Reader
zur Lehrveranstaltung
"Übergang zur Elternschaft II"
(Schwerpunkt: Väter)
(604 585, anrechenbar als iD 2305)

Sommersemester 1997
(Blockveranstaltung vom 23. und 24. Mai 1997)

Lehrveranstaltungsleiter und Herausgeber
Univ.-Lektor Mag. Dr. Harald WERNECK

Abteilung für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie
des
Instituts für Psychologie der Universität Wien

Wien, Juni 1997


 
 

Vorwort

Der vorliegende Reader beinhaltet die gesammelten schriftlichen Berichte, die von Studierenden im Rahmen der Lehrveranstaltung "Übergang zur Elternschaft II" (am Institut für Psychologie der Universität Wien) verfaßt wurden.

Behandelt wird dabei schwerpunktmäßig die Situation von Vätern während bzw. nach der Phase des Übergangs zur Vaterschaft, aus individueller, biographischer und aus familien-entwicklungspsychologischer Perspektive sowie schließlich auch im Kontext der aktuellen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für (werdende) Väter.

Aufgrund der Verwobenheit der Thematik lassen sich gewisse Überschneidungen zwischen den einzelnen Beiträgen kaum vermeiden, wobei unterschiedliche Zugangsweisen zu denselben Themenbereichen das gedankliche Spektrum aber durchaus auch erweitern können.

Die Berichte wurden nahezu unverändert (von den jeweiligen Diskettenversionen) übernommen - abgesehen von gewissen Veränderungen im Layout bzw. Korrekturen, betreffend die Rechtschreibung.

Auf eine inhaltliche Überarbeitung bzw. eine komplette Vereinheitlichung des Layouts, aber auch beispielsweise der Literaturverzeichnisse mußte aus Zeitgründen verzichtet werden.

Die inhaltliche Verantwortung bleibt dementsprechend bei den einzelnen Autorinnen bzw. dem Autor.

Dieser Reader versteht sich in erster Linie als Service für die Teilnehmenden an der ihm zugrundeliegenden Lehrveranstaltung, aber auch als Basisinformation bzw. Anregung für (aus verschiedenen Gründen) am Thema Interessierte.

Wien, Juni 1997 Univ.-Lektor Mag. Dr. Harald Werneck

INHALTSVERZEICHNIS
 

  1. Geschichte der Väterforschung (Iris Wunderer)
  2. Vaterbilder und Vaterollen (Margit Schießer)
  3. Theorien zur Vater-Kind-Beziehung (Claudia Zahel)
  4. Entwicklung der Vater-Kind-Bindung (Maria Haidvogl)
  5. Einfluß des Vaters auf die kindliche Entwicklung (Christine Gruber)
  6. Auswirkungen von Vaterabwesenheit (Severine Schönach)
  7. Tierexperimentelle Untersuchungen (Alexander Couroupis)
  8. Interkulturelle Untersuchungen (Sandra Szymonik)
  9. Rolle des Vaters während Schwangerschaft und Geburt (Bettina Schuster)
  10. Übergang zur Vaterschaft und Partnerschaftsqualität (Christine Arzt)
  11. Belastungsaspekte und Gratifikationen beim Übergang zur Vaterschaft (Iris Moser)
  12. Beteiligung des Vaters an der Kleinkindpflege (Julia Burger)
  13. Väter in Karenz (Alexandra Granzer)
  14. Väter zwischen Beruf, Familie und Freizeit (Andrea Heider)
  15. Neue Väter? (Annelies Gollia)

 
 

Inhaltsverzeichnis
 
 

1) Geschichte der Väterforschung (Iris Wunderer)
 
 

EINLEITUNG

Angesichts dessen, daß man frühestens seit den siebziger Jahren von einer Vater - Forschung im eigentlichen Sinn sprechen kann, stößt der Versuch einer geschichtlichen Rekonstruktion der Vater - Kind - Beziehung vor allem auf das Problem des Mangels an Quellen und Informationen über die Vaterrolle.

Dennoch stellt die vorliegende Arbeit einen Ausschnitt des Versuchs dar, die Entwicklung der Vater - Kind - Forschung aufzuzeichnen.
 
 

HAUPTTEIL

1. Probleme einer geschichtlichen Rekonstruktion der Vater - Kind - Beziehung

Bis Anfang der siebziger Jahre fanden sich in der psychologischen Literatur kaum Beiträge, die sich mit der Rolle des Vaters in der Entwicklung des Kindes und mit der frühen Vater - Kind Beziehung befaßten, wobei für diese wissenschaftliche Abstinenz gegenüber dem Vater unterschiedliche Gründe genannt werden.

Eine historische Darstellung der Vater - Kind - Beziehung scheitert an einem Mangel an validem Quellenmaterial.

Ansatzweise sind in der Sozial- und Familiengeschichte Hinweise über die Vaterrolle zu finden, neben weiteren Quellen wie königlichen Verordnungen, Heiratsverträgen, Gerichtsprotokollen- und -urteilen, Erbschaftsregelungen, Portraits und Familiengemälden, Daten aus Volkszählungen, Steueraufzeichnungen, Kirchenregistern und medizinisch - geographischen Untersuchungen, sowie Memoiren, Biographien, Tagebüchern und diversen literarischen Zeugnissen.

Abgesehen davon, daß sich keine dieser Quellen ausführlich mit der Position der Männer als Väter beschäftigt, sondern diese Position höchstens Erwähnung findet, fehlt es vor allem an Informationen über Väter in unteren sozialen Schichten.

Ein entscheidender Mangel dieser Quellen ist nämlich, daß sie meistens nur Zeugnis über die Verhältnisse in den oberen sozialen Schichten ablegen, und dies umso mehr, je weiter man in der Geschichte zurückgeht.

Eine unvollständige Darstellung der Geschichte der Kindheit ist dadurch begründet, daß sich Abhandlungen meist nur mit einzelnen Aspekten der Eltern - Kind - Beziehung beschäftigten (zum Beispiel Kindesmißhandlung,...).

In diesem Zusammenhang sind Autoren wie Payne, Taylor, Bossard, Weber-Keller, vor allem aber Philippe Ariès und Lloyd de Mause.

Arìes Werk "L´enfant et la familiale sous l´ancien régime (deutscher Titel: "Geschichte der Kindheit") und das Buch von de Mause "The History of Childhood" (deutscher Titel: "Hört ihr die Kinder weinen - eine psychogenetische Geschichte der Kindheit") eröffnen einer breiteren Öffentlichkeit einen Zugang zum Thema Geschichte der Kindheit.

Allerdings sind diese beiden Werke in ihrer Konzeption so verschieden wie ihre Ergebnisse einander widersprechen.

Ariès geht davon aus, daß das Kind in der traditionellen Gesellschaft glücklich gewesen sei.

Das Kind hatte die Freiheit mit Mitgliedern verschiedener Klassen und Altersstufen zu interagieren, da es den Begriff der "Kindheit" im Mittelalter nicht gab.

Mit der Konsolidierung des Einzelstaates im 15/16. Jahrhundert erfolgten die Auflösung

der Stammes- und Geschichtsverbände sowie die Etablierung der Familie.

Erst in dieser Zeit wurde die Kindheit als "eigenständige Periode" erfunden.

Immer mehr war - vorerst freilich nur die bürgerliche Familie um das Kind zentriert.

Ariès vertritt die Meinung, daß dadurch Freundschaft und Geselligkeit zerstört, und Kindern ihre Freiheit genommen worden sei.

Allerdings sei ab dieser Zeit aber auch eine zunehmende affektive Verbundenheit zwischen Eltern und Kindern zu beobachten gewesen.

De Mause unternimmt mit seinem Buch "History of Childhood" den Versuch einer "psychogenetischen" Interpretation der Geschichte der Kindheit.

Er geht von einer umfassenden Theorie des historischen Wandels aus, für den "..psychogene Veränderungen der Persönlichkeit- und Charakterstruktur" verantwortlich seien, "die sich aufgrund der Generationenfolge der Interaktionen zwischen Eltern und Kindern ergeben" (de Mause, 1977, s.14).

Aufgrund neuerer Forschungserkenntnisse weiß man, daß ökologische und ökonomische Faktoren als Einflußgrößen auf die Gestaltung der Eltern - Kind - Beziehungen während der ohnehin sehr unterschiedlichen Epochen mitberücksichtigt werden müssen.

Im Gegensatz zu Ariès postuliert de Mause, daß die Geschichte der Kindheit durch eine zunehmende Verbesserung der Kinderfürsorge gekennzeichnet sei, und er behauptet, daß "je weiter man in der Geschichte zurückgeht, die Eltern immer weniger in der Lage sind, den sich entwickelnden Bedürfnissen der Kinder zu entsprechen." (a.a.O., S.15).

De Mause entwickelte ein sequentielles "Sechs-Stufen-Modell" für den Versuch einer historischen Analyse der Formen der Eltern - Kind - Beziehung.

1. Allgemeine soziale Akzeptanz des Kindermordes (von der Antike bis zum 4. Jh. n. Chr.)

2. Weggabe von Kindern, z.B. an Säugammen, Klöster oder als Diener in andere Familien (vom 4. bis zum 13.Jh.)

3. Ambivalenz in der Einstellung zu Kindern (vom 14. bis zum 17.Jh.)

4. Intrusion, d.h. ein Bemühen der Eltern, sich in die Denk- und Erlebnisweise ihres Kindes zu versetzen und seine Bedürfnisse zu entdecken (18.Jh.)

5. Sozialisation (19. bis Mitte des 20.Jh.)

6. Unterstützung (ab Mitte des 20.Jh.)

Die Überbetonung psychonanalytischen Gedankenguts verweist auf die Grenze dieser evolutionistisch - psychogenetischen Theorie.

Kritik an den Theorien von de Mause und Ariès üben Hareven und Poster, sowie Scott oder Tilly.

Die beiden wichtigsten Kritikpunkte sind:

Die geschichtliche Rekonstruktion der Vater - Kind - Beziehung erweist sich also aufgrund des Mangels an einem validen Konzept für eine Beschreibung des Phänomens "Kindheithistorischen Kontext" als sehr schwierig.
 
 

2. Wandel der Eltern - Kind - Beziehung im Laufe der Geschichte

Das Studium der Geschichte der Kindheit belegt, daß sie - aus heutiger Sicht - voller Grausamkeiten für Kleinkinder und Jugendliche war: Kindesmord, Kindesaussetzung, sexueller Mißbrauch, Weggabe von Kindern, Kindesmißhandlung, Kinderarbeit sind in den Beschreibungen vieler Autoren vorherrschend.

So war zum Beispiel die Kindestötung bis ins Mittelalter bei legitimen Kindern normal, und wurde bei illegitimen Kindern bis ins 19. Jahrhundert akzeptiert.

In der griechischen Antike und im Römischen Reich waren päderastische Heiraten und Flitterwochen üblich. Kinder wurden von älteren Männern sexuell mißbraucht.

Aus heutiger Sicht sind solche Praktiken völlig unverständlich.

Diese Tatsache zeigt, daß das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern also von keiner Natur vorgegeben, sondern jeweils von materiellen und kulturellen Bedingungen geprägt ist.
 
 

2.1. Zurückdrängen patriarchalischer Besitzansprüche an das Kind

Beispiele in Laufe der Geschichte:

HEBRÄER:

Die frühe hebräische Kultur ist eine Agrarkultur.

Charakteristisch ist das Patriarchal. Das heißt, der Vater steht der gesamten Familie als Oberhaupt vor. Ihm unterliegt die Kontrolle sämtlicher Entscheidungen, die Auswahl der Ehepartner seiner Kinder, usw.

Die Autorität des Vater kommt im jüdischen Gottesbild zum Ausdruck.

RÖMER:

Auch für die Römer stellt das Patriarchal die Grundlage familiären Zusammenlebens dar.

Die Söhne können erst dann eine eigene Familie gründen bis der Vater stirbt.

Weiterhin wird die Vater - Kind - Beziehung als Sachbesitz interpretiert.

"Patrias Potestas"(absolute väterliche Gewalt): Recht auf körperliche Züchtigung, Macht über Leben und Tod der Kinder.

Allerdings führt der verfügbare Reichtum dazu, daß Frauen und Söhne unabhängige Machtquellen finden können.

Das führt zum Zusammenbruch der Struktur und in weiterer Folge zu einer langsamen Entwicklung einer Erziehungsideologie.
 
 

2.2. Zunehmend größer werdende Bedeutung mütterlicher Versorgung und Fürsorge auch in der Gesetzgebung

Zwischen dem 8. und 9. Jahrhundert nach Christus taucht das Idealbild der liebevollen Mutter auf, welches aber noch nicht allgemein verbindlich ist.

Noch im 12. Jahrhundert ist der Verkauf von Kindern üblich.

Nach dem Mittelalter, in dem die Väter etwas an ihrer Autonomie verloren haben, nimmt ihr Einfluß zwischen 1500 und 1700 wieder zu.

Ein tiefgreifender Wandel vollzieht sich in der Renaissance und mit Beginn der Neuzeit.

Eine Art "Privates Familiengefühl entsteht".

Die Familie wird von da an nicht nur mehr als eine Hausgemeinschaft verstanden, sondern eher als eine Gemeinschaft zwischen Eltern und ihren unselbständigen Kindern.

Allmählich wird die Beschäftigung der Mutter mit dem eigenen Kind gesellschaftlich positiv bewertet.

Allerdings bietet die Auffassung, daß Kinder von Natur aus schlecht sind und einen sündhaften Charakter haben, immer noch eine Grundlage für die elterliche Autorität und die Legitimation für Disziplinierungsmaßnahmen.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erschien eine Flut von Büchern zur Kinderaufzucht, was zu einem zunehmenden Interesse um das körperliche Wohlergehen der Säuglinge führte.

Aussetzungen kamen seltener vor, die Kindersterblichkeit ging langsam zurück.

Der beständige Wandel der Eltern - Kind - Beziehung im Laufe der Geschichte läßt 3 Hauptströmungen deutlich werden.

  1. Zurückdrängung patriarchalischer Besitzansprüche
  2. Zunehmend größer werdende Bedeutung mütterlicher Versorgung und Fürsorge auch in der Gesetzgebung, und schließlich
  3. Verankerung von Kindesinteressen in der Rechtsprechung.
Die ersten beiden Punkte wurden bereits genauer behandelt.

Der dritte Punkt soll anhand von England als Beispiel erläutert werden.
 
 

2.3. Verankerung von Kindesinteressen in der Rechtsprechung

In der Folge werden einige wichtige Gesetzesänderungen genannt.

Das Konzept der absoluten väterlichen Gewalt charakterisiert die Vaterrolle in England bis ins 14.Jh.

Noch im 18.Jh. ist das Erziehungsrecht des Vaters grenzenlos, das Kind wird als Eigentum betrachtet.

Bis ins 19. Jh. ist die Erhaltung und der Besitz von Eigentum ein Privileg der Männer.

1839 wird das "Justice of Talford act" verabschiedet, das beiden Elternteilen das gleiche Recht in der elterlichen Sorge zuspricht.

Zugleich gibt das "Infants Custody Act" der Mutter die Möglichkeit, das Sorgerecht für Kinder unter sieben Jahren zu erhalten.

Wichtig ist es anzumerken, daß das Sorgerecht weiterhin im Rahmen des Eigentumsrechts verhandelt wird.

Schließlich führen Urbanisierung und Industrialisierung mit diesem Jahrhundert zu einem Einstellungswechsel.

Vor allem führen ökonomische Notwendigkeiten zu einer Postulierung des "mütterlichen Instinkts" und zu einer Glorifizierung der Mutterschaft.

Durch das "Custody for Infants Acts" von 1874 wird bei Entscheidungen in Sorgerechtsfällen, die Kinder unter 16 Jahren betreffen, der Mutter die Priorität eingeräumt.

Schließlich gilt mit der Verabschiedung des "Guardian of Infants Act" 1885 (in Deutschland bekannt als der Begriff "Kindswohl") der Sorgerechtsanspruch der Mutter auf Kinder unter 21 Jahren.

Es wurde festgelegt, daß die Interessen der Kinder Priorität besitzen, und daß kein Elternteil von vornherein eine bevorzugte Position in Sorgerechtsentscheidungen innehaben soll.

Als Ende des 17. Jahrhunderts erste Ansätze einer tiefgreifenden Infragestellung der alten Rollenmuster zu bemerken war, waren es in erster Linie die Frauen, die diesen Prozeß in Gang setzten.

"Der Widerstand und die Spötteleien, die man ihnen entgegensetzte, lassen auf ihren Einfluß schließen."(Badinter, XY, 25.)

Sie schlugen feministische Lösungen für ihre eigene Emanzipation vor, die zur Umkehrung traditionell gesellschaftlicher Werte führte.

Das neue Frauenideal beinhaltete die Möglichkeit zum sozialen Aufstieg, das Recht auf Wissen und einen Angriff auf das Kernstück der"phallokratischen Gesellschaft": die Ehe.
 
 

3. Entwicklung der Eltern - Kind - Beziehung im 20. Jahrhundert

Die Entwicklung der Vater - Kind - Beziehung im 20.Jahrhundert läßt sich nur vor dem Hintergrund gesamtgesellschaftlicher Veränderungen verstehen.

Abgesehen von Veränderungen der Arbeitszeit und damit der Freizeit oder dem Einfluß gesellschaftlicher Teilgruppen und Institutionen sind vor allem folgende Faktoren für gesamtgesellschaftliche Veränderungen beziehungsweise in weiterer Folge für Veränderungen der Vater - Kind - Beziehungen in unserer Zeit relevant:

4. Entwicklung der Vater - Kind - Forschung

Bis Anfang der siebziger Jahre fanden sich in der psychologischen Literatur kaum Beiträge, die sich mit der Rolle des Vaters in der Entwicklung des Kindes und mit der frühen Vater - Kind - Beziehung befaßten.

Seit Mitte der siebziger Jahre allerdings ist die Vaterforschung von einer wachsenden Zahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen in angloamerikanischen Sprachen, seit Ende der siebziger Jahre auch im deutschen Sprachraum gekennzeichnet.

Aus den für die Bundesrepublik Deutschland bisher vorliegenden Befunden läßt sich erkennen, daß sich im Laufe der letzten Jahre ein gewisser Einstellungswandel im Rollenverständnis von Männern bzw. Vätern anbahnt.

Die veränderte Vaterrolle findet vor allem hinsichtlich der ersten Lebensjahre des Kindes Beachtung.

Darüber hinaus rückt in neueren Arbeiten die Bedeutung des emotionalen Beziehungsverhältnisses stärker in den Mittelpunkt.

Wurde ehemals das Verhalten des Vaters primär unter kognitiven Aspekten und bezüglich seiner Bedeutung als Modell - bzw. Identifikationsfigur gesehen, so werden nunmehr explizit Sensitivität und Empathie als basale Variable berücksichtigt.

Eine eigenständige und entsprechend koordinierte Vaterforschung ist im deutschsprachigen Raum noch kaum zu erkennen.

Es liegen einerseits zwar eine Vielzahl deskriptiver Informationen zur Vater - Kind - Beziehung vor, andererseits aber bedarf es noch dringend einer systematischen Forschung auf diesem Gebiet.
 
 

("Persönliche") ZUSAMMENFASSUNG

Eine Arbeit über die Geschichte der Väter - Forschung zu schreiben, erschien mir auf den ersten Blick als eine interessante, herausfordernde Aufgabe.

Auf den zweiten Blick sah ich mich vor ein scheinbar unlösbares Problem gestellt.

Ich sollte einen Bericht über die Geschichte einer Forschung schreiben, die es im eigentlichen Sinne gar nicht gibt – die Geschichte der Väter-Forschung, fast schon ein Widerspruch in sich.

Nach dem genaueren Betrachten des von mir gewählten Themas konnte ich dann auf beruhigende Weise feststellen, daß es zwar die Geschichte einer systematischen Väter-Forschung nicht gibt, und somit auch von mir nicht berichtet werden kann, daß sich allerdings seit den siebziger Jahren zahlreiche Beiträge in der psychologischen Literatur mit der Rolle des Vaters in der Entwicklung des Kindes und mit der frühen Vater - Kind - Beziehung befaßten, die mit einigem Katalogisiergeschick durchaus System erkennen lassen. Die Väter - Forschung existiert also doch, und es ist nur eine Frage der Zeit, ab wann man auch von einer Geschichte der Väter - Forschung sprechen kann.

Somit ist diese Geschichte im Augenblick noch eine sehr kurze Geschichte, allerdings lassen zahlreiche Beiträge der letzten Jahre, und ständig wachsende Anzahl an Interessenten zu diesem Thema darauf hoffen, daß in wenigen Jahren von -- DER GESCHICHTE -- der Väter - Forschung berichtet werden wird können, und auch einem perfektionistischen Bedürfnis nach formaler Exaktheit des Titels, Rechnung getragen werden wird können.

Eine historische Darstellung der Vater - Kind - Beziehung scheitert also an einem Mangel an validem Quellenmaterial.

Ansatzweise sind in der Sozial- und Familiengeschichte Hinweise über die Vaterrolle zu finden, aber meist legen diese Quellen nur Zeugnis über die Verhältnisse in den oberen sozialen Schichten ab.

Heute weiß man, daß ökologische und ökonomische Faktoren als Einflußgrößen auf die Gestaltung der Eltern - Kind - Beziehungen während der sehr unterschiedlichen Epochen mitberücksichtigt werden müssen.

Das Studium der Geschichte der Kindheit belegt, daß sie - aus heutiger Sicht - voller Grausamkeiten für Kleinkinder und Jugendliche war.

Die Geschichte der Kindheit ist vom Zurückdrängen patriarchalischer Besitzansprüche an das Kind einerseits, und von zunehmend größer werdender Bedeutung mütterlicher Versorgung und Fürsorge - auch in der Gesetzgebung - andererseits, gekennzeichnet.

Abgesehen davon wurden die Kindesinteressen zunehmend in der Rechtsprechung verankert.

In unserem Jahrhundert sind Faktoren wie die Frauenbewegung, Geburtenkontrolle und Familienplanung, neue soziale Einstellung zum Kind, usw. für gesamtgesellschaftliche Veränderungen, bzw. für Veränderungen der Vater - Kind Beziehungen relevant.

Seit Mitte der siebziger Jahre ist die Vaterforschung von einer wachsenden Zahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen in angloamerikanischen Sprachen, seit Ende der siebziger Jahre auch im deutschen Sprachraum gekennzeichnet, wobei vor allem in neueren Arbeiten die Bedeutung des emotionalen Beziehungsverhältnisses stärker in den Mittelpunkt rückt.
 
 

LITERATURVERZEICHNIS
 
 

Fthenakis, W. E. (1988a). Väter. Zur Psychologie der Vater-Kind-Beziehung (Bd.1). München: Deutscher Taschenbuch Verlag.

Nickel, H. & Köcher, E. M. T. (1986). Väter von Säuglingen und Kleinkindern. Zum Rollenwandel in der Bundesrepublik Deutschland. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 33, 171 - 184

Wilk, L. (1995). Familien in Österreich - gestern und heute. In Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten (Hrsg.), Familie und Arbeitswelt (S. 13-34). Wien: Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten.

Zulehner, P. (1994). Österreichs Männer unterwegs zum neuen Mann ?. Wie Österreichs Männer sich selbst sehen und wie die Frauen sie einschätzen. Wien: Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie.
 
 
 
 

Inhaltsverzeichnis   2) Vaterbilder und Vaterollen (Margit Schießer)   1. EINLEITUNG:

Es ist unumstritten, daß sich das Kind am besten in einer vollständigen Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Geschwister entwickeln kann. Diese Arbeit beschreibt die verschiedenen Definitionen des Vaters, gibt an, welche Aufgaben und Funktionen er hat und wie sich die Vaterrolle im Laufe der Zeit verändert hat.
 
 

2. DEFINITIONEN UND BEDEUTUNGEN DES

"VATER - BEGRIFFES"
 
 

2.1 Linguistisch:

Das deutsche Wort "VATER" kommt aus dem lateinischen "PATER" und bedeutet der Erzeuger eines Kindes und Inhaber der "väterlichen Gewalt".

Mittlerweile ist die "väterliche Gewalt" anstelle der "elterlichen Sorgepflicht" gewichen.

Laut Wörterbuch der deutschen Sprache wird "VATER" als Erzeuger eines Kindes, als Familienoberhaupt und Ernährer oder auch als Beschützer von Obdachlosen und Waisen erklärt.

Ebenso werden Ordenspriester, Geistliche und ältere Männer Vater genannt.

Der Begriff "Vater" ist auch im Bergbau zu finden. Dort bedeutet er so viel wie "Fundort". In der Elektrobranche gibt es für Steckverbindungen die Bezeichnung "Mutterteil" und "Vaterteil".
 
 

2.2 Juristisch

Im bürgerlichen Gesetzbuch (§1591 ff.) taucht der Vater nur in seiner Rolle als Erzeuger auf.

In Zweifelsfällen wird der "Ist-Vater" und der "Gilt-Vater" angeführt. Für beide gelten dieselben Rechte und Pflichten.
 
 

2.3 Soziologisch:

Die Aufgabe der Familie ist es, dem Kind die gesellschaftliche Kultur vertraut zu machen.

Unter einer "Kernfamilie" versteht man eine Gruppe, die sich aus Vater, Mutter und Kind zusammensetzt. Voraussetzung für das gemeinsame Erfüllen von Familienaufgaben ist die gemeinsame Wohnung und die gemeinsam verbrachte Zeit.

Die Funktion des Vaters innerhalb der Familie ist eine "soziale Erfindung des Menschen". Sie ist keine biologische Notwendigkeit, denn ein "Vatertrieb" konnte bis jetzt noch nicht nachgewiesen werden (zitiert nach Canitz, 1982, Väter. S.25).
 
 

2.4 Psychologisch:

"Väterlichkeit" wird hier als geistige Qualität bezeichnet. Die Psychologie unterscheidet

zwischen dem "sozialen" und dem "eigentlichen Selbst". Jeder Mensch ist als einzigartiges Individuum zu sehen, dessen Entwicklung nicht nur von seiner Umwelt abhängt.

Die Psychologie sieht die Vaterrolle nicht nur als soziale Prägung, sie zählt auch die persönliche Struktur und den persönlichen Reifegrad als ein wesentliches Element dazu.

Die Vaterrolle ist im Gegensatz zur Geschwisterrolle zeitlich begrenzt, aber sie ist langandauernd. Sie wird erst innerhalb der Familie wirksam.
 
 

3. AUFGABEN UND FUNKTIONEN DES VATERS

Bisher sprach man von vier klassischen Vaterfunktionen: dem Vater als Erzeuger, als Ernährer, als Beschützer und als Erzieher. In letzter Zeit sind weitere zwei Funktionen hinzu gekommen: der Vater in seiner Freizeitrolle und der Vater als "Identifikationsobjekt".
 
 

3.1 Der Vater als Erzeuger:

Im Gattungswesen bekommt die Frau die Gestalt der Mutter. Der Mann jedoch wird erst über die Familie zum Vater und kann über diese seine Vaterrolle ausüben. Das bedeutet, daß in ihm nur der Erzeuger, nicht aber der Vater vorgeprägt ist.

Welche Bedeutung nimmt die Funktion des Vaters als Erzeuger unserer Tage ein?

H. Pross (1973, zitiert nach Canitz, 1982) hat Männer zu diesem Thema befragt und ist zu folgendem Ergebnis gekommen:

Das Verlangen, Kinder zu haben, scheint in wenigen Fällen ein Hauptgrund für eine Heirat zu sein. Kinder werden nicht als Erfüllung der Ehe verstanden und die Familiengründung nicht als primärer Zweck. H. Pross deutet diese Ergebnisse als Unsicherheit der Männer gegenüber der Vaterrolle.
 
 

3.2 Der Vater als Ernährer:

Vom Körperbau am nächsten stehenden Verwandten - den Primaten- ernährt das Männchen das Weibchen nicht. Nach Mead (1958, zitiert nach Canitz, 1982) geht damit die Ernährerrolle des Vaters nicht auf einen allgemeinen Urtrieb zurück, sondern sie ist eine spezifische "soziale Erfindung des Menschen" (im Gegensatz zur biologisch fundierten Mutter-Kind-Beziehung).

Die dominierende Rolle, die der Vater durch seine Alleinverdienerrolle früher einnahm, hat sich heute durch die Berufstätigkeit der Frauen stark reduziert. Die Konsequenz daraus ist, daß sich die Kinder sowohl beim Vater als auch bei der Mutter in ihrer Existenz sicher fühlen.

Dem Vater nimmt dies einen beträchtlichen Teil seiner Autorität innerhalb der Familie.

Die Änderung in der Bedeutung der Ernährerfunktion des Vaters ergibt sich nicht nur aus dem Wunsch der Frauen nach Selbstverwirklichung, sondern ist auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Denn die Konsumgewohnheiten haben sich geändert und der gewünschte Lebensstandard kann selten nur mit einem Einkommen bezahlt werden.

"Die Ernährerfunktion des Vaters ist die einzige Rolle, die heute am ehesten aufzulösen wäre" (zitiert nach Scharmann, D.-L. & Scharmann,T.,1979). Sie ist faktisch durch Träger verschiedener sozialer Hilfen (z.B. Kindergärten, Horte, Ganztagesschulen,...) auf die Mutter oder aber auf den Staat übertragbar.
 
 

3.3 Der Vater als Beschützer:

An die Stelle des persönlichen Kampfes für Haus und Familie sind verpflichtende Gesetze getreten. Daneben gibt es öffentliche Institutionen und Hilfseinrichtungen, die die Beschützerrolle des Vaters weitgehend übernehmen.

Die Soziologen nennen die heutige Beschützerfunktion des Vaters "soziale Plazierung". Das ist jener Prozeß, durch den ein Mensch seine gesellschaftliche Position erfährt. Für den sozialen Status des Kindes hat die berufliche Stellung der Eltern, sowie indirekt wirkende Kräfte, die die Herkunftsfamilie ausübt (z.B. die Wohngegend beeinflußt die Spielgruppen ) einen großen Einfluß auf das weitere Leben.

Die heutige Vaterfunktion als Beschützer sieht so aus, daß er durch eigene Persönlichkeitsentwicklung und durch vermehrtes Wissen die soziale Plazierung seiner Kinder fördern kann und ihnen helfen kann, in der Leistungsgesellschaft eine Chance zu bekommen.

Eine mögliche Wurzel der heutigen "Vaterkrise" ist die nicht erkannte Veränderung der Beschützerrolle des Vaters. Diese muß umgedeutet werden, darf aber nicht durch öffentliche Hilfsinstitutionen den Vater entlassen. Denn seine Aufgaben und Verantwortlichkeiten sind heute ebenso wie früher gefragt.
 
 

3.4 Der Vater als Erzieher:

Der Vater erfüllt seine Funktion als Erzieher in der Rolle als Identifikationsobjekt und Vorbild, aber auch als mehr oder weniger aktiver Repräsentant bestimmter Erziehungsziele.

Plenge (1970, zitiert nach Canitz, 1982) meint: "Der Mann müsse die Erziehung seiner Kinder endlich zu einer wesentlichen Lebensaufgabe machen. Voraussetzung dafür wäre eine enge Beziehung zum Kind."

Der Vater spielt heute weder als Vermittler von Wissen, noch von Berufsfähigkeiten eine so entscheidende Rolle wie früher. Institutionen sind an seine Stelle getreten (z.B. Schule, Ausbildungsstätte, Massenmedien).

Untersuchungen aus Boston und Kalifornien (Ross D. Parke / Douglas B. Sawin, 1978, zitiert nach Canitz, 1982) haben gezeigt, daß Männer zwar meinen, der Vater soll von der Geburt an seine Erziehungsfunktion übernehmen. In der Realität jedoch findet man einen ziemlich passiven Erzieher. Die überwiegende Mehrzahl der Männer hält es nicht für nötig, sich besondere Kenntnisse für ihre Erzieherrolle anzueignen. Sie stufen ihre Erziehungsfunktion als "Nebenrolle" ein.
 
 

3.5 Der Vater als Identifikationsobjekt:

Der Vater hat einen wesentlichen Anteil an der sogenannten "Ich-Findung" des Kindes. Schon in der frühkindlichen Entwicklung wird der Vater als Geschlechtswesen, als etwas Anderes empfunden und erlebt als die Mutter.

Jedes Kind stellt zunächst einen Ausschließlichkeitsanspruch an die Mutter. Freud hat diesen Konflikt "Ödipuskomplex" genannt. Sind die Kinder von vornherein an beide Elternteile gebunden, dann vermindert sich die Trennungsangst der Kinder und der Ödipuskomplex verliert an Schrecken.

Mit der Zeit entwickelt das Kind das "Gewissen"- eine "innere Stimme", die ihm sagt, was es darf und was nicht. "Sie ist die Fortsetzung der Elternstimme, die jetzt von innen, anstatt wie früher von außen her wirksam ist."(Anna Freud, 1974, zitiert nach Canitz, 1982).

Mitscherlich (1967, zitiert nach Canitz, 1982) sieht den "Vater als Identifikationsobjekt und Sozialagent, nämlich als hilfreichen Vermittler in der Gesellschaft mit ihren Einstellungen und Normen, für unersetzbar."

Zwar haben sich Familienformen und die Stellung des Vaters innerhalb der Familie geändert, die Grundsituation der Familie ist aber gleich geblieben. Der Vater ist für seinen Sohn als Identifkationsobjekt und für seine Tochter als Gegenmodell zur Mutter wichtig.
 
 

3.6 Der Vater als Freizeitkamerad:

Die meiste Zeit, die ein Vater mit seinen Kindern verbringen kann, ist während seines Urlaubes. Beschäftigt sich der Vater die restliche Zeit kaum mit ihnen, sind sich beide so fremd geworden, daß der Urlaub die entstandenen Defizite kaum mehr ausfüllen kann.

Zu den allgemeinen Freizeitaktivitäten zählen häufig Passivitäten, wie z.B. gemeinsames Fernsehen. Wenn Väter mit ihren Kindern spielen, dann bevorzugen sie meistens vorgefertigtes Spielmaterial (z.B. Lego, Autos, Karten, ...). Kinder haben Vorstellungen, was sie spielen wollen und wie das geschehen soll. Väter stehen dem oft verständnislos gegenüber.

Väter haben mit Babys weniger verbalen Kontakt, dafür aber mehr taktilen. Bei älteren Kindern zeigen sie vermehrten körperlichen Einsatz und mögen auch ungewöhnliche Spielsituationen.
 
 

4. DIE ENTWICKLUNG DES VATERBILDES

4.1 Vom klassischen Altertum zur Neuzeit

Im alten Ägypten war das biologische Erzeugertum des Vaters nicht mit besonderen Wertvorstellungen verbunden. Der Name des Kindes wurde nicht mit dem väterlichen Prinzip (dem Samen) in Verbindung gebracht. Als Versorger verkörperte der ägyptische Vater Eigenschaften wie "Zärtlichkeit, Güte, Barmherzigkeit,..." (zitiert nach Tellenbach,1976, S.18). Die Stellung der Frau war gleichberechtigt. Sie hatte ihr eigenes Vermögen.

Der "pater familias" hatte im alten Rom unbeschränkte Machtfunktion innerhalb seiner Familie. Er besaß als Inhaber der "väterlichen Gewalt" das Recht über Leben und Tod seiner Kinder.

Etwa um 100 n. Chr. wurde das Kind von Geburt an als ein voll entwicklungsfähiges Wesen gesehen. Damit begann die Erziehung der Kinder wichtig zu werden.

In Sparta dagegen war die Erziehung nicht Sache der Eltern. Die Behörden besaßen die Entscheidung über die Lebensfähigkeit eines Kindes und übernahmen auch dessen Erziehung.

Im Gegensatz dazu war in Athen die Erziehung der Kinder Privatsache.

