Schule in Wittenberg (Foto: AP)
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Auf dem Bildschirm laufen wackelige Schwarz-Weißbilder: eine
strenge Lehrerin vor ihrer mehr oder minder aufmerksamen Schulklasse. Der
Pädagoge Henning Schluß von der Humboldt-Universität führt stolz die
Aufzeichnungen vor, einen ungewöhnlichen Archiv-Fund: es handelt sich um
Video-Aufzeichnungen aus der DDR der siebziger Jahre, Mitschnitte, die
offenkundig in der realsozialistischen Lehrerausbildung entstanden und
Studenten in ihren Methodik-Seminaren vorgeführt wurden
Ein Kollege von mir hat die Bänder zugespielt bekommen,
angeblich . .
In einem Stahlschrank des einstigen fand sich das Material mit etwa
einhundert Stunden aufgezeichnetem Geschichtsunterricht: Offenkundig
mustergültige Auftritte von erfahren Pädagogen, aber auch jungen Hospitanten
in der Ausbildung. Die Lehrstunden, die in einem noch heute erhaltenen Saal
der Humboldt-Uni mitgeschnitten wurden, beginnen mit einschlägigem Gruß:
Freundschaft!
Mit jedem Satz beweist die energische Lehrerin im karierten Kleid, die hier
mit dreißig Zehntklässlern beispielhaft das heikle Thema Mauerbau behandelt,
ihren gefestigten Klassenstandpunkt – parteikonforme Ansichten, die ihre
Schüler selbstredend übernehmen sollen:
Wie kann man das einschätzen? Von Seiten der BRD
angegriffen worden.
Für Henning Schluß, der mittlerweile für die Stiftung Aufarbeitung an einem
Forschungsprojekt zu den ungewöhnlichen Überlieferungen der DDR-Pädagogik
arbeitet, liefern die noch nicht einmal alle gesichteten Filme sachdienliche
Hinweise über den DDR-Geschichtsunterricht – obgleich die jeweils
fünfundvierzigminütigen Aufzeichnungen vor Mikrophonen und sechs Kameras
natürlich den normalen Schulalltag sprengten:
Die Schüler sind vorbereitet. Die Lehrerin hat mit dem
Studienleiter Unterrichtskonzept abgesprochen, so dass es dem aktuellen
methodisch-didaktischen Stand entspricht. Nicht inszeniert sind die Schüler,
auch solche, die stören, Fingernägel reinigen.
Eventuelle Zweifel an der Authentizität des Unterrichts zerstreuen sich
spätestens zum Ende der Geschichtsstunde über den Mauerbau – das Murren der
Ostberliner Schüler über Notenvergabe und Hausaufgaben ist echt,
ideologiefrei und offenkundig zeitlos.
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