Kleine Zeitung: Soll Palästina als Staat anerkannt werden?

Kolumne. Pro & Contra. Die Bundesregierung bekennt sich zur Zweistaatenlösung in Nahost, sieht den Zeitpunkt für eine Anerkennung des Palästinenserstaates noch nicht gekommen. Zurecht? Was spricht für die Anerkennung, was dagegen. Politikwissenschaftler Heinz Gärtner und Psychoanalytiker Martin Engelberg im Streitgespräch.

Bruno Kreisky hat sich Ende der siebziger Jahre für eine Zwei-Staaten-Lösung eingesetzt. Er war wahrscheinlich auch der erste Staatsmann, der diese Frage vor die Vereinten Nationen gebracht hat. Er wusste, dass ein jüdischer Staat nur in Frieden leben kann, wenn auch die Palästinenser einen eigenen Staat aufbauen können. Israel lehnte damals, so wie heute, einen palästinensischen Staat ab. Ein palästinensisch verwalteter Staat würde bedeuten, dass sich Israel aus den seit 1967 besetzten oder kontrollierten Gebieten auf der Westbank, in Gaza mit Ostjerusalem als Hauptstadt zurückziehen müsste.

Im Jahr 2024 haben sich die weitaus meisten Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zu dieser Zwei-Staaten-Lösung bekannt. Drei Viertel von ihnen haben Palästina als unabhängigen Staat anerkannt. Ohne palästinensischen Staat gibt es natürlich keine Zwei-Staaten-Lösung. Ein wichtiger Schritt wäre, dass Palästina nicht nur Beobachterstatus in den Vereinten Nationen einnimmt, sondern Vollmitglied wird. Dazu wäre aber auch die Zustimmung der USA im Sicherheitsrat vonnöten, die die USA aber vom Einverständnis Israels abhängig machen. Eine Ein-Staatenlösung wird von Israel aber auch abgelehnt, weil Israel den beanspruchten jüdischen Charakter verlieren würde, wenn die Palästinenser die Mehrheit der Bevölkerung erreichen würden.

Die Versuche einiger arabischer Staaten mit Vermittlung der USA, Israel ohne die Rechte der Palästinenser anzuerkennen, wurde von der Hamas für den Terroranschlag auf Israel mit 1200 Toten ausgenützt. Die israelische Armee hat mit der Zerstörung eines Großteils des Gazastreifens reagiert, wodurch zwei Prozent der Bevölkerung ausgelöscht wurden. Mit diesem Krieg wird eine Zwei-Staaten-Lösung weiter erschwert. Aber nur diese kann verhindern, dass es nicht immer wieder zu Aufständen gegen die Besetzung kommt.

Ein wesentliches Hindernis für die Entstehung eines palästinensischen Staates ist die ständige Besiedelung der Westbank durch jüdische Einwanderer. Das Argument Israels lautet, dass diese nicht vertrieben werden könnten. Eine Aussiedlung kann aber mit einer kreativen Lösung vermieden werden: Ein Staat unter palästinensischer Verwaltung kann den jüdischen Siedlern einen Autonomiestatus einräumen, ähnlich des Südtirols.

Wird Palästina aber das Recht eines unabhängigen Staates verwehrt, wird die Zwei-Staaten-Lösung weiter aufgeschoben. Der Status quo verhindert nicht nur die Selbstbestimmung der Palästinenser, sondern gefährdet auch die Existenz eines jüdischen Staates. Je mehr Staaten einen Staat Palästina anerkennen, desto eher wird auch eine künftige israelische Regierung dieser Realität als für Israel beste Lösung zustimmen.

(Kleine Zeitung, 25. August 2024)