Zwischen den Kindern und Eltern gab es damals keine tiefe gefühlsmäßige Verbundenheit, sondern eher eine moralische und gesellschaftliche Verpflichtung.

Im frühen Mittelalter wurden die Mütter für die Kinder bedeutsamer, da die Väter durch die vielen Kriege häufig abwesend waren. Eine Art "Ersatzväter" waren in dieser Zeit die Klöster, die einen großen Teil der Erziehung übernahmen.

Mit der Zeit setzte sich die Schule durch. Die Kinder wohnten bei einem Lehrer, der zum Ersatzvater wurde und die Funktion des Erziehers übernahm.

Im 18. Jahrhundert vollzog sich ein Wandel. Die Familie bezieht gegenüber der Gesellschaft eine gewisse Distanz und eine engere Eltern-Kind-Beziehung ist möglich.
 
 

4.2 Das 19. Jahrhundert:

Die Schule gewann als Erziehungsinstrument an Bedeutung. Mit der beginnenden Industrialisierung mußten Frauen ihren eigenen Lohn verdienen. Deswegen wurden "Kleinkinder-Bewahranstalten" und später Kindergärten gebaut. Mit dieser Entwicklung begann die Entthronung des patriarchalischen Vaters.
 
 

4.3 Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts:

Während des 2.Weltkrieges gingen die meisten Vaterfunktionen auf die Mütter über. Nach dem Krieg kamen deutsche Männer zurück und es trat eine große Entfremdung zwischen den Kindern und ihren Vätern ein. Die Generation, die in dieser Zeit heranwuchs, wurde die "skeptische" genannt (zitiert nach Canitz, 1982). Sie war von ihren Vätern enttäuscht. Die enormen Leistungen der Väter würdigten sie kaum. Die Väter waren noch nie so hilflos wie damals.
 
 

4.4 Die sechziger Jahre:

Die väterliche "Autorität" hat durch folgende vier Erscheinungen ihre Glaubwürdigkeit verloren:

die antiautoritäre Erziehung, die Frauenemanzipation (1968 von Betty Friedan ausgelöst), die Antibabypille und die Enttabuisierung der Sexualität.
 
 
 
 

5. VERSCHIEDENE VATERBILDER

Es gibt verschiedene Vatertypen, wovon jede eine ganz spezielle Auswirkung auf die Familie hat.
 
 

5.1. DIE "PATRIACHALISCHEN" VÄTER

Der Vater fühlt sich als Oberhaupt der Familie. Innerhalb der Familie zeigt er Autorität, übt Macht, Druck und Zwang aus.

Die überwiegende Mehrheit würde nicht zugeben, autoritär zu sein. Sie prügeln nicht und doch üben sie Druck aus (z.B. jede Form von Liebesentzug, Taschengeldentzug, Fernsehverbot,...).

Andere Väter üben bewußt Druck aus. Dafür gibt es verschiedene Ursachen:
 
 

5.1.1 Warum soll heute schlecht sein, was gestern noch gut war?

Das tritt dann ein, wenn ein Vater die Erziehungsprinzipien, nach denen er selbst erzogen worden ist, auf seine eigenen Kinder überträgt.

Der Vater ist der Herr im Haus. Seine Frau und Kinder haben ihm zu gehorchen.

Dieses Prinzip funktioniert heute nicht mehr so reibungslos wie früher. Was gestern gut war, muß heute nicht mehr gut sein.
 
 

5.1.2 Ich will doch nur dein Bestes- und ich weiß, was das Beste für dich ist !

Sagt jemand: "Ich will ja nur dein Bestes" (zitiert nach Canitz, 1982, S.107), dann kann man davon ausgehen, daß er es gut mit ihm meint. Anders sieht es mit der Behauptung aus, wenn ein Vater meint: "Ich weiß, was das Beste für dich ist"(zitiert nach Canitz, 1982). Der Vater begründet meist seine Aussage damit, daß er erklärt, seine Kinder müsse er doch am besten kennen. Aber ist das wirklich so? Woher soll er sie so gut kennen?
 
 

5.1.3 Du sollst dir kein Bildnis machen...

Eine Erziehung, wo jemand in ein Bild hinein erzogen wird, anstatt die vorhandenen Fähigkeiten zu entwickeln, ist auch dann gegeben, wenn man sich an die Rollenklischees "typisch Mädchen" oder "typisch Bursch" orientiert.

Ein Vater erzieht nach einem Bild, wenn er meint, nur weil er so tüchtig und erfolgreich ist,

müssen es auch seine Kinder sein. Aus diesem Grund wird so manches Kind an eine weiterführende Schule geschickt, obwohl seine Begabungen viel mehr im Praktischen liegen.

Es ist schwer, sich kein Bild zu machen. Dennoch ist es die einzige Chance, im Kind den Menschen zu sehen und entwickeln zu lassen, der es wirklich ist.
 
 

5.1.4 Druck drückt nach unten

Eine der häufigsten Ursachen, warum Väter sich zu Hause wie Tyrannen benehmen, liegt in der Arbeitswelt. Die Gesamtzusammenhänge des Geschehens kennen nur wenige. Viele Männer können in ihrer täglichen Arbeit keine Erfüllung mehr finden, sondern nur noch Geld. Väter erfahren, daß sie austauschbar sind und das macht sie unzufrieden. Außerdem stehen sie unter erheblichem Leistungsdruck. Druck hat die fatale Eigenschaft, nach unten weitergegeben zu werden. Läßt ein Vater seinen Zorn über seinen Vorgesetzten immer nur zu Hause aus, so entziehen sich die Kinder dem Druck sobald es möglich ist – sie ziehen von zu Hause aus!
 
 

5.1.5 Der eifersüchtige Vater

Der Eifersüchtige befindet sich in einem permanenten Kampf gegen seine eigenen Gefühle und Ängste, den "geliebten" Menschen verlieren zu können.

Eifersucht hat 2 Wurzeln:

Einerseits hat Eifersucht etwas mit "Besitzdenken" zu tun. Der Eifersüchtige betrachtet seinen Partner als sein Eigentum, das ihm gehört. Aus dem Besitzdenken kann eine Verlustangst folgen.

Andererseits hat Eifersucht etwas mit "Macht" zu tun. Der eifersüchtige Vater sieht seine Macht durch die Geburt von Kindern bedroht. Er fürchtet, entthront zu werden und deshalb wird er eifersüchtig.

Eifersucht entsteht nicht nur innerhalb der Vater-Mutter-Beziehung. Sie kann sich auch zwischen

Vater und Kind entwickeln. Hobbys, die bis jetzt von Vater und Kind ausgeübt wurden, werden auf einmal lieber mit Freunden getan. Der Vater fühlt sich zutiefst enttäuscht.
 
 

5.1.6 Der neidische Vater

Eifersucht und Neid liegen nahe beieinander. Der Eifersüchtige fürchtet etwas zu verlieren, der Neidische kann nicht ertragen, daß jemand etwas bekommt, das ihm verwehrt blieb.

Bei Vätern mit einer schlechteren Ausgangswahrscheinlichkeit tritt oft Neid und Unverständnis auf. Neid schließt auch ein gewisses Maß an Bewunderung mit ein.
 
 

5.1.7 Der tüchtige Vater

Da gibt es z.B. einen tüchtigen Arzt, der sehr wenig Zeit mit seiner Familie verbringt. Er ist weder streng, noch fordert er viel von seinen Kindern. Er überläßt sie seiner Frau, sie wird das schon richtig machen.

Weiters finden wir jene Väter, die alles können und so tüchtig sind, daß es schon unheimlich ist. Er erwartet von seinen Mitmenschen, daß sie genauso viel leisten wie er. Am meisten erwartet er es von seinen Kindern. Zunächst bewundert das Kind seinen Vater. Später ist es frustriert. Der tüchtige Vater hat ihm nur gezeigt, was er kann, aber nicht, wie er es gelernt hat.
 
 

5.2 DIE "NICHTPATRIACHALISCHEN" VÄTER

Diese Väter fühlen sich weder als Oberhaupt einer Familie, noch als jener, der autoritäres Verhalten an den Tag legt.
 
 

5.2.1 Der abwesende Vater

5.2.1.1 Der tote Vater:

Je früher er gestorben ist, desto eher wird er zu einer "Idealfigur". Die negative Wirkung des zu stark idealisierten toten Vaters ist die, daß er für das Kind in jeder Beziehung unerreichbar ist.
 
 

5.2.1.2 Der räumlich abwesende Vater

Ein für längere Zeit räumlich abwesender Vater unterscheidet sich vom toten Vater dadurch, daß er während seiner Abwesenheit ständig mit der Familie in Verbindung bleibt und damit auch die Verantwortung für die Familie weiterhin mittragen kann. Diesmal haben die Kinder die Möglichkeit, das Bild, das sie vom Vater entwickelt haben, mit dem realen Vater zu vergleichen.
 
 

5.2.1.3 Der straffällig gewordene Vater

Den Müttern fällt es schwer, aus solchen Vätern eine "Idealfigur" zu machen. Kommt der Vater zurück, beginnen mit der Eingliederung neue Schwierigkeiten. In vielen Fällen fühlen sich die Frauen so überfordert, daß auch sie sich ihren Kinder nicht annehmen können.
 
 

5.2.1.4 Der moderne Vatertyp

Der Vater ist zwar das Oberhaupt einer sogenannten "intakten" Familie, der Erzeuger und Ernährer seiner Kinder und sorgt auch für deren "soziale Plazierung". Die Kinder können sich auch alles wünschen, was mit Geld zu bezahlen ist, nur den Vater nicht. Denn der ist damit beschäftigt, das Geld zu verdienen.

Verweigerung von Leistung (z.B. in der Schule) ist eine der weitestverbreiteten Reaktionen auf den "abwesenden" Vater.
 
 

5.2.2 Der distanzierte Vater

Der zuletzt beschriebene Vater wäre viel lieber kein abwesender Vater. Er befindet sich in einem echten Dilemma, weil ihm sowohl die Kinder als auch der Beruf sehr wichtig sind.

Der distanzierte Vater kann sich mit seiner Arbeit nicht mehr identifizieren (z.B. maschinelle Massenproduktion). Sie bringt für ihn keine Befriedigung. Der Verlust von Erfahrungen lassen diese Väter spüren, daß sie keine Autorität für ihre Kinder mehr sein können, deshalb distanzieren sie sich und werden passiv.
 
 

5.2.3 Der beste Freund seiner Kinder

Unter Freundschaft bzw. Partnerschaft ist eine Beziehung zwischen Menschen zu verstehen, die

auf gleicher Ebene stattfindet.

Wenn Väter aber darauf bestehen, ihr Kind als Partner anzusehen, dann überfordern sie diese.

Sie überschätzen die Fähigkeiten ihrer Kinder, indem sie versuchen, sie auf ihre eigene Ebene hinaufzuheben.
 
 

5.2.4 Der kumpelhafte Vater

Das sind Väter, die auf keinen Fall autoritär sein wollen. Häufig haben sie selbst eine sehr autoritäre Erziehung genossen. Die kumpelhaften Väter begeben sich hinunter auf die Ebene ihrer Kinder. Kinder und Jugendliche empfinden diese "Kumpelhaftigkeit" als Anbiederung. Häufig sind es solche Väter, die sich um ihre Kinder, als sie klein waren, wenig gekümmert haben und meinen, daß sie sich wenigstens jetzt um sie bemühen sollten. Sie wissen aber nicht recht, wie sie es tun sollen. Daher benehmen sie sich so, wie es ihre Kinder tun.
 
 

5.2.5 Der Vater, der alles erlaubt

Ihr Verhalten ist von den Idealen der "antiautoritären" Erziehung geprägt. Verboten wird nichts, denn mit dem Kind wird diskutiert, ob etwas zweckmäßig ist oder nicht. Wenn die Eltern nur diskutieren, ohne selbst Entscheidungen zu treffen, erweckt das im Kind Unsicherheit.
 
 

5.2.6 Der ängstliche Vater

Dazu zählen jene Väter, die meinen, man müsse "Vatersein" lernen, man könne das nicht von allein. Sie informieren sich über Entwicklungsprobleme von Kinder und richtige Erziehungsmethoden. Macht das Kind einmal etwas, was nicht in seinen Plan paßt, wird er unsicher und ängstlich. Er will sein Kind vor allem Bösen bewahren. Angst wirkt aber auch ansteckend auf das Kind.
 
 

5.2.7 Der väterliche Vater

Folgende vier Eigenschaften charakterisieren einen "väterlichen" Vater:

Der Vater zeigt dem Kind, daß er es lieb hat, er versucht sein Kind zu verstehen, er hat ihm immer geholfen und er hat seinem Kind die Freiheit zugestanden, die es brauchte.
 
 

5.3 DIE HALB-, TEIL-, MEHRFACHVÄTER

In diese Gruppe werden alleinerziehende Väter, geschiedene Väter, Stiefväter, Adoptivväter, nicht-eheliche Väter, der biologische Vater und der z.B. V.-Vater (zitiert nach Canitz, 1982, S.231) gezählt.

Der biologische Vater darf nur die Funktion des Erzeugers erfüllen. Alle anderen übernimmt die Mutter. Sie will für ihr Kind allein verantwortlich sein. Da diese Frauen prinzipiell nicht männerfeindlich sind, gibt es auch Männer in ihrer Umgebung, die dem Kind als Identifikationsobjekt dienen.

Der z.B. V-("zur besonderen Verwendung")-Vater übernimmt einen Teil der klassischen Vaterfunktion. Er ist als Berater der Mutter tätig und meist ein guter Freund der Familie. Dieser hat den Vorteil, daß ihm fast nur die "Schokoladenseite" des Vaterseins bleibt. Für Kinder mit "distanzierten" oder "abwesenden" Vätern sind sie von unschätzbarem Wert.
 
 

6. ZUSAMMENFASSUNG:

Die Funktion des Vaters innerhalb der Familie ist eine "soziale Erfindung" des Menschen.

Zu seinen klassischen Vaterfunktionen zählt der Vater als Erzeuger, als Ernährer, als Beschützer und als Erzieher. Neu hinzugekommen ist der Vater in seiner Freizeitrolle und der Vater als Identifikationsobjekt. Die Ernährerfunktion des Vaters ist die einzige Rolle, die heute am ehesten aufzulösen wäre. Zu den verschiedenen Vaterfunktionen gehören die "Patriarchalischen Väter", die "Nicht-patriarchalischen Väter" und die "Halb- Teil- und Mehrfachväter".
 
 

7. PERSÖNLICHE STELLUNGNAHME:

Während ich mich mit der Literatur über Vaterbilder und Vaterrollen auseinandersetzen mußte, wurde mir bewußt, wie viele verschiedene Bilder und Funktionen es von Vätern geben kann. Ich lernte einzelne Kategorien und Komponenten kennen, wie Väter sein können, bzw. welche Eigenschaften und Verhaltensweisen sie an den Tag legen können und wie sich das auf die Familiensituation auswirken kann. Diese Kenntnis schafft ein besseres Verständnis über Problemursachen in Partnerschaften oder Familien. Wenn ich weiß, warum ich so reagiere (z.B. weil Neid dahinter steckt), kann ich schneller und effizienter etwas unternehmen, um die Partnerschaft oder Familie noch zu retten.
 
 

Ein weiteres Problem ist, daß wir noch immer zu sehr in einer traditionellen Rollenaufteilung verankert sind. Es ändern sich die verschiedenen Vaterfunktionen, ohne daß es vielen überhaupt bewußt wird. Ein "Rollenverhalten" bedeutet immer eine gewisse Einschränkung. Denn eine bestimmte Rolle benötigt immer nur genau die zu ihr passenden Eigenschaften. Aber ein Mensch besteht nicht nur aus diesen speziellen Eigenschaften. Frauen haben schon begonnen, sich davon loszulösen, den Männern fällt es noch etwas schwerer.

Wenn ich die verschiedenen Vaterfunktionen genau betrachte, wie sich ein jede auf die Familie auswirkt, so erkenne ich, daß der Vater unersetzbar ist. Er muß zwar nicht mehr als Ernährer dienen und mit seinen körperlichen Kräften das Haus verteidigen, aber wenn ein Kind immer nur alle Werte, Normen und Erziehungsstile von einer Person (der Mutter) erfährt, so erscheint mir das sehr einseitig.

Außerdem ist es schon schwer und vor allem anstrengend genug, ein Kind zu zweit zu erziehen.

Wenn ich mich in die Situation eines kleinen Kindes hineinversetzen würde, und ich die Möglichkeit hätte, mir einen Vater auszusuchen, dann würde ich den "VÄTERLICHEN VATER" bevorzugen. Er zwingt dem Kind kein Bild auf, sondern bemüht sich, es genau kennen zu lernen, und zwar so wie es wirklich ist. Wenn ich jemanden liebe, darf ich ihn nicht nur in meine Arme nehmen und ihn festhalten, ich muß ihn auch "los-lassen" können. Das wiederum setzt sehr viel Vertrauen voraus. Dieses Vertrauen kann aber nur dann entstehen, wenn ich mich mit diesem Menschen ständig auseinandersetze. Zwei Wochen Sommerurlaub sind da sicherlich zu wenig. Sein Kind verstehen zu lernen, beinhaltet, zu seinem Kind zu stehen- auch wenn es um Angelegenheiten geht, die nicht so angenehm sind.
 
 

"Würden wir lernen, daß Menschsein mehr ist als Mannsein und Frausein, dann könnte unsere kranke Familie genesen" (zitiert nach Canitz, 1982,Väter, S.255)
 
 

8. LITERATURVERZEICHNIS:
 
 

CANITZ,H.-L. von (1982). Väter. Die neue Rolle des Mannes in der Familie. Frankfurt/Main: Ullstein.

FREUD, A. (1974). Jenseits des Kinderwohls, Suhrkamp Taschenbuch212, Frankfurt: Suhrkamp Verlag.

MEAD, G.H.: Geist, Identität und Gesellschaft. Frankfurt 1968.

MITSCHERLICH, A.: Auf dem Weg zur vaterlosen Gesellschaft - Ideen zur Sozialpsychologie. München 1967.

PLENGE,I.: Die Emanzipation des Mannes - Wandel in der Rolle der Geschlechter. Stuttgart 1970, 2. Auflage.

PROSS,H. Die Männer, Hamburg 1978.

ROSS D. PARKE / DOUGLAS B. SAWIN: Kinder brauchen Männer, in "Psychologie heute", Heft 4, April 1978, Beltz-Verlag.

TELLENBACH, H.(1978). Das Vaterbild in Mythos und Geschichte. Ägypten, Griechenland, Altes Testament, Neues Testament. Stuttgart: Kohlhammer.
 
 
 
 

Inhaltsverzeichnis   3) Theorien zur Vater-Kind-Beziehung (Claudia Zahel)   1. Einleitung

Theorien zur Vaterrolle könnten als Teil einer allgemeinen Sozialisationstheorie gesehen oder aber auch in eine umfassende Entwicklungstheorie eingeordnet werden.

Wenn in den folgenden Ausführungen von der "Vaterrolle" die Rede ist, dann in einer alltagssprachlichen Weise und nicht im rollentheoretischen Sinn des Wortes.

Zu beachten ist auch, daß die folgenden Theorien nur paradigmatischen Charakter haben, das heißt, daß sie nicht verifizierbar oder falsifizierbar sind und sich deshalb auch gegenseitig nicht ausschließen.

Da diese Theorien auch grundsätzlich verschiedene Herangehensweisen an das Thema "Vater" darstellen, könnte man sie als unterschiedliche Facetten eines wissenschaftlichen Vaterbildes, das noch in der Entstehung ist, betrachten.
 
 

2. Verschiedene theorien zur vater-kind-beziehung

2.1. Die psychoanalytische Theorie

Die wesentlichen Kritikpunkte der Psychoanalyse gegenüber sind, daß die Bedeutung des Vaters vor dem vierten Lebensjahr lange Zeit völlig unbehandelt blieb, und, daß die Mutter-Kind-Beziehung der Vater-Kind-Beziehung übergeordnet wurde, obwohl Freud ursprünglich die Vater-Kind-Beziehung als für die psychosexuelle Entwicklung wichtiger angesehen hatte.

Die wesentlichen Faktoren der Beziehung des Vaters zum Kind sind nach Freud Liebe und Bewunderung, die nötig sind, um eine positive Identifizierung zu ermöglichen, weiters Schutz und Autorität, auf der Bestrafung aufbauen kann.

Diese Faktoren der Beziehung wirken sich bei Jungen vor allem in der phallisch-ödipalen Entwicklungsstufe aus, in der es zu Ängsten und Phantasien kommen kann, in denen der Vater als Bedrohung gesehen wird. Für Mädchen wird der Vater in der ödipalen Phase zum Hauptliebesobjekt.

Freud war der Meinung, daß vor allem die liebenden und bewundernden Aspekte der Beziehung für die vorödipale Identifikation mit dem Vater von Bedeutung seien.

In den sechziger Jahren befaßte sich Psychoanalytiker mit der Bedeutung der frühen Vater-Kind-Beziehung und dem spezifischen Entwicklungsprozeß des Vaterwerdens. Dieser Prozeß kann als Entwicklungsphase oder -aufgabe gesehen werden, häufig beinhaltet er auch eine Entwicklungskrise.

In den siebziger Jahren gingen Psychoanalytiker auf die Bedeutung der Vater-Kind-Beziehung für die Identifikation und Individuation des Kindes ein und befaßten sich vermehrt mit der vorödipalen Phase. In dieser Entwicklungsstufe soll die Beziehung zum Vater für das Kind besonders wichtig sein, da sie weniger ambivalent ist als die zur Mutter. Von besonderer Bedeutung ist diese Beziehung für die Ausbildung der Geschlechtsrollenidentität bei Jungen. Es wird aber auch daraufhin gewiesen, daß eine erfolgreiche Geschlechtsrollenidentität bei Mädchen nicht allein von der Identifikation mit der Mutter abhängt.

In dem achtziger Jahren wurden neue Konzepte zur Vater-Kind-Beziehung entworfen.

Mahler vertritt beispielsweise in ihrer Seperations-Individuations-Theorie die Auffassung, daß die Mutter der Hauptrepräsentant und damit auch das Hauptliebesobjekt ist. Sie unterscheidet vier Phasen der Objektbeziehung: die autistische Phase, die symbiotische Phase, die Differentiation und die Wiederannäherung. Der Vater erlangt erst in der Phase der Differentiation Bedeutung, in der sich das Kind aus der Symbiose mit der Mutter löst.

Nach dem Triangulationsmodell von Abelin besteht zuerst ein als "Madonna-Konstellation" bezeichnetes Mutter-Kind-Selbst-Dreieck, das in die "Primär-Konstellation", aus Mutter, Vater und Kind bestehend, übergeht. In der dritten Stufe soll ein "wahres" Selbstbild entstehen, indem das Bild des Rivalen in Beziehung zu den Vorstellungen des Selbst und des gewünschten Objekts gesetzt werden. Nach Rotmann hingegen befindet sich das Kind von Anfang an in einer Familienkonstellation mit triadischen Beziehungsmustern und identifiziert sich mit beiden Eltern.

In den letzten Jahren zeichnet sich in der Psychoanalyse eine systemorientierte Sicht der Familie ab, einschließlich einer angemesseneren Beurteilung der Funktion der Mitglieder füreinander, ab.
 
 

2.2. Evolutionstheoretische und humanethologische Ansätze

2.2.1. Darwinistisch-evolutionstheoretische Überlegungen

Der Grundgedanke ist, daß die Beteiligung des Vaters an der Aufzucht und Pflege zur Maximierung der Überlebenschancen beiträgt, und es so zu einem Selektionsvorteil für dieses Lebewesen kommt.

Die klassische Evolutionstheorie geht davon aus, daß nur die direkten Nachkommen, die unmittelbar die genetische Information der Eltern übernehmen, Zielobjekte sind.

Soziobiologische Ansätze hingegen sehen schon eine partielle Teilhabe am Genbestand als ausreichend für Verhaltensweisen, die einen Selektionsvorteil bewirken. Hier wird die

Sicherung der Information, die in den Genen der Verwandten gespeichert ist, als wichtigste Aufgaben angesehen.

Wenn man die Maximierung der Überlebenchancen als Hauptgrund der Beteiligung des Vaters an der Aufzucht sieht, so können drei Bedingungen festgelegt werden, die zur Beendigung des väterlichen Verhaltens führen.

Man kann davon ausgehen, daß um so mehr väterliches Verhalten gezeigt wird, je größer die Investitionen in das Jungtier sind.
 
 

2.2.2. Biologisch-genetische Überlegungen

Oft geht man von der Annahme aus, daß infolge der unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen auch schon bestimmte "typische mütterliche bzw. väterliche" Verhaltensweisen zugeordnet werden könnten. Zu beachten ist aber auch, daß elterliches Verhalten nicht ausschließlich genetisch determiniert ist und durchaus von verschiedene Faktoren beeinflußt werden kann.

Untersuchungen haben gezeigt, daß bei Primaten biologisch begründete soziale Systeme sehr flexibel sind und, daß beide Eltern vollauf in der Lage sind die Abwesenheit eines Elternteils zu kompensieren.

Verhalten hat zwar eine biologische Grundlage, ist aber nicht biologisch determiniert, sondern von vielen Faktoren abhängig, unter anderem von genetischen Voraussetzungen.

Eine plausible These von Rypma besagt, daß ähnliches väterliches Verhalten über verschiedene Kulturen aufgrund biologischer Einflüsse besteht, daß aber kulturelle Unterschiede als gelernte Antworten auf soziale Bedingungen gesehen werden können.
 
 

2.2.3. Humanethologische Überlegungen

Als Ausgangspunkt kann die Frage gesehen werden, welchen Anpassungswert bestimmte Verhaltensweisen haben und wie sie organisiert und verankert sind.

Besonders wichtig ist das Prägungsmodell, das von kritischen oder sensitiven Phasen ausgeht, im Laufe derer bestimmte Verhaltensweisen festgelegt werden.
 
 

2.3. Sozialpsychologische Theorien

Parsons unterscheidet in seiner Rollentheorie zwischen "instrumentellen" und "expressiven" Rollen. Als instrumentelle Funktionen werden die Aufgaben des Vater bezeichnet, gesellschaftliche Belange und Bedürfnisse der Familie in der Gesellschaft oder außer Haus zu vertreten. Expressive Funktionen hingegen sind die Aufgaben der Mutter, die für "innere Angelegenheiten", beispielsweise Erziehung und Pflege der Kinder, zuständig ist, von denen der Vater weitgehend freigestellt ist.

Durch gesellschaftliche Entwicklungen kommt es zunehmend zu einer Gleichstellung der Frau, was dazu führt, daß der Vater in die traditionell weiblichen Aufgabenbereiche einbezogen wird.

Das Konzept der Androgynie dient nun zur Bezeichnung der Integration instrumenteller und expressiver Rollen in einer Person, abhängig von verschiedenen situativen Verhaltensanforderungen.

Zweifel ergeben sich auch an der Annahme der Rollenkonstanz im Hinblick auf eine lebenslange Entwicklung.

Parsons Rollentheorie ist das Ergebnis einer Übergeneralisierung eines gesellschaftlich und historisch bedingten Vaterbildes.
 
 

2.4. Lerntheoretische Ansätze

Diese Theorien sind vor allem durch eine Abkehr von biologisch-evolutionstheoretischen und psychoanalytischen Theorien gekennzeichnet.

Die klassische Lerntheorie hat im Rahmen der Familientherapie Einfluß auf die Interpretation des Vater-Kind-Verhältnisses. Der Vater kann als Auslöser für bestimmtes Verhalten oder als

Verstärker von Verhaltensweisen des Kindes angesehen werden. Er wirkt also als Umweltbedingung auf das Kind ein und kann durch gezielt Einflußnahme auch Veränderungen bewirken.

Die Theorie des sozialen Lernens führte zu einer Intensivierung der Forschungen zum Geschlechtsrollenerwerb. Ein Grundgedanke ist, daß Verhalten nicht unmittelbar verstärkt werden muß, um übernommen zu werden. Bis zu einem gewissen Grad genügt es ein Verhalten und die entsprechenden Konsequenzen zu beobachten, um dieses Verhalten zu übernehmen. Erhält das Verhalten des Vaters in der Familie positive Aufmerksamkeit, so wird der Vater zum attraktiven Modell für die Kinder, was die Übernahme seines Verhaltens bewirkt.

Lerntheorien stellen den Menschen als passives Individuum dar, dessen Verhalten als Reaktion auf bestimmte Bedingungen gesehen wird. Sozialisation kann man deshalb im Rahmen dieser Theorie nur als sozialisiert werden sehen.

In den siebziger Jahren kam es zur "kognitiven Wende" der Lerntheorie. Der Mensch wird jetzt auch als aktiv handelndes Wesen gesehen, wodurch auch von einer wechselseitigen Sozialisation zwischen Vater und Kind, sowie von Selbstsozialisation ausgegangen werden kann.
 
 

2.5. Entwicklungspsychologische Theorien

Im Rahmen dieses Ansatzes stehen vor allem biologische Reifungsprozesse, eine kindzentrierte Sicht und Phasen- oder Stufenmodelle der Entwicklung im Vordergrund.

Zu einer Neuorientierung der Entwicklungspsychologie kam es in den sechziger und siebziger Jahren durch das Konzept einer "life-span-developmental psychology", das zu Lebenslaufforschungen, zu Untersuchungen des Familienzyklus und zur psychologischen Gerontologie führte.

Daraus folgte die Einsicht, daß soziokulturelle und soziohistorische Faktoren in der Entwicklungspsychologie des Erwachsenenalters nicht fehlen dürfen. Auch der Anspruch der Entwicklungspsychologie generelle Entwicklungsgesetze formulieren zu können, die die Vorhersage individueller Entwicklungsverläufe erlaubt wurde bescheidener.
 
 

2.6. Systemtheoretische Ansätze

Grundzüge systemorientierten Denkens finden sich schon bei Parsons.

Ein System wird als eine Menge miteinander in Verbindung stehender Elemente gesehen, wobei jedes Element andere Elemente beeinflussen kann. Weiters gibt es Systeme höherer Ordnung, die als Elemente wieder Systeme besitzen.

In diesem Sinn können die Familie als System, die Familienmitglieder als Elemente und beispielsweise einzelne Familien als Elemente des Systems Gemeinde gesehen werden.

Systeme können nun nach der Art ihrer Dynamik klassifiziert werden. Es gibt homöostatische Systeme, die sich einem festen Zielzustand annähern, oder Systeme mit dynamischem Gleichgewicht, die gegenüber externen Einflüssen einen internen Gleichgewichtszustand aufrechterhalten, und letztendlich auch "steady-state"-Systeme, die Einflüsse verarbeiten und eine Identität besitzen, ohne unveränderlich zu sein.

Mit dem Modell des sozialen Netzwerks wurde versucht die oben angeführten Überlegungen für die Familien- und Vaterforschung zu nützen. Es wird eine Unterscheidung zwischen Interaktionen und Beziehungen im sozialen Netzwerk getroffen. Durch den im Gegensatz zur Mutter bestehenden Mangel an vorhersagbaren, biologisch begründeten Interaktionsmustern zwischen Vater und Kind resultiert ein Unterschied zwischen der Mutter-Kind- und der Vater-Kind-Beziehung und es ist auch weitaus schwieriger die Vater-Kind-Beziehung genau zu beschreiben.

Die Bedeutung des Vater für die Entwicklung des Kindes läßt sich am besten über die Qualität des Beitrags im sozialen Netzwerk des Kindes bestimmen, nicht über die Häufigkeit und Dauer der Interaktion mit dem Kind.

Kennzeichen für ein entwickeltes System ist eine funktionelle Differenzierung. Das bedeutet, daß unterschiedliche Funktionen, die die Familienmitglieder innehaben, in bezug auf das Familiensystem als Ganzes zu sehen sind. Unterschiede zwischen Eltern bestehen beispielsweise hinsichtlich der Art des Spiels oder des Beitrags zur Geschlechtsrollenentwicklung.

Im Familiensystem existieren wieder verschiedene Subsysteme, wie Mutter-Kind-Subsystem, Eltern-Subsystem oder auch Partner-Subsystem. Die Deutung familiärer Beziehungen beinhaltet deshalb nicht nur die Wirkung der einzelnen Familienmitglieder aufeinander, sondern auch die Wirkungsweisen zwischen einzelnen Familienmitgliedern und Subsystemen.

Aufgrund dieser komplexen Systeme ist es mit gängigen Untersuchungsmethoden nicht möglich die Vielfalt der in der Familie ablaufenden Prozesse zu beschreiben und zu erklären.

Das könnte auch ein Grund sein, warum die Bedeutung des Vaters bisher nicht wirklich erkannt wurde. Der Verdienst der systemorientierten Modelle ist es auf Defizite und blinde Flecken in der Forschung aufmerksam zu machen, und so die Möglichkeit der Beseitigung zu schaffen.
 
 

2.7. Ökologische Ansätze

Bronfenbrenner entwickelte ein aus vier Systemen bestehendes Modell, das großen Einfluß auf die ökopsychologische Familienforschung hat. Im Mittelpunkt steht das Mikrosystem, das vom Mesosystem, vom Exosystem und vom Makrosystem umgeben ist.

Der Gewinn der ökopsychologischen Vorgehensweise für die Vaterforschung besteht in der angemessenen Thematisierung des Beitrags des Vaters zur familiären Sozialisation und auch darin, daß die Abhängigkeit dieser Sozialisationsleistungen von Rahmenbedingungen, wie auch ihr Rückwirken auf die Umwelt zum Gegenstand der Forschung werden.

Es werden nicht neue Variablen in den Untersuchungszusammenhang aufgenommen, sondern die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Systemen stehen im Mittelpunkt. So werden uni- und bidirektionale Wirkungsketten und Wirkungskreise erfaßt.

Im Gegensatz zum systemorientierten Ansatz werden hier vor allem Faktoren beobachtet, die primär umweltbedingt sind und das Gelingen der Vaterschaft beeinflussen können.

Im Moment fehlt jedoch noch eine entsprechend entwickelte Methodik, um ökologisch valide Untersuchungen zu bekommen.
 
 

3. Resümee

Abschließend kann man sagen, daß die Theoriebildung in der Vaterforschung noch rudimentär ist und sehr verschiedene Ansätze hat. Eine integrative Sichtweise beginnt sich erst langsam zu formieren. Familienforschung wird in Zukunft von der Einheit Familie ausgehen und die Familie als System sehen müssen. Auch bereits vorhandene Untersuchungen müssen kritisch betrachtet werden. Familiäre Dynamik kann nur im Rahmen von Prozeßmodellen angemessen erfaßt werden, daraus ergibt sich, daß der Entwicklungscharakter des Familiensystems weit mehr als bisher berücksichtigt werden muß.
 
 

4. Stellungnahme

Obwohl nun schon einige theoretische Ansätze zur Vater-Kind-Beziehung vorhanden sind, denke ich, daß es in Zukunft noch viel schwieriger werden wird, diese Beziehung zu beschreiben und zu erforschen. Das traditionelle Vaterbild wird immer mehr verändert, vor allem durch die Emanzipation der Frauen, die zunehmend mehr in die traditionellen Aufgabengebiete der Väter eindringen, so daß es zu einer Angleichung der Mutter- und Vaterrolle kommt.

Trotzdem finde ich, daß die Erforschung dieses Gebiets von besonderer Bedeutung ist, da sie dazu beitragen kann, Vätern bewußt zu machen, welchen Einfluß sie auf die Entwicklung ihrer Kinder haben.
 
 

Literaturverzeichnis

Fthenakis, W.E. (1988a). Väter. Zur Psychologie der Vater-Kind-Beziehung (Band 1). München: Deutscher Taschenbuch Verlag.
 
