Henning Schluß: Lehrplanentwicklung in den neuen Ländern - Nachholende Modernisierung oder reflexive Transformation? Wochenschauverlag, Schwalbach/Ts. 2003, 357 S. ISBN 3-89974085-8, 29,80 €.

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Gegenstand dieser Untersuchung sind die Lehrplanentwicklungen in den Fächern LER (Lebenskunde -Ethik-Religion) in Brandenburg und Sozialkunde in Thüringen.

- In einem theoretischen Teil wird zuerst ein offener Begriff der „reflexiven Transformation" im Gegensatz zum geschlossenen Begriff der „nachholenden Modernisierung" entwickelt.

 Sodann werden Kriterien zur Analyse der Lehrplanentwicklung entfaltet. Sie sollen der Unterscheidung zwischen affirmativen und reflektierenden Lernzielen dienen und werden auf ihre Bedeutung für die politische Bildung und den wertbezogenen Unterricht hin ausgelegt.
- Im Anwendungsteil der Arbeit wird die Analyse der Lehrpläne durchgeführt. In Exkursen werden weiterführende Hintergründe, die juristische Debatte und die öffentliche Diskussion um LER erörtert. Abschließend werden beide Lehrplanentwicklungen miteinander verglichen und die theoretischen Annahmen auf ihre Leistungskraft hin befragt.

Der Autor will durch die vorgestellten Methoden der bildungs- und erziehungstheoretischen Lehrplananalyse auch dem Diskurs zwischen Allgemeiner Pädagogik und Fachdidaktik neue Impulse geben. Die Arbeit schließt chronologisch und z.T. inhaltlich an die Arbeit von Sigrid Biskupek „Transformationsprozesse in der politischen Bildung", Schwalbach/Ts. 2002 an.

 

Dieses Buch ist an Schnittstellen angesiedelt. Es soll zwischen den Schnittstellen, die verschiedene Ebenen trennen, vermitteln, ohne sie miteinander zu vermischen.

Eine Schnittstelle ist die zwischen Soziologie und Erziehungswissenschaft. Der soziologische Transformationsdiskurs folgt meist dem Modell der „Nachholenden Modernisierung". Wie aber muss der Transformationsbegriff bestimmt werden, um Phänomene im Bereich der Pädagogik beschreiben zu können? Dazu stelle ich sechs Thesen auf, die einen Begriff der reflexiven Transformation konstituieren.
Eine Schnittstelle besteht zwischen dem Gebiet der Allgemeinen Pädagogik und der Politikdidaktik. Die pädagogischen Subdisziplinen scheinen sich immer weiter voneinander weg zu bewegen. Mit der Auslegung von 9 + 1 bildungs- und erziehungstheoretischen Kriterien zur Unterscheidung affirmativer von reflektierenden Lernzielnormierungen für den Bereich der politischen Bildung, möchte ich zu einer Wiederbelebung des Gesprächs beitragen.

Eine weitere Schnittstelle ist die zur Praxis. Die theoretischen Konzepte sollen auf die Praxis, die Entwicklung von Lehrplänen, angewendet werden. Zum einen soll die Lehrplanentwicklung mit dem Begriff der reflexiven Transformation und den Kriterien sinnvoll beschrieben und reflektiert werden können. Zum anderen kann die Anwendung zum Praxistest der angewandten Theoreme werden.
Eine Schnittstelle ist auch die von politischer Bildung und wertbezogenem Unterricht. Der Lehrplan bildet die Grundlage dieses Vergleichs. Nebenher wird der Diskussion um das brandenburgische Schulfach LER ein Fundament geliefert. Die Rahmenpläne für das Fach wurden in der Debatte kaum zur Kenntnis genommen. Insofern hier Pädagogen, Theologen, Politiker und Juristen (um nur einige zu nennen) miteinander stritten, mag die Lehrplananalyse eine mögliche Basis der Verständigung an einer Schnittstelle sein.
So sehr das Buch auf Verständigung zielt, so wenig sollen die Differenzen verwischt werden. Vielmehr ist Verständigung nur da nötig und sinnvoll, wo Unterschiede auch erkannt werden. Es ist meine Hoffnung, dass diese Unterschiede so benannt sind, dass sie Verständigung ermöglichen und nicht verhindern.

Diese vielfältigen Schnittstellen haben den angenehmen Nebeneffekt, dies Buch selektiv lesbar zu machen. Die Dicke des Buches muss niemanden abschrecken.

• Wer methodisch an den Thesen zum reflexiven Transformationsbegriff interessiert ist, kann das entsprechende Kapitel 2.1 und 5.4.1 lesen.

• Wer methodisch an Kriterien zur bildungstheoretischen Lehrplananalyse interessiert ist, lese Kapitel 2.2 und 5.4.2.

• Wer zusätzlich zur Methode noch deren Anwendung exemplarisch studieren will, kann eine der sechs Lehrplananalysen auswählen.

• Wer sich für die Lehrplanentwicklung in Thüringens Sozialkunde interessiert, der lese die ausführliche Analyse Kapitel 3 und die Zusammenfassung Kapitel 5.1.

• Wer sich für die Lehrplanentwicklung in Brandenburgs LER interessiert, der lese die ausführliche Analyse Kapitel 4 und die Zusammenfassung Kapitel 5.2.

• Wer einen schnellen Überblick über die Lehrplanentwicklung in Thüringen und Brandenburg im Vergleich erhalten will, lese Kapitel 5.1, 5.2 und 5.3.

• Auch die Exkurse, so zur juristischen Debatte um LER (Kap. 4.2) und zur Debatte um die Hinweise zum Unterricht in L-E-R (Kap. 4.3.4) sind je für sich lesbar.

Um einerseits diese selektive Lesbarkeit zu ermöglichen, andererseits nicht in Wiederholungen zu erstarren, sind in Fußnoten häufig Verweise auf je weiterführende und erläuternde Kapitel und Fußnoten innerhalb des Buches angebracht.
Um die Lesbarkeit des Textes zu optimieren, sind längere Zitate kleiner gesetzt. In Kästen und klein gesetzt sind Passagen, die exemplarischen Charakter haben oder den Haupttext durch Nebengedanken erläutern und insofern über die eigentliche Analyse hinausgehen. Ein Personenregister am Ende des Buches soll die Arbeit zusätzlich erleichtern.