Der Zusammenstoß der Standpunkte

„Wiener Zeitung“-Streitgespräch: Gerald Karner und Heinz Gärtner über Sinn und Unsinn der Eurofighter

  • Braucht Österreich Abfangjäger?
  • War der Kauf der Eurofighter richtig?
  • Was hat die Neutralität mit all dem zu tun?

„Wiener Zeitung“: Österreichs Parteien streiten seit Jahren erbittert über den Eurofighter-Kauf. Aus Sicht der
Sicherheitsexperten: War der Kauf richtig oder falsch?

Heinz Gärtner: Die Entscheidung für den Eurofighter war aus meiner Sicht aus zwei Gründen falsch. Zum einen hat sich das Bedrohungsbild dramatisch geändert. Es geht nicht mehr darum, eine eindringende Luftflotte abzuwehren, der kalte Krieg ist lange vorbei. Zum anderen existieren heute bereits Technologien für die Luftraumüberwachung, die den Eurofighter in fünf Jahren überholt erscheinen lassen.

Gerald Karner: Bis die kommen, dauert es nicht fünf Jahre, sondern Jahrzehnte. Österreich braucht eine aktive Komponente der Luftraumüberwachung, und das sind nun einmal Abfangjäger. Eine andere Frage ist, welcher Typ für Österreich am besten geeignet ist. Die Eurofighter sind eines der besten Modelle. Ich sehe weit und breit keine neue Technologie, die sie in fünf Jahren obsolet machen würde. Noch ein Satz zum Bedrohungsbild: Natürlich geht es nicht mehr um Luftkrieg im klassischen Sinn, aber sehr wohl um die Abwehr von subkonventionellen Gefährdungen wie Terroristen oder Kriminelle, die ein Flugzeug gekapert haben.

Gärtner: Ich bleibe dabei: Der Eurofighter ist ein Instrument des kalten Krieges. Man bereitet sich nicht mit alten Mitteln auf neue Bedrohungen vor. Die größte Gefahr für die Sicherheit sind failed states. Hier braucht man Truppen auf dem Boden, um Frieden zu schaffen und beim Wiederaufbau zu helfen. Es ist leider ein in der Geschichte häufig auftretendes Phänomen, dass man sich auf vergangene Bedrohungen militärisch vorbereitet. Im Jahr 1415 verloren die hochgerüsteten Franzosen in der Schlacht von Agincourt auch gegen suboptimal gerüstete Engländer und ihre Langbogen.

Karner: Ich fürchte, wir reden aneinander vorbei – und das kommt mir bekannt vor. Niemand bestreitet die Notwendigkeit von Troops on the Ground, aber man muss auf alle Möglichkeiten vorbereitet sein. Wir sprechen von 18 Eurofightern, die Schweiz wendet ein Vielfaches für ihre Luftraumsicherung auf. Alle Länder tun das, nur Österreich glaubt, es geht auch ohne. Übrigens war für die Niederlage der Franzosen eine falsche Geländewahl und Angriffstaktik ausschlaggebend, mit der Rüstung hatte das wenig zu tun.

Gärtner: Dass die Militärs sich auf alle Eventualitäten vorbereiten wollen, verstehe ich ja, nur geht das mit dem österreichischen Verteidigungsbudget nicht. Deshalb müssen wir Prioritäten setzen, und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Österreicher durch einen Terroranschlag aus der Luft umkommt, ist geringer als durch einen Meteoriteneinschlag. Deshalb würde ich mich auch nicht gegen einen Meteoriteneinschlag versichern, die Republik tut das durch den Kauf der Eurofighter aber sehr wohl.

Herr Gärtner, Sie haben von neuen Technologien gesprochen, die in fünf Jahren Abfangjäger obsolet machen. Was meinen Sie damit?

Gärtner: Es gibt neue Entwicklungen bei unbemannten Drohnen, die alles können, um eine Luftraumüberwachung durchzuführen. Österreich hätte abwarten sollen. Hinzu kommt, dass es durch Kriminalität im Cyber-Space und durch Hacker ganz neue Gefahren für die Bürger gibt. Hier sind Eurofighter sinnlos.