 
 
 
Inhaltsverzeichnis   4) Entwicklung der Vater-Kind-Bindung (Maria Haidvogl)   Einleitung

Die Vaterforschung hat für das Verständnis der frühen Erfahrungen des Kindes in der Familie neue Einsichten gebracht. So konnte gezeigt werden, daß kurz nach der Geburt differenzierte Interaktionen nicht nur zwischen Kind und Mutter, sondern auch zwischen Kind und Vater in der Triade stattfinden. Fthenakis (1985) wirft die Frage auf, ob das Konzept der "Bindung" nicht in eines der "Qualität der Kind-Eltern-Beziehung" übergeführt werden sollte. Diesem Gedanken wird besonders in neueren Forschungsansätzen Rechnung getragen.

Einleitend stelle ich die Bindungstheorie nach John Bowlby und Mary Ainsworth dar. Im Anschluß erläutere ich ein standardisiertes Verfahren ("Die Fremde Situation"), welches die Qualität der kindlichen Bindung erfaßt. Weiters illustriere ich die Vater-Kind-Bindung und die qualitativen Unterschiede im bezug auf die Mutter-Kind-Bindung. Dabei orientiere ich mich an den Ausführungen von Fthenakis (1985). Abschließend gebe ich einen Ausblick bezüglich der neueren Forschungsansätze im Bereich der Bindungstheorie.
 
 

Bindungstheorie

Für die Erklärung des Zustandekommens einer engen, emotionalen und individuellen Beziehung des Kindes zu Erwachsenen postulierte John Bowlby (1969) einen Prozeß der Bindung [zitiert. nach Spangler & Zimmermann, 1995].

Bowlbys wesentliche Axiome zur Bindungstheorie: (Fthenakis, 1985)

Bowlbys Verdienst ist sicherlich, daß er auf das Phänomen der frühen Mutter-Deprivation und deren Folgen für die kindliche Entwicklung aufmerksam gemacht hat.

Kritik

Die Bindung wird als unidirektionales Phänomen verstanden. Weiters wird das kognitive Entwicklungsstadium der Objekt-Permanenz als notwendig für das Auftreten von Bindung vorausgesetzt. Die Heraushebung der "primären Bezugsperson" impliziert ein Exklusivitätspostulat der Mutter-Kind-Bindung. Die Qualität der Kind-Erwachsenen-Beziehung wird nicht angemessen berücksichtigt. Die frühe Bindungsqualität hat schicksalhafte, d. h. lebensbestimmende Bedeutung. Die Suche nach Nähe zur primären Bezugsperson gilt als Hauptkriterium zur Beurteilung der Bindungsstärke.
 
 

Fremde Situation

Ainsworth und Wittig entwickelten 1969 die sogenannte "Fremde Situation". Diese stellt eine Laborbeobachtungsmethode dar, die das Zusammenspiel zwischen dem Bindungs- und Erkundungsverhalten unter verschiedenen Belastungsbedingungen aufzeigt (Spangler & Zimmermann, 1995).

Folgende Verhaltensdimensionen werden in der "Fremden Situation" erfaßt:

  1. Nähe bzw. Kontaktsuche zur vermuteten Bindungsfigur
  2. Aufrechterhaltung des Kontakts
  3. Widerstand
  4. Vermeidungsverhalten
  5. Suchen
  6. Distanz - Interaktion
Mit Hilfe dieser Bindungskriterien werden Aussagen hinsichtlich des Einbezugs eines Erwachsenen in das kindliche Verhaltensmuster, die Reaktion des Kindes auf eine fremde Person sowie seiner Reaktion auf Trennung von und Wiederbegegnung mit dem Erwachsenen, gemacht.

Mary Ainsworth (1985) beschrieb unterschiedliche Bindungsqualitäten der Kinder in der "Fremden Situation" [zitiert nach Fremmer-Bombik, 1995]. Die Bindung zu Mutter und Vater kann unterschiedlich sein. Ein Kind kann sicher zur Mutter und gleichzeitig unsicher zum Vater gebunden sein oder auch umgekehrt.

DAS SICHER GEBUNDENE KIND

Das Kind bringt Vertrauen in die Verfügbarkeit der Bindungsfigur, z. B. in die Fremde Situation mit. Es kann die Bindungsfigur als sichere Basis benutzen, um die fremde Umgebung zu erforschen. Auch wenn die Bindungsfigur den Raum verlassen hat, empfindet das Kind sie noch als verfügbar, und es sorgt sich nur allmählich, wenn sie länger nicht zurückkommt. Nach der Rückkehr der Bindungsfigur sucht das sicher gebundene Kind sofort und unzweideutig Trost bei der Bindungsfigur. Das Kind läßt sich schnell und wirksam beruhigen und kann so sein Erkundungsverhalten fortsetzen.

DAS UNSICHER-AMBIVALENT GEBUNDENE KIND

Die Bindungsfigur wird als nicht berechenbar erlebt. Die innere Einstellung, die diese Kinder in die Fremde Situation mitbringen, macht sie unruhig und aktiviert ihr Bindungssystem allein schon wegen der fremden Umgebung und der fremden Person. Das Erkundungsverhalten ist dadurch stark eingeschränkt. Die Trennung belastet diese Kinder besonders stark. Der wiederkehrenden Bindungsfigur gegenüber verhalten sie sich widersprüchlich. Sie suchen ihre Nähe, sind aber zugleich ärgerlich und wütend auf sie.

DAS UNSICHER-VERMEIDEND GEBUNDENE KIND

Unsicher-vermeidend gebundene Kinder wirken während der Fremden Situation nicht beunruhigt, sie vermeiden sogar die Nähe zur wiederkehrenden Bindungsfigur. Ihre Erfahrungen mit der Bindungsfigur sind von Zurückweisungen vor allem in kummervollen Situationen gekennzeichnet. Um die Wahrscheinlichkeit für die doch sehr schmerzhafte Zurückweisung zu verringern, haben sie die Strategie der Vermeidung entwickelt. Diese Kinder können negative Gefühle gegenüber der Bindungsperson nicht mehr ausdrücken.

UNSICHER-DESORGANISIERT GEBUNDENE KINDER

Bindungsrelevante Probleme der Bindungsfigur (z. B. ihre unverarbeitete Trauer, eigener Mißbrauch oder andere traumatische unverarbeitete Ereignisse) halten ihr eigenes Bindungssystem aktiviert und verhindern somit ein uneingeschränkt feinfühliges Eingehen auf das Kind. Diese Kinder entwickeln keine klare Bindungsstrategie. Im Laufe der Zeit zeigen sie eine kontrollierende Strategie, die in vielen Fällen an Rollenumkehr erinnert. Als Sechsjährige fühlen sie sich entweder für das Wohlergehen der Bindungsfigur verantwortlich, was sich in überfürsorglichem Verhalten zeigt, oder sie versuchen die Kontrolle durch bestrafendes Verhalten nach Trennung z. B. durch Beschimpfungen oder Tätlichkeiten zu behalten.

Darstellung der Forschungsergebnisse aus drei Perioden

Dabei orientiere ich mich an den Ausführungen von Fthenakis (1985).

1. Periode

In der ersten Hälfte der siebziger Jahre interessierte die Forscher auf dem Gebiet der Bindungstheorie vor allem, ob und wann Kleinkinder Bindungen an ihre Väter entwickeln.

Untersuchung von Schaffer und Emerson (1964)

Als Maß für Bindungsverhalten verwendeten die Autoren den Grad des Protestes bei der Trennung von einem vertrauten Elternteil.

Ergebnis:

Kinder im Alter von neun Monaten reagierten bei der Trennung von der Mutter mit stärkerem Protest als auf die Trennung vom Vater. 71 % aller Kinder protestierten gegen die Trennung von Mutter und Vater, diese Tatsache interpretierten die Autoren als Beleg für die Bindung an beide Elternteile.

Bei dieser Untersuchung zeigte sich, daß die unabhängigen Variablen wie "Verfügbarkeit des Vaters" und "Ausmaß der Beteiligung an der Kinderpflege" nicht für die Vorhersage des Trennungsprotestes bestimmend war. Positiv mit Bindung korrelierten hingegen Variablen wie soziale Situation (z. B. Sprechen, Berühren, Spielen) und Antwortbereitschaft und Sensitivität des Erwachsenen hinsichtlich kindlicher Bedürfnisse und Signale.

Kritik:

Die Daten wurden aus Berichten der Mütter gewonnen. Außerdem verwendeten die Autoren ein viel zu enges Kriterium für die Erfassung von Bindungsverhalten, nämlich die Wahrscheinlichkeit des Auftretens kindlichen Protestes infolge kurzer, wiederkehrender Trennungen von Personen aus der Umgebung.

Bindungsverhalten unter Streßbedingungen

Dabei möchte ich besonders auf die Untersuchungen von Lamb (1976, 1977) eingehen. Das Alter der von ihm untersuchten Kinder betrug 8, 12, 18 und 24 Monate. Geprüft wurde die Hypothese, ob Kinder in Streßsituationen ihr Bindungsverhalten stärker auf primäre Bindungspersonen ausrichten. Als Stressoren dienten, die ungewohnte Umgebung eines Laborraumes, das Auftauchen eines unbekannten Erwachsenen und Müdigkeit bzw. Langeweile.

Ergebnisse:

In streßfreien Situationen zeigen Kinder keinerlei Präferenzen für den einen oder anderen Elternteil, im zweiten Lebensjahr zeigen Jungen eine zeitlich begrenzte Präferenz für ihren Vater. Bei mäßiger Streßbelastung in der Laborsituation nimmt das Bindungsverhalten des Kindes zum verfügbaren Elternteil - unabhängig von seinem Geschlecht - zu.

In Streßsituationen unter Laborbedingungen, in denen beide Elternteile verfügbar sind, neigen Kinder im zweiten Lebensjahr dazu, ihre Mütter dem Vater vorzuziehen. Diese Präferenz ist ebenfalls zeitlich begrenzt und tritt bei jüngeren Kindern (im Alter von acht Monaten) und bei älteren Kindern (im Alter von 24 Monaten) nicht auf.

Zusammenfassung:

Kleinkinder entwickeln grundsätzlich auch zu ihren Vätern Bindung. Diese Ergebnisse stehen damit im Gegensatz zur Annahme der Exklusivität der Mutter-Kind Beziehung und widersprechen auch der Monotropie-Annahme Bowlbys.

2. Periode:

In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre wurde vor allem diskutiert, ob Bindungsverhalten erst nach Erreichen der sogenannten Phase der "Objekt-Permanenz" entwickelt wird und ob die Kind-Vater-Bindung qualitativ verschieden von der Kind-Mutter-Bindung ist bzw. ob beide Bindungen für das Kind verschiedene Erfahrungen beinhalten.

Untersuchung von Lamb (1976, 1977, 1980)

Lamb untersuchte in einer Längsschnittstudie Kinder im Alter von sechs bis acht und von zwölf bis 13 Monaten.

Ergebnis:

Bei Kindern im Alter von sechs bis acht Monaten konnte Lamb keinerlei Präferenz für den einen oder anderen Elternteil feststellen. Kleinkinder dieser Entwicklungsstufe hatten Bindungen an ihre Mütter und Väter entwickelt.
 
 

Ähnlichkeiten und Unterschiede im elterlichen Interaktionsverhalten

Neun von den insgesamt zwölf Variablen elterlichen Verhaltens zeigten keinerlei Unterschiede zwischen Vätern und Müttern. Eine Variable (Füttern mit flüssiger Nahrung) erwies sich für diese Stichprobe als irrelevant, da 88% der Mütter stillten. Signifikante Unterschiede stellten die Autoren nur bei zwei Variablen fest und zwar zeigten Mütter eine höhere Rate an Verbalisierung, die an das Kind gerichtet war und es konnte eine höhere Rate beim Lächeln nachgewiesen werden. Keine Unterschiede fanden sich in den Variablen "objektbezogenes soziales Spiel", "Vokalisieren der Eltern" und "taktil-kinästhetische Stimulation". Im Gegensatz dazu stehen die Untersuchungen von Lamb (1980) und Clarke-Stewart (1978, 1980), die feststellten, daß bei älteren Kindern die taktil-kinästhetische Interaktion mit dem Vater charakteristisch sei.

Beim Spiel

Lamb (1980) stellte signifikante Unterschiede in der Art des Spiel wie der physischen Interaktion der Eltern mit ihren Kindern fest und diese waren zeitstabil. Mütter spielten signifikant häufiger konventionelles und spielzeugvermitteltes Spiel, während Väter eher körperliche Spielaktivitäten wählten, worauf die Kinder besonders stark reagierten.

Untersuchung von Clarke-Stewart (1978,1980): Er untersuchte Kinder im Alter von 15 bis 30 Monaten in der natürlichen häuslichen Umgebung und in halbstrukturierten Situationen. Das Spiel mit dem Vater war etwas kürzer, weniger durch Spielzeug vermittelt und bestand eher in einer körperlichen Aktivität. Mütter bevorzugten Aktivitäten, die nicht sozial sondern eher intellektuell waren und Spielmaterialien einbezogen, während Väter soziale und physische Aktivitäten wählten.

Die Anwesenheit des Vaters hatte eine starke Auswirkung auf das Verhalten der Mutter. Sowohl die verbalen Reaktionen der Mutter auf das Kind als auch das Spielen mit ihm nahmen während der Anwesenheit des Vaters ab. Diese Unterschiede interpretierten Clarke-Stewart (1978, 1980) eher als Funktion des elterlichen Verhaltens und weniger als Funktion einer Präferenz des Kindes für einen Elternteil. Demnach bevorzugen Kinder nicht per se die Väter oder die Interaktion mit ihnen, sondern die Art und Weise des Spielens. Der Spielstil des Vaters beinhaltet physische Nähe und Stimulation. Das Spiel ist eher sozial und motorisch als intellektuell und es vollzieht sich in kurzen Episoden.

Zusammenfassende Ergebnisse:

Das übereinstimmende Ergebnis zu dem alle diese Studien kommen, besagt, daß Väter und Mütter mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede in ihrem Verhalten gegenüber Kleinkindern aufweisen. Zugleich ergaben Studien, die bei Familien mit traditioneller Rollenteilung durchgeführt wurden, daß neben überwiegenden Ähnlichkeiten auch bestimmte Unterschiede im mütterlichen und väterlichen Verhalten bestehen. Sowohl Väter als auch Mütter sind aktive Spielpartner des Kleinkindes. Der Anteil der Spielaktivitäten, verglichen mit dem Ausmaß anderer Interaktionsformen, ist bei Vätern jedoch proportional höher als bei Müttern.

Sensitivität und Reaktionsbereitschaft der Eltern

Bei dem Bemühen um Präzisierung der Qualität der Eltern-Kind-Beziehung einigten sich die Forscher relativ schnell auf die Untersuchung der Sensitivität und Reaktionsbereitschaft der Eltern auf kindliche Signale. Dabei trat die Frage in den Vordergrund, ob Väter in ähnlicher Weise sensitiv auf die Signale des Kindes reagieren.

Lamb & Easterbrooks (1981) definieren elterliche Sensitivität als die Fähigkeit, auf kindliche Signale kontingent, konsistent und angemessen zu reagieren. Diese elterlichen Reaktionsformen auf kindliche Signale kommen nur zustande, wenn die kindlichen Signale wahrgenommen und zutreffend interpretiert werden und wenn adäquate Reaktionsweisen zur Verfügung stehen. Die Autoren sind sich einig, daß Sensitivität eine entscheidende Variable für die kindliche Entwicklung darstellt.

Väter zeigen ebenso diese sensitiven Verhaltensanpassungen und es kann eine stärkere biologische Prädisposition bei Müttern nicht behauptet werden. Frodi, Lamb, Leavitt (1987) registrierten die physiologischen Reaktionen von Vätern und Müttern, während ihnen auf einem Bildschirm ruhende, lächelnde und weinende Babies gezeigt wurden. Sie fanden bei der Darbietung weinender und lächelnder Kinder keinerlei Unterschiede in den Reaktionsmustern der Eltern. Die Sprache der Eltern ist in der Interaktion zwischen ihnen und den Säugling linguistisch einfach, findet in einer höheren Tonlage statt und weist spezifische Muster mit häufigen Wiederholungen, Abwandlungen und wechselseitiger Nachahmung auf.

Parke (1981) stellte die These auf, daß Mütter und Väter sich nicht unter dem Decodierungsaspekt, wohl aber unter dem Reaktionsaspekt von Sensitivität unterscheiden. So stellten z. B. Parke & Sawin (1975) fest, daß Väter bei kindlichen Lautäußerungen tendenziell öfter vokalisieren, Mütter dagegen öfter mit Berührung des Kindes reagierten.

3. Periode:

Ansätze zur Überwindung der traditionellen Bindungsforschung:

Erst gegen Ende der siebziger und zu Beginn der achtziger Jahre wurden Untersuchungen veröffentlicht, die die Kind-Vater- und Kind-Mutter-Beziehungen nicht isoliert, sondern im Gesamtzusammenhang des Systems Familie untersuchten und dabei eine Integration der soziologischen (Ehepartner-Beziehung) und der entwicklungspsychologischen (Eltern-Kind-Beziehung) Ebene vornahmen.

Pedersen, Anderson & Cain (1980) betonen, daß in keiner einzigen Untersuchung, die mit Beobachtungsmethoden die frühkindlichen Erfahrung zu erfassen suchten, explizit berücksichtigt wurde, daß die Ehepartner-Beziehung einen Einfluß auf das kindliche Verhalten haben könnte.

Bei neun der insgesamt zwölf erfaßten Variablen ist die Kommunikation der Ehepartner signifikant mit den Verhaltensweisen gegenüber dem Kind verknüpft. Die Autoren konnten zeigen, daß in Intervallen, in denen eine intensive Kommunikation zwischen den Ehepartner stattfand, die Interaktionsrate mit dem Kind zurückging und umgekehrt.

Pedersen (1980) zeigte, daß ein fünf Monate altes Kind nicht nur sein Verhalten der Größe der sozialen Gruppierung, in der es sich gerade befindet, anpaßte, sondern daß das Kind bereits in diesem Alter, sein Verhalten in komplexer Weise auf die beiden Elternteile abstimmt und dabei das Verhalten der Eltern untereinander berücksichtigt.

Auch Bruns (1981) konnte in einer kleineren Studie an acht Familien mit drei Monate alten Töchtern Interaktionsveränderungen in Elternteil-Kind-Dyaden infolge der Anwesenheit eines weiteren Elternteils zeigen.
 
 

Zusammenfassung und Stellungnahme

Die Grundzüge der Bindungstheorie wurden schon sehr früh in den 40iger Jahren formuliert und erst in den letzten Jahren steht der Vater im Mittelpunkt dieses Forschungsansatzes. Am Beginn dieser Forschungsrichtung war oft die Anwesenheit des Vaters in der Familie bedingt durch den 2. Weltkrieg und der Nachkriegszeit nicht gegeben. In der späteren Forschungsperiode wurde m. E. die Präsenz des Vaters in der Familie weitgehend ignoriert. Erst die Vaterforschung in den 70’iger Jahren konnte zeigen, daß auch der Vater als eine adäquate Bindungsperson fungieren kann, wenn ihm dafür die Möglichkeit gegeben wird.

Die Tatsache, daß in den meisten Fällen die Mutter die primäre Bindungsfigur des Kindes ist, beruht m. E. auf der gesellschaftlich bedingter Rollenaufteilung zwischen Mann und Frau. Frauen werden nach wie vor mit großer Selbstverständlichkeit auf die Rolle der Kindererziehung und der Führung des Haushaltes festgelegt. Damit ergeben sich für die Frau viel mehr Möglichkeiten, als erste Ansprechpartnerin und damit primäre Bindungsfigur des Kindes zu fungieren.

In der Literatur (vgl. Fthenakis, 1985) wird angeführt, daß nicht das zeitliche Ausmaß an gemeinsamer Interaktion sondern die Qualität der Interaktion für den Aufbau einer Bindung zum Kind ausschlaggebend ist. M. E. spielt der Zeitfaktor doch eine gewichtige Rolle beim Aufbau einer Bindung, denn ich kann nur sensitiv auf einen Menschen reagieren, deren individuelle Persönlichkeit ich auch kenne. Kennenlernen ist sicherlich mit Zeit verbunden.

Für mich war es eine spannende Herausforderung, auf die Vater-Kind-Bindung im Rahmen dieser Lehrveranstaltung näher einzugehen. Ich nützte die Gelegenheit, um meine eigene Bindungsgeschichte zu reflektieren.
 
 

Literaturverzeichnis
 
 

Ainsworth, M. D. S. (1985). Patterns of infant-mother attachments: Antecedents and effects on development. Bulletin of the New York Academy of Medicine, 61 (9), 771-791. [zitiert nach Fremmer-Bombik, 1995].

Bowlby, J. (1969). Attachment and loss, Vol. 1: Attachment. New York: Basic Books. Dt. (1975): Bindung. München: Kindler. Frankfurt am Main: Fischer TB 1984. [zitiert nach Spangler & Zimmermann, 1995].

Brazelton, T. B. & Cramer B. G. (1991). Die frühe Bindung. Die erste Beziehung zwischen dem Baby und seinen Eltern. Stuttgart: Klett-Cotta. (Orginal erschienen 1990: The Earliest Relationship - Parents, Infants, and the Drama of Early Attachment)

Fremmer-Bombik, E. (1995). Innere Arbeitsmodelle von Bindung. In G. Spangler und P. Zimmermann (Hrsg.), Die Bindungstheorie. Grundlagen, Forschung und Anwendung, (S. 109 - 120). Stuttgart: Klett-Cotta.

Fthenakis, W. E. (1985). Zur Psychologie der Vater-Kind-Beziehung (Bd. 1). München: Deutscher Taschenbuch Verlag.

Spangler, G. & Zimmermann, P. (Hrsg.) (1995). Die Bindungstheorie. Grundlagen, Forschung und Anwendung. Stuttgart: Klett-Cotta.

Prinz-Zumer, P. (1994). Bindungsverhalten von Kleinstkindern. Beobachtet in einer Fremde - Situation. Unveröff. Diss., Universität, Wien.
 
 
 
 

Inhaltsverzeichnis
 
 

5) Einfluß des Vaters auf die kindliche Entwicklung (Christine Gruber)

  EINLEITUNG:

Bei der Bearbeitung des Themas beschäftigte ich mich zuerst ausführlich mit dem zweibändigen Werk von Wassilios E. Fthenakis, seiner systematischen und kritischen Analyse der Ergebnisse in- und ausländischer Vaterforschung.

Viele der dargestellten Studien beschäftigen sich mit einzelnen Faktoren der Vater-Kind-Beziehung und tragen nur wenig zum Verständnis der komplexen Zusammenhänge der Eltern-Kind-Interaktion bei. Es genügt meiner Meinung nach z. B. nicht, das Gesamtverhalten des Vaters in Beziehung zur Ausprägung männlicher Eigenschaften beim Sohn zu setzen, ohne das Verhalten der Mutter, anderer Familienmitglieder und anderer (auch gleichaltriger) Bezugspersonen zu berücksichtigen.

Es scheint mir auch auffällig und nicht zufällig, daß die Einflußnahme des Vaters auf die geschlechtsrollenspezifische Entwicklung der Tochter weit weniger gut dokumentiert ist als die auf den Sohn.
 
 

Jessica Benjamin hat in ihrem Buch "Fesseln der Liebe" einen Erklärungsansatz versucht, indem sie Freud`s Theorie der Geschlechterrollenentwicklung revidiert hat und um eine Idee der Geschlechtsrollenentwicklung des Mädchens erweitert, unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus der neueren Säuglingsforschung.

Ich möchte auf ihre Theorie etwas genauer eingehen, weil sie das einzige Modell liefert, das ich finden konnte, in dem die Entwicklung von Buben und Mädchen gleichermaßen behandelt wird. Die Darstellung dieser Theorie stelle ich der Forschungsergebnispräsentation voran, weil ich hoffe, daß sie Anstoß liefert, die Ergebnisse kritischer und aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachen.

Sich auch mit den möglichen Ursachen zu beschäftigen, die zu den Forschungsergebnissen beigetragen haben mögen, scheint mir eine Chance zu sein auf die zukünftige Entwicklung bewußter Einfluß nehmen zu können - die Forschungsergebnisse im Sinne einer Entwicklungsgestaltung zu nutzen.
 
 

Zu Jessica Benjamins Ansatz der Geschlechtsrollenentwicklung in ihrem Buch: "FESSELN DER LIEBE"
 
 

Während Freuds Auffassung von der Beziehung des Baby`s zur Welt durch sein Bedürfnis nach Nahrung und Tröstung bestimmt war, spricht sie von einem "AKTIVEN SELBST; DAS AUF ANDERE ANGEWIESEN IST".

Sie übt auch Kritik an der ICH-PSYCHOLOGIE (vor allem an einer ihrer Vertreterinnen, nämlich Margaret Mahler), die die allmähliche Ablösung und Individuation des Kindes aus der ursprünglich symbiotischen Einheit mit der Mutter beschreibt.

Benjamin betrachtet die implizite Annahme als problematisch, daß wir aus Beziehungen herauswachsen, anstatt immer aktiver und selbständiger in ihnen zu werden.

Interessant zu lesen fand ich in diesem Zusammenhang auch ein Buch von Martin Dornes:

"Der kompetente Säugling" (siehe Literaturangabe im Anhang).
 
 

Mir gefällt die Sichtweise, daß im Streben nach Individuation sich nicht nur Feindseligkeit und Auflehnung gegen die Abhängigkeit von der Mutter ausdrückt, SONDERN AUCH EINE LIEBE ZUR WELT. Was davon überwiegt hängt wohl von den Umständen ab, unter denen das Kind aufwächst.

OB DAS KIND UNABHÄNGIG WERDEN KANN, IN DER BEZIEHUNG ZUR NÄCHSTEN BEZUGSPERSON, HÄNGT VON DEREN SELBSTBEWUSSTSEIN AB.

In allen bisherigen Theorien führt der Weg in die Außenwelt über den Vater. Die Abwertung der Mutter, die mit einer solchen Idealisierung des Vaters unweigerlich verbunden ist, macht diese Befreierrolle besonders problematisch für die Töchter. Die Folge ist nämlich, daß die Identifikation mit der Mutter (der existierenden Weiblichkeit) ihren eigenen Kampf um Unabhängigkeit unterläuft.
 

Identifiziert sich der Bub mit dem Vater, um sich aus der müttlerlichen Kontrolle zu befreien, kann er dessen "MACHT" über die Mutter anstreben. Das Mädchen aber muß fürchten, vom Vater genauso behandelt zu werden, wie sie ihn gegenüber der Mutter erlebt.

Es ist dann problematisch für die Frau, sich zum Zweck der Ablösung mit dem Vater zu identifizieren, wenn die Beziehung zwischen Vater und Mutter nicht auf Gleichheit beruht (wenn es sich nicht um die Beziehung zwischen zwei Subjekten handelt, die sich in ihrer Verschiedenheit achten) - und das ist solange, solange die Mutter (im Fall des Mädchens) nicht Subjekt ist, sondern (Sexual-)Objekt des Vaters.
 
 

Weiblich wird das Mädchen- Freud zufolge- erst, wenn sie sich von der Mutter ab- und zum Vater hinwendet: wenn sie, in der Hoffnung, den Phallus des Vaters zu bekommen, von der Aktivität zur Passivität überwechselt. Ihr Bestreben, sich den fehlenden Phallus anzueignen, bringt sie in die Position eines Objekts für den Vater. Der Verzicht der Frau auf sexuelle Aktivität sowie ihre Hinnahme des Objektstatus sind für Freud sogar die Insignien gelungener Weiblichkeit.

Diese Definition Freuds wird heute weitgehend abgelehnt, nicht aber verschwindet der Mythos der Gleichsetzung von Passivität und Weiblichkeit aus unseren Köpfen.

Die Verwendung des Vaters zu einer Lösung, die selber Teil des Problems ist, kann nur zu einer Spaltung führen zwischen Autonomie und Sexualität. Die Tatsache, daß das Mädchen größere Schwierigkeiten hat, den Vater bei der Ablösung von der Mutter und bei der Abwehr ihrer Hilflosigkeit zu nutzen, wird in der psychoanalytischen Literatur fast ausnahmslos als unvermeidlich gesehen.

Wenn das kleine Mädchen in der Wiederannäherungsphase öfter als der kleine Bub depressiv wird und ihren begeisterten Forscherdrang verliert, so gehört dies etwa für M. Mahler zu den "Realitäten des Lebens". Es bleibt Buben ihrer Meinung nach erspart wegen ihrer größeren Begeisterung für Motoren, der größeren Lust an Bewegung und aggressiven Betätigungen.

Aber solche Verhaltensweisen sind wohl ein Symptom und nicht die Ursache dafür, daß es Jungen besser gelingt, jene Hilflosigkeit zu leugnen, mit der Mädchen sich depressiv auseinandersetzen müssen.
 
 

DIE VÄTERLICHE ANERKENNUNG HAT IN DIESEM FALL ALSO EINEN ABWEHRASPEKT.

Die Suche nach einem Ausweg aus dem Dilemma, der dem Kind Unabhängigkeit unter Vermeidung einer Verlusterfahrung ermöglicht, endet in unserer Kultur zumeist immer noch in einer Spaltung- in der Verteilung widersprüchlicher Strebungen auf die beiden Elternpersonen.

ABLLÖSUNG UND INDIVIDUATION SCHEINEN SOMIT EINE FRAGE DER GESCHLECHTSZUGEHÖRIGKEIT ZU SEIN.

In ihrer Angst bei der Ablösung von der Mutter (bzw. der engsten Bezugsperson) suchen die Mädchen, genau wie die Buben, nach einer Figur, an die sie sich anlehnen können, die für sie den Schritt aus frühkindlicher Abhängigkeit in die große Außenwelt erleichtert.

Von Anfang an ist aber auch eine identifizierende Liebe von seiten der Eltern im Spiel:

In unserer Tradition immer noch häufig erkennt sich der Vater im Sohn wieder. Er sieht in ihm vielleicht den idealen Buben, der er selbst hätte sein wollen. (Ein schweres Erbe!)

Die Desidentifikation des Vaters von seiner eigenen Mutter, sowie sein fortgesetztes Bedürfnis, sich in seiner Verschiedenheit von Frauen zu bestätigen, erschweren es ihm, seine Tochter genauso anzuerkennen wie seinen Sohn. Eher sieht er in ihr ein liebenswertes kleines Ding- ein heranwachsendes Sexualobjekt.

Die Abwendung des Vaters, drängt das Mädchen wieder zur Mutter zurück. Die anschließende Wendung ihres Unabhängigkeitsbestrebens nach innen, sowie ihr Zorn auf die Nichtanerkennung erklären die depressive Reaktion des Mädchens auf den Konflikt der Wiederannäherungsphase. Kleine Mädchen sind also viel dichter mit den Schwierigkeiten der Ablösung von der Mutter, sowie mit der eigenen Hilflosigkeit konfrontiert. In dieser Phase entsteht die Entsagung des Rechts auf eigenes Begehren.
 
 

DIE IDENTIFIZIERENDE LIEBE DES PRÄÖDIPALEN MÄDCHENS BILDET JEDOCH DIE BASIS DER SPÄTEREN HETEROSEXUELLEN LIEBE. Wenn das Mädchen erkennt, daß es nicht der Vater sein kann, will sie ihn haben.
 
 

Irena Fast beschreibt in ihrer "Theorie der Geschlechterdifferenzierung" daß Buben und Mädchen (im Idealfall) in gleicher Weise eine Phase durchlaufen, in der sie spielerisch ihre Identifikation mit dem entgegengesetzten Geschlecht erproben. Danach verzichten sie auf diese Identifikation, und erkennen sie als Vorrecht des jeweils anderen Geschlechts an. Und diese Anerkennung des Andersseins, gepaart mit der vorherigen Identifikation (die Verständnis schafft), befähigt zur heterosexuellen Liebe- einer Liebe zu dem, was anders ist.
 
 

Wenn der Verzicht aber zu früh - ohne ausreichende Identifikationsmöglichkeit stattfindet, dann wird er durch Ablehnung oder Idealisierung der betreffenden Elternfigur gefährdet.

Weil der Vater den Identifikationsversuch des Mädchens eher zurückweist wird ihre Liebe durch Neid und Unterwürfigkeit vergiftet. Neid ist ein Zeichen mißlungener Identifikation.
 
 

Der Wunsch des Mädchens, sich mit dem Vater zu identifizieren, führt selbst dann, wenn er befriedigt wird, angesichts des gegenwärtigen Arrangements der Geschlechter zu tausendfältigen Schwierigkeiten. Solange die Mutter nicht als Person mit eigener sexueller Handlungsfähigkeit wahrgenommen wird, muß die Identifikation mit der Handlungsfähigkeit und mit dem Begehren des Vaters so aussehen, als sei sie gestohlen oder unrechtmäßig angeeignet.

Diese Frau lebt dann im Widerspruch zum kulturellen Bild der Frau als Sexualobjekt und im Konflikt mit der Mutter- Identifikation.
 
 

Sobald die Beziehung zwischen Vater und Tochter sexualisiert ist, wird die Bindung an ihn zu einer hemmenden Schranke und nicht mehr zum Impuls für die Autonomie des Mädchens.
 
 

IM WÜNSCHENSWERTESTEN FALL MACHT DIE IDENTIFIKATION MIT BEIDEN ELTERN ES DEM KIND MÖGLICH, MANCHES VON DEM ZU ÜBERNEHMEN, WAS DEM ANDEREN GESCHLECHT ZUGEORDNET WIRD.

NEBEN EINER ZUVERLLÄSSIGEN GESCHLECHTSIDENTITÄT SOLLTEN DIE INDIVIDUEN IM IDEALFALL MÄNNLICHE UND WEIBLICHE ASPEKTE DES SELBSTSEINS INTEGRIEREN UND ZUM AUSDRUCK BRINGEN KÖNNEN.
 
 

Eltern als Beispiel für Integration und nicht für Komplementarität, würden den Kindern ein nicht defensives Ideal der Ablösung und Differenzierung bieten - einen Ausweg aus der sexuellen Machtbeziehung, in der die eine Seite abgewertet und der anderen untergeordnet wird.

Für Kinder beiderlei Geschlechts bedeutet die Spaltung in die MUTTER DER ABHÄNGIGKEIT und den VATER DER BEFREIUNG, daß Unabhängigkeit nur im Verzicht auf mütterliche Nähe möglich ist.

DIE IDEALISIERUNG DES VATERS MASKIERT DIE FURCHT DES KINDES VOR SEINER MACHT.
 
 

Oft wird der heute konstatierte "uneingeschränkte Narzißmus" mit dem Fehlen oder dem Autoritätsverlust des Vaters begründet. Die Vorstellung eines befreienden Vaters sabotiert aber paradoxerweise genau das, was der Ödipuskomplex leisten sollte: nämlich die AUSSÖHNUNG MIT DEM GESCHLECHTSUNTERSCHIED. Dieser Vergleich zwischen dem "ödipalen Menschen" und dem "neuen Narziß" ist oft durchdrungen von der Sehnsucht nach alten Formen von Autorität und Moral.
 
 

Benjamin (1988) schreibt:

Kinder wählen sich nicht mehr die Eltern, vor allem nicht den Vater als Ideal, sondern verteilen ihre identifikatorische Liebe sozusagen promiskuös auf die Gruppe der Gleichaltrigen und die Superstars der Warenkultur. (S.135)

Das Vorurteil, das in der Kritik an der vaterlosen Gesellschaft mitschwingt, liegt im Bemühen, etwas Pathologisches an der frühen Liebe des Kindes aufzuzeigen und nicht an der väterlichen Reaktion auf diese. (S.142)
 
 

Auch wird dabei nicht beachtet, daß das Verantwortungsgefühl, das durch das weibliche Über-Ich und nicht etwa durch die Ablösung gefördert wird, auch Aggression und Begehren mäßigen kann.

