringen.
- In einem
theoretischen Teil wird zuerst ein offener Begriff der „reflexiven
Transformation" im Gegensatz zum geschlossenen Begriff der „nachholenden
Modernisierung" entwickelt.
Sodann werden Kriterien zur Analyse der
Lehrplanentwicklung entfaltet. Sie sollen der Unterscheidung zwischen affirmativen
und reflektierenden Lernzielen dienen und werden auf ihre Bedeutung für die
politische Bildung und den wertbezogenen Unterricht hin ausgelegt.
- Im Anwendungsteil der Arbeit wird die Analyse der Lehrpläne durchgeführt. In
Exkursen werden weiterführende Hintergründe, die juristische Debatte und die
öffentliche Diskussion um LER erörtert. Abschließend werden beide
Lehrplanentwicklungen miteinander verglichen und die theoretischen Annahmen auf
ihre Leistungskraft hin befragt.
Der Autor will
durch die vorgestellten Methoden der bildungs- und erziehungstheoretischen
Lehrplananalyse auch dem Diskurs zwischen Allgemeiner Pädagogik und
Fachdidaktik neue Impulse geben. Die Arbeit schließt chronologisch und z.T.
inhaltlich an die Arbeit von Sigrid Biskupek „Transformationsprozesse in der
politischen Bildung", Schwalbach/Ts. 2002 an.
Dieses Buch ist
an Schnittstellen angesiedelt. Es soll zwischen den Schnittstellen, die
verschiedene Ebenen trennen, vermitteln, ohne sie miteinander zu vermischen.
Eine Schnittstelle
ist die zwischen Soziologie und Erziehungswissenschaft. Der soziologische
Transformationsdiskurs folgt meist dem Modell der „Nachholenden
Modernisierung". Wie aber muss der Transformationsbegriff bestimmt werden,
um Phänomene im Bereich der Pädagogik beschreiben zu können? Dazu stelle ich
sechs Thesen auf, die einen Begriff der reflexiven Transformation
konstituieren.
Eine Schnittstelle besteht zwischen dem Gebiet der Allgemeinen Pädagogik und
der Politikdidaktik. Die pädagogischen Subdisziplinen scheinen sich immer
weiter voneinander weg zu bewegen. Mit der Auslegung von 9 + 1 bildungs- und
erziehungstheoretischen Kriterien zur Unterscheidung affirmativer von
reflektierenden Lernzielnormierungen für den Bereich der politischen Bildung,
möchte ich zu einer Wiederbelebung des Gesprächs beitragen.
Eine weitere
Schnittstelle ist die zur Praxis. Die theoretischen Konzepte sollen auf die
Praxis, die Entwicklung von Lehrplänen, angewendet werden. Zum einen soll die
Lehrplanentwicklung mit dem Begriff der reflexiven Transformation und den
Kriterien sinnvoll beschrieben und reflektiert werden können. Zum anderen kann
die Anwendung zum Praxistest der angewandten Theoreme werden.
Eine Schnittstelle ist auch die von politischer Bildung und wertbezogenem
Unterricht. Der Lehrplan bildet die Grundlage dieses Vergleichs. Nebenher wird
der Diskussion um das brandenburgische Schulfach LER ein Fundament geliefert.
Die Rahmenpläne für das Fach wurden in der Debatte kaum zur Kenntnis genommen.
Insofern hier Pädagogen, Theologen, Politiker und Juristen (um nur einige zu
nennen) miteinander stritten, mag die Lehrplananalyse eine mögliche Basis der
Verständigung an einer Schnittstelle sein.
So sehr das Buch auf Verständigung zielt, so wenig sollen die Differenzen
verwischt werden. Vielmehr ist Verständigung nur da nötig und sinnvoll, wo
Unterschiede auch erkannt werden. Es ist meine Hoffnung, dass diese
Unterschiede so benannt sind, dass sie Verständigung ermöglichen und nicht
verhindern.
Diese
vielfältigen Schnittstellen haben den angenehmen Nebeneffekt, dies Buch
selektiv lesbar zu machen. Die Dicke des Buches muss niemanden abschrecken.
• Wer methodisch
an den Thesen zum reflexiven Transformationsbegriff interessiert ist, kann das
entsprechende Kapitel 2.1 und 5.4.1 lesen.
• Wer methodisch
an Kriterien zur bildungstheoretischen Lehrplananalyse interessiert ist, lese
Kapitel 2.2 und 5.4.2.
• Wer zusätzlich
zur Methode noch deren Anwendung exemplarisch studieren will, kann eine der
sechs Lehrplananalysen auswählen.
• Wer sich für
die Lehrplanentwicklung in Thüringens Sozialkunde interessiert, der lese die
ausführliche Analyse Kapitel 3 und die Zusammenfassung Kapitel 5.1.
• Wer sich für
die Lehrplanentwicklung in Brandenburgs LER interessiert, der lese die
ausführliche Analyse Kapitel 4 und die Zusammenfassung Kapitel 5.2.
• Wer einen
schnellen Überblick über die Lehrplanentwicklung in Thüringen und Brandenburg
im Vergleich erhalten will, lese Kapitel 5.1, 5.2 und 5.3.
• Auch die
Exkurse, so zur juristischen Debatte um LER (Kap. 4.2) und zur Debatte um die
Hinweise zum Unterricht in L-E-R (Kap. 4.3.4) sind je für sich lesbar.
Um einerseits
diese selektive Lesbarkeit zu ermöglichen, andererseits nicht in Wiederholungen
zu erstarren, sind in Fußnoten häufig Verweise auf je weiterführende und
erläuternde Kapitel und Fußnoten innerhalb des Buches angebracht.
Um die Lesbarkeit des Textes zu optimieren, sind längere Zitate kleiner
gesetzt. In Kästen und klein gesetzt sind Passagen, die exemplarischen
Charakter haben oder den Haupttext durch Nebengedanken erläutern und insofern
über die eigentliche Analyse hinausgehen. Ein Personenregister am Ende des
Buches soll die Arbeit zusätzlich erleichtern.