Karner: Man darf nicht einzelne Bedrohungen gegeneinander ausspielen. Natürlich muss man sich gegen die Gefahren im Cyber-Space wappnen, aber das kann doch nicht dazu führen, die Bedrohungen aus der Luft zu ignorieren. Österreich ist zur Sicherung seines Luftraums verpflichtet – und dazu sind Abfangjäger nun einmal die einzige Möglichkeit. Unbemannte Drohnen werden erst in 20, 25 Jahren eine Alternative sein. Die werden dann aber mit Sicherheit nicht billiger sein, im Gegenteil sogar!

Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Neutralität und den Abfangjägern?

Karner: Dass Österreich ein neutraler Staat ist, hat mit dem Kauf der Eurofighter nichts zu tun. Hier geht es um die Verpflichtungen, die wir allein schon gegenüber unseren Nachbarn haben und die sich darauf verlassen, dass wir unseren Luftraum schützen.

Gärtner: Was die Neutralität angeht, stimme ich Ihnen zu, nur sollte man sich eben nicht auf Bedrohungen vorbereiten, die äußerst unwahrscheinlich sind.

Karner: Es gibt rund 40 Fälle pro Jahr, wo tatsächlich ein Abfangjäger notwendig ist. Was wollen sie in diesen Fällen tun?

Gärtner: Wir haben ja noch die Saab 105, die ist dafür völlig ausreichend.

Karner: Die fliegen allerdings langsamer als ein Verkehrsflugzeug.

Gärtner: Es geht aber nicht um einen Wettbewerb, wer schneller fliegt.

Aber irgendwer muss doch für Sicherheit in der Luft sorgen – wenn nicht Österreich, dann zumindest die EU.

Gärtner: Es geht um Prioritäten. Für die EU heißt das Wiederaufbauhilfe und Stabilisierung auf dem Balkan, in Nordafrika und im Mittleren Osten. Dazu muss man sich zusammenschließen und auf Nischen konzentrieren. Österreich sollte sich auf Auslandseinsätze konzentrieren, und dazu braucht es Transport- und Kommunikationskapazitäten. Das wünscht sich übrigens auch die EU von uns.

Karner: Hier wird viel mit verlogenen Argumenten argumentiert. Man unterstellt immer, dass es durch Vergemeinschaftung billiger wird, aber das ist ein Irrtum. Die Aufteilung erfolgt hier analog zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Österreich wird dann wesentlich mehr Mittel zur Verfügung stellen müssen, als es derzeit für seine Sicherheit ausgibt. Hinzu kommt, dass die Diskussion über eine gemeinsame EU-Sicherheitspolitik der Realität um 20 Jahre voraus ist. Das entbindet uns aber nicht, für das Hier und Heute die Aufgaben zu erledigen.

In Sonntagsreden streichen Politiker immer die ausgeprägte Konsenskultur des Landes hervor. Warum tut sich Österreich aber so schwer, in der Sicherheitspolitik Konsens herzustellen?

Gärtner: Weil es im Fall der Eurofighter eben keine Diskussion gegeben hat.

Karner: Herr Professor, Österreich diskutiert seit den frühen Achtzigern über Abfangjäger.

Gärtner: Damals war aber noch der kalte Krieg.

Karner: Auch die Bundesheer-Reformkommission empfiehlt, weiterhin den Schutz des Luftraumes zu gewährleisten . . .

Gärtner: So wie im Neutralitätsgesetz auch geht es hier aber um die Verhältnismäßigkeit . . .

Karner: Die herrschende völkerrechtliche Interpretation richtet sich aber nach der Zumutbarkeit der Aufwendungen – und Österreich ist sehr wohlhabend. Aber weg von diesem Detail: Ich halte es grundsätzlich für problematisch, dass Politiker und ihre Berater zunehmend die Realität verweigern. Das ist sehr bedrohlich, damit stellen wir uns außerhalb der internationalen Normen. Die Schweizer mit ihren 80 Abfangjägern wären dann ja dumm.

Gärtner: Die Frage ist, ob wir die Fehler anderer Länder wiederholen müssen.

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