Aber der Schaden, den die Ablehnung des Weiblichen der männlichen Psyche zufügt, ist durchaus dem "Mangel" der Frau vergleichbar, auch wenn dieser Schaden als Kompetenz und Unverletzlichkeit maskiert wird - und auch gerade deshalb.

Dinnerstein hat festgestellt, daß der Bub, sobald er sich nicht mehr mit der Mutter identifiziert, sobald der sie also aus seinem Selbst herausprojeziert hat, weitgehend das Gefühl verliert, die lebenswichtige Quelle des Guten in sich zu tragen.
 
 

Sie meint, daß ein Bub, der so den Zugang zu seinem inneren Raum verloren hat, süchtig wird auf die Eroberung äußerer Räume. (Mir scheint dies ein weiterer Blickwinkel auf unser Sucht-

Zeitalter.)
 
 

Mir persönlich scheint das Schicksal vieler Frauen, vor allem der frühen Frauenbewegung, ein ähnliches zu sein, wie das der Männer: eine Identifikation mit "männlichen Werten" um den Preis der inneren Quelle.

Die ödipale Theorie leugnet also die Notwendigkeit einer gegenseitigen Anerkennung von Mann und Frau -- die VERSÖHNUNG MIT DEM UNTERSCHIED.

DIE GESCHLECHTERPOLARISIERUNG BERAUBT DIE FRAUEN IHRER SUBJEKTIVITÄT UND DIE MÄNNER EINER ANDEREN; DIE SIE ANERKENNEN WÜRDE.
 
 

SCHLUSSBEMERKUNG: Die Beziehung der Eltern zueinander und das Selbstbewußtsein der Mutter wie des Vaters, deren Fähigkeit männliche und weibliche Anteile in ihrer jeweiligen Persönlichkeit zu integrieren und aus dieser Ganzheit heraus Achtung zu empfinden für das Anderssein des Anderen (es als Bereicherung zu erleben und nicht als

Angriff auf die eigene Person) scheint mir Erziehungsziel zu sein. Den Kindern ein so gut als mögliches Vorbild zu sein, einen individuellen Weg durchs Leben zu finden und dabei immer beziehungsfähiger zu werden.
 
 

ZUSAMMENFASSUNG VON FORSCHUNGSERGEBNISSEN AUS:
 
 

Wassilios E. Fthenakis: Väter

Band 1: Zur Psychologie der Vater-Kind-Beziehung
 
 

Kapitel 9 (S.289-320):

Der Einfluß des Vaters auf die kognitive Entwicklung, auf die Internalisation moralischer Standards sowie auf die Entwicklung geschlechtsrollenspezifischen Verhaltens
 
 

ad) KOGNITIVE ENTWICKLUNG:
 
 

Es gibt keine eindeutigen Ergebnisse bezüglich Mädchen:

ad) MORALISCHE WERTE UND NORMEN:
 
 

Mütter haben aufgrund ihrer umfassenden Einflußnahme im Disziplinierungsbereich die zentrale Rolle bei der Internalisierung moralischer Werte und Normen.

Väter spielen eine Rolle als Identifikationsfigur bei Söhnen.
 
 

ad) GESCHLECHTSROLLENSPEZIFISCHES VERHALTEN:
 
 

ROLLENTHEORIE nach Parsons & Bales (1955): Die Identifikation des Kindes erfolgt mit der Person, die am meisten belohnt oder bestraft.
 
 

STATUS-NEID-THEORIE nach Whiting & Whiting (1975a, 1975b): Der Bub identifiziert sich mit dem Vater um die gleichen Privilegien zu erhalten wie dieser.
 
 

Die THEORIE DES SOZIALEN LERNENS sagt aus, daß sich der Sohn mit dem Vater identifiziert aufgrund der "wahrgenommenen Macht" am gleichgeschlechtlichen Modell oder wegen des Bewußtseins der Konstanz des eigenen Geschlechts.
 
 

Auf die Entwicklung geschlechtsspezifischen Verhaltens legen Väter bei den Söhnen größeren Wert als Mütter.
 
 

LERNTHEORIE VON Mowrer (1960) betont die Entwicklungsidentifikation für die Ausbildung der Geschlechterrolle. Die affekt-emotionale Beziehung zu den Eltern motiviere das Kind, zum Zweck der Vermeidung von Liebesverlust bei deren Abwesenheit diese teilweise selbst darzustellen.
 
 

UNTERSUCHUNG VON FAMILIENKONSTELLATIONEN:
 
 

Söhne betreffend:
 
 

Töchter betreffend:
 
 

-) ihnen die Situation so angenehm wie möglich zu gestalten

-) Bewältigung gestellter Aufgaben durch die Tochter

sicherzustellen

positive Haltung zu Frauen Ermutigung von Unabhängigkeits- und Selbstverwirklichungsbestrebungen bei ihren Töchtern von großer Bedeutung. Die Mütter femininer und autonomer Töchter waren meist berufstätig und förderten

Unabhängigkeitsbestrebungen ihrer Töchter.


 
 

Block und Kollegen (1973) zeigten, daß die am besten angepaßten Frauen aus Familien kamen, in denen beide Elternteile stark um das Kind bemüht waren.
 
 

Frauen aus Familien mit abwesendem Vater haben Schwierigkeiten mit Männern zu interagieren und positive, lang andauernde heterosexuelle Beziehungen einzugehen.

JE ENGER DIE VATER-TOCHTER-BEZIEHUNG DESTO LEICHTER DAS AUFNEHMEN VON HETEROSEXUELLEN KONTAKTEN.
 
 

Frauen aus glücklichen Ehen geben an, daß der Ehemann dem Vater ähnelt.
 
 

Lozoff (1974) untersuchte die väterliche Bedeutung für Autonomie und Rollenkonflikte bei Studentinnen:
 
 

1. Gruppe Frauen: waren intellektuell erfolgreich, genossen nichtsdestotrotz intime Beziehungen und beherrschten interpersonale Fähigkeiten:
 
 

Diese Frauen, die sich eine Lebensweise erhofften, die ihnen erlauben würde, Ehe und Karriere zu verbinden, identifizierten sich in der Regel mit beiden Elternteilen; vom Vater ermutigt, Fähigkeiten nach eigenem Gutdünken einzusetzen.

Väterprofil: intelligent, energisch, tatenreich

Mütterprofil: klassisch weibliches Modell

Häufig beschrieben sich diese Frauen als uneinig mit ihrem Vater, was offensichtlich mit ihren Unabhängigkeitsbestrebungen zu tun hatte.
 
 

2. Gruppe Frauen: waren intellektuell erfolgreich, in interpersonalen Beziehungen hatten sie jedoch Schwierigkeiten, die denen vaterlos aufgewachsener Mädchen ähnelten.

Diese Frauen hatten in der Regel perfektionistische Väter.
 
 

3. Gruppe Frauen: waren wenig leistungsorientiert, ihre Väter hatten die Erziehung der Töchter ihren Müttern überlassen. Sie imponierten als ausgeprägt weibliche Frauen.
 
 

Frauen, die, obwohl stark sozialisiert, doch wenig mit der traditionell weiblichen Rolle identifiziert waren, erschienen als die bestangepaßten. Sie berichteten von positiven Beziehungen zu beiden Eltern, von denen zumindest einer Wert auf intellektuelle Leistungen gelegt hatte.
 
 

Söhne und Töchter betreffend:
 
 

Block (1979) zeigte, daß beide Eltern bei ihren Söhnen mehr Wert auf Leistung und Konkurrenzfähigkeit legen als bei ihren Töchtern.

Bei ihren Söhnen akzeptieren sie eher Äußerungen von Aggression, sind weniger tolerant gegenüber dem Ausdruck von Emotionen und wenden eher strenge und physische Bestrafung an.
 
 

Väter legen besonderen Wert auf Unabhängigkeit und Selbstverantwortlichkeit ihrer Söhne.

Auf die Sozialisation von Töchtern ist der Einfluß nur indirekt, in Form von traditionsgebundenen, geschlechtstypischen Erwartungen.
 
 

Persönliche Stellungnahme:
 
 

Ich glaube, daß wir uns in einer Umbruchs- und Aufbruchsphase befinden, in der die Geschlechterrollentraditionen sehr infrage gestellt sind. Und ich erlebe es persönlich sehr schwierig aus den herkömmlichen Mustern auszusteigen. Es scheint mir für Männer wie für Frauen gleichermaßen anstrengende Prozesse zu bedeuten, auch männliche bzw. weibliche Anteile zu integrieren, die bislang dem anderen Geschlecht vorenthalten waren. Die "neuen Väter" werden immer wieder genauso verunsichert wie die "neuen Mütter" und trotzdem glaube ich daß sich der Weg in Richtung mehr gegenseitige Anerkennung lohnt. Ich bin neugierig wie "unsere Kinder" darauf reagieren werden.
 
 

Literaturverzeichnis:
 
 

FTHENAKIS, W. E. (1988a) Väter. Zur Psychologie der Vater-Kind-Beziehung (Bd.1). München: Deutscher Taschenbuch Verlag.

BENJAMIN, J. (1996) Die Fesseln der Liebe. Psychoanalyse, Feminismus und das Problem der Macht. Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuch Verlag.

DORNES, M. (1993) Der kompetente Säugling. Die präverbale Entwicklung des Menschen Frankfurt/Main: Fischer Taschenbuch Verlag.
 
 
 
 

Inhaltsverzeichnis
 
 

6) Auswirkungen von Vaterabwesenheit (Severine Schönach)

  1. Einleitung

1.1 Geschichte und Entwicklung des Forschungsfeldes

Die Bedeutung des Vaters für die Entwicklung des Kindes in den ersten Lebensjahren wurde zunächst nur sehr gering eingeschätzt und die Vaterforschung lange Zeit vernachlässigt.

Nach dem zweiten Weltkrieg beschäftigten sich die ersten Untersuchungen zur Vater-Kind-Beziehung mit den Konsequenzen der Vaterabwesenheit auf die Entwicklung des Kindes. Diese Forschungsrichtung, die von Fthenakis (1984) auch als erste Phase der Vaterforschung bezeichnet wurde, erlebte in den 60er bis zu Beginn der 70er Jahre ihren Höhepunkt.

Diese Studien ermöglichten es auch, auf indirektem Weg die Rolle und Bedeutung des Vaters für die Entwicklung des Kindes zu untersuchen, und die Vaterrolle wurde aufgewertet.

Die meisten Untersuchungen zu Vaterabwesenheit konzentrierten ihre Interessen auf (a) die kognitive, (b) die moralische, (c) die Entwicklung des geschlechtsrollenspezifischen Verhaltens sowie (d) die psychosoziale Entwicklung.

In der Folgezeit gingen Untersuchungen zum Themenkreis der Vaterdeprivation zurück und machten direkteren Untersuchungen zur Vater-Kind-Beziehung Platz.

Neuen Anstoß und neue Möglichkeiten die Effekte der Vaterdeprivation zu studieren, bietet die Auseinandersetzung mit der Thematik der Scheidung und deren Konsequenzen für Eltern und Kinder. War in den anfänglichen Studien zur Vaterdeprivation noch der Tod die häufigste Ursache der Abwesenheit, so ist es heute die Scheidung.

Die meisten früheren Untersuchungen sind von einer schlichten Dichotomie zwischen An- und Abwesenheit des Vaters ausgegangen. Dieser Ansatz erwies sich jedoch als unzulänglich, was zu einer Differenzierung führte. Differenziert wurde zunehmend nach Gründen der Vaterabwesenheit, nach den unterschiedlichen Graden der Verfügbarkeit des Vaters, nach dem Zeitpunkt und dem zeitlichen Ausmaß der Vater-Kind-Trennung. Mit diesen und weiteren Faktoren variieren die Auswirkungen, die die Abwesenheit des Vaters auf das Kind hat.
 
 

1.2 Methodische Probleme

Ein gravierendes Problem stellt die terminologische Ungenauigkeit dar. Unter dem Begriff Vaterabwesenheit können unterschiedliche familiäre Verhältnisse subsumiert werden.

Von vielen Untersuchern wurde die Variable Vaterabwesenheit auch viel zu global betrachtet, ohne die oben genannten Differenzierungen vorzunehmen.

Ein weiteres grundlegendes Problem ergibt sich aus der ungenügenden Kontrolle des sozialen Status, und es wurden fast immer nur Kinder aus unteren sozialen Schichten untersucht.

Damit wird zugleich auch das Problem der Repräsentativität der Stichproben angesprochen. Oft handelt es sich bei den Untersuchten nämlich um einen besonderen "Ausschnitt" der Bevölkerung, z.B. um Angehörige niederer sozialer Schichten oder um Klienten von Beratungsstellen. Außerdem muß ganz allgemein die Repräsentativität vaterloser Familien angezweifelt werden. Familien, in denen ein Elternteil "ausfällt", können sich durch eine Reihe weiterer Faktoren von anderen Familien unterscheiden, die dann ihrerseits für die Auswirkungen der Vaterabwesenheit verantwortlich zu machen wären.
 
 

2. Auswirkungen der Abwesenheit des Vaters auf die kognitive Entwicklung
 
 

Nach einer Literaturübersicht von Shinn (1978) konnte ein Großteil (75%) der Untersuchungen zu dieser Thematik einen nachteiligen Effekt der Vaterabwesenheit auf die kognitive Entwicklung des Kindes feststellen. Die Auswirkungen einer Vaterdeprivation werden aber über verschiedene Faktoren vermittelt und variieren mit ihnen erheblich.
 
 

2.1 Arten und Formen der Vaterabwesenheit: Ursache, Dauer, Verfügbarkeit des Vaters, Vatersurrogate

Ein bestimmender Faktor für das Ausmaß der negativen Auswirkungen der Vaterabwesenheit auf die kognitive Entwicklung sind deren Ursachen. So wirkt sich Vaterabwesenheit aufgrund einer Scheidung oder Trennung der Eltern negativer aus, als infolge des Todes des Vaters

(z.B. Santrock, 1972). Bezüglich der Dauer der Vaterabwesenheit stellten einige Untersuchungen die einschneidensten Effekt bei langandauernder (Landy, Rosenberg & Sutton-Smith, 1969) und früh einsetzender (Blanchard & Biller, 1971, zitiert nach Fthenakis, 1985a) Abwesenheit des Vaters fest.

Wurden verschiedene Grade der Verfügbarkeit des Vaters unterschieden, so zeigte sich, daß Kinder von in hohem Maß verfügbaren Vätern in Leistungstests besser abschnitten als Kinder von nur in geringem Maß verfügbaren Vätern (Blanchard & Biller, 1971, zitiert nach Biller, 1981).

Das Vorhandensein von Vatersurrogaten kann die abträglichen Auswirkungen der Vaterabwesenheit auf die kognitive Entwicklung des Kindes unter Umständen vermindern, wobei dies in erster Linie für Jungen gilt und der positive Effekt um so stärker ist, je früher der Vaterersatz zur Verfügung stand (Santrock, 1972).
 
 

2.2 Charakteristiken der Stichprobe: Alter, Geschlecht, Familiengröße, sozioökonomische Schichtzugehörigkeit

Die meisten Studien, die das Alter des Kindes zu Beginn der Vater-Kind-Trennung berücksichtigten, kommen zu dem Schluß, daß sich die Abwesenheit des Vaters um so negativer auswirkt, je jünger das Kind zum Zeitpunkt der Trennung war, wobei besonders nachteilige Effekt erwartet werden, wenn sie vor dem fünften Lebensjahr des Kindes einsetzte (z.B. Blanchard & Biller, 1971, zitiert nach Fthenakis, 1985a). Nach Santrock (1972) muß hierbei aber auch die Ursache der Vaterabwesenheit berücksichtigt werden. Nach ihm hat ein späterer Tod des Vaters, zwischen dem sechsten und neunten Lebensjahr des Kindes, nachteiligere Effekte, als ein früher Tod. Zumeist wird angenommen, daß die Abwesenheit des Vaters einen nachteiligeren Effekt auf Jungen als auf Mädchen hat. Shinn (1978) betont hingegen in ihrer Literaturübersicht, daß aus den Ergebnissen verschiedener Studien sich mindestens ebenso viele Hinweise für eine Beeinträchtigung der kognitiven Entwicklung bei Mädchen wie bei Buben ergeben.

Auch die Familiengröße und Familienzusammensetzung erweisen sich als wesentliche Einflußfaktoren. Sutton-Smith, Rosenberg und Landy (1968, zitiert nach Fthenakis, 1985a) stellten fest, daß sich die Abwesenheit des Vaters in größeren Familien negativer auswirkte als in kleineren Familien. Ein Geschwisterkind gleichen Geschlechts schien die Abwesenheit des Vaters aber zumindest teilweise ausgleichen zu können.

Vaterabwesenheit scheint für Kinder aus unteren sozialen Schichten mit mehr negativen Konsequenzen verbunden zu sein als für Kinder aus der sozialen Mittelschicht (Biller 1971a, zitiert nach Biller, 1981). Aus den wenigen Untersuchungen, die sich mit Kindern aus der Mittelschicht beschäftigten, kann allerdings kein eindeutiges Ergebnis abgeleitet werden. Größere Klarheit brachten Untersuchungen, die nicht ein allgemeines Maß der Intelligenz, sondern verschiedene Arten kognitiver Leistungen betrachteten (siehe Unterkapitel 2.3).

2.3 Arten kognitiver Leistungen

Einige Forscher haben die Hypothese aufgestellt, daß das Aufwachsen von Jungen in vaterlosen Familien zu einem "femininen" Fähigkeitsmuster führt, gekennzeichnet durch relativ höhere verbale als mathematische Fähigkeiten und fanden diese Vermutung in ihren Untersuchungen auch bestätigt (z.B. Carlsmith, 1964, zitiert nach Biller, 1981), wobei allerdings nicht festgestellt werden konnte, ob es sich um eine Verbesserung der verbalen Fähigkeiten, eine Verminderung der mathematische Fähigkeiten oder um beides handelte. Andere Untersuchungen stellten keine derartige Umkehr des Fähigkeitsmusters fest (vgl. Shinn, 1978).

Mehr Klarheit brachten Untersuchungen, die den sozioökonomischen Status berücksichtigten und feststellten, daß wohl vaterlose Kinder aus der Mittelschicht im Vergleich zu Kindern aus intakten Familien des selben sozialen Hintergrundes bessere verbale Fähigkeiten aufwiesen, aber nicht Kinder aus der Unterschicht (Lessing et al., 1970, zitiert nach Radin, 1981).

Shinn (1978) kommt aufgrund ihrer Literaturübersicht zu dem Schluß, daß die Abwesenheit des Vaters oft mit schwacher mathematischer Leistung assoziiert ist, und auch mit einer Verbesserung der verbalen Fähigkeiten in Zusammenhang steht, wobei letzteres aber vor allem auf Kinder aus mittleren sozialen Schichten zutrifft.
 
 

2.4 Interpretationsansätze

a) Nicht-Repräsentativität vaterloser Familien

Einer Trennung der Eltern können jahrelange Konflikte vorausgehen, und die Beeinträchtigung der kognitiven Entwicklung könnte aus diesen familiären Spannungen vor der Trennung resultieren und nicht aus der Abwesenheit des Vaters danach. Dementsprechend wurden auch stärkere negative Effekte gefunden, wenn Scheidung der Eltern Grund für die Abwesenheit des Vaters ist, als wenn sie durch den Tod des Vaters bedingt ist.

b) Geschlechtsrollenidentifikation

Carlsmith (1964, zitiert nach Shinn, 1978) argumentiert, daß das "feminine" Fähigkeitsmuster die Schwierigkeiten widerspiegle, eine männliche Identität ohne ein adäquates männliches Rollenmodell aufzubauen. Shinn (1978) räumt dieser Erklärung nur wenig Relevanz ein, da die Zunahme verbaler Fähigkeiten und die Abnahme mathematischer Fähigkeiten auch bei vaterlosen Mädchen und bei mutterlosen Jungen feststellbar ist.

c) Angstinterferenz

Maccoby und Rauh (1962, zitiert nach Fthenakis, 1985a) vermuten Angstinterferenz als Ursache für das "feminine" Fähigkeitsmuster. Vaterlose Kinder stünden unter größerem Streß, der mehr mit mathematischen als mit verbalen Fähigkeiten interferiert. Indirekt bestätigt wird diese Hypothese dadurch, daß immer dann stärkere negative Effekte der Vaterabwesenh. festgestellt wurden, wenn der Verlust des Vaters mit erhöhten familiären Spannungen verbunden war.

d) Reduzierte Eltern-Kind Interaktionen

Eine andere Erklärung ist, daß Kinder aus vaterlosen Familien weniger elterliche Aufmerksamkeit, eine wichtige Quelle kognitiver Stimulierung, erhalten. Der Verlust des Vaters bedeutet nicht nur reduzierte oder fehlende Verfügbarkeit des Vaters, oft verringert sich auch der Anteil mütterlicher Aufmerksamkeit.
 
 

3 Auswirkungen der Vaterabwesenheit auf die moralische Entwicklung bei nicht auffällig gewordenen Kindern und Jugendlichen

3.1 Ergebnisse

Allgemein wurden Kinder, besonders Buben, als moralisch "unreifer" eingestuft als Kinder aus vollständigen Familien.

Jungen ohne Väter zeigten in verschiedenen Untersuchungen ein geringeres Maß an Selbstkontrolle. Sie hatten Schwierigkeiten beim Aufschub von Bedürfnisbefriedigung, konnten Versuchungen schlechter widerstehen und wurden von ihren Lehrern als aggressiver eingestuft. Bei Scheidung der Eltern bzw. langer Abwesenheit des Vaters waren die Probleme im allgemeinen größer als bei Tod des Vaters bzw. kürzerer Trennungsdauer (vgl. Fthenakis, 1985a). Die mangelhafte Selbstkontrolle könnte mit der oft fehlerhaften Zeitwahrnehmung bei Kindern ohne Väter in Zusammenhang stehen (Meerloo 1956, zitiert nach Biller,1981).

Whiting (1959, zitiert nach Biller, 1981) stellte in einer interkulturellen Untersuchung fest, daß Kinder ohne bzw. mit nur wenig verfügbaren Vätern mehr dazu neigen, andere oder das Schicksal für Mißgeschicke verantwortlich zu machen als bei sich selbst die Schuld zu suchen.

Auch die moralische Urteilsfähigkeit und moralische Gefühle, wie Schuld- und Schamgefühle bei Regelverletzungen, waren bei vaterdeprivierten Jungen geringer ausgeprägt (Hoffman, 1971a, zitiert nach Hoffman, 1981).

Bezüglich der Auswirkungen des Vaterabwesenheit auf die moralische Entwicklung von Mädchen liegen keine klaren Ergebnisse vor.
 
 

3.2 Interpretationsansätze

a) Identifikation und Geschlechtsrollenübernahme

Rückstände in der moralischen Entwicklung wären auf die fehlende Identifikation mit dem Vater, der ein wesentliche Faktor für die Übernahme moralischer Ge- und Verbote durch das Kind sei, zurückzuführen. Eine gewisse Bestätigung findet diese Behauptung in dem Ergebnis von Hoffman (1971, zitiert nach Hoffman, 1981), daß Buben, die sich nur wenig mit ihrem Vater identifizierten eine geringere moralische Reife aufwiesen als Jungen mit einer starken Identifikation.

Ein anderer Erklärungsansatz nimmt an, daß Jungen, die ohne Vater aufwachsen, Schwierigkeiten bei der Ausbildung einer sicheren männlichen Identität hätten und ihr antisoziales Verhalten einen Versuch darstelle, ihre Männlichkeit zu beweisen.

b) Modellernen

Eine andere Erklärung sieht die Abwesenheit eines männlichen Modells als wesentliche Ursache für eine beeinträchtigte moralische Entwicklung. Der Vater repräsentiere die Regeln und Normen der Gesellschaft, sei Modell für die Beherrschung aggressiver Impulse und für das Hinarbeiten auf längerfristige Ziele in der Zukunft. Die Mutter könne bei Ausfall des Vaters diese Funktionen nur mangelhaft übernehmen, sind ihr in der traditionellen familiären Rollenverteilung doch die expressiven Funktionen vorbehalten.
 
 

4. Auswirkungen der Abwesenheit des Vaters auf die Geschlechtsrollenentwicklung des Kindes
 
 

4.1 Männliche Geschlechtsrollenentwicklung

In einige Untersuchungen, die die Geschlechtsrollenentwicklung vaterdeprivierter Jungen untersuchten, wird auf Verhaltensweisen bezug genommen, die nach Ansicht der Forscher Attribute der männlichen Geschlechtsrolle sind, und Aggression soll eines davon sein.

Vaterlose Buben im Vorschulalter verhielten sich zumeist weniger aggressiv, männlich und unabhängig als ihre Alterskollegen, die mit ihrem Vater aufwuchsen und zwar sowohl im Puppenspiel als auch im Umgang mit Gleichaltrigen (vgl. Fthenakis, 1985a).

Der geringen Aggressivität und der starken Abhängigkeit in frühen Jahren steht die vermehrte Aggressivität in späteren Jahren gegenüber. Bereits im Grundschulalter wurden Jungen ohne Vater von ihren Lehrern als ungehorsamer, aggressiver, männlicher und unabhängiger eingestuft, wobei Verlust des Vaters durch Scheidung und langandauernde Vaterabwesenheit mit größerer sozialer Abweichung assoziiert waren (Santrock und Wohlford, 1970, zitiert nach Lynn, 1974).

Eine Vermutung lautet, daß vaterlose Jungen versuchen, ihre geringere und weniger sichere maskuline Identität durch betont männliches Verhalten zu kompensieren.

Gerade für Jungen, die ohne Vater aufwachsen, scheint es besonders schwierig zu sein, die an sie herangetragenen Erwartungen zu erfüllen und ihre Aggression und Dominanz so zu dosieren, daß sie einerseits "männlich" erscheinen, andererseits aber nicht bestehende Regeln und Konventionen verletzen (vgl. Fthenakis, 1985a).

Als weiterer Hinweis auf eine gestörte Maskulinität bei vaterlosen Jungen wurde die schon erwähnte Umkehr des Fähigkeitsmusters mit relativ besseren verbalen als mathematischen Fähigkeiten gewertet.

Bezüglich des Zeitpunktes der Vater-Kind-Trennung kommen die meisten Autoren zu dem Schluß, daß frühe und lang andauernde Abwesenheit besonders nachteilige Auswirkungen hat, wobei die angenommene "kritische Periode" zwischen dem zweiten und fünften Lebensjahr schwankt (vgl. Fthenakis 1985a).

Die Verfügbarkeit männlicher Ersatzmodelle, kann die Auswirkungen der Vaterabwesenheit zumindest bis zu einem gewissen Grad kompensieren, wenn Vatersurrogate den Vater auch nicht vollständig ersetzen können und ihre Wirkung von einer Reihe von Rahmenbedingungen und Faktoren, wie z.B. dem Alter des Kindes bei einer Widerrieft der Mutter, abhängig ist.

Maskuline Rollenmodelle werden auch von der Peer-Gruppe geboten und beeinflussen Jungen ohne Vater stark. Sie neigen dazu, ihre Kameraden zu imitieren. Dabei spielt die physische Konstitution eine wichtige Rolle. Jungen in guter physischer Verfassung erreichen relativ leicht und rasch Akzeptanz bei ihren Kameraden und bleiben in der Entwicklung ihrer maskulinen Identität weniger zurück als Jungen mit zarter Konstitution (Biller 1968, zitiert nach Biller 1981).

Auch die sozioökonomische Schichtzugehörigkeit erscheint als wichtige Moderatorvariable. Zum einem ist die Geschlechtsrollentypisierung bei der Kindererziehung in der Unterschicht ausgeprägter als in oberen Schichten und geschlechtsspezifische Unterschiede nehmen mit steigendem Bildungsniveau ab. Zum anderen werden in der Mittelschicht und in einer intellektuellen/akademischen Umgebung "weibliche" Züge (soziale, ästhetische Interessen, verbale Fähigkeiten) geschätzt (Carlsmith, 1973, zitiert nach Fthenakis, 1985a).

In unteren sozialen Schichten werden feminine Züge bei Jungen häufig mit Schwäche gleichgesetzt, führen zu Konflikten und überkompensatorischer Männlichkeit.

Biller fand die größten Unterschiede zwischen Jungen mit und ohne Vater in der Geschlechtsrollenorientierung, eine Facette des Selbstkonzepts. Geschlechtsrollenbevorzugung, die Bevorzugung von Symbolen und Aktivitäten, die nach herrschenden Konventionen als geschlechtsspezifisch gelten und Geschlechtsrollenannahme, wie maskulin bzw. feminin das Verhalten den anderen erscheint, waren weniger betroffen (Biller, 1969, zitiert nach Biller, 1981).
 
 

4.2 Weibliche Geschlechtsrollenentwicklung

Nach Santrock (1970, zitiert nach Biller, 1981) scheint bei Mädchen die Abwesenheit des Vaters mehr die Fähigkeiten, sich in interpersonellen und heterosexuellen Beziehungen zurechtzufinden, zu beeinträchtigen als die Geschlechtsrollenorientierung.

Die bekannteste Studie auf diesem Gebiet wurde von Hetherington (1972, zitiert nach Fthenakis 1985a) durchgeführt. Sie verglich Mädchen mit und ohne Vater und berücksichtigte auch, ob die Abwesenheit des Vaters durch Scheidung der Eltern oder Tod bedingt war. Beide Gruppen vaterloser Mädchen hatten Schwierigkeiten im Umgang mit männlichen Erwachsenen und Gleichaltrigen, die jedoch in Abhängigkeit von der Ursache der Vaterabwesenheit variierten. Töchter geschiedener Frauen neigten zu aggressivem, offenem Verhalten, sie suchten physischen Kontakt und versuchten die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Töchter von Witwen waren hingegen extrem scheu und zurückhaltend. Alle drei Gruppen von Mädchen hatten eine gute Beziehung zu ihrer Mutter und anderen weiblichen Personen, wobei vaterlose Mädchen eine stärkere Abhängigkeit von ihrer Mutter zeigten. Weiters fand Hetherington, daß eine Abwesenheit des Vaters vor dem fünften Lebensjahr zu größeren Schwierigkeiten in heterosexuellen Beziehungen führte als eine Abwesenheit danach.

In einer weiteren Untersuchung (Hetherington & Parke, 1979, zitiert nach Fthenakis 1985a) wurde ein bis in das Erwachsenenalter andauernder Einfluß der Vaterabwesenheit festgestellt. Töchter geschiedener Frauen heirateten früher und ließen sich auch öfter scheiden. Als Partner wählten sie oft jemanden unter ihrem Niveau. Töchter von Witwen heirateten hingegen erfolgreiche Männer, die in sozialen Interaktionen sehr zurückhaltend und überkontrolliert waren. Frauen aus intakten Familien waren am realistischsten in der Wahl ihrer Ehemänner.
 
 

5 Mutter-Kind-Beziehung als wesentliche Einflußvariable
 
 

Es besteht weitgehend Übereinstimmung, daß die Qualität der Mutter-Kind-Beziehung in vaterlosen Haushalten von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung des Kindes ist. Der Verlust des Vaters geht mit Veränderungen im Gesamtsystem Familie einher, die Erziehung des Kindes obliegt nun allein der Mutter, und die zumeist verschlechterte finanzielle Situation bedeutet eine zusätzliche Belastung. Die Fähigkeit der Mutter mit diesen Veränderungen umzugehen und die finanzielle und psychologische Unterstützung, die sie dabei erhält, haben einen wesentlichen Einfluß auf ihr Erziehungsverhalten und damit auf die Entwicklung des Kindes.

So wirkt sich z.B. nach Hoffman (1981) nicht die Abwesenheit des Vaters per se auf die moralische Entwicklung aus, die Effekte werden vielmehr über eine veränderte Mutter-Kind-Interaktion vermittelt. Es wurde festgestellt, daß Jungen aus vaterlosen Familien weniger Zuwendung von ihren Müttern erhalten (Hoffman & Saltzstein, 1967, zitiert nach Hoffman, 1981) und ihre Mütter zu machtausübenden Disziplinierungstechniken neigen, ein Verhaltensmuster, das die Internalisation moralischer Werte nicht fördert.

Andere Studien konnten zeigen, daß mütterliches Verhalten für die Entwicklung geschlechtsrollenspezifischen Verhaltens bei vaterdeprivierten Jungen besonders wichtig ist.

Überbehütung durch die Mutter, Vermittlung eines negativen Vaterbildes und geringe Ermutigung zu unabhängigem und aggressivem Verhalten beeinträchtigen die Geschlechtsidentifikation, effektives mütterliches Verhalten, vor allem Ermunterungen der Mutter von maskulinem Verhalten bei ihrem Sohn, erleichtert hingegen die maskuline Entwicklung vaterloser Jungen.

Das Ausmaß der sozialen und ökonomischen Ressourcen, das den Müttern zur Verfügung steht, bestimmt auch die erzieherischen Möglichkeiten ihrer Kinder, und die mütterliche Einstellung bezüglich der Wichtigkeit von Bildung ist je nach sozioökonomischer Schichtzugehörigkeit unterschiedlich. Mütter aus mittleren sozialen Schichten legen mehr Wert auf schulischen Erfolg und unterstützen ihre Kinder auch dahingehend. Mütter aus der Unterschicht sind hingegen viel zu sehr mit der Versorgung der Familie beschäftigt und denken weniger an längerfristige Ziele. In niederen sozialen Schichten bedeutet der Verlust des Vaters den Wegfall vieler wichtiger Ressourcen, für die es keinen Ersatz gibt. Mittelschichtfamilien sind besser in der Lage diese Verluste auszugleichen und so die Auswirkungen der Abwesenheit des Vaters abzumildern (vgl. Fthenakis, 1985a; Biller, 1981).

Mütterliches Verhalten, selbst wiederum beeinflußt von vielzähligen Variablen, wie verfügbare Unterstützung oder sozioökonomischen Kontext, kann also die Anpassung des Kindes an die vaterabwesende Familiensituation erleichtern oder erschweren.
 
 

6 Zusammenfassung
 
 

Auswirkungen der Vaterabwesenheit auf die Entwicklung des Kindes bildeten gegen Ende der 60er und zu Beginn der 70er Jahre den Schwerpunkt innerhalb der Vaterforschung. Die anfänglich einfache Gegenüberstellung Ab- bzw. Anwesenheit wurde von einer zunehmend differenzierteren Betrachtungsweise abgelöst. Dennoch weisen viele Untersuchungen unzureichende theoretische Fundierung und methodische Unzulänglichkeiten auf.

Ein Großteil der Untersuchungen zu Auswirkungen der Vaterabwesenheit auf die kognitive Entwicklung des Kindes konnte nachteiligen Effekt der Vaterabwesenheit feststellen.

Bei Scheidung, früh einsetzender und langandauernder Trennung sowie in großen Familien ergaben sich besonders nachteilige Effekte. Bei vaterlos aufgewachsenen Jungen zeigte sich oft ein "feminines" Fähigkeitsmuster mit relativ besseren verbalen als mathematischen Fähigkeiten.

Mögliche Interpretationsansätze beziehen sich auf die Nicht-Repräsentativität vaterloser Familien, mangelhafte Geschlechtsrollenidentifikation vaterloser Jungen, Angstinterferenz und reduzierte Eltern-Kind-Interaktion.

Bezüglich der moralischen Entwicklung erwiesen sich Jungen ohne Väter in der Entwicklung moralischen Verhaltens, moralischer Urteilsfähigkeit und moralischer Gefühle als weniger fortgeschritten als Jungen aus vollständigen Familien. Fehlende Identifikation mit dem Vater, unsichere männliche Identität sowie fehlende Rollenmodelle werden als Erklärungen diskutiert.

Bei der Geschlechtsrollenentwicklung fielen vaterlose Jungen in frühen Jahren durch geringe Aggressivität und starke Abhängigkeit auf, später jedoch durch "kompensatorische Hypermännlichkeit". Es scheint ihnen schwer zu fallen Aggression und Dominanz in sozial erwünschter Weise zu dosieren. Bei Mädchen zeigten sich vor allem ihre Fähigkeiten, adäquat mit interpersonellen und heterosexuellen Beziehungen umzugehen durch die Vaterabwesenheit beeinträchtigt.

Die Qualität der Mutter-Kind-Beziehung erweist sich als wesentliche Einflußvariable. Mütterliches Verhalten kann die Anpassung des Kindes an die vaterabwesende Familiensituation erleichtern oder erschweren.
 
 

7 Persönliche Stellungnahme
 
 

Anfangs war ich von meinem Thema ein wenig enttäuscht. Ich sah mich einer Fülle von Studien zu Auswirkungen der Vaterabwesenheit gegenüber, dennoch waren keine eindeutigen, allgemeinen Aussagen möglich. Zu jedem in einer Untersuchung gefundenen Ergebnis gab es eine Untersuchung, die dieses Ergebnis nicht bestätigen konnte, oder gar zu gegenteiligen Aussagen kam.

Im Laufe der weiteren Beschäftigung mit dieser Thematik wurde aber zunehmend deutlich, daß die Heterogenität der Ergebnisse zwar teilweise auf methodische Mängel zurückzuführen ist, letztlich aber die Komplexität der ausschlaggebende Faktor ist. Vaterabwesenheit und ihre Auswirkungen können nicht isoliert betrachtet werden, eine Vielzahl von gesellschaftlichen und individuellen Bedingungen sind zu berücksichtigen. Kinder, die ohne Vater aufwachsen, müssen nicht unausweichlich in ihrer Entwicklung beeinträchtigt sein. Vaterabwesenheit kann negativ, neutral oder positiv sein.

Der Vater ist für die Entwicklung des Kindes sicher wichtig und seine Abwesenheit kann nachteilige Folgen haben. Diese Tatsache als drohenden Zeigefinger zu verwenden und als Druckmittel, um Scheidungen zu verhindern, wäre meiner Ansicht nach aber falsch. Denn das Aufwachsen in einer konfliktbeladenen Familie, in der Eltern nur aus falsch verstandener Pflichterfüllung zusammen bleiben, kann unter Umständen negativere Auswirkungen auf das Kind haben, als wenn es ohne Vater aufwächst. Zudem ist allein physische Anwesenheit des Vaters in der Familie ohnehin nicht der ausschlaggebende Faktor.

Wesentliche Erkenntnis ist für mich nicht, daß Abwesenheit des Vaters negative Effekte haben kann, sondern wie diese Auswirkungen verhindert oder abgeschwächt werden können. So halte ich es z. B. für wichtig, das Bewußtsein, wie wichtig die Beziehung zwischen Vater und Kind und ihr Fortbestand auch nach Trennung der Eltern ist, bei geschiedenen Frauen und Männern zu erhöhen. Männer sollten motiviert werden auch nach einer Scheidung ihre Vaterrolle weiter auszuüben, kein Ehemann mehr zu sein bedeutet nicht, auch kein Vater mehr zu sein. Geschiedene Mütter sollten sich nicht zwischen ihre Kinder und ihre Väter stellen.

Zum anderen sollten Mütter mit ihren Kindern nicht alleine gelassen werden, sondern ihnen nur alle verfügbare Unterstützung geboten werden.
 
 

Literaturverzeichnis
 
 

Biller, H.B.(1981). Father Absence, Divorce, and Personality Development. In M.E. Lamb (Ed.), The Role of the Father in Child Development (pp. 489-552). New York: John Wiley & Sons. (2nd ed.).

Fthenakis, W.E. (1984). Die Vaterrolle in der neueren Familienforschung. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 31, 1-15.

Fthenakis, W. E. (1985a). Väter. Zur Psychologie der Vater-Kind- Beziehung (Bd.1). München: Urban und Schwarzenberg.

Hoffman, M. L. (1981). The Role of the Father in Moral Internalization. In M.E. Lamb (Ed.), The Role of the Father in Child Development (pp. 359-378). New York: John Wiley & Sons. (2nd ed.).

Landy, F., Rosenberg, B.G. & Sutton-Smith, B. (1969). The Effect of Limited Father Absence on Cognitive Development. Child Development, 40, 941-944.

Lynn, D. B. (1974). The Father. His Role in Child Development. Monterey, Ca.: Brooks and Cole.

Radin, N. (1981). The Role of the Father in Cognitive, Academic, and Intellectual Development. In M.E. Lamb (Ed.), The Role of the Father in Child Development (pp. 379-428). New York: John Wiley & Sons. (2nd ed.).

Santrock, J. W. (1972). Relation of Type and Onset of Father Absence to Cognitive Development. Child Development,43, 455-469.
Shinn, M. (1978). Father Absence and Children’s Cognitive Development. Psychological Bulletin, 85, 295-324.
 
 
 
 

Inhaltsverzeichnis
 
 

7) Tierexperimentelle Untersuchungen (Alexander Couroupis)

  Einleitung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit jenen Faktoren, die väterliches Verhalten im Tierreich beeinflussen bzw. hervorrufen. Fürsorgeverhalten durch den Vater im Tierreich ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit, da die Variationsbreite an Verhaltensalternativen der Elterntiere sehr groß ist. Howell (1969, S.128 ff, zitiert nach Fthenakis, 1988) beschreibt elf Arten elterlicher Sorge / Nichtsorge:

1. Das Fehlen jeglicher Sorge (bei verschiedenen Schmetterlingsarten, Fischen, Fröschen, Spinnen und Schildkröten)

2 . Sorge zu gleichen Anteilen durch beide Eltern, wobei entweder die Aufgaben gleich verteilt oder arbeitsteilig geregelt sind (bei vielen Vogelarten, Füchsen)

3. Rollenübernahme, besonders dann, wenn ein Elternteil wegfällt (bei Turmfalken, Rebhühnern)

4. Haupt- oder alleinige Sorge durch das Weibchen (bei Schafen, Skorpionen, Gottesanbeterinnen)

5. Sorge durch mehrere Weibchen (bei Löwen, Elephanten)

6. Sorge durch eine ganze Gruppe (bei Hamstern, Mäusen)

7. Sorge durch Pflegeeltern bzw. "Tanten" (bei Elephanten, beim Kuckuck)

8. Sorge durch Hilfskräfte (bei Honigbienen, Ameisen)

9. Sorge in einem Kindergarten (bei Kaiser- Pinguinen)

10. Sorge durch Geschwister (bei Mottenmilben)

11. Haupt - oder alleinige Sorge durch das Männchen (bei verschiedenen Affenarten, verschiedenen Pinguin - und Straußenarten, sowie Stichlingen und Welsen)

Im folgenden wird es nun darum gehen zu zeigen, wieso die Individuen bestimmter Arten keine bzw. geringe väterliche Verhaltensweisen zeigen, beziehungsweise darum, wieso das Vatertier bei manchen Arten die alleinige Sorge übernimmt.

Väterliches Verhalten selbst umfaßt dabei stets eine oder mehrere der folgenden Handlungen: das Versorgen und Verteidigen der Jungtiere, das Finden und Verteidigen des Brutplatzes, den Nestbau, die Versorgung des Weibchens während der Brutzeit bzw. während des Bewachens der Jungtiere, sowie das Spiel mit den Jungen.

Hieraus geht bereits hervor, daß (abgesehen vom Spielen) Assoziationen mit menschlichen Verhaltensweisen oder Einstellungen (Liebe zum Kind, Anteilnahme, an dessen Entwicklung, Besorgnis...) eher irreleitend wären.

Eine Analogie zum Menschen findet sich aber trotzdem, nämlich die, daß väterliches Verhalten Jungen gegenüber auch von verwandten - oder sogar nichtverwandten Individuen einer Art gezeigt werden kann, aber dazu später mehr.
 
 

Die Ursachen väterlichen Verhaltens bei Tieren

Väterliches Verhalten bei Tieren an sich kann nicht getrennt von elterlichem Verhalten generell gesehen werden, wenn es um die Ursachen und Bedingungen dafür geht: Die grundlegende Erklärung für dieses liefert die Darwin´sche Evolutionstheorie.

Aus ihr läßt sich ableiten, daß Sorge um den Nachwuchs dessen Überlebenschance steigert, und somit die Weitergabe elterlicher Gene an künftige Generationen ermöglicht - bzw. deren relativer Anteil am Genpool einer Art gesteigert wird.

Die aktuelleren soziobiologischen Theorien sind dahingehend ergänzt, daß sie ein partielles Teilhaben eines Individuums am Genbestand eines anderen Individuums als hinreichend für Schutz -und Pflegeverhalten diesem gegenüber ansehen .

Das ist der Fall bei der sogenannten Verwandtenselektion, bei der sich auch verwandte Tiere an der Aufzucht der Jungtiere beteiligen und dabei temporär sogar selbst auf eigenen Nachwuchs verzichten.

Darwinistische wie soziobiologische Theorien erlauben in letzter Konsequenz auch die Grenzen väterlichen / elterlichen Verhaltens abzustecken: Theoriekonform muß Schutz- und Pflegeverhalten dann zu einem Ende kommen wenn z.B. der Aufwand bei der Aufzucht kranker oder behinderter Nachkommen größer ist als bei möglichen neuen Nachkommen bzw. dann, wenn die alleinige Pflege durch nur eines der beiden Elterntiere zu keiner signifikanten Verschlechterung seiner Überlebenschance führt.

Aus dem zuletzt genannten könnte man schlußfolgern, daß väterliche Fürsorge a priori ebenso häufig sein müßte wie mütterliche. Dem ist natürlich nicht so, da der "Vater" beispielsweise bei nur 3% der Säugerarten (Über Väter, 1995) direkt an der Aufzucht der Jungtiere beteiligt ist. Ganz im Gegensatz dazu ist väterliche Brutpflege bei 95% der Vogelarten anzutreffen. Zudem ist aber auch die Variabilität innerhalb der Arten beachtlich.

Auf einige der Gründe dafür soll nun im folgenden näher eingegangen werden: Wesentlichen Beitrag zum besseren Verständnis liefert die sogenannte Vaterschaftswahrscheinlichkeitshypothese, die besagt, daß der Nutzen für Brutpflege beim Männchen in den Maß abnimmt, wie die Unsicherheit dafür steigt, daß er nicht der Vater der Jungen ist. Aus evolutionärer Sicht wäre es ja schließlich nicht von Vorteil wenn ein Männchen in die Aufzucht von Nachkommen investiert, die nicht seine eigenen sind. Hinzu kommt, daß während der Aufzucht der (fremden) Jungtiere auch auf das Suchen neuer Partnerinnen verzichtet werden muß, mit denen neue (eigene) Nachkommen gezeugt werden könnten

Das Männchen ist bei polygamen Arten daher insofern im Nachteil, als es nie über vollkommene Vaterschaftssicherheit verfügen kann, während das Weibchen stets sicher sein kann, daß es seine Gene an die nächste Generation weitergibt.

Als Folge davon muß daß Interesse der Männchen an der Brutpflege bei polygamen Arten zwangsläufig geringer sein als das der Weibchen.

Dennoch ist das Ausmaß der Vaterschaftssicherheit alleine nicht geeignet um zwischen Tieren mit substitutiven väterlichen Verhaltensweisen -und solchen ohne zu unterscheiden, da substitutives Elternverhalten zwar von 76% der männlichen Tiere monogamer Arten gezeigt wird, aber eben auch von 51% der polygamen Arten zuzurechnenden Tieren. Das bedeutet also, daß die Voraussage dieser Theorie nur tendentiell verifizierbar ist, da es zwar stimmt, daß Männchen monogamer Arten eher zu väterlichem Verhalten neigen, es aber hingegen nicht erklärt werden kann, warum die Männchen polygamer Arten (dabei sogar die Hälfte!) sich um Nachwuchs kümmern, der möglicherweise nicht einmal der eigene ist.

Der Grund für diesen zunächst unerklärlichen Sachverhalt ist der, daß Sorge um die Jungen auch bei polygamen Arten Selektionsvorteile mit sich bringen kann. An einem einfachen Rechenbeispiel sei dies demonstriert: Beträgt beispielsweise bei einer polygamen Vogelart der Prozentsatz der von einem Männchen tatsächlich befruchten Eier 40%, also relativ wenig, und hat ein brutpflegendes Männchen, bedingt durch die relativ zeitaufwendige Brutpflege nur zwei Partnerinnen, die durchschnittlich 10 Eier legen, dann ist es gegenüber einem nicht brutpflegenden Männchen mit fünf Partnerinnen zunächst im Nachteil.

Beträgt allerdings die Überlebenswahrscheinlichkeit der Eier beim brutpflegenden Männchen 50% und beim nicht-brutpflegenden Männchen nur 10%, dann beträgt der Fortpflanzungserfolg beim Männchen, das Brutpflege betreibt 0,4 x 20 x 0,5 = 4 überlebende Nachkommen (Vaterschaftswahrscheinlichkeit x Anzahl der Nachkommen x Überlebenswahrscheinlichkeit der Jungen ), während es das andere Männchen auf nur 2 überlebende Nachkommen bringt (0,4 x 50 x 0,1 = 2).

Im konkreten Beispiel hat Brutpflege trotz Polygamie zu höherem Fortpflanzungserfolg geführt, und auch das Investment in die Aufzucht fremder Jungtiere - das den Fortpflanzungserfolg fremder Männchen maximiert - ist insofern verkraftbar, als ja aus Sicht des Individuums trotzdem der relative Anteil eigener Nachkommen an der Gesamtpopulation gesteigert wird. Wenn der Anteil der von einem Männchen befruchteten Eier gar die 50% - Marke überstiegen hätte, dann wäre der Fortpflanzungserfolg ohnehin viel deutlicher ausgefallen.

Im Grunde sollte dieses Beispiel vor allem demonstrieren, daß bei der Frage nach der Nützlichkeit des Fürsorgeverhaltens immer das Ausmaß der Verbesserung der Überlebenschancen für den Nachwuchses bzw. (gerade bei polygamen Arten) die Anzahl der Partnerinnen, die stattdessen gefunden werden könnten zu berücksichtigen ist.

Das bedeutet natürlich nicht, daß eine hohe Vaterschaftswahrscheinlichkeit nicht trotzdem aus Sicht des Männchens wünschenswert und vorteilhaft wäre.

Ganz abgesehen davon behauptet eine andere Hypothese, daß die Reihenfolge der Gametenfreisetzung bei der Befruchtung darüber entscheidet, welches Geschlecht die Aufgabe der Brutpflege hat.

Anders ausgedrückt, ist hier jenes Geschlecht mit der Brutpflege beschäftigt (immer vorausgesetzt, daß ein Elternteil zur Aufzucht genügt), daß nach der Paarung nicht schnell genug die Flucht ergreift.

Bei innerer Befruchtung ist hier natürlich das Männchen im Vorteil, da es darüber entscheiden kann, ob es das Weibchen samt späterer gemeinsamer Nachkommenschaft verläßt, oder nicht.

Wenn nun die Brutpflege bei Arten mit innerer Befruchtung generell von Vorteil wäre, dann könnte man aufgrund der Hypothese erwarten, daß es mehrheitlich die Weibchen sind, die sie (gezwungenermaßen) leisten.

Hypothesenkonform ergab eine Untersuchung diverser Fisch - und Amphibienarten (Gross & Shine 1987, Zitiert nach Alcock,1996), daß bei innerer Befruchtung nur bei 4 von 29 untersuchten Arten die Männchen Brutpflegeverhalten zeigten, während dies bei äußerer Befruchtung - hier legt daß Weibchen die Eier ab, die das Männchen dann zu befruchten hat - bei 75 von 107 Arten der Fall war.

Es gibt jedoch auch Fischarten, wo die Gametenfreisetzung gleichzeitig erfolgt: Geht man nun ausschließlich von den Aussagen der Hypothese aus, so müßten hier, bei vorhandener Brutpflege, Männchen und Weibchen im Schnitt gleich häufig dafür verantwortlich sein. Tatsächlich waren aber bei 36 von 46 untersuchten Arten die Männchen für die Brutpflege verantwortlich, also bei weit mehr als den zu erwartendender 23 Arten. Nach Gross und Sargent (1985, zitiert nach Alcock, 1996) kann dieser scheinbare Widerspruch mit unterschiedlichen Kosten für weibliche und männliche Brutpflege erklärt werden, da der prinzipielle Nutzen des Überlebens der Nachkommenschaft für beide Geschlechter gleich hoch sein müßte. Tatsächlich ist das so der Fall, da die Wachstumsrate der Weibchen durch Brutpflege aufgrund verminderter Nahrungsaufnahme während dieser Zeit stark reduziert wäre, was insofern negative Auswirkungen hätte, als die Fruchtbarkeit in direktem Zusammenhang mit der Körpergröße steht . Derartiges wäre bzw. ist natürlich auch für das Männchen nicht vorteilhaft, bei den Männchen ist aber der Zusammenhang zwischen Körpergröße und Fruchtbarkeit lediglich linearer Natur, während bei den Weibchen mit steigender Körpergröße die Fruchtbarkeit exponentiell zunimmt.

Aus diesem Grund würde ihnen aus evolutionärer Sicht Brutpflegeverhalten weit mehr schaden als den Männchen. Hinzu kommt noch, daß das brutpflegende Männchen seine Attraktivität durch die Eier, die es zu bewachen hat, für andere Weibchen stark steigert, was sich in Folge natürlich wieder stark positiv auf seinen Fortpflanzungserfolg auswirkt.

Die Attraktivitätssteigerung durch das Bewachen von Eiern ist derart groß, daß bei manchen Fischarten nach Territorialkämpfen auch die zurückbleibenden Eier des Kontrahenten zusätzlich zu den eigenen umsorgt werden. Das geschieht natürlich nicht uneingeschränkt, sondern es werden gerade so viele Eier am Leben gelassen bis optimale Attraktivitätssteigerung bei möglichst geringem Fortpflanzungserfolg des anderen Männchens erreicht ist.

Dieses Beispiel abseits des eigentlichen Themas sollte nur illustrieren, wie groß der Nutzen männlicher Fische bei Brutpflege sein kann - hinzu kommen ja ohnehin noch, im Vergleich zum Weibchen, geringere Fertilitätskosten

Somit ist auch die Hypothese zur Reihenfolge der Gametenfreisetzung, wie schon die zuvor erwähnte Vaterschaftswahrscheinlichkeitshypothese, grundsätzlich gültig, muß aber trotzdem immer in Zusammenhang mit evolutionären Vorteilen für eines der beiden Geschlechter gesehen werden.

Die dritte Hypothese, die im Tierreich etwas zur Erklärung väterlichen Verhaltens beiträgt, ist die sogenannte Assoziationshypothese.

Sie besagt, daß bei innerer Befruchtung der Vater aufgrund der oftmaligen räumlichen Distanz zu Mutter und Jungen zum Geburtszeitpunkt gar nicht in der Lage ist Brutpflege zu leisten, selbst wenn er es prinzipiell könnte.

Die Hypothese besagt also, daß der Vater – im Gegensatz zur Mutter – nie auf die Geburt vorbereitet sein kann, sodaß er zum Geburtszeitpunkt die Mutter z.B. schon längst wieder verlassen haben kann, wodurch die Mutter dann gezwungen ist die Jungen alleine zu versorgen.

Bei nur zur Paarung zusammenkommenden Tieren ist die Richtigkeit dieser Hypothese fast augenscheinlich, und natürlich wird sie, wie die vorherige Hypothese zur Gametenfreisetzung von Ergebnissen bezüglich der Beziehung zwischen innerer Befruchtung und weiblicher Brutpflege unterstützt. Ebenso analog zur vorherigen Hypothese kann aber auch sie nicht erklären, wieso bei Fischen trotz gleichzeitigem Ablaichen zumeist dem Männchen die Versorgerrolle zufällt - zumindest nicht ohne die Zusatzannahme, daß die unterschiedlichen Kosten auch zu berücksichtigen sind.

Generell sollte anhand der eben referierten Hypothesen gezeigt werden, daß unter verschiedenen Tierarten die Entscheidung darüber, welchem Geschlecht die Versorgerrolle zufällt, keineswegs so zufällig /willkürlich ausfällt, wie es zunächst scheinen mag, sondern, daß diese Entscheidung an fixe, leicht nachvollziehbare Regeln/Zwänge gebunden ist, die aber stets überschattet sind von der Maximierung des Fortpflanzungserfolges, was zu beträchtlicher Verhaltensvariation führen kann.

Da die Natur aber, wie hoffentlich ebenfalls zum Ausdruck gekommen ist, sehr genau rechnet, ist diese Variabilität zwar bei einer Art an sich zu beobachten, aber nicht im Verhalten des Individuums, wo sie, zumindest bei eher nieder entwickelten Arten, den perfekten Lauf der Dinge stören würde.
 
 

Andere Ursachen für väterliches Verhalten

Bei den höher entwickelten Arten kann väterliches / elterliches Verhalten seine Ursachen nicht nur in evolutionären - sondern auch in sozialen Vorteilen haben.

Bei den Steppenpavianen beispielsweise sind enge, dauerhafte Beziehungen zwischen Männchen und nicht verwandten Jungtieren möglich, wobei die Jungen (sowie deren Mütter) auch bei Auseinandersetzungen beschützt werden (Smuts, 1985, zitiert nach Über Väter, 1995).

Die Ursache dafür ist aber nicht Sympathie den Jungtieren - sondern vielmehr den Müttern gegenüber, da demonstrativ zur Schau gestelltes Fürsorgeverhalten die Männchen für sie attraktiver macht.

Bei den Berberaffen hingegen werden Beziehungen ausschließlich zu den Jungen geknüpft. Der Grund dafür ist, daß die Jungen als sogenannte Aggressionspuffer (Paul, Küster, 1993, zitiert nach Über Väter, 1995) einsetzbar sind. Konkret äußert sich das so, daß die Jungen häufig herumgetragen werden, wodurch sie im Falle einer eventuellen feindseligen Interaktion mit einem anderen Gruppenmitglied als Schutzschild gegenüber dem Aggressor agieren (müssen).

Der Aggressor muß dadurch von seinem feindseligen Verhalten abstand nehmen, da er sonst ein Verletzen des Jungtieres in Kauf nehmen müßte, was alleine schon von der Verwandtschaft des Jungtieres nicht mit Wohlwollen quittiert würde.

Natürlich sind auch die eben erwähnten Verhaltensweisen nicht das Resultat echter väterlicher Gefühle / altruistischer Triebe, aber im Unterschied zum Verhalten weniger hoch entwickelter Tiere ist es variabel, d. h. nicht mehr rein genetisch determiniert.

Ausdruck einer solchen Variabilität ist auch die Wichtigkeit sozialer Erfahrungen für väterliches / elterliches Verhalten bei Primaten: Bei vielen Primatenarten, wie z.B. bei den Krallenaffen oder den Tamarins (Redican, 1981, zitiert nach Fthenakis, 1988) muß elterliches Verhalten erlernt werden.

Fehlen diesbezügliche Erfahrungen, sind die Elterntiere nicht in der Lage ihre Jungen adäquat zu versorgen.

Wurden dementsprechende Erfahrungen gemacht, dann sind bei den Männchen mehrere Faktoren auszumachen, die die Integration mit den Jungtieren beeinflussen: Laut Suomi und O'Neill (1982, zitiert nach Fthenakis 1988) sind handelt es sich dabei um Alter und sozialen Rang der Männchens, sowie das Alter und Geschlecht der Jungtiere.

Je höher Alter und sozialer Rang z.B. bei den männlichen Stummelschwanzmakakken sind, desto höher ist die Interaktionshäufigkeit mit den Jungtieren- über die Gründe dafür ist aber wenig bekannt.

Was das Alter und Geschlecht der Jungtiere anbelangt, so stellte Redican (1975 / 76, zitiert nach Fthenakis, 1988) fest, daß sich männliche Rhesusaffen verstärkt um die männlichen Jungtiere kümmern. Zwar kümmern sich die Weibchen ihrerseits vermehrt um die weiblichen Jungtiere, aber trotzdem fällt die geschlechtsspezifische Ungleichbehandlung durch die Männchen weitaus stärker aus.

Was die Art der bei den Primaten ohnehin eher seltenen Vater - Kind Interaktion anbelangt, so steht hier stets das Spiel im Vordergrund. Suomi (1977/ 79, zitiert nach Fthenakis, 1988) beziffert seinen Anteil für männliche Rhesusaffen mit etwa 60%. Dieser Wert ist auch für die meisten anderen Primaten gültig.

Der absolute Anteil des Spiels bleibt erstaunlicherweise auch dann konstant, wenn das Männchen durch einen etwaigen Verlust des Weibchens dazu gezwungen ist, Aufgaben wie etwa Pflege und Transport der Jungtiere zu übernehmen.

Bereits in der Einleitung ist angeklungen, daß substitutive Verhaltensweisen im Grunde nur von den Männchen gezeigt werden, was bedeutet, daß die Weibchen auch beim Verlust des Männchens nicht spielerisch mit den Jungtieren interagieren. Natürlich sind aber auch die Konsequenzen hier weit harmloser als das in umgekehrter Richtung der Fall wäre.

Die Häufigkeit des Spiels steigt bei den männlichen Rhesusaffen mit fortschreitendem Alter, während der Pflegeaufwand erwartungsgemäß ständig geringer wird.

Dieser Umstand, sowie die Tatsache, daß der absolute Anteil des Spiels stets konstant bleibt, sind laut Golopol (1977, zitiert nach Fthenakis) als Indikatoren für die außerordentliche Wichtigkeit des Spiels schlechthin zu werten.
 
 

Die Wichtigkeit ökologischer Rahmenbedingungen

Unmittelbar zuvor wurde angesprochen, daß die Verfügbarkeit des Weibchens wesentlichen Einfluß auf die Variabilität des väterlichen Verhaltens beim Männchen hat. Generell kann man sagen, das bei höher entwickelten Lebewesen die sogenannten ökologischen Rahmenbedingungen wesentlich für die Ausprägung Väterlichen Verhaltens sind.

Das bedeutet, das sich hier bestimmte Verhaltensweisen einer Spezies nicht bloß in Form starr ablaufender Mechanismen als Produkt ihrer Umwelt herausgebildet haben, sondern, daß sich auch das Verhalten ein und derselben Spezies ändern kann, wenn die Rahmenbedingungen dies tun.

Bei den Murmeltieren (Barrash, 1975, zitiert nach Fthenakis, 1988) kommt es beispielsweise nur dann zu vermehrter Interaktion zwischen den Vater - und Jungtieren, wenn die Populationsdichte aus ökologischen Gründen gering ist. Zudem leben die Männchen nur dann in einem Bau mit den Weibchen. Die Vorteile dieser Anlage zur Verhaltensvariabilität aus evolutionärer Sicht sind natürlich offensichtlich.

Auf eine ähnlich starke Verhaltensvariabilität wurde, wurde zuvor schon im Zusammenhang mit zwangsweisen Übernahme substitutiven Verhaltens bei den Rhesusaffen eingegangen, bemerkenswert ist aber, daß auch Berggorillas beim Tod des Weibchens oder unter Laborbedingungen typisch "mütterliche" Verhaltensweisen an den Tag legen - und das, obwohl sie unter "normalen" Umständen ihre Jungen stets meiden, bzw. sogar attackieren.

Auch wenn man dafür, daß Fürsorgeverhalten von den Männchen gerade solange nicht gezeigt wird, wie ein Elternteil (das Weibchen) ausreicht um eine optimale Versorgung der Jungtiere zu gewährleisten, wieder evolutionäre Zweckmäßigkeiten ins Treffen führt, so muß man doch anmerken, daß bei der höher entwickelten Tieren der Anteil der väterlichen Fürsorge nicht mehr genetisch bestimmt ist, sondern bei entsprechender Anlage - das Resultat von Umwelteinflüssen ist. Generell ist also abzuleiten, daß die Verhaltensvariabilität beim Vaterverhalten mit dem Anstieg des Entwicklungsniveaus der Arten in ständiger Zunahme begriffen ist.

Da sich der Mensch als Krönung der Schöpfung versteht, ist daher konsequenterweise anzunehmen, daß dies für ihn in ganz besonderem Maße gelten muß.
 
 

Zusammenfassung

Die Ursache für väterliches Verhalten im Tierreich ist in erster Linie in der Darwin'schen Evolutionstheorie zu suchen. Diese besagt ja, daß alle Individuen bestrebt sind ihre Gene an die nächste Generation weiterzugeben bzw. ihren Fortpflanzungserfolg zu maximieren.

Daraus folgt zwangsläufig, daß das Erreichen dieses Ziels durch Schutz- und Pflegeverhalten den Jungtieren gegenüber maximierbar ist. Neben diversen Verhaltensweisen, die die Überlebenswahrscheinlichkeit der Nachkommen direkt oder indirekt erhöhen, zählt auch das Spiel zum väterlichen Verhaltensrepertoire. Bemerkenswert dabei ist, daß das Spiel - im Gegensatz zu Schutz - und Pflegeverhalten stets Sache des Männchens ist.

Ob die Männchen einer Art überhaupt väterliches Verhalten an den Tag legen, hängt von mehreren Faktoren ab: zum einen ist wichtig, wie hoch die Vaterschaftswahrscheinlichkeit bei polygamen Arten ist, da bei geringer Vaterschaftswahrscheinlichkeit eher nicht zu erwarten ist, daß sich das Männchen an der Aufzucht der Jungen beteiligt - Wieso sollte es schließlich in Junge investieren, die nicht die eigenen sind.

Davon abgesehen ist generell stets die Frage bedeutsam, ob Pflege durch einen Elternteil bereits genügt, um ein Überleben möglichst vieler Jungen zu gewährleisten.

Ist das der Fall, dann hat die Reihenfolge der Gametenfreisetzung Einfluß darauf, welchem Geschlecht die Aufzucht der Nachkommen zufällt.

Das bedeutet, das jenes Geschlecht, das bei der Befruchtung zuerst die Flucht ergreifen kann, eher nicht die Betreuung der Nachkommen gewährleisten muß. Aus diesem Grund erfolgt Brutpflege bei den Fischen, wo das Männchen die zurückgelassenen Eier des Weibchens befruchtet, eher durch das Männchen, während das bei innerer Befruchtung bei den Säugern selten der Fall ist.

Bei nieder entwickelten Tieren sind die eben beschriebenen Gesetzmäßigkeiten außerordentlich wichtig für das Zustandekommen väterlichen Verhaltens, bei höher entwickelten Individuen nimmt die Verhaltensvariabilität jedoch zu. Als Folge davon zeigen z.B. viele Affenarten die nicht an der Aufzucht der Jungen beteiligt sind, sehr wohl väterliche Verhaltensweisen, wenn das Weibchen nicht mehr verfügbar ist, das heißt, sie übernehmen dessen Aufgaben.

Davon abgesehen spielen insbesondere bei den Primaten soziale Faktoren eine große Rolle bei der Interaktion mit Jungtieren: Steppenpaviane kümmern sich z.B. auch um fremde Jungen - allerdings in dem Wissen, daß sie dadurch eine Attraktivitätssteigerung bei deren Müttern erfahren. Daher ist die Wahl der umsorgten Jungtiere nicht willkürlich, sondern an die Attraktivität ihrer Mütter gebunden.

Ebenso kümmern sich bei den Berberaffen oftmals erwachsene Männchen um Jungtiere, die nicht ihre eigenen sind, und Tragen sie auffällig oft mit sich herum.

Das hat seine Ursache darin, daß die Jungen bei Angriffen anderer Gruppenmitglieder als sogenannte Aggressionspuffer verwendet werden können, das heißt, der Angreifer verzichtet letztlich doch auf einen Kampf, da er mögliche Verletzungen des Jungtieres verhindern möchte.

Bei manchen Affenarten, wie z.B. den Krallenaffen oder den Tamarins geht die Verhaltensvariabilität bei der Übernahme von Vater / Elternverhalten so weit, das eine Elternrolle nur übernommen werden kann, wenn zuvor entsprechende soziale Erfahrungen gemacht wurden.

Fehlen solche Erfahrungen, ist väterliches /elterliches Verhalten hier unmöglich.

Zusammenfassend kann man also sagen, daß gerade väterliches Verhalten mit zunehmender Entwicklung der Art in seiner Ausprägung immer stärker von Umweltbedingungen abhängig ist, und somit seine Variabilität gleichermaßen im Zunehmen begriffen ist.
 
 

Literaturverzeichnis

Alcock, John . (1996) . Das Verhalten der Tiere aus evolutionsbiologischer Sicht. Stuttgart: Gustav Fischer Verlag .

Fthenakis, W . E. (1988) .Väter. Zur Psychologie der Vater - Kind Beziehung (Bd.1 ). München: Deutscher Taschenbuchverlag .

Michelsen, Herma (Hrsg.). (1995). Über Väter: Skizzen einer wichtigen Beziehung. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag .
 
 
 
 

Inhaltsverzeichnis
 
 

8) Interkulturelle Untersuchungen (Sandra Szymonik)

  1. Untersuchungen:

1. 1. Katz & Konner (1981):

Katz und Konner verwendeten für ihre sozioökologische Analyse der Vaterrolle eine Teilstichprobe aus dem weltweiten Kulturvergleich von Murdock und White (1969). Sie wählten aus dieser Stichprobe fünf - besonders in Hinblick auf die Existenzgrundlage - exemplarische Beispiele aus, um die Variationsbreite im Verhalten des Vaters zu demonstrieren:

1. 1. 1. !Kung San - Nordwest-Botswanaland:

Die !Kung San gewinnen ihren Lebensunterhalt überwiegend durch Sammeln und Jagd. Obwohl es gelegentlich vorkommt, daß ein einzelner Mensch getötet wird, bereiten sich die Buschmänner nicht gezielt auf Kampf und kriegerische Handlungen vor.

Die Paarbeziehungen sind gewöhnlich monogam und eingebettet in größere Familieneinheiten (Clans). Die Kinder werden mit viel Geduld und Nachsicht behandelt. Da die Väter relativ viel Zeit haben, haben sie auch viele Möglichkeiten zum Kontakt mit ihren Kindern. Sie sind sehr zärtlich zu ihnen und vermeiden dabei auch nicht körperlichen Kontakt.

1. 1. 2. Lesu - Neurirland (Melanesien):

Die Bewohner des Lesu-Dorfes ernähren sich etwa zu gleichen Teilen durch Fischfang und

Gartenbau, die jeweils von den Männern und Frauen besorgt werden. Es kommt sehr selten zu Kämpfen zwischen den verschiedenen Siedlungen.

Die Paarbeziehungen sind ebenfalls vorwiegend monogam. Das öffentliche Leben ist nach

Geschlechtern getrennt organisiert. Für die heranwachsenden, die ledigen und für die

Männer mit schwangeren Frauen gibt es ein eigenes Männerhaus, wo sie nachts schlafen.

Die Familie bildet eine enge Einheit. Der Mann kümmert sich häufig um Kleinkinder, spielt mit ihnen und ist sehr zärtlich. Die Kinder bleiben selten sich selbst überlassen und nehmen an fast allen Aktivitäten der Erwachsenen teil.

1. 1. 3. Sundup'o- Dorf - Kanghwa-Insel:

Die Bewohner des Sundup'o-Dorfes leben überwiegend vom Ackerbau mit intensiver Bodennutzung durch Verwendung des Pfluges. Die Landbestellung erfolgt hier nur durch die Männer. Schutz und Verteidigung des Dorfes werden durch den Staat sichergestellt.

Die Familien leben monogam und meistens in größeren Familieneinheiten. Wohnort und Vererbung folgen einem patrilokalen (= Wohnort des Mannes ist jener der Familie) bzw. patrilinearen (= ältester Sohn ist Erbe des Vaters) Muster. Der Vater ist streng und distanziert. Nur jüngere Mädchen erfahren von ihm liebevolle Zuwendung, während er von seinen Söhnen unbedingten Gehorsam fordert.

1. 1. 4. Thonga - Ostküste Südafrikas:

Die Thonga gewinnen ihren Lebensunterhalt aus einfachem Ackerbau (Frauen) und Viehzucht (Männer). Sie verfügen zu ihrer Verteidigung über Krieger mit speziellen Kriegskostümen.

Die Familienorganisation folgt einem polygynen Muster innerhalb eines größeren Familienverbandes, d.h. ein Mann hat mehrere Frauen, die jeweils in einer eigenen Hütte leben. Die Väter haben, außer bei Riten, kaum Kontakt zu ihren Kindern. Sie fordern absoluten Gehorsam und Respekt, die Söhne werden auch körperlich bestraft.

1. 1. 5. Rwala - nordarabische Wüste (Beduinenstamm):

Als Halbnomaden bestreiten die Rwala ihren Lebensunterhalt vorwiegend mit Kamelherden, Pferdezucht und dem Handel mit entsprechenden Produkten. Für diese Aufgaben sind nur die Männer zuständig, während die Frauen im Häuslichen wirken. Die Rwala gehören zu den kriegerischen Stämmen; häufig kommt es zu Auseinandersetzungen und Überfällen.

Männer und Frauen leben streng voneinander getrennt und schlafen in abgetrennten Abteilen ihrer Zelte. Der Kontakt der Väter zu den Kindern beschränkt sich zumeist auf gelegentliche Gespräche. Der Vater straft seine Kinder körperlich und sehr hart. Wenn die Knaben älter sind, verbringen sie mehr Zeit mit dem Vater und anderen Männern, leisten ihnen zunächst Hilfsdienste und werden später zu Kriegern ausgebildet.
 
 

1. 2. Mirandé:

Überblick über die Vaterrolle in vier Hauptrassen bzw. ethnischen Minderheiten in den USA:

1. 2. 1. Afrikanische Kultur:

Zur Zeit der Sklaverei, als die ursprünglichen Formen von Familie und sozialer Organisation nahezu vollständig zerstört wurden, spielte die Mutter eine zentrale Rolle. Auch nach dieser Zeit blieb dieser Zustand bestehen, solange bis die Männer Macht und Reichtum erreichten und sich eine patriarchalische Form der Sozialorganisation entwickelte.

Das Bild des afro-amerikanischen Vaters ist jenes eines abwesenden, relativ schwachen Vaters. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, daß die Männer inzwischen sehr wohl einen aktiven Anteil am Sozialisationsprozeß haben und sich mit der Erziehung ihrer Kinder beschäftigen. Die Väter schätzen Genauigkeit, erlauben keine vertane Zeit und erwarten ein hohes Maß an Autonomie von ihren Kindern. Darüberhinaus kontrollieren und unterstützen sie viel und fördern egalitäre Familienrollen.

1. 2. 2. Latino-Kultur:

1. Traditionelle Sicht:

In der traditionellen Sichtweise ist die Familie eine autoritäre, patriarchalische Einheit, in welcher der Kult der Maskulinität, der Machismo, hochgehalten wird. Der Macho, der "stolz, selbstbewußt und potent" zu sein hat, ist der Herr des Haushaltes und trifft nahezu alle Entscheidungen alleine. Er gebietet Respekt, indem er den anderen Familienmitgliedern Angst einflößt und vermeidet die Nähe mit der Familie. Die Frau ist dem Mann in jeder Hinsicht untergeordnet und alleine für alle häuslichen Pflichten verantwortlich. Der Mann schlägt seine Frau und bestraft auch die Kinder relativ hart. Nur mit kleineren Kindern geht er liebevoll um.

Neuere Untersuchungen haben gezeigt, daß die Sicht des Machismo weitgehend überholt ist und vorwiegend auf Anekdoten und Literatur aufbaut.

2. Neuere Sicht:

Entscheidungen werden von beiden Partnern gemeinsam getroffen und es herrscht Arbeitsteilung, auch bei häuslichen Pflichten.

Der Vater spielt in der Familie eine wichtige Rolle. Er ist warm und liebevoll, besonders kleinen Kindern gegenüber, und spielt auch relativ viel mit ihnen.

1. 2. 3. Asiatische Kultur

Die Familie mit chinesischem Ursprung stellt den Prototyp der traditionellen asiatisch-amerikanischen Familie dar.

Die Familie ist patriarchalisch und männlich dominiert. Der Vater hat vollständige Kontrolle über seine Frau und seine Kinder, sowie über alle Nachkommen und deren Familie. Der Wohnort ist patrilokal, die Vererbung patrilinear. Auch Fähigkeiten, Handwerke usw. werden vom Vater auf den Sohn weitergegeben.

Ältere werden respektiert und verehrt und die Vorfahrenanbetung spielt eine wichtige Rolle. Auch ein männlicher Erbe ist enorm wichtig, da ein Mann nur seine Unsterblichkeit erreichen kann, wenn seine Familienlinie fortgesetzt wird.

1. 2. 4. Ureinwohner:

Hierzu gibt es kaum Untersuchungen, obwohl es sich um etwa 280 Stämme und 161 verschiedene Sprachgruppen handelt.

Meistens sind erweiterte Familiensysteme, die viele Generationen umfassen, zu finden. Die Älteren werden, wie in der asiatischen Kultur, verehrt und respektiert. Der Mann hat viel Macht und Autorität in der Familie.

Bsp. Navajo-Indianer:

Traditionell waren die Frauen den Männern weit überlegen. Sie waren allein verantwortlich für die Kindererziehung und trafen die meisten finanziellen Entscheidungen. Der Wohnort war matrilokal, die Vererbung matrilinear, d.h. Schafe, die der Besitz der Frauen waren, wurden an Frauen weitervererbt.

Als die Navajo später mit der weißen Kultur in Kontakt kamen, nahmen die Frauen Jobs an, die aber schlechter bezahlt waren als jene der Männer, was zu einer Machtzunahme der Männer führte. Es bestanden oft sehr weitreichende familiäre Netzwerke, in denen die Kindern von allen Verwandten ernährt, verwöhnt und geliebt wurden. Nicht der Vater oder die Mutter hatte die Autorität, sondern die Gemeinschaft.

Als die Navajos aus den Reservaten in Städte zogen, konnten die familiären Netzwerke meist nicht weiter aufrechterhalten werden.
 
 

2. Erklärungsansätze für Unterschiede im Vaterverhalten

2. 1. Katz & Konner:

Katz und Konner führten eine Sekundäranalyse ethnographischer Daten durch und betrachteten hierbei 166 historisch und sprachlich voneinander unabhängige Kulturen.

Es zeigte sich, daß die Vater-Kind-Beziehung am ausgeprägtesten ist, wenn die Lebensgrundlage das Sammeln von Nahrung und der Gartenbau ist und wenn es keinen

Besitz zu verteidigen gibt bzw. größere Gruppen oder der Staat die Verteidigung übernehmen. Katz und Konners Analyse zeigte auch, daß der Vater in den betrachteten Kulturen selten an der unmittelbaren Kinderaufzucht beteiligt ist, wobei dieser Anteil aber in den westlichen Ländern immer mehr ansteigt.

Solche und ähnliche Untersuchungen zeigen, daß das Elternverhalten nicht primär genetisch-konstitutionell verankert sein kann, sondern in erster Linie kulturell bedingt ist und damit auch einem kulturellen Wandel unterliegt.
 
 

2. 2. Bozett & Hanson:
 
 

Einfluß kultureller Variablen auf Vaterschaft
 
 
 
Vergangenheit Gegenwart Zukunft
     
kulturelle Variablen    
     
Umwelt Vielzahl von Rollen und  
sozioökonomische Klasse Verhaltensweisen  
Beruf    
ethnische Herkunft ungeplant, unorganisiert,  
Religion aber vielfältig  
intrafamiliäre Dynamiken    
politisches System/Gesetze Diskrepanzen zwischen

Rolle und momentanen

Anforderungen

 
Geschichte    
verschiedenartige     
unbekannte Einflüsse    
     

 

Vergangenheit:

Darunter sind Variablen zu verstehen, die sich auf die Rollen und das Verhalten von Männer von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter auswirken und später das Verhalten als Vater beeinflussen. Konzepte von Elternverhalten sind meistens angeboren oder verinnerlicht.
 
 

Gegenwart:

Aufgrund individueller, kultureller Vergangenheitsvariablen kommt es zu gegenwärtigen Rollen und Verhaltensweisen der Väter. Diese Rollen sind ungeplant, unorganisiert, aber sehr vielfältig. Oft bestehen auch Diskrepanzen zwischen den Rollenbildern und momentanen Anforderungen, die beseitigt oder aufeinander abgestimmt werden müssen.

Durch die unbegrenzte und vielfältige Mischung kultureller Variablen mit der momentanen Rolle ist das Verhalten jedes Vaters in der Interaktion mit seiner Familie einzigartig.
 
 

2. 2. 1. Sozioökonomische Schicht:

a. Einfluß des Berufs:

Für einen Vater mit einer komplexen, kreativen und viele Freiheiten bietenden Arbeit haben Unabhängigkeit und Selbstverantwortung einen hohen Wert. Dies wird auch den Kindern vermittelt.

Väter, die eine "Karriere" haben, verbringen weniger Zeit mit ihren Kindern und erleben einen größeren Konflikt zwischen Beruf und Familie. Im Gegensatz dazu können sie meist über eine größere Zeitflexibilität und natürlich auch über mehr Ressourcen für Aktivitäten und Urlaube verfügen.

b. Einfluß der Bildung:

Bildung hat einen Einfluß auf die elterlichen Einstellungen. Mit ansteigender Bildung steigt auch die Motivation, sich an der Kindererziehung und - pflege zu beteiligen.

Ein Zuwachs an elterlicher Beteiligung ist aber nur dann positiv, wenn diese freiwillig ist und mit den eigenen Einstellungen und Werten konform geht.

c. Einfluß des Einkommens:

Das Einkommen hat Einfluß auf das elterliche Verhalten.

Mit steigendem Einkommen sinkt die Beteiligung am Haushalt. Sie steigt jedoch an, wenn auch die Frau eine gute Bildung und ein eigenes Einkommen hat. Je gleichwertiger das Einkommen der Partner ist, desto gleichmäßiger wird auch die Arbeit verteilt.

Ist die Mutter halbtags berufstätig, beteiligen sich die Väter mehr an Haushalt und Kinderbetreuung. Arbeitet sie hingegen ganztags, wird die Betreuung der Kinder großteils von verschiedenen Einrichtungen, wie z.B. Horten, Babysittern, etc. übernommen.
 
 

2. 2. 2. Religion:

Religiöse Dimensionen der Vaterschaft sind nicht linear und gleichbleibend, sondern

verändern sich über die Zeit.

Väter und Mütter vermitteln ihre religiösen Werte eher ihren Töchtern als den Söhnen.

Religiöse Anschauungen beeinflussen die Kinder eher, wenn die Eltern in ihren Anschauungen übereinstimmen und eine gute Eltern-Kind-Beziehung besteht, denn Meinungen von Personen, die geliebt und respektiert werden, werden eher anerkannt und übernommen.
 
 

3. Couvade:

Tyler (1865): couver (frz.)= ausbrüten; Couvade = Männerkindbett.
 
 

Unterscheidung zwischen:

3. 1. Couvade-Ritual:

Unter dem Couvade-Ritual versteht man rituelle Praktiken, beobachtet in verschiedenen "primitiven" Gesellschaften in weit voneinander getrennten Gegenden der Erde.

Trethowan & Conlon unterscheiden:

a. pseudomütterliche Couvade:

Wenn sich die Geburt ankündigt, zeigen statt der Frauen ihre Männer alle Anzeichen der Beschwerden und Geburtswehen, wie sie in unserer Kultur bei Schwangeren erwartet werden. Die Geburt wird also simuliert, die Schmerzen werden jedoch tatsächlich erfahren.

b. diätetische Couvade:

Die diätetische Couvade besteht in der Beachtung von Diätvorschriften und anderer Gebote durch den Vater während eines gewissen Zeitraumes nach der Geburt, z.B. Rückzug von sozialen Kontakten, Vermeidung von verunreinigenden Substanzen, eventuell Abstinenz vom Jagen, Tragen eines speziellen Gewandes usw.

Erklärungsansätze:

1. Wunsch, die weibliche Rolle zu imitieren

2. Reaktion des Vaters auf die Geringschätzung seiner Rolle bei Schwangerschaft

und Geburt durch die Gesellschaft

3. Bestehen einer besonderen Beziehung zwischen Vater und Kind, sodaß das Kind

durch Aktivitäten des Vaters beeinflußt werden kann
 
 

3. 2. Couvade-Syndrom:

Unter dem Couvade-Syndrom versteht man einen Komplex psychosomatischer Beschwerden.

Werdende Väter zeigen mit dem Einsatz der Schwangerschaft eine Reihe mehr oder weniger ausgeprägter physiologischer Beschwerden, wie z.B. Appetitverlust, Ermüdung, Kopf- und Rückenschmerzen, Übelkeit und Erbrechen.

Die Symptome sind nicht Bestandteil eines Ritual und werden von den meisten Männer nicht bewußt in Zusammenhang mit der Schwangerschaft der Frau gebracht. Auch verschwinden die Symptome meist fast unmittelbar nach der Geburt wieder.

Erklärungsansätze:

1. Angstzustand, intensiviert durch Besorgnis um Schwangerschaft

2. Unbewußter Ausdruck der emotionalen Schwangerschaft

3. Unbewußter Widerstand gegen die Vaterschaft
 
 

4. Zusammenfassung:

Untersuchungen in "primitiven" Kulturen, ethnischen Minderheiten und "hochentwickelten" Ländern zeigen eine breite Variationsbreite im Vaterverhalten. Oft sind die Unterschiede innerhalb verschiedener Kulturen ebenso groß wie zwischen ihnen.

Die Position des Mannes in der Familie reicht von einem autoritären, dominanten, strengen Vater, der sich wenig mit seinen Kinder beschäftigt, bis zu einem liebevollen, seine Kinder unterstützenden Mann, der sich aktiv an der Erziehung und Pflege seiner Kinder beteiligt und egalitäre Rollenverteilungen anstrebt.
 
 

Eine Vielzahl kultureller Variablen, wie z.B. der sozioökonomische Status, die Religion, das politische System, die ethnische Herkunft usw. beeinflussen das Vaterverhalten.

Durch die unbegrenzte und vielfältige Mischung dieser kultureller Variablen, die sich auf das Rollenverständnis und das Verhalten des Mannes von seiner Kindheit bis ins Erwachsenenalter auswirken, mit gegenwärtigen Rollen und Verhaltensweisen ist das Verhalten jedes Vater in der Interaktion mit seiner Familie einzigartig.
 
 

Die Couvade, die in "primitiven" Gesellschaften als Couvade-Ritual und in der westlichen Welt als Couvade-Syndrom (= Komplex psychosomatischer Beschwerden bei werdenden Vätern) auftritt, ist ein weiteres Zeichen dafür, wie vielfältig das Vaterverhalten in vielerlei Hinsicht ist.
 
 

5. Persönliche Stellungnahme:

Gewiß war mir vor Beschäftigung mit dem Thema klar, daß es sehr viele Unterschiede zwischen den Kulturen betreffend des Vaterverhaltens gibt, da ja auch in "unserem Kulturkreis" kein Vater wie der andere ist. Es war dann aber dennoch überraschend, wie gegensätzlich die Familienstrukturen, Ansichten und Vaterrollen in manchen Kulturen sind.
 
 

Es scheint mir sehr wichtig, daß man bei allen Untersuchungen zum Thema und den daraus abgeleiteten Aussagen bzw. Schlußfolgerungen immer daran denken sollte, daß es sich in den meisten Fällen, da ja nur immer eine bestimmte Stichprobe aus der betreffenden Kultur betrachtet wurde, immer mehr oder weniger um Verallgemeinerungen handelt. Denn man kann trotz der umfangreichsten Untersuchungen sicher nicht sagen "So und nicht anders handelt bzw. ist ein afrikanischer bzw. ein asiatischer Vater."
 
 

Sehr wichtig fand ich auch, daß beispielsweise die ethnischen Minderheiten in den USA oft als defekte anglo-amerikanische Familien angesehen, mit ihnen verglichen und dementsprechend negativ und als von der "Norm" abweichend hingestellt werden.

Es ist klar, daß ein Vater, der sich mit seinen Kindern beschäftigt, liebevoll und tolerant ist, ein egalitäres Rollenverhalten hat, etc., in jeder Kultur wünschenswert ist. Aber manche Dinge, die oft als negativ, weil andersartig, hingestellt werden, machen erst eine bestimmte Kultur aus, gehören zu ihrer Identität und Geschichte und müssen deshalb nicht um jeden Preis der Norm, was immer das auch heißen mag, angepaßt werden.
 
 

6. Literatur:
 
 

Bozett, F. W. & Hanson, S. M. H (Eds.) (1991). Fatherhood and Families in Cultural Context. New York: Springer.

Fthenakis, W. E. (1988a) Väter. Zur Psychologie der Vater-Kind-Beziehung (Bd.1). München: Deutscher Taschenbuch Verlag.
 
 

Inhaltsverzeichnis
 
 

9) Rolle des Vaters während Schwangerschaft und Geburt (Bettina Schuster)

  1. Einleitung
 
 

Es gibt sehr viel Literatur zum Thema Schwangerschaft und Geburt, die sich jedoch zumeist auf die Frau konzentriert. Der Mann wurde in den Arbeiten nicht als Vater, sondern lediglich als Ehemann gesehen. Er wurde nur hinsichtlich möglicher psychopathologischer Komponenten seines Verhaltens beobachtet, nicht aber in seiner Einflußnahme auf das Verhalten von Mutter und Kind (Fthenakis, 1988). Im Zusammenhang mit der Schwangerschaft hat man ihm wenig Bedeutung zugeschrieben.

Erst seit Mitte der siebziger Jahre zeichnet sich ein grundsätzlicher Wandel, was die Bewertung der Rolle des Vaters während der Schwangerschaft und der Geburt betrifft (Fthenakis 1988).

Heute weiß man, daß der Vater einen wesentlichen Einfluß auf das psychische Wohlbefinden der Schwangeren und damit auf den ungestörten Verlauf des vorgeburtlichen Lebens, der Geburt und das nachgeburtliche Verhalten der Mutter hat (Schenk-Danzinger, 1988).

In den letzen Jahren haben sich auch die Väter sehr gewandelt und befinden sich weiter in Veränderung. Sie nehmen heute eine viel aktivere Rolle ein als noch vor ein paar Jahren, sowohl was die Zeit der Schwangerschaft, der Geburt als auch die Zeit danach betrifft. Wie der Mann die Zeit der Schwangerschaft und der Geburt erlebt, hängt in erster Linie davon ab, wie sehr er am Erleben und Empfinden der Frau teilnimmt und sich auf neue, veränderte Situationen einläßt (Bullinger, 1983).
 
 

2. Die Rolle des Vaters während der Schwangerschaft
 
 

Das Vaterwerden ist ein Prozeß, der nicht erst mit der Geburt beginnt. Wenn der Mann seine Vaterrolle aktiv und bewußt gestalten will, ist die Zeit der Schwangerschaft eine Zeit neuer Erfahrungen und Erlebnisse, intensiver Gefühle und wichtiger Lernprozesse.

Verschiedenste Variablen haben einen Einfluß auf die väterliche Einstellung zur Schwangerschaft.
 
 

2.1. Alter und Schichtzugehörigkeit des werdenden Vaters

Das Alter des werdenden Vaters erweist sich als bedeutsam für die Einstellung zur Schwangerschaft. In einer Befragung von Scott-Heyes (1980, zitiert nach Fthenakis, 1988) reagierten Väter, die jünger als 26 und älter als 40 Jahre waren, weniger positiv auf eine Schwangerschaft als Väter zwischen 26 und 40 Jahren.

Mit der Statusposition des Mannes nimmt auch seine Einstellung zum emotionalen Zustand der Schwangeren und zum Einbezug in Schwangerschaft und Vorbereitung auf die Geburt zu.
 
 

2.2 Individuelle Erfahrungen des werdenden Vaters in seiner Herkunftsfamilie

Bezüglich der Einstellung zur Schwangerschaft wird auch die Beziehung des werdenden Vaters zu seinen Eltern, und insbesondere zu seinem Vater, sowie die emotionale Situation in der Herkunftsfamilie berücksichtigt.

Lukesch (1977, zitiert nach Fthenakis, 1988) stellte fest, daß die Intaktheit der Herkunftsfamilie eine günstige Voraussetzung für die eigene Haltung der Schwangerschaft gegenüber darstellt. Väter, die ihre Eltern nicht als Belastungsfaktor für die Schwangerschaft beurteilten, erleben auch insgesamt eine geringere Schwangerschaftsbelastung.
 
 

2.3. Geplantheit und Erwünschtheit der Schwangerschaft

Studien, die versucht haben den prozentuellen Anteil geplanter Schwangerschaften zu erfassen, zeigten übereinstimmend niedrige Werte. Nach Lukesch (1981, zitiert nach Fthenakis, 1988) hat sich in den letzen Jahren der Anteil der geplanten Schwangerschaften erhöht. Trotzdem ist der Anteil z.B.: in Deutschland mit 30% sehr gering.

Man muß aber auch darauf hinweisen, daß eine ungeplante Schwangerschaft keineswegs unerwünscht sein muß. Der Erwünschtheitsgrad ist jedoch bei ungeplanten Schwangerschaften geringer. Schätzungen über die Erwünschtheit von Schwangerschaften ergeben, daß 71,5% aller werdenden Väter die Schwangerschaft ihrer Partnerin als erwünscht einstuften (Mayer, 1994). Die Erwünschtheitsrate steigt im letzen Schwangerschaftsdrittel an.
 
 

2.4. Qualität der Ehepartner- Beziehung

Einige Studien haben bestätigt, daß die Qualität der Ehepartnerbeziehung von großer Bedeutung für die Einstellung des werdenden Vaters zur Schwangerschaft und zum Kind ist (z.B.: Rottmann, 1974, zitiert nach Fthenakis, 1988).

Die Anpassung und psychische Veränderung beider Partner in der Schwangerschaft, hängt von der Qualität der Beziehung zwischen ihnen ab. Eine von beiden Partnern als befriedigend erlebte und zugleich realistisch eingeschätzte eheliche Gemeinschaft reduziert das Ausmaß der Belastungen, die von der Schwangerschaft ausgehen (Fthenakis, 1988).

In bezug auf die Einstellung zur Schwangerschaft erweist sich auch die Dauer der Partnerbeziehung zu Beginn der Schwangerschaft als bedeutsames Element. Mehrere Studien zeigen, daß Partner, die drei oder mehr Jahre zusammen waren, in der Schwangerschaft weniger Schwierigkeiten erleben als Partner, die innerhalb der ersten beiden Jahre ihrer Partnerschaft das erste Kind erwarteten (Bickelmann, 1979, zitiert nach Mayer, 1994)
 
 

2.5. Emotionale Unterstützung durch den Ehemann

Sofern der Mann positiv zur Schwangerschaft eingestellt ist, besteht seine wichtigste Funktion in der emotionalen Unterstützung seiner Frau. Diese hilft ihr bei der Anpassung an die Mutterrolle und wirkt sich, vermittelt durch die Befindlichkeit der Mutter, auch auf das erwartete Kind aus. Barry (1970, zitiert nach Fthenakis, 1988) geht davon aus, daß die emotionale Unterstützung vor allem in Phasen des Rollenübergangs von Bedeutung sei. Eine solche Situation sieht er in dem Rollenwechsel von der Ehefrau zur Ehefrau und Mutter.

Ein zu geringer emotionaler Beistand durch den Mann ist hingegen sehr negativ zu bewerten. Belegt werden diese Hypothesen durch Längsschnittstudien z.B. von Grossmann, Eichler und Winickoff (1980, zitiert nach Fthenakis, 1988).

Aber nicht nur bei der schwangeren Frau besteht ein Bedürfnis nach emotionaler Unterstützung, sondern auch der Vater möchte von seiner Umgebung anerkannt werden, will, daß er in seiner Umgebung für seine Probleme und Erfahrungen ein offenes Ohr findet und bedarf selbstverständlich auch einer emotionalen Unterstützung. (Bullinger, 1983).
 
 

2.6. Sexualität

Das sexuelle Verhalten zwischen den Partnern wird im allgemeinen durch die Schwangerschaft beeinflußt. Zumeist kommt es zu einer Abnahme der sexuellen Beziehungen, vor allem während der ersten Schwangerschaft. In einer Untersuchung von Masters und Johnson (1966, zitiert nach Mayer, 1994) ergab sich, daß 31 von den insgesamt 79 untersuchten Vätern ihre sexuellen Aktivitäten ganz aufgaben, obwohl sie bei ihren schwangeren Frauen, zumindest während der ersten Monate der Schwangerschaft, eine Zunahme der sexuellen Bedürfnisse bemerkten. Ein Grund für die Abnahme der sexuellen Aktivitäten ist, daß viele Ärzte den werdenden Eltern zumindest in den letzen drei Monaten sexuelle Enthaltsamkeit empfehlen, obwohl es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse über eine Schädlichkeit gibt (Bullinger, 1983).

Die Zufriedenheit der Väter drückt sich in dieser Zeit darin aus, daß sie ihre Frauen auch während der Schwangerschaft sexuell anziehend finden. Wenn der Mann der schwangeren Frau trotz verminderter Attraktivität das Gefühl gibt, für ihn begehrenswert zu sein, so verhilft er ihr damit zu einer besseren Akzeptierung und Anpassung an die Mutterrolle (Fthenakis, 1988).
 
 

2.7. Widersprüchliche Gefühle

Während der Schwangerschaft existieren beim werdenden Vater sehr intensive Gefühle, die gegensätzlich sind: Angst vor Veränderungen und Vorfreude.

Zunächst erleben viele Männer die Entscheidung für ein Kind als Entscheidung gegen ihre Freiheit. Sie haben Angst vor den Veränderungen, die durch das Kind im Leben des Mannes bewirkt werden. Andererseits erleben sie aber auch Vorfreude auf das Kind. Welcher Gefühlszustand eher überwiegt, hängt sehr von der Beziehung zwischen den Partnern während der Schwangerschaft ab. Vorfreude kann sich oft nur dann entwickeln, wenn zwischen Mann und Frau eine enge emotionale Bindung besteht und der Mann alle psychischen und körperlichen Veränderungen der Frau bewußt miterlebt (Bullinger, 1983).
 
 

2.8. Eine Beziehung zum Kind im Bauch der Mutter herstellen

Das Kind im Bauch der Mutter ist dem Mann zumindest am Beginn der Schwangerschaft sehr fremd. Deshalb ist es notwendig, daß er eine emotionale Beziehung zum Kind aufbaut, indem er von außen, über die Frau, einen Zugang zum Kind gewinnt.

Mit fortschreitender Schwangerschaft gelingt es dem Vater immer mehr eine stärkere emotionale Beziehung zum Kind zu entwickeln. Hilfreich dafür sind Ultraschalluntersuchungen, das Abhören der Herztöne und schließlich auch, wenn Väter spüren, wie sich das Kind bewegt.
 
 

2.9. Hilfe für das ältere Kind

Eine wichtige Aufgabe des Vaters ist es, das ältere Kind auf die Geburt seines Geschwisters vorzubereiten und ihm die Zuwendung zu geben, die ihm seine schwangere Mutter eventuell nicht bieten kann. Ansonsten kann es bei den älteren Geschwistern zu einer Reihe negativer Reaktionen auf die Geburt des neuen Kindes kommen z.B. Rückfälle in der Sauberkeitserziehung. Legg, Sherick und Wadland (1974, zitiert nach Fthenakis, 1988) beobachteten, daß verstärktes Engagement des Vaters während der Schwangerschaft dem älteren Kind die Anpassung erleichtert.
 
 

3. Der Übergang zur Vaterschaft
 
 

3.1. Vaterschaft als Krise?

Der Übergang von der Partnerschaft zur Elternschaft wird sehr oft als Krise bezeichnet (Hill, 1949, zitiert nach Fthenakis, 1988). Das Hinzukommen eines neuen Familienmitglieds stellt eine tiefgreifende Veränderung für das Familiensystem dar. Le Masters (1957) stellte in einer Untersuchung an 46 Paaren fest, daß 82,6% davon deutliche Anzeichen einer "schweren Krise" zeigten. Hobbs (1968, zitiert nach Fthenakis, 1988) konnte diese Ergebnisse in seiner Studie nicht replizieren. Schon sehr früh wurden diese Ergebnisse angezweifelt und eine Analyse der Daten ergab, daß für die unterschiedlichen Ergebnisse, neben Unterschieden in der Definition einer Krise auch methodische Gründe verantwortlich sind. Kritisiert wird an den Forschungsarbeiten auch, daß sie gewöhnlich nur nach dem Übergang zur Elternschaft durchgeführt worden sind. Die Personen sollten aber sowohl vor als auch nach dem kritischen Zeitpunkt befragt werden, wofür sich Längsschnittuntersuchungen am besten eignen (z.B. Beail, 1980, 1982, Csordas, 1982, zitiert nach Fthenakis, 1988). Die meisten Arbeiten, die den Übergang zur Vaterschaft zum Thema haben, gehen also von einer Krisenperspektive aus.

Es setzte sich jedoch in den letzten Jahren zunehmend eine differenziertere Betrachtungsweise durch. Offensichtlich tragen bestimmte Rahmenbedingungen und Bewältigungsstrategien dazu bei, die Krise mehr oder weniger tief zu erleben. Aus dieser Erkenntnis heraus ist man davon abgegangen, den Übergang zur Eltern- bzw. Vaterschaft als Krise zu bezeichnen, sondern sieht ihn heute als Chance und Gratifikation an (Russell, 1974, zitiert nach Fthenakis, 1988).
 
 

3.2. Entwicklung des Vaterschaftserlebens

May (1985, zitiert nach Vogl, 1992) hat ein Phasenmodell der Entwicklung des Vaterschaftserlebens erarbeitet, welches sich in drei Phasen gliedert:

- Announcement phase:

Die erste Phase bezieht sich auf das Erkennen der Schwangerschaft, von den ersten

Vermutungen bis zur Gewißheit, und kann bei den werdenden Vätern je nach Erwünschtheit

Glücksgefühle, aber auch Angst und Verzweiflung auslösen.

- Moratorium:

In der zweiten Phase erfolgt eine Anpassung an die Realität der werdenden Vaterschaft. In

dieser Zeit kommt es sehr oft zu Schwierigkeiten, da die Partner verschiedene Bedürfnisse

haben bzw. entwickeln. Die Mütter suchen verstärkt nach Zuwendung, Nähe und

Unterstützung des Partners, während sich die Väter zunächst emotional von der

Schwangerschaft distanzieren, weil diese für sie noch nicht real ist.

- Focusing phase:

Wenn die Bereitschaft zur Vaterschaft gewachsen ist, beginnt die Phase der

Aufmerksamkeit. Sobald die Herztöne des Kindes hörbar werden und die Bewegungen

ertastet werden können, wird das Kind real und damit auch die eigene Person als Vater

definiert. Diese Bereitschaft zur Vaterschaft bewirkt dann auch, daß Väter gewillt sind, sich

aktiv mit dem Schwangerschaftsgeschehen auseinanderzusetzen und sich auf die Geburt und

Elternschaft entsprechend vorzubereiten.
 
 

Die Ergebnisse der Arbeit von Engel (1982, zitiert nach Vogl, 1992) welcher anhand von qualitativen Interviews versucht hat sich dem Bereich Vaterwerden anzunähern, stimmen im wesentlichen mit denen von May überein. Sie bringt aber eine viel weitgehendere Einsicht vor allem in die Krisen- und Konflikthaftigkeit des männlichen Erlebens der Schwangerschaft und ersten Zeit mit dem Kind (vgl. dazu Vogl, 1992).
 
 

4. Die Anwesenheit des Vaters bei der Geburt
 
 

4.1. Vergleich früher - heute

Noch zu Beginn der siebziger Jahre durften Väter in Krankenhäusern nicht der Geburt ihres Kindes beiwohnen. Als Gründe wurden dafür angegeben: hygienische Gründe, der Vater könnte eine zusätzliche Belastung für die Mutter und das Klinikpersonal werden oder aber der erschreckende Anblick kann bewirken, daß künftige sexuelle Beziehungen für den Mann unmöglich gemacht werden (Fthenakis,1988 und Bullinger, 1983). Viele Untersuchungen beschäftigen sich damit diese Annahmen zu widerlegen. Erst 1974 hat das amerikanische Kollegium der Geburtshelfer und Gynäkologen die Anwesenheit des Vaters im Kreißsaal bewilligt. Heute nimmt die Mehrzahl der Väter an der Geburt ihres Kindes teil.

Bullinger (1983) sieht die heutige Situation als Ergebnis einer längeren Auseinandersetzung, die Ende der sechziger Jahre begonnen hat. Es kam zu einem Wandel der Einstellungen junger Väter, die mehr Kontrolle über den Geburtsvorgang fordern und einen großen Wert auf den frühen und intensiven Kontakt mit dem Neugeborenen legen. Zu einer Veränderung kam es auch in den Kreißsälen, die den werdenden Eltern jetzt mehr Häuslichkeit vermitteln.

Heute wird die Anwesenheit des Vaters bei der Geburt sogar befürwortet. Die Frage, ob er auch im Falle einer Kaiserschnittgeburt im Operationssaal anwesend sein darf, hat sich noch nicht zufriedenstellend beantworten lassen. Das medizinische Personal scheint sich einig darüber zu sein, daß der OP kein Platz für Väter ist (Brown, 1982, zitiert nach Fthenakis, 1988). Daher sucht man nach neuen Lösungsmöglichkeiten für diese Problematik.

Es müssen noch eine Reihe von Hindernissen überwunden werden, um dem Vater eine angemessene Teilnahme an der Geburt seines Kindes zu ermöglichen.
 
 

4.2. Angaben über Zahl der Väter, die bei der Geburt anwesend sind

Der Anteil der Väter, die an der Geburt ihres Kindes teilnehmen, hat in den letzen Jahren erheblich zugenommen. Waren es im Jahre 1972 nur 27% der Väter, die bei der Geburt anwesend waren, so waren es im Jahre 1980 schon 80% (Fthenakis, 1988). Das bedeutet seit etwa 1975 einen rapiden Anstieg quer durch alle Sozialschichten.

Heute geht man von einem Wert aus, der zwischen 80 und 90% liegt und es ist zu erwarten, daß die Bereitschaft der Eltern, die Geburt ihres Kindes gemeinsam zu erleben, noch zunehmen wird.
 
 

4.3. Die Rolle des Vaters während der Geburt

Die Teilnahme des Vaters am Geburtsvorgang wird überwiegend als positiv beurteilt. Untersuchungen dazu gibt es z.B. von Mac Farlane (1977, zitiert nach Fthenakis, 1988).

Woollett, White und Lyon (1982, zitiert nach Fthenakis, 1988) führen drei Aspekte der Vaterrolle im Kreißsaal an:

- Der Vater hält Kontakt zwischen der Mutter und dem medizinischen Personal.

- Er gibt seiner Frau kontinuierliche Zuwendung und Ermutigung und hilft ihr auf diese Weise

sich zu entspannen.

- Er kann durch seinen Beistand das emotionale Geburtserlebnis der Mutter steigern.

Die Männer haben ein stärkeres Interesse daran, nach gemeinsam erlebter Schwangerschaft auch bei der Geburt beteiligt sein zu dürfen. Die Entbindung selbst erleben die meisten Väter unterschiedlich je nach Geburtsablauf, der Vorbereitung darauf und ihrer individuellen Empfindsamkeit (Mayer, 1994). In einer Untersuchung von Pawson und Morris (1971, zitiert nach Fthenakis, 1988) an 730 Väter beurteilten 92% davon ihre Anwesenheit als nützlich und sahen ihren Beitrag vor allem in der emotionalen Unterstützung der Frau, in einer Erleichterung ihrer körperlichen Anstrengungen und in einer Verbesserung der ehelichen Beziehung.

Eine Schwierigkeit für den werdenden Vater besteht unter anderem darin, daß es keine richtige Anleitung für seine Mithilfe und sein Verhalten bei der Geburt gibt, die bei Bedarf anzuwenden sind (Bullinger, 1983). Viele Väter sind noch unsicher bezüglich ihrer Funktion im Kreißsaal. Sie sind sehr oft zu Passivität verurteilt und fühlen sich bei der Geburt manchmal als Außenstehender. Die Rolle des Vaters im Kreißsaal müßte besser operationalisiert werden. Es stellt sich außerdem die Frage, ob die Rolle des Vaters als Anwesender bei der Geburt im Krankenhaus bis zur Übernahme der Funktion eines aktiven Geburtshelfers ausgedehnt werden sollte (Fthenakis, 1988).

Die Teilnahme des Vaters an der Entbindung ist für die Gebärende von großer Bedeutung. Umgekehrt ist aber auch die Anwesenheit für den Vater eine sehr wichtige Erfahrung, da sich sein Selbstwertgefühl durch das Erleben der eigenen aktiven Hilfeleistung für seine Frau erhöht (Vogl, 1992).
 
 

4.4. Auswirkungen von geburtsvorbereitenden Kursen auf das Erleben der Schwangerschaft und der Geburt Sasmov (1972, zitiert nach Vogl, 1992) ist der Meinung, daß die Vorbereitung des Vaters auf seine Rolle als Geburtshelfer genauso wichtig ist wie die Vorbereitung der werdenden Mutter.

In den letzen Jahren sind immer mehr Geburtskliniken dazu übergegangen, geburtsvorbereitende Kurse einzurichten und schwangeren Frauen und deren Männern den Besuch solcher Kurse zu empfehlen und zu ermöglichen.

Fein (1974, zitiert nach Fthenakis) belegt durch Untersuchungen, daß durch intensive Geburtsvorbereitung die Bereitschaft des Vaters zur Unterstützung seiner schwangeren Frau steigt, die wiederum die Geburt erleichtert. Die Frauen bedürfen weniger Medikamente und die Geburten dauern weniger lang. (Vogl, 1992).

Der Sinn gemeinsamer Geburtsvorbereitung kann sein, daß auch der Vater in seinem neuen Rollenbewußtsein bestärkt und in das gesamte Geschehen von Schwangerschaft, Geburt und Phase danach aktiv einbezogen wird (Bullinger, 1983). Die Teilnahme an geburtsvorbereitenden Kursen bewirkt auch, daß die Väter eher einwilligen, an der Geburt teilzunehmen. Cronenwelt und Newmark (1974, zitiert nach Fthenakis, 1988) stellten fest, daß sich die Teilnahme an diesen Kursen zwar positiv hinsichtlich ihrer Gefühle gegenüber der Partnerin sowie ihrer Rollenkompetenz im Kreißsaal auswirken, nicht jedoch hinsichtlich der Intensität des Geburtserlebnisses und ihrer Bindung an das Neugeborene.

Bartoszyk und Nickel (1986) überprüften in einer Studie, ob die Teilnahme werdender Väter an geburtsvorbereitenden Kursen positive Auswirkungen auf die späteren Vater-Kind-Beziehungen zeigt. Es handelt sich um ein umfangreiches Längsschnittprojekt, das den Zeitraum von Beginn der Schwangerschaft bis zum neunten Lebensmonat umfaßt. Nickel teilte die Väter in zwei Gruppen. Vorbereitete Väter und unvorbereitete Väter. Als Kriterium für die Gruppenzuordnung galt die regelmäßige Teilnahme an einem Säuglingspflegekurs.

Die Ergebnisse zeigten, daß vorbereitete Väter häufiger als unvorbereitete Väter zusammen mit ihren Frauen einen geburtsvorbereitenden Kurs besuchen. Sie haben sich auch hinsichtlich der allgemeinen Motivation zur aktiven Vorbereitung auf die Geburt, indem sie sich z.B. mehr durch Bücher und Gespräche informierten, unterschieden.

Unterschiede ergaben sich auch bei der Erlebnisbeschreibung der Väter beim ersten Anblick des Kindes und in der pflegerischen Zuwendung, wobei vorbereitete Väter stärker engagiert waren als unvorbereitete. Die Eltern gaben auch an, daß sie die erste Zeit nach der Geburt als eine stärkere Belastung erlebten. Vorbereitete Väter nannten als Grund die Versorgung und Betreuung des Säuglings, während unvorbereitete Väter häufiger außerfamiliäre Verpflichtungen angaben.

Insgesamt bestätigen die Ergebnisse die Hypothese, daß die Qualität der frühen Vater-Kind-Interaktion durch praktische Vorbereitungsmaßnahmen gefördert werden kann.

Nickel (1990) hat in einer weiteren Studie herausgefunden, daß sich die Kinder von Vätern, die geburtsvorbereitende Kurse besucht hatten, auch im neunten Lebensmonat von Kindern nicht-

vorbereiteter Väter unterscheiden. Es sollte nun überprüft werden, ob sich die Unterschiede auch dann nachweisen lassen, wenn man die Väter nach dem Ausmaß ihrer späteren Betreuungsbeteiligung einteilt. Dabei ergab sich, daß das unterschiedliche Verhalten von Kindern vorbereiteter und nichtvorbereiteter Väter nicht durch das unterschiedliche Ausmaß des Betreuungsverhaltens von Vätern erklärt werden konnte. Die Kinder zeigten keine signifikanten Verhaltensunterschiede. Nickel vermutet, daß die väterliche Einstellung zum Kind und die dadurch beeinflußte Art des Umgangs bzw. Zuwendungsverhaltens eine wesentlich entscheidendere Rolle als das Ausmaß ihres Engagements bei der Betreuung und Versorgung des Kindes spielt.
 
 

4.5. Auswirkungen der Anwesenheit des Vaters bei der Geburt auf die Vater-Kind-Beziehung In der Untersuchung des Zusammenhanges zwischen der Teilnahme des Vaters an der Geburt und der späteren Vater-Kind-Beziehung zeigen sich sehr widersprüchliche Ergebnisse. Einige Studien belegen die Hypothese, daß die Anwesenheit des Vaters bei der Geburt geeignete Voraussetzungen und erweitertes Interesse an frühem Kontakt mit dem Neugeborenen biete, die der Vater-Kind-Bindung förderlich seien (Fthenakis, 1988).

Das väterliche Verhalten während der Geburt hat auch einen höheren prognostischen Wert für die spätere Vater-Kind-Interaktion als die pränatalen Einstellungen der Väter. Zusätzlich stehen ein positives Geburtserlebnis und eine Hausgeburt in positiver Beziehung zur Vater-Kind-Interaktion. Die Anwesenheit des Vaters bei der Geburt scheint auch mit seinem zukünftigen Engagement in der Kinderpflege zusammenzuhängen. Untersuchungen haben ergeben, daß Väter, die bei der Geburt teilnahmen, sich stärker an der Kinderpflege beteiligten, und das sogar noch nach drei Jahren. Schließlich konnten sich aber Autoren wie z.B.: Parke und O´Leary (1976, zitiert nach Fthenakis, 1988) diesen Interpretationen nicht anschließen und behaupteten, daß es sich bei den beobachteten Fakten weniger um kausale Zusammenhänge handle. Ihrer Meinung nach ist die Anwesenheit des Vaters bei der Geburt und seine spätere Beteiligung an der Kinderpflege wahrscheinlich durch die Einstellungen des Vaters zur Schwangerschaft und Geburt bedingt. Das väterliche Verhalten läßt sich eher auf frühere Erfahrungen des Vaters, sein Selbstkonzept, seine Bewältigungsstrategien und andere Hintergrundbedingungen zurückführen, als auf den frühen Kontakt. Nach White und Woollett (1982, zitiert nach Fthenakis, 1988) bedingt die Anwesenheit des Vaters bei der Geburt nicht notwendigerweise ein hohes Maß an aktivem Vaterverhalten und die bei der Geburt gezeigte Beziehung scheint das spätere väterliche Verhalten zum Kind nicht unabänderlich zu bestimmen. Niemand hat bisher einen Beweis dafür erbringen können, daß nur Männer, die bei der Geburt ihres Kindes anwesend sind, gute Väter werden. Gute Väter müssen ihre Qualitäten ihr ganzes Leben lang unter Beweis stellen (Bullinger, 1983).

Jones (1981, zitiert nach Fthenakis, 1988) ist der Ansicht, daß die positiven Auswirkungen väterlicher Anwesenheit eher kumulativ sind und nicht allein von der Dauer des ersten Kontaktes abhängen.

Bislang konnte keine Bestätigung für die Langzeitwirkung solcher frühen Vater-Kind-Interaktionen erbracht werden. Der hohen Bewertung einer Teilnahme an der Geburt lagen vor allem Annahmen über eine "sensible Phase" für das Bindungsverhalten zugrunde, die empirisch nicht bestätigt werden konnten. In diesem Sinn stellt Fthenakis (1988) fest, daß insbesondere beim Vater die Entwicklung eines Bindesystems wohl eher das Ergebnis eines längeren Prozesses in einer lebenslangen Perspektive der Entwicklung ist und stark von seinen diesbezüglichen Einstellungen und weiteren Hintergrundfaktoren, wie die sozioökonomische Situation sowie Eigenschaften des Kindes und dessen Geschlecht determiniert.
 
 

5. Zusammenfassung
 
 

In der psychologischen Forschung wurde die Rolle des Vaters während der Schwangerschaft und der Geburt lange Zeit vernachlässigt.

Erst seit Mitte der siebziger Jahre zeichnet sich ein grundsätzlicher Wandel ab, was die Bewertung der Rolle des Vaters gerade in dieser Zeit betrifft.

Untersuchungen haben ergeben, daß verschiedenste Variablen einen Einfluß auf die väterliche Einstellung zur Schwangerschaft haben. Dazu gehören unter anderem sein Alter, seine Schichtzugehörigkeit und Erfahrungen aus seiner Herkunftsfamilie. Auch die Erwünschtheit der Schwangerschaft und die Qualität der Ehepartner Beziehung spielen eine wesentliche Rolle bezüglich des Erlebens der Schwangerschaft und der Akzeptanz des Kindes. Eine der wichtigsten Funktionen des werdenden Vaters ist die emotionale Unterstützung seiner Frau, welche dieser bei der Anpassung an die Mutterrolle hilft und sich durch die Befindlichkeit der Mutter auch auf das Kind auswirkt. Außerdem zu berücksichtigende Variablen sind die Sexualität, widersprüchliche Gefühle, die Herstellung der Beziehung zum Kind im Bauch der Mutter und die Hilfe für das ältere Kind.

Der Übergang von der Partnerschaft zur Elternschaft wird sehr oft als Krise bezeichnet. Inzwischen hat man erkannt, den Übergang zur Eltern- bzw. Vaterschaft als Chance bzw. Gratifikation anzusehen.

Bezüglich der Teilnahme des Vaters an der Geburt ist anzumerken, daß heute die Mehrzahl der Väter beiwohnt. Untersuchungen haben ergeben, daß die Teilnahme überwiegend als positiv beurteilt wird. Die drei wesentlichen Aspekte der Vaterrolle im Kreißsaal sind:

1.) der Vater hält Kontakt zwischen der Mutter und dem medizinischen Personal; 2.) er gibt seiner Frau kontinuierliche Zuwendung und Ermutigung und hilft ihr auf diese Weise, sich zu entspannen; 3.) er kann durch seinen Beistand das emotionale Geburtserlebnis der Mutter steigern. Viele Väter sind noch unsicher bezüglich ihrer Funktion im Kreißsaal. Die Teilnahme des Vaters an der Entbindung ist aber für den Vater eine sehr wichtige Erfahrung, da sich durch das Erleben der eigenen aktiven Hilfeleistung für seine Frau sein Selbstwertgefühl erhöht. Zur Reduzierung der Unsicherheit der Eltern sind in den letzen Jahren immer mehr Geburtskliniken dazu übergegangen geburtsvorbereitende Kurse einzurichten. Die Teilnahme an diesen Kursen wirkt sich für die Väter positiv hinsichtlich ihrer Gefühle gegenüber der Partnerin sowie ihrer Rollenkompetenz im Kreißsaal aus. Auch die Qualität der frühen Vater-Kind-Interaktion kann durch praktische Vorbereitungsmaßnahmen gefördert werden.

Bezüglich der Anwesenheit des Vaters bei der Geburt wurde festgestellt, daß diese auf die Vater-Kind-Beziehung keine Langzeitwirkungen hat. Die Ausbildung des Bindesystems beim Vater ist eher das Ergebnis eines längeren Prozesses.
 
 

6. Persönliche Stellungnahme
 
 

Da mich dieses Thema persönlich sehr interessiert habe ich mich gerne in die Literatur eingelesen. Die behandelte Thematik scheint mir sehr wesentlich und ich finde es toll, daß die Väter heute mehr in das Schwangerschafts- und das Geburtsgeschehen eingebunden werden. Schließlich ist diese Phase für beide Elternteile von Bedeutung. Das gemeinsame Erleben dieser Zeit hat einen positiven Einfluß auf die Entwicklung der Partnerbeziehung und die Gestaltung des späteren Familienlebens.

Außerdem halte ich es für angebracht, daß die Eltern gemeinsam einen geburtsvorbereitenden Kurs besuchen, damit auch der Vater in seinem neuen Rollenbewußtsein bestärkt und in das gesamte Geschehen von Schwangerschaft, Geburt und der Zeit danach aktiv einbezogen wird. Für notwendig halte ich es auch, daß die Partner mehr über ihre Gefühle, Probleme und Wünsche, die sich in der Zeit ergeben, sprechen.

Für Männer stellen auch Selbsterfahrungsgruppen eine Möglichkeit dar, mit anderen werdenden Vätern ihre Erfahrungen und Ängste auszutauschen und ein neues Selbstbewußtsein als Vater zu entwickeln.

Ich bin der Ansicht, daß sich die Rolle der Väter noch weiter verändern wird und daß die Väter noch weit mehr als bisher üblich in die Schwangerschaftsbetreuung und die Geburtsvorbereitung eingebunden werden sollten.
 
 

7. Literaturverzeichnis
 
 

Bartoszyk, J. und Nickel, H. (1986). Teilnahme von Vätern an Säuglingspflegekursen und ihr Betreuungsverhalten in den ersten Lebenswochen des Kindes. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 35, 254-260.

Bullinger, H. (1983). Wenn Männer Väter werden. Die Beziehung zwischen Mann und Frau nach der Geburt ihres Kindes. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt

Fthenakis, W.E. (1988a). Väter. Zur Psychologie der Vater-Kind-Beziehung (Bd. 1). München: Deutscher Taschenbuch Verlag

Mayer, C. und Liebich, D. (1994). Wenn Mann ein Kind bekommt. Freiburg: Herder

Nickel, H. (1990). Pränatales und postnatales Engagement von Vätern und das Verhalten ihrer neun Monate alten Kinder in einer Trennungssituation. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 37, 26-32.
 
 
 
 

Inhaltsverzeichnis
 
 

10) Übergang zur Vaterschaft und Partnerschaftsqualität (Christine Arzt)

  1. EINLEITUNG
  1. Definition "Partnerschaft": (Hillmann 1994, S. 654)
Die Partnerschaft ist ein vertrauensvolles Zusammenarbeiten zwischen Personen oder sozialen Gebilden mit unterschiedlichen Zielen, die nur gemeinsam erreicht werden können. Dabei ist die Einigung auf bestimmte Spielregeln für die Beziehungen zueinander unerläßlich. Je mehr eine vom Konsens getragene Partnerschaft zustande kommt, um so weniger sind Rangordnungen erforderlich.
 
 

2. DIE "NEUEN" VÄTER
 
 

Wie sollte der Vater sein?

Frauen und Kinder wissen darauf eine Antwort:

Ein Vater ist eine zweite erwachsene Person, die dem Kind genauso nahesteht wie die Mutter, auf die das Kind sich genauso verlassen kann, die aber den Reiz einer zweiten Persönlichkeit, mit zusätzlichen Interessen, eigenen Qualitäten und neuen Eigenschaften einbringt; die zusammen mit der Mutter den Kindern zeigt, wie man als Paar, als Familie zusammenleben kann (Bernard & Schlaffer 1991, S. 16).
 
 

2.1. Widersprüche - Vater und/oder Mann?

Definition "Rolle": (Hillmann 1994, S. 742)

Soziale Rolle ist ein zentraler Grundbegriff der Soziologie, der allgemein die Summe der Erwartungen und Ansprüche von Handlungspartnern, einer Gruppe umfassender sozialer Beziehungsbereiche oder der gesamten Gesellschaft an das Verhalten und das äußere Erscheinungsbild (Rollenattribute) des Inhabers einer sozialen Position bezeichnet.
 
 

Die Vaterrolle als ein Satz verbindlicher Anforderungen wird von verschiedenen Männern verschieden ausgefüllt. Väter derselben Epoche und Gruppe mögen gleiche Pflichten und gleiche Rechte haben, sie nehmen diese aber nicht in gänzlich gleicher Weise wahr.

Soweit sie ihre Rolle akzeptieren, weist ihr Verhalten Gemeinsamkeiten und Abweichungen auf. Diese haben mehrere Quellen. Zum Teil ergeben sie sich aus der Beschaffenheit der Rollen selber, zum Teil aus der Verschiedenheit der in Rollen handelnden Personen und der individuellen Handlungssituationen.

Nach einer heute verbreiteten (wenngleich wenig verbindlichen) Erwartung soll sich zum Beispiel ein Vater in der Freizeit seinen Kindern widmen.

Die Einzelheiten regelt diese generelle Forderung aber nicht. Wie viele Stunden er mit den Kindern verbringt und mit welchen Tätigkeiten, ist in sein Ermessen gestellt.

Der Mann kann und muß also seine Vaterrolle interpretieren, er kann und muß sie gestalten.

Da der Einzelne stets mehrere Rollen innehat, muß er, um diese in Einklang zu bringen, Entscheidungen über Prioritäten fällen (Pross 1984, S. 18).

Die neue Vaterrolle steht im Widerspruch zur Rolle des Mannes in unserer Gesellschaft. Selbstbewußtsein bekommt er durch seinen Beruf. Hausarbeit und Kindererziehung werden nicht sehr hoch bewertet

Die Haupverantwortung für die Haus und Familienarbeit liegt mit lediglich graduellen Abweichungen bei den Frauen. Ein Einstellungswandel hat zwar auch bei den Männern schon eingesetzt, er ist jedoch nur ausgesprochen zögerlich handlungsleitend (Oerter u. Montada 1995, S. 420).

Bullingers Meinung ist, daß sich die Männer nur durch Druck von Seiten der Frauen verändern. Bleibt dieser aus, verfallen sie wieder in ihre alten Rollen (vgl. Bullinger 1997, S. 21)

Männer- und Vaterrolle liegen in voller Hinsicht im Widerstreit. Sich auf Kinder wirklich einzulassen bedeutet, die Gesellschaft, das eigene Leben und die eigene Person mit anderen Augen wahrzunehmen. Kinder stellen sich mit ihren Bedürfnissen quer zu den unsere Gesellschaft beherrschende Normen und Prinzipien.

Die neue Vaterrolle setzt voraus, daß Mutterschaft und Vaterschaft ein Stück weit austauschbar und gleichwertig sind.
 
 

3. VATER WERDEN ODER NICHT ?

3.1. Zum Kinderwunsch

Der Wunsch nach einem Kind hat viel zu tun mit eigenen Kindheitserfahrungen und dem eigenen Vatervorbild.

Der Wunsch ist oft verknüpft mit bestimmten sozial geprägten Wünschen an das Zusammenleben mit einer Frau.

Weitere Motive sind z.B.: Der Mann will mit der Zeugung sich selbst oder der Umwelt etwas beweisen; etwa seine Männlichkeit, seine Treue, die Größe seiner Liebe zur Partnerin, sein Verantwortungsbewußtsein, seine persönliche Reife usw.

Zahlreiche Erwartungen werden daran geknüpft z.B. die Bereicherung des eigenen Lebens, das Kind als Beziehungspartner usw.

Die neuen Vätern sind in vielen Fällen bei der Realisierung ihres Kinderwunsches in zweifacher Hinsicht auf die Frauen angewiesen (vgl. Bullinger 1997, S. 36):

1. Die Entscheidungsmacht auf Grund der Gebärfähigkeit liegt zum großen Teil bei den Frauen.

  1. Ohne treibende Kraft der Frauen wären die meisten Männer von sich aus nicht zu einer klaren Entscheidung für ein Kind fähig.

Der Kinderwunsch von Männern allgemein und speziell auch der meisten der neuen Väter kann nur in seiner Abhängigkeit von der Frau angemessen begriffen werden.

Im Zuge einer Bewegung der neuen Väter könnte der Kinderwunsch immer mehr aus einer psychischen Abhängigkeit von der Frau heraustreten und sich ein in Ansätzen autonomes männliches Bedürfnis nach einem Kind konstituieren.

Mit der Veränderung der Männerrolle wird sich auch das Verhältnis des Mannes zum Kind grundlegend verändern. In der Folge könnte ein zwar sozial vermitteltes, aber trotzdem mächtiges und eigenständiges Bedürfnis des Mannes nach einem Kind entstehen.
 
 

  1. Das Kind und die Mann-Frau-Beziehung

Bei der Entscheidung für oder gegen ein Kind spielt immer auch die Beziehung eine gewichtige Rolle. So kann die jeweilige Situation die Entscheidung für ein Kind begünstigen, aber auch unmöglich machen.

Z.B. wird die Entscheidung begünstigt, wenn das Paar sicher zusammenbleiben will, aber auch wenn das Kind als Beziehungskitt agieren soll.
 
 

  1. Kind und Männerfreiheit

Männerfreiheiten von damals (Bullinger 1997, S. 40):

Daß der Mann frei von Haus- und Kinderarbeit war.

Daß er über seine freie Zeit, die ihm nach der Arbeit verblieb, uneingeschränkt verfügen konnte.

Daß er, solange er die Ehe und die Versorgung von Frau und Kindern nicht in Frage stellte, mit anderen Frauen - zumindest heimlich - schlafen konnte.

Daß er seiner Frau gegenüber keine Rechenschaft ablegen mußte, was er mit seiner Zeit außerhalb seiner Familie anfing.

Daß er sich überall in der Gesellschaft uneingeschränkt und frei bewegen konnte.
 
 

Diese Freiheiten standen nur dem Mann zu, und zwar auf Grund der Tatsache, daß er der Ernährer der Familie war.

Heute gibt es diese Männerfreiheiten in ihrer ursprünglichen Form und Ausprägung nicht mehr. Man kann jedoch noch genug Überreste dieser alten Ansprüche finden.

Es sollte daher jeder Mann, der vor der Entscheidung für oder gegen ein Kind steht, herausfinden, welchen Stellenwert seine Männerfreiheiten für sein Wohlbefinden haben und wie er auf die Einschränkungen reagieren würde (Bullinger 1997, S. 41).
 
 

3.4. Rationale oder emotionale Entscheidung
 
 

Wenn der Mann sich nicht fähig fühlt, eine klare Entscheidung für oder gegen ein Kind zu fällen, kann dies folgende Gründe haben (Bullinger 1997, S. 43):
 
 

Sein Kinderwunsch ist nur sehr schwach ausgeprägt, und seine Gefühle für ein Leben mit einem Kind sind nicht eindeutig genug.

Er weiß grundsätzlich über seine eigenen Wünsche, Gefühle und Bedürfnisse zu wenig.

Den betreffenden Männern ist es unmöglich, eine emotionale Entscheidung zu treffen. Sie sind darauf angewiesen, ihre Entscheidung rational abzuwägen.

Männer, die nur rational entscheiden können, fühlen sich in dieser Frage häufig entscheidungsunfähig, sie sind stark verunsichert und wissen nicht, welchen Argumenten sie größeres Gewicht beimessen sollen.

Die Entscheidung kann dadurch solange hinausgeschoben werden, bis sie entweder von der Frau unter Druck gesetzt werden, oder einer Entscheidung durch eine unbeabsichtigte Schwangerschaft enthoben werden.

Vor allem müssen sie begreifen, daß eine lax gehandhabte Empfängnisverhütung auch bereits eine mehr oder weniger "klare" Entscheidung darstellen kann.
 
 

4. DIE ZEIT DER SCHWANGERSCHAFT

4.1. Der werdende Vater und seine Umgebung

Dem Mann wird von Seiten der Gesellschaft nach wie vor kein eigenes, männerspezifisches Erleben von Schwangerschaft und Geburt zugebilligt. Er kann nicht damit rechnen, daß er mit seinen Gefühlen, Erfahrungen und Schwierigkeiten wirklich ernst genommen wird. Schwangerschaft und Geburt sind nach wie vor in erster Linie Frauensache.

Es gibt jedoch gesellschaftliche Bereiche und soziale Gruppen, wo diese Einstellungen nicht mehr so dominierend sind.

Der werdende Vater kann auch nicht auf anerkannte Traditionen zurückgreifen.

Es ist allerdings rätselhaft, daß sich die werdenden Väter selbst kaum zu ihrem Erleben, ihren Gefühlen und ihren Ängsten geäußert haben.

Das Weg von der alten Männerrolle zur neuen Vaterrolle gelingt besser durch die Sensibilisierung gegenüber dem eigenen Erleben.

Sie sollten das Schweigen über ihre Sorgen und Unzulänglichkeiten, ihre Ängste und Unsicherheiten brechen.
 
 

4.2. Sexualität
 
 

Die Beziehung von Mann und Frau ist während der Schwangerschaft zahlreichen zum Teil tiefgreifenden Veränderungen unterworfen.

Die Sexualität ist hiebei nur ein Teilbereich. Jedoch kommt der positiven Verarbeitung und Bewältigung der sexuellen Veränderungen eine Schlüsselrolle bei der Verarbeitung und Bewältigung der Beziehungsprobleme zu.

Ehepaare berichteten von einer hochsignifikanten Abnahme der wechselseitigen wahrgenommenen Zärtlichkeit, und zwar nur von der Schwangerschaft bis zum dritten Monat nach der Geburt (Gloger-Tippelt et al. 1995, S. 263).

Die körperlichen Veränderungen, aber auch die eventuell veränderten sexuellen Bedürfnisse und Empfindungen der Frau können sich auf das sexuelle Empfinden des Mannes in sehr unterschiedlicher Weise auswirken.

Die körperlichen Veränderungen der Frau können bei Männern unterschiedliche Gefühle hervorrufen (vgl. Bullinger 1997, S. 57).
 
 

Zwei Beispiele:

"Während der Schwangerschaft wurde unsere Beziehung viel intensiver, schon durch die dauernde Konzentration auf die körperlichen Veränderungen. Ich fand A. in keinem Moment sexuell unattraktiv. Im Gegenteil, je größer die Brüste und der Bauch wurden, um so größer wurde meine Lust auf sie."
 
 

"Ob ich Lust habe, mit einer Frau zu schlafen oder nicht, hängt bei mir ziemlich stark davon ab, ob die Frau einem bestimmten Wunschbild entspricht oder nicht. Als dann T. immer dicker wurde und diesem Wunschbild immer weniger entsprach, fühlte ich mich richtig von ihr bedrängt und wollte am liebsten auch körperlich von ihr Abstand haben" (Bullinger 1997, S. 57).
 
 

Manche Frauen haben in den ersten und in den letzten drei Monaten ein geringeres Bedürfnis nach sexuellem Kontakt. Bei anderen Frauen nimmt das Bedürfnis erst gegen Ende der Schwangerschaft ab. Dann gibt es Frauen, deren sexuelles Bedürfnis verändert sich während der Schwangerschaft gar nicht.

Viele Frauen entwickeln ein intensives und ausgeprägtes Bedürfnis nach Zärtlichkeit, wovon sich Männer mitunter bedrängt und überfordert fühlen.

Angesichts der vielen Veränderungen, auf die sich der Mann und die Frau während der Schwangerschaft einstellen müssen, ist Offenheit in sexuellen Fragen jedoch besonders wichtig. Das offene Gespräch beider Partner ist in vielen Fällen der einzige Weg, um die Probleme und Schwierigkeiten angemessen zu bewältigen.
 
 

  1. Widersprüchliche Gefühle

Die Zeit während der Schwangerschaft ist für den werdenden Vater eine Zeit der intensiven Gefühle. Gegensätzliches existiert nebeneinander.
 
 

  1. Angst vor Veränderungen
"In letzter Zeit überkommt mich öfters das Gefühl, daß ich irgendwie zu kurz komme oder etwas verpasse, wenn ich mich auf die Beziehung zu dem Kind einlasse. Mir ist klar, daß ganz bestimmte Sachen für mich dann nicht mehr möglich sind. Ich kann z.B. über meine Zeit nicht mehr so frei verfügen. Ich kann nicht einfach so sagen, an dem oder dem Wochenende fahre ich weg, oder ich nehme an dieser oder jener Veranstaltung teil. Das ist nicht mehr möglich. Das erlebe ich schon als eine massive Einschränkung, daß ich mich dann jedesmal mit meiner Freundin darüber einigen muß und ich nicht mehr einfach machen kann, was ich will. Oder wenn ich daran denke, daß ich abends nicht mehr weggehen kann, wann ich will, oder am Sonntagmorgen nicht mehr gemütlich im Bett liegen" (Bullinger 1997, S. 61).
 
  4.3.2. Vorfreude Obwohl die Angst bei manchen Vätern ein sehr dominierender Gefühlszustand sein kann, schließt sie die Freude auf das Kind und die Freude über das intensive Zusammensein mit der Frau während der Schwangerschaft keineswegs aus. Bei den meisten Männern existieren vielmehr beide Gefühlszustände nebeneinander. Welcher Gefühlszustand bei werdenden Vätern jeweils dominiert, scheint im übrigen nicht unwesentlich davon abzuhängen, wie sich die Beziehung von Mann und Frau während der Schwangerschaft gestaltet.

Wenn Männer sich auf Kinder freuen, stellen sie sich oft vor, mit ihnen herumzutoben und viel zu unternehmen, was Spaß macht. In ihrer Vorstellung sind Kinder also meist nicht Säuglinge, sondern durchwegs ältere Kinder, mit denen man schon reden und Hand in Hand spazieren gehen kann.
 
 

  1. Couvade-Syndrom
Je mehr der Mann am Erleben der Frau teilnimmt und sich auf die Schwangerschaft einläßt, um so eher wird sich bei ihm das Gefühl einstellen, daß ihm als Mann etwas Schönes und Aufregendes, eine zentrale existentielle Erfahrung verwehrt bleibt.

Zahlreiche Untersuchungen fanden bei vielen werdenden Vätern "Schwangerschaftsbeschwerden", die unter anderem als Ausdruck des Gebärneides interpretiert worden sind.

Dies deswegen, weil sie den Schwangerschaftsbeschwerden der Frau sehr ähnlich sind.

Die Väter leiden unter physischen Symptomen wie Appetitverlust, Heißhunger, Zahnschmerzen, Übelkeit und Erbrechen und auch unter psychischen Symptomen wie Depression, Spannung, Schlaflosigkeit usw.
 
 

  1. Die werdende Beziehung zu dem Kind

Es sollte der werdende Vater am Wachsen des Kindes und seinen verschiedenen Lebensäußerungen teilnehmen können.

Die Ultraschalluntersuchungen sind hier besonders wichtig.

Wenn der Vater die Herztöne seines Kindes zum ersten Mal hört oder sein Kind zum ersten Mal auf dem Bildschirm des Ultraschallgerätes sieht, wird seine Vaterschaft für ihn konkreter, greifbarer und vorstellbarer.

Er kann auch durch die Bauchdecke der Mutter hindurch mit einiger Übung die verschiedenen Gliedmaßen des Kindes erspüren.
 
 

  1. Die Geburtsvorbereitung

Durch die Fülle vorhandener Literatur und der Möglichkeit, einen Geburtsvorbereitungskurs zu besuchen, kann sich der werdende Vater je nach individuellen Bedürfnissen auf die Geburt vorbereiten.

Das Paar sollte gemeinsam abklären, ob die Geburt zu Hause oder im Krankenhaus stattfinden soll.
 
 

5. DIE GEBURT

5.1. Der Geburtsbericht von einem 26 jährigen Studenten

Samstag: Offizieller Geburtstermin. Aber von Sarah/David ist noch nichts zu spüren.

Sonntag: Immer noch nichts!

Montag: Wir müssen zur Fruchtwasserspiegelung.

"Ob alles in Ordnung ist? Klinikroutine - sterile Atmosphäre. Ob ich mitkommen kann? Banges Warten. Die Nächste bitte! Ich darf dabei sein. Es ist alles okay".

Dienstag: Sarah/David wird aktiv. Eva hat den ganzen Abend Übungswehen, das heißt ganz leichte Wehen, die jedoch auch schon in den vorherigen Monaten ab und zu da waren.

"Ob es jetzt wirklich losgeht? Hoffentlich! Ich habe Angst vor der zweiten Fruchtwasserspiegelung am Mittwoch. Was mache ich, wenn sie Eva in der Klinik behalten wollen? Ich habe Angst vor der Klinik-Angst vor einer Trennung".

0 Uhr: Die Wehen werden immer stärker. Eva hastet durch die Wohnung. Sie ist ziemlich nervös. Die Wehen kommen alle fünf Minuten.

"Es geht los! Endlich! Bleib bloß ruhig! Was soll ich zuerst tun? Richtig - Bett beziehen. Nur nicht nervös werden. Bin ich froh, daß das Warten vorbei ist und ich was zu tun habe".

0 Uhr 30: Die Wehen kommen jetzt regelmäßig und werden immer stärker. Ich rufe bei Freunden an, die bei der Geburt dabei sein wollen - sie sind nicht da!

"Jetzt bin ich doch nervös. Ob alles normal läuft? Irgendwie hatte ich mir das ganz anders vorgestellt. Wenn wenigstens noch jemand da wäre! Was machen die denn um die Zeit in der Kneipe? Ob wir die Hebamme schon mal anrufen sollten?"

0 Uhr 35: Ich rufe Silvia, unsere Hebamme, an. Sie ist ziemlich müde, weil sie vorige Nacht schon eine Geburt hatte. Sie beruhigt mich und sagt, daß wir erst mal in aller Ruhe abwarten sollen.

"So ein Mist! Ich bin viel zu nervös! Ich stottere am Telefon herum, wie oft kommen die Wehen noch mal und wie lange sind sie? Ich glaube, ich gehe unserer Hebamme auf die Nerven. Lächerlich, wie ich mich aufführe! Wie ein übernervöser, werdender Vater, der völlig unvorbereitet ist und von nichts eine Ahnung hat. In aller Ruhe abwarten - das ist leichter gesagt als getan!"

1 Uhr: Eva erbricht das ganze Abendessen und muß laufend auf das WC. Endlich kommen Bärbel und Gustl - unsere Freunde.

"Ist Erbrechen normal? Ich versuche mich zu erinnern. Wie soll man denn zusammen atmen, einen Rhythmus finden, wenn Eva die ganze Zeit durch die Wohnung rennt? Zum Glück sind Bärbel und Gustl jetzt da - wir sind nicht mehr alleine."

1 Uhr 30 - 2Uhr 30: Die Wehen kommen alle drei Minuten und dauern ca. eine Minute. Eva muß immer noch laufend auf das WC.

"Endlich werde ich ruhiger. Gustl hilft mir beim Stoppen der Wehen. Ich bin froh, daß er da ist. Er strahlt Ruhe und Gelassenheit aus. Langsam klappt es auch mit dem Atemrhythmus."

2 Uhr 30: Die Wehen werden immer stärker.

2 Uhr 50: Ich rufe noch mal bei unserer Hebamme an. Sie spricht mit Eva (in den Wehenpausen), und Eva überwindet sich schließlich, Silvia zu sagen, daß sie kommen soll.

"Wieder muß ich anrufen - mir ist das schon fast peinlich, Silvia wieder aus dem Bett zu schmeißen. Ob das wirklich notwendig ist? Oder liegt das an meiner Nervosität? Aber sie kommt - irgendwie beruhigt es mich. Eva geht es glaube ich genauso."

3 Uhr: Eva muß wieder auf das WC. Plötzlich liegt ein Stück Blut im WC - der Schleimpfropf ist abgegangen. Eva weiß erst gar nicht, was los ist, und gerät in Panik.

"Keine Angst, Eva - unser Baby hat sich auf den Weg gemacht. Sätze aus den Schwangerschaftsbüchern, die wir gelesen haben, fallen mir ein Wenn der Muttermund sich zu öffnen beginnt, geht der Schleimpfropf ab, der ihn zusätzlich verschlossen hielt. Bei jeder Blutung solltest du die Hebamme oder den Arzt verständigen. Zum Glück ist Silvia schon auf dem Weg."

Nach 3 Uhr: Die Wehen werden immer stärker. Eva wirft sich im Bett hin und her, stöhnt, schlägt um sich.

"Unser Baby kommt - aber wir sind alle nicht richtig darauf vorbereitet. Wir haben doch so oft geübt - jetzt ist alles wie weggeblasen. Nur Gustl scheint ruhig. Wie schafft er das nur? Ich bin so froh, daß er da ist. Mit seiner Hilfe schaffen wir es, den Atemrhythmus einigermaßen einzuhalten."

Ca. 3 Uhr 15: Die Fruchtblase platzt. Die Wehen werden noch stärker. Eva verspürt Preßdrang, schreit während der Wehen nach Silvia, schlägt wie wild um sich. Gustl fliegt die Brille vom Gesicht!

"Oh Mann, so hab ich mir das nicht vorgestellt. Was ist das für ein Film der da abläuft? Ich möchte aussteigen! Wo endet das alles? Alle Vorbereitung war nutzlos - was soll ich tun? Ich kann nichts - Ich kann Eva keine Ruhe vermitteln, alle Versuche in dieser Richtung nützen doch gar nichts! Ich hab mir die Geburt immer harmonisch vorgestellt. Ich hab geglaubt, daß ich eine wichtige Rolle bei der Geburt spiele. Und jetzt komme ich mir so hilflos und auch überflüssig vor.

Hecheln, Eva! Atmen, Eva atmen!! Wann kommt denn endlich diese Hebamme? Ich werde wütend: Eva vergiß das Atmen doch nicht immer!!

Was ist mit dem Kind?? Ich habe Angst!"

3 Uhr 30: Silvia kommt! Sie packt ganz ruhig ihre Sachen aus, untersucht Eva - und verbreitet eine sagenhafte Ruhe.

"Endlich! Mir fällt ein ganz großer Stein vom Herzen. Wir sind alle erleichtert. Eva wird mit einem Mal ruhiger."

Eva soll jetzt mitpressen - bloß jetzt ist der vormals so starke Preßdrang weg. Eva soll trotzdem pressen - es fällt ihr schwer, weil es so weh tut. Nach einiger Zeit, Silvia hat inzwischen die Herztöne des Kindes mit ihrem Hörrohr verfolgt, sagt sie zu Eva, daß sie jetzt ganz stark pressen soll - egal ob sie Preßwehen hat oder nicht - ansonsten wäre ein Dammschnitt unvermeidlich.

"Ob mit dem Kind was nicht stimmt? Komm, Eva, das kann doch nicht mehr lange dauern. Ich sitzt doch hinter dir, komm, preß weiter! Wir pressen was das Zeug hält. Ich mach mir dabei fast in die Hose. Alle feuern Eva an - eine Stimmung wie auf dem Fußballplatz."

Der Kopf unseres Babys ist zu sehen. Silvia nimmt Evas Hand und läßt sie das Kind fühlen.

"Unser Kind ist da, Eva. Komm, bald ist es geschafft."

4 Uhr 16: David ist da. Als er herauskommt, hat er die Nabelschnur um den Hals. Silvia nimmt sie wie selbstverständlich weg und legt David Eva auf den Bauch.

"Ich bin leer! Das ist unser Kind. Ein Junge, alles dran, sogar schon Haare."

David brabbelt und langsam öffnen sich seine Augen.

"Was ist mit mir los? In mir bewegt sich nichts, passiert nichts. Totale Leere. Eva weint und ich sitze da, als ob das gar nicht mein Kind ist. Es ist Evas Kind - sie hat es zur Welt gebracht. Und ich? Ich habe es versucht, ihr dabei zu helfen. Und ich habe es nicht geschafft! Ich komme mir überflüssig vor."

Die Plazenta kommt heraus.

"Ich faß das Ding auf Evas Bauch mal ganz vorsichtig an. Alle freuen sich, wir trinken Sekt - nur in mir ist alles leer."

David wird abgenabelt und gebadet. Wir erfahren von unserer Hebamme, daß das Fruchtwasser bereits grün war - sie hat das am nassen Leintuch gesehen. Uns war das zum Glück gar nicht aufgefallen.

"Endlich kann ich wieder was tun und dabei auch mal aus dem Zimmer gehen. Ich bin erschöpft. Beim Baden habe ich David das erste Mal in den Händen und wasche ihn ganz vorsichtig. Er kommt mir so zerbrechlich vor."

6 Uhr: Silvia ist gegangen - sie wird morgen früh wiederkommen. Bärbel und Gustl sind auch gerade weg. Eva und David schlafen. Ich liege wach und schaue mir David an. Langsam wird es hell.

"Hey, David. Was geht jetzt wohl durch deinen kleinen Kopf? Ich glaube, du bist zufrieden - dein Gesicht ist weich und entspannt. Man sieht deinem Zwei-Stunden-Gesicht die Erschöpfung gar nicht an. Eva sieht dagegen total erschöpft aus. Du kennst mich noch gar nicht, ich kenne dich auch noch nicht - und trotzdem gehören wir zusammen. Ob ich es noch lerne, dich zu lieben? Du bist mir noch so fremd - es wird wohl einige Zeit brauchen, bis es mir gelingt. Hoffentlich nimmst du es mir nicht übel.

Deine Geburt war so ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Unsere Schwangerschaft war ziemlich harmonisch - wir haben alle Vorbereitungskurse gemeinsam besucht, haben eine Unmenge von Büchern verschlungen - wir waren uns so sicher, daß dadurch alles problemlos klappen würde. Und in der Nacht, in der du auf die Welt gekommen bist, da habe ich gespürt, daß ein Rest Unsicherheit bleibt. Deine Geburt, nein du, kleiner Kerl, hast mich ganz schön verunsichert. Ich habe geglaubt, ich bin schon Vater - alleine durch die ganze Vorbereitung und die Geburt! Jetzt spüre ich, daß es noch ein ziemlich weiter Weg dahin sein wird."(Bullinger 1997, S. 159 ff)
 
 

6. DIE ZEIT NACH DER GEBURT
 
 

Die Glückseinschätzungen der Väter nahmen vom Beginn der Schwangerschaft bis zu den Zeitpunkten nach der Geburt stark ab, die Väter beurteilten sich selbst immer noch als glücklicher, verglichen mit den Müttern.(Gloger-Tippelt et al. S. 266)
 
 

6.1. Kinderpflege
 
 

Vielen Vätern fällt es nicht gerade leicht, den Einstieg in die Pflege des Neugeborenen zu finden.

Im Alltag erlebt er, wie das Neugeborene die Mutter als Beziehungsobjekt bevorzugt und sich oft nur durch die Mutter beruhigen läßt.

Für Väter sind solche Erfahrungen immer wieder mit tiefen Enttäuschungen verknüpft.

Der Psychologe Engel meint: "Je mehr das Kind auf Grund der Fortschritte in seiner kognitiv-motorischen Entwicklung in wechselhafter Abhängigkeit mit seinen personalen Beziehungen in der Lage ist, auf die Zuwendung des Vaters zu reagieren, dieser wiederum sensibler für die Rückmeldung des Kindes wird, sich also eine erste Kommunikation entfaltet, um so mehr Sicherheit und Freude kann er aus dem Umgang mit dem Baby ziehen" (Bullinger 1997, S. 177).
 
 

  1. Aufgabenverteilung

Männer halten meistens ihre Erwerbstätigkeit konstant, reduzieren ihren Anteil an der Hausarbeit und übernehmen eher kleine Anteile an der Kindversorgung (Arzt 1997, S. 9).

Eine solche Aufgabenverteilung bedeutet, daß Mann und Frau sich in jeweils unterschiedlichen Erfahrungs- und Lebensbereichen bewegen, woraus sich auch unterschiedliche Bedürfnisse ableiten. Derjenige, der zur Arbeit geht, wird sich trotz Bemühens nicht vorstellen können, was es wirklich heißt, den ganzen Tag mit einem Neugeborenen zu verbringen.

Derjenige, der zu Hause bleibt, beneidet den anderen dann meist um seine Erlebnisse und Kontaktmöglichkeiten, die mit dem Beruf verbunden sind.

Wenn ein Mann zu Hause bleibt, hat er meistens größere Probleme damit, daß die Haus- und Kinderarbeit gesellschaftlich weniger anerkannt ist.

Wenn sich das Paar die Kinderbetreuung teilt, z.B. wenn beide einen Halbtagsjob haben, und zu verschiedenen Zeiten zur Arbeit gehen, kann es sein, daß sie sich nur mehr sehr wenig sehen. Ein Auseinanderleben wäre die Folge.
 
 

6.3. Sexualität
 
 

In einer Untersuchung von Bauer (1992, S. 105) wurden Belastungen erst nach einer gewissen Zeit nach der Geburt deutlich.

Die Daten belegen, daß sich die Sexualität der Paare nach der Geburt des Kindes durch dessen Anwesenheit teilweise veränderte.

Vor allem die Männer erlebten eine Verminderung der emotionalen Zuwendung ihrer Frauen, wobei es aber nur wenige als belastend empfanden.

Die meisten Männer erwarten laut Bullinger (1997, S. 187), daß sich ihr Sexualleben nach dem Ende des Wochenflusses bzw. nach dem Abheilen der Dammschnittwunde genauso oder ähnlich gestaltet wie in der Zeit vor der Schwangerschaft. Diese Erwartung wird häufig bitter enttäuscht.

Viele müssen die Erfahrung manchen, daß nach der Geburt die Lust der Frau zur Sexualität nicht automatisch in dem Moment wieder vorhanden ist, wo es aus medizinischer Sicht wieder möglich wäre.
 
 

6.4. Abschließende Bemerkungen
 
 

Flexibilität im Umgang mit den eigenen Bedürfnissen bedeutet, deren Befriedigung aufschieben zu können, ohne daß man aus dem Gleichgewicht kommt.

Männer haben mit dem Aufschieben von Bedürfnisbefriedigungen offensichtlich mehr Schwierigkeiten als Frauen, die in ihrer Sozialisation gelernt haben, eigene Bedürfnisse zugunsten anderer zurückzustellen. Genauso haben Frauen in anderer Weise wie Männer gelernt, für die nachfolgende Generation Verantwortung zu übernehmen. Während Männer lediglich darauf getrimmt wurden, ihre Rolle als Ernährer gerecht zu werden.
 
 

7. PERSÖNLICHE STELLUNGNAHME
 
 

Da ich mich im Vorjahr mit dem Thema "Die Geburt des ersten Kindes als Herausforderung an die Partnerschaft" befaßte, habe ich bewußt einige sich mit dem Thema "Übergang zur Vaterschaft und Partnerschaftsqualität" überschneidende Untersuchungsergebnisse kurz zusammen gefaßt.
 
 

Weil es besonders im Bereich der Sexualität bei Frauen und Männern zu unterschiedlich aufgefaßten Einschränkungen kommt, habe ich mich mit diesem Thema intensiver auseinandergesetzt.

Dafür verwendete ich hauptsächlich die Erfahrungen, die Bullinger in seinen von ihm gegründeten Vätergruppen sammelte.

Den Geburtsbericht des 26 jährigen Studenten habe ich wegen des positiven Feedbacks nach dem Referat in die schriftliche Ausgabe aufgenommen.
 
 

8. LITERATURVERZEICHNIS
 
 

Arzt, C. (1997): Die Geburt des ersten Kindes als Herausforderung für die Partnerschaft. Seminararbeit an der Universität Wien

Bernard, C. u. Schlaffer, E. (1991): Sagt uns, wo die Väter sind. Von der Arbeitssucht und Fahnenflucht des zweiten Elternteiles. Rowohlt Verlag.

Bauer, M. (1992): Übergang zur Elternschaft: Erlebte Veränderungen. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 39, 96-108.

Bullinger, H. (1997): Wenn Männer Väter werden. Schwangerschaft, Geburt und die Zeit danach im Erleben von Männern. Rowohlt Verlag, Hamburg.

Gloger-Tippelt, G. et al.(1995): Veränderungen der Partnerschaft nach der Geburt des ersten Kindes. Ein Vergleich von Eltern und kinderlosen Paaren. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 42, 255-269.

Hillmann, K.-H. (1994): Wörterbuch der Soziologie. Stuttgart

Oerter, R. u. Montada, L. (1995): Entwicklungspsychologie. Psychologie Verlags Union, Weinheim

Pross H. (1984): Die Männer. Eine repräsentative Untersuchung über die Selbstbilder von Männern und ihre Bilder von der Frau. Rowohlt Verlag, Hamburg
 
 
 
 

Inhaltsverzeichnis
 
 

11) Belastungsaspekte und Gratifikationen beim Übergang zur Vaterschaft (Iris Moser)

  EINLEITUNG:
 
 

Die Elternschaft (und schon vorher die Schwangerschaft) bringt neue und unbekannte Situationen und Rollen mit sich. Nicht nur für die Frau, der man (zumindest gegen Ende der Schwangerschaft) ansieht und auch zugesteht, daß ihr Leben durch die Ankunft des neuen Erdenbürgers "auf den Kopf gestellt wird", der Mann ist ebenfalls tiefgreifenden Veränderungen ausgesetzt.

In früheren Untersuchungen wurden jedoch die Leiden und Freuden der Väter eher außer Acht gelassen. Mit der "Entdeckung" der Väter in den siebziger Jahren wurden auch viele Studien zum Thema "Vaterschaft" veröffentlicht.
 
 

In dieser Arbeit soll die Situation der Väter, die Vater-Kind Beziehung und die Vater-Mutter-Kind-Triade (unter Einbeziehung verschiedener Studien) näher erläutert werden.
 
 

Vorhersagbarer Stress von Mütter und Väter von sechs Monate alten Kindern:
 
 

Studie von S. Shirley Feldman (Stanford University):

Laut S. Shirley Feldman übernimmt der Vater gewöhnlicherweise die Verantwortung über die Finanzen und Sicherheit der sich erweiternden Familie- eine Aufgabe, die zuvor meist mit der Frau geteilt wurde. Außerdem muß der Mann seine Rolle als Ehemann neu definieren- in Abhängigkeit zu den zeit- und energieraubenden neuen Aufgaben seiner Ehefrau als Mutter. Es ist wichtig, Frauen und Männer beim Übergang zu Elternschaft zu studieren, den Elternwerden ist ein gemeinsames Familienereignis und nicht nur eine individuelle Angelegenheit. Um den Vorgang des Übergangs zur Elternschaft besser zu verstehen, ist es notwendig, zu untersuchen, wie die Reaktion des Mannes die Reaktion der Frau beeinflußt und umgekehrt.

In der Studie von Feldman gelten die Reaktionen der Ehepartner als prognostisch für Streß in der Elternschaft. Es wurden folgende Elternpaare für die Studie "verwendet":
 
 

Die Stichprobe:

Insgesamt wurden 30 gebildete Paare aus geburtsvorbereitenden Kursen ausgewählt.

Die Frauen waren bei der ersten Befragung (= im letzten Drittel der Schwangerschaft) zwischen 21 und 35 Jahre alt(Durchschnittsalter von 27,9 Jahren). Die Männer waren zwischen 23 und 40 Jahre alt(Durchschnittsalter von 31,0 Jahren).

78 Prozent der Männer waren zwischen 25 und 35 Jahre alt.

Mehr als die Hälfte der Frauen arbeiteten noch während des ersten Untersuchungsabschnitts. 29 Prozent der Frauen hörten währenddessen auf zu arbeiten, und der Rest hatte schon früher aufgehört zu arbeiten.
 
 

Die Berufe der Frauen waren:
 
 

30 Prozent Lehrer oder Säuglingsschwester

21 Prozent Sekretärin oder Büroangestellte

12 Prozent Programmierer oder Buchhalter

9 Prozent Manager

19 Prozent Studenten

9 Prozent Techniker
 
 

Bei der zweiten Untersuchung (= als die Babies sechs Monate alt waren) hatten 32 Prozent der Mütter wieder zuarbeiten begonnen.
 
 

Die Berufe der Männer waren:

35 Prozent Angestellte

32 Prozent Manager(-Position)

26 Prozent Techniker(technische Berufe)

6 Prozent Verkäufer(im Verkauf tätig)
 
 

Die Schwangerschaft war bei 65 Prozent der Stichprobe (zum ersten Untersuchungszeitpunkt) geplant und von 95 Prozent der Stichprobe gewünscht (wie man sieht, ist die Diskrepanz zwischen Geplantheit und Erwünschtheit einer Schwangerschaft sehr groß; besonders bei Männer!).

Die Eltern waren an Schwangerschaft und Kind sehr interessiert, lasen Bücher und besuchten, (wie oben erwähnt) Baby-Kurse.
 
 

Das Verfahren:

Die Probanden wurden zu zwei Zeitpunkten untersucht; zuerst im letzten Drittel der Schwangerschaft der Frau und dann als die Babies zwischen sechs und acht Monate alt waren. Die Informationen wurden zu sechs Bereichen erhoben:
 
 

*Eheliche Beziehung

*Geschlechtsmuster

*Einstellung zur Schwangerschaft

*Finanz- und Berufsbezogene Angelegenheiten

*Beziehung zu den Eltern und Schwiegereltern der Mütter/ Väter

*Hintergrundinformation
 
 

Die werdenden Väter und Mütter wurden getrennt untersucht. In einem ca. zwei -zweieinhalb-stündigen Interview wurden oben genannte Bereiche erfaßt.

Außerdem mußten die Versuchspersonen drei Fragebögen ausfüllen; das BSRI (Bem Sex Role Inventory=Bem Geschlechtsrollen-Inventar), die Bem Satisfaction Skala (Bem Zufriedenheits-Skala) und die Household Tasks Checklist. Weiters wurden die Reaktionen der werdenden Eltern auf ein unbekanntes Baby beobachtet.
 
 

Beim zweiten Zeitpunkt wurden fünf Skalen angewendet; die "Mood Scale"(=Stimmungs Skala), das BSRI, die Bem -Zufriedenheits Skala, die Persönlichen Veränderungswahrnehmungen von Gesundheit und Energie und die Social Change Scale (=Soziale-Veränderungen-Skala).

Zusätzlich wurde jede Person beobachtet; einmal alleine mit seinem/ihrem Kind in einer Spiel-Situation und einmal gemeinsam mit dem Partner während eines Interviews betreffend Elternschaft. Nach dem Interview konnten die Eltern auf einer Liste anführen, was ihnen an der Elternschaft am Besten gefällt und was nicht.
 
 

Die Resultate:

Die wichtigsten Faktoren, die Streß und Belastung während der Vaterschaft bedingen:
 
 

* Ungeplantheit der Schwangerschaft (= bester Einzelprädikator bei Männern!)

* Hoher allgemeiner Streß

* Änderung des Selbstbilds der Ehefrau (in Richtung "mütterlich sein")

* Negatives Erleben der Schwangerschaft durch den Mann

* Niedriges Lebensalter der Frau

Es ist zu beachten, daß anscheinend die Qualität der Partnerschaft - im Gegensatz zu Mütter - für Väter keine so wichtige Rolle spielt, da sich der Streß bei Männer eher auf außerfamiliäre Bereiche (Beruf, etc.) verteilt.
 
 

Mutterschaft, Vaterschaft und die eheliche Interaktion in der Familien - Triade während der Kindheit:
 
 

Studie von Jay BELSKY und Brenda L. VOLLING;(The Pennsylvania State University)
 
 

Belsky und Volling kritisieren, daß noch vor den siebziger Jahren die Studien zu Eltern - Kind - Beziehung gleichzusetzen waren mit Studien zu Mutter - Kind - Interaktionen. Sie bemerkten, daß "...with the addition of the father to the picture things began to change and became more complex."(Men`s Transitions to Parenthood; edited by P.W. Bermann & F. A. Pedersen; National Institute of Health and Human Development;1987)

In dieser Untersuchung wird sich auf die Beziehung und Interaktion der Familien-Triade - also auf Mutter, Kind und Vater konzentriert:
 
 

Die Stichprobe:

Es nahmen insgesamt 64 Familien teil. Die Paare erwarteten zum Zeitpunkt des ersten Treffens ihr erstes Kind, befanden sich im letzten Trimester der Schwangerschaft und wurden als gut funktionierende Partnerschaften, aus der sozialen Mittelschicht stammend, beurteilt.

Die Paare waren im Durchschnitt 4.2 Jahre verheiratet. Das durchschnittliche jährliche Familieneinkommen betrug zu diesem Zeitpunkt 22,475 Dollar.

Das Durchschnittsalter der Mütter und Väter betrug 26,5 beziehungsweise 28,0 Jahre. Für zwei von drei Paaren war die Schwangerschaft geplant. Fast die Hälfte der Mütter arbeitete wieder während des ersten Lebensjahres ihres Kindes.
 
 

Das Verfahren:

Das Hauptaugenmerk dieser Untersuchung war auf Mutter - Kind, Vater - Kind und Mann - Frau - Interaktionen während drei verschiedenen - jeweils eine Stunde dauernden - Beobachtungen Zuhause; als die Kinder ein, drei, und neun Monate alt waren, gerichtet. Ein sorgfältig ausgewählter und geschulter Beobachter notierte die oben erwähnten Interaktionen und nahm sie auf Kassette auf. Für jede Elternteil - Kind - Interaktion wurden fünf Verhaltens - Funktionen kodiert:
 
 

* Respond: Reaktion auf das Verhalten des Kindes von Mutter/Vater

* Stimulate/Arouse. Aufmerksamkeit des Kindes auf etwas lenken

* Caregiving: Körperliche Fürsorge des Babies, z.B.: wickeln, baden,..

* Positive Affection: Positive Gefühle für das Baby ausdrücken, z .B.: Umarmen, küssen,....

* Read/Watch TV: Freizeitaktivitäten des Kindes fördern und teilen, z.B.: vorlesen, fernsehen,...

Die Ehemann - Ehefrau - Kommunikation wurde nach folgenden Kriterien bewertet:

* Baby - Related: Gespräch auf das Baby bezogen

* Non Baby - Related: Gesprächsthemen nicht auf das Baby bezogen

* Joint - Attention: Ob Mutter und Vater gemeinsam mit dem Kind umgehen.

* Share Pleasure: gemeinsam Freude über die Aktivitäten des Kindes ausdrücken

* Positive: Ob nicht Baby - bezogene - Handlungen positiver Art waren, d.h.: wenn sich die Ehepartner umarmten, küßten oder sich zulächelten.

Die Verhaltensweisen des Kindes wurden auch kodiert, auf genauere Beschreibungen wird an dieser Stelle aber nicht eingegangen.
 
 

Die Resultate:

* Ein Trend geht in die Richtung, daß Väter umso mehr mit ihren Kindern unternehmen, je mehr das die Mütter tun. Das heißt, mütterliches Verhalten beeinflußt väterliches Verhalten. In vielen Haushalten haben Kinder also entweder genug von beiden Eltern oder sehr wenig von ihnen.

* Der zweite beobachtete Trend geht in die andere Richtung; allen Anschein nach sind Väter umso weniger in die Kindererziehung involviert, je mehr sich die Mütter darum kümmern und vice versa.

Diese zwei Trends geben Anlaß zur Diskussion. Es könnte sein, daß im Familien - Systeme zwei Familien Prozesse ablaufen. Andererseits besteht aber auch die Möglichkeit, daß es zwei unterschiedliche Arten von Familien gibt. Um mit Sicherheit sagen zu können, welche Ursache diese Trends haben, wäre eine Untersuchung mit einer größeren Stichprobe nötig.

* Die Aufmerksamkeit und Pflege, die Mütter ihren ein Monate alten Babies zukommen lassen, beeinflußt positiv das Verhalten der Väter gegenüber ihren Kinder, wenn die Babies drei Monate alt sind. Als Erklärung dafür stehen zwei Ansätze zur Verfügung: es könnte sein, daß Väter einfach nur von den Müttern lernen. Väter imitieren die Verhaltensweisen der Mütter. Auf der anderen Seite könnte aber auch die Fürsorge der Mutter das Baby positiv beeinflussen und das aktive, wachsame Baby bekommt dann mehr Aufmerksamkeit vom Vater.

* Väter, die sich um ihre Kinder kümmern, haben eine häufigere und bessere eheliche Interaktion.

* Väter sind genauso kompetent wie Mütter im Umgang mit ihren neugeborenen Babies - abgesehen von den biologischen Vorteilen der Mütter; wie z.B.: Stillen (Parke und Sawin,1975). Bei Vätern wurde das "Motherese", also die sprachliche Einstellung auf das Baby ebenso wie bei Frauen beobachtet. Man könnte also auch von "Fatherese" sprechen (Phillips und Parke,1981)

* Da die meisten Väter durchschnittlich um die Hälfte weniger an Zeit mit ihren Kindern verbringen als Frauen (Kotelchuck;1976; berichtet, daß Väter ihre Kindern nur 3,2 Stunden pro Tag wach erleben - im Vergleich zu 9 Stunden bei Mütter), besteht eine große Diskrepanz zwischen dem, was Väter leisten könnten, und was sie dann tatsächlich leisten (in Bezug auf Erziehung).

* Väter spielen mehr mit ihren Kindern - besonders Spiele, die körperliche Anstrengung mit sich bringen. Väter lesen ihren Kindern häufiger etwas vor und sehen fern mit ihnen.

ZUSAMMENFASSUNG:

Vergleich zwischen Mütter und Väter:

Pedersen et al. untersuchten die Vater -Kind-Beziehung von Vätern, die wenige Monate nach der Geburt ihres Kindes angaben, depressiv verstimmt zu sein.(im Vergleich zu "nicht depressive" Väter):

* "Depressive Väter" hatten eine weniger enge Beziehung zu ihren Kindern als diese ein Jahr alt waren.

* Diese Väter waren auch körperlich öfter von ihren Kindern getrennt und pflegten weniger zärtlichen Kontakt.

(Frank A. Pedersen, Martha J. Zaslow, Richard L. Cain, Joan T. D. Suwalsky, Beth Rabinovich; National Institute of Child Health and Human Development):

* DICKIE (Hope College) berichtete, daß Mütter sich zweimal soviel um ihre Kinder kümmern, wie Väter.

* COWAN & COWAN (University of California, Berkeley) nehmen an, daß die Rollenaufteilung bei der Kindererziehung doch traditioneller abläuft, als von dem Elternpaar erwartet und geplant war.

* BELSKY & VOLLING und DICKIE haben herausgefunden, daß Ehe und Elternschaft für Väter in engerer Beziehung zueinander steht als für Mütter. Mütter können im Umgang mit ihren Kindern die Eheprobleme kompensieren.

* FELDMAN (siehe oben), meint aber auf der anderen Seite, daß Mütter mehr als Väter dazu tendieren, Streß in der Ehe (Beziehung) auf Streß in der Elternschaft auszuweiten.
 
 

PERSÖNLICHE MEINUNG UND KRITIK:

Mich hat sehr interessiert, mehr über die Rolle der Väter beim Übergang zur Elternschaft zu erfahren. Da ich letztes Semester dank dem fabelhaften Buch von Frau Gloger-Tippelt und den interessanten Vorträgen im Proseminar einiges Wissen über die Rolle der Mütter "angesammelt" habe, wollte ich im Vergleich dazu genauer auf die Väter eingehen. Ich mußte allerdings bald erkennen, daß das gar nicht so einfach ist, wie anfangs gedacht. Ich hatte eine Fülle von Studien zum Vergleich zwischen Mütter und Väter zu Verfügung. Die Ergebnisse der Studien waren sich entweder ähnlich oder sehr gegensätzlich. So habe ich zwei Studien genauer beschrieben und die Ergebnisse der Übriggebliebenen kurz zusammengefaßt.

Die Ergebnisse der Studien liefern eine Menge an Diskusionsstoff und regen zum Nachdenken an; mich hat z.B. sehr verwundert, daß Männer immer noch viel weniger Zeit mit ihren Kindern verbringen als Frauen. Ich stamme aus einer Familie, in der beide Elternteile arbeiten mußten und trotzdem beide Eltern gleich viel Zeit mit den Kindern verbrachten. Als meine Mutter sich später selbständig machte, übernahm mein Vater die Rolle der "Hausfrau und Mutter". Und das schaffte er genauso gut wie meine Mutter - was Parke und Sawin, 1975 auch allgemein bestätigen konnten (siehe oben.)

Meiner Meinung nach kann man erst - wenn überhaupt - von den "neuen Vätern" sprechen, wenn es der Regelfall ist, daß sich Väter mindestens genauso gut, gern und oft um ihre Kinder kümmern wie Mütter. Es ist allerdings eine Tatsache, daß dies bisher - zumindest in unserer Kultur - eine Ausnahme war und ist.

Da ich der Meinung bin, daß wir schon am richtigen Weg sind, bleibt nur noch zu hoffen, daß vielleicht die übernächste Generation die vorschnell gefeierten "neuen Väter" mit sich bringt.

LITERATUR:

"Men`s transition to parenthood": edited by Phyllis W. Berman and Frank A. Pederson (National Institute of Child Health and Human Development; 1987)
 
 
 
 

Inhaltsverzeichnis
 
 

12) Beteiligung des Vaters an der Kleinkindpflege (Julia Burger)

  Einleitung:
 
 

Die väterliche Beteiligung an der Kleinkindpflege ist in den letzten Jahren im Wachsen begriffen. Das Anliegen der Forschung in diesem Bereich bezieht sich auf vier zentrale Fragen:

1. Welche Tätigkeiten übernimmt der Vater, wenn er sich an der Pflege beteiligt?

2. Welche Auswirkungen haben verschiedene Grade väterlicher Beteiligung auf die eheliche Beziehung?

3. Welche Auswirkungen hat variierende väterliche Partizipation auf die Entwicklung der Kinder?

4. Wirkt stärkere Beteiligung an der Kleinkindpflege auf die Väter selbst persönlichkeitsverändernd?
 
 

Das Konzept der Beteiligung wird in verschiedenen Untersuchungen unterschiedlich operationalisiert. Wichtige Variablen sind dabei die zeitliche Verfügbarkeit des Vaters für das Kind, die Häufigkeit einzelner Pflegeaktivitäten oder das Ausmaß der spielerischen Interaktionen mit dem Kind (Fthenakis, 1988a). Wenige Studien gibt es bisher über die Verantwortung des Vaters für Disziplinierung und Sozialisation der Kinder sowie über die Beteiligung an der Erziehung älterer Kinder.
 
 

Die Beteiligung des Vaters in Familien mit traditioneller Rollenteilung
 
 

Die Zeit, die Väter in Familien mit traditioneller Rollenteilung gemeinsam mit ihren Kindern verbringen, ist im allgemeinen recht begrenzt. Trotz variierender Angaben kann eine durchschnittliche Verfügbarkeit der Väter von 3.2 Stunden pro Tag angenommen werden, während sich die der Mutter auf 8.3 Stunden pro Tag beläuft, wobei das Maß an Zeit noch nichts über die Qualität der Eltern-Kind-Interaktion aussagt. Mütter übernehmen in der Mehrzahl die Hauptverantwortung für die Pflege der Kinder (64%), während nur 7.5% der Väter einen ähnlich großen Teil der Kinderpflege auf sich nehmen (Kotelchuck, 1976, zitiert nach Fthenakis, 1988a). 75% der Männer übernehmen keinerlei Verantwortung für die tägliche Pflege ihrer Kinder. Väter haben durchschnittlich eine Stunde pro Woche die alleinige Verantwortung für ihre Kinder, Mütter jedoch 40 Wochenstunden.
 
 

Allgemein ist festzustellen, daß Väter den größten Teil ihrer Beschäftigung mit dem Kind mit Spielaktivitäten verbringen, wobei nicht übersehen werden darf, daß Mütter absolut gesehen noch immer mehr mit ihrem Säugling spielen. Pflegetätigkeiten wie z.B. Baden und Wickeln werden von Vätern am seltensten ausgeführt (etwa 2 Stunden pro Woche).
 
 

Hinsichtlich der emotionalen Zuwendung und der kognitiven Förderung ist bei Vätern mit wachsendem Alter der Kinder ein steigender Anteil zu verzeichnen (Schmidt-Denter, 1984, zitiert nach Fthenakis, 1988a).
 
 

Insgesamt läßt sich festhalten, daß Väter sowohl beim Spiel als auch bei Pflege und Betreuung für ihre Kinder weniger verfügbar sind und daß sich ihre Beteiligung mit jedem neu ankommenden Kind zusätzlich verringert (Peterson, Mehl & Leiderman, 1979, zitiert nach Fthenakis, 1988a). Dafür können die traditionelle elterliche Rollenverteilung und soziale Einstellungen verantwortlich gemacht werden. Fehlende Kompetenz zur Betreuung von Kleinkindern kann allerdings aufgrund mehrerer Studien in einem Zeitraum von nunmehr 15 Jahren ausgeschlossen werden. Es wurde bestätigt, daß Väter und Mütter grundsätzlich in gleichem Maße für die Pflege eines neugeborenen Kindes geeignet sind (z.B. Parke & O´Leary, 1976, zitiert nach Fthenakis, 1988a).
 
 

Nachdem das Ausmaß der Beteiligung des Vaters bei diesen Studien insgesamt kaum variiert, ist es nicht möglich, spezifische Auswirkungen auf die Entwicklung der Familie und ihrer Mitglieder zu erfassen.
 
 

Die Beteiligung des Vaters in Familien mit nichttraditioneller Rollenteilung
 
 

In der folgenden Zusammenfassung mehrerer Studien aus den USA, Australien, Israel, Norwegen und Schweden von Fthenakis (1988a) wurden Familien als nichttraditionell bezeichnet, in denen der Vater für einen längeren Zeitraum die primäre Verantwortung für die Kinder übernommen hatte. Nachdem die Kinder dieser Gruppe im Durchschnitt etwas älter waren als die der Vergleichsstichprobe mit traditioneller Rollenteilung, ist allerdings anzunehmen, daß auch diese Familien während der ersten Lebensmonate des Kindes eine traditionelle Rollenteilung praktizierten. Es gibt folgende Rahmenbedingungen für eine Veränderung der Familienstruktur in diese Richtung:

Die Organisation der Familie nach nicht traditionellem Muster bringt einen deutlichen Wechsel bei der Verteilung der Verantwortlichkeiten innerhalb der Familie und eine Veränderung bei der aktuellen Beteiligung des Vaters an einzelnen Aufgaben mit sich. Laut Russell (1982a, zitiert nach Fthenakis, 1988a) übernehmen nichttraditionelle Väter während 27 Wochenstunden die alleinige Verantwortung für die Kinder, wobei die Kinderversorgung 9 Wochenstunden und Spielaktivitäten 18 Wochenstunden beanspruchