Von einem/r demokratischen Präsidenten/in wären sehr wohl Veränderungen in der Außenpolitik zu erwarten – Kommentar der anderen von Heinz Gärtner
Die US-Außenpolitik werde sich auch unter einem demokratischen US-Präsidenten nicht ändern, warnen derzeit Wahl-Kommentatoren. Eine Auffassung, die nicht nur demokratiepolitisch fahrlässig erscheint, sondern auch keiner Analyse standhält.
Es ist bei einigen Kommentatoren der US-Wahlen modisch geworden, jene enttäuschen zu wollen, die sich eine wesentliche Änderung der US-Außenpolitik unter einer demokratischen Präsidentschaft erwarten (wie etwa Joschka Fischer im STANDARD, 3. 2. 2008). Ihre Weltmachtrolle verpflichte die USA gewissermaßen zum Unilateralismus, wodurch auch die transatlantische Kluft nicht verringert werden würde. Dieser Ansicht widerspricht nicht nur eine konkrete Analyse der Orientierung der Präsidentschaftskandidaten, sondern missachtet ein Grundprinzip der Demokratie.
Demokratie gewährleistet nicht notwendigerweise richtige Entscheidungen oder Konsens, aber sie ermöglicht, Entscheidungen zu ändern, die zu ungewollten Konsequenzen geführt haben, wie Thomas Paine Ende des 18. Jahrhunderts treffend bemerkte. Wenn Wahlen keine Veränderungen mehr bringen, ist dieses Prinzip aufgehoben.
Diese Argumentation verwechselt auch eine möglicherweise existierende unipolare Position der USA in der Welt mit unilateralen Handlungen ihrer Regierung. Die Identifizierung von Unipolarität und Unilateralismus ist eine Momentaufnahme der Administration Bush. Selbst eine Hegemonialmacht kann multilateral handeln. Sie kann Entscheidungen in Kooperation mit anderen Staaten und in internationalen Institutionen treffen. Es gibt kein Gesetz, das vorschreibt, dass sie das allein tun muss. Natürlich wird sich kein Präsident der USA das Recht nehmen lassen, existenzielle Interessen auch ohne multilaterale Beschlüsse zu verteidigen.
Wer kann es Präsident Kennedy verdenken, dass er in der Kubakrise 1962 eigenständig dem Druck der Sowjetunion Widerstand geleistet hatte. Solche Fälle sind in der Regel die Ausnahme. Es ist ein Unterschied, ob ein Präsident unilateral handelt, wenn möglich, und multilateral nur, wenn nötig, wie der gegenwärtige, oder multilateral, wenn möglich, und unilateral nur, wenn unbedingt nötig. Welche Veränderungen in der Außenpolitik können wir also von einem/r demokratischen Präsidenten/in ab 2009 erwarten?
• Sowohl Obama als auch Clinton wollen von George W. Bush verweigerte direkte Gespräche mit Staaten, die von den USA als feindlich eingestuft werden (wie dem Iran) ohne Vorbehalt führen – Obama ohne, Clinton mit vorheriger Vermittlung. Der Abzug des Großteils der US-Truppen innerhalb eines Jahres wird im Gegensatz zu den Republikanern zumindest versprochen.
• Die demokratischen Kandidaten befürworten rechtlich verbindliche Rüstungskontrollverträge, die von Bush abgelehnt wurden. Das ist relevant für die Verlängerung des im Dezember 2009 auslaufenden START- Vertrages über die Begrenzung der Anzahl nuklearer Sprengköpfe. Clinton und Obama wollen auch den Vertrag über ein umfassendes Testverbot von Nuklearwaffen auf die Tagesordnung des Kongresses setzen und das Programm der Bush-Regierung über die Erneuerung nuklearer Sprengköpfe nicht unterstützen.
• In seiner Rede zur Nation Ende Jänner erwähnte Präsident Bush weder Europa noch die transatlantischen Beziehungen oder die Vereinten Nationen. Auch das multilaterale Abkommen über den Abbau der nordkoreanischen Nuklearanlagen vom Februar letzten Jahres, das von den immer noch einflussreichen Neokonservativen heftig bekämpft und vom Vizepräsidenten abgelehnt wird, wurde nicht mehr erwähnt. Aus den Stellungnahmen der demokratischen Kandidaten kann man entnehmen, dass sowohl die transatlantischen Beziehungen als auch die Vereinten Nationen und andere internationale Institutionen aufgewertet werden. Sie werden auch alles daran setzen, dass das Abkommen mit Nordkorea nicht gekippt wird.
Die von Kommentatoren geäußerte „Befürchtung“, dass eine demokratische Regierung von den Europäern mehr Verantwortung bei der Lösung von internationalen Krisen verlangen würde, ist eine eigenartige Warnung. Es ist ja gerade die Forderung nach mehr Multilateralismus, die eine solche internationale Verantwortung einschließt, die die EU und ihre Mitgliedstaaten in Afrika, Asien und anderswo bereits wahrnehmen. Sie können das mit zivilen oder militärischen Mitteln tun. Und auch der gegenwärtige Verteidigungsminister Gates zögert nicht, die europäischen Nato-Mitglieder zu kritisieren, weil sie nach Afghanistan zu wenig Kampftruppen anstelle von Wiederaufbaueinheiten schicken würden. Das Argument also, dass die US-Wahlen keine außenpolitischen Veränderungen bringen können, ist demokratiepolitisch bedenklich und analytisch falsch!
(DER STANDARD, Printausgabe, 5.2.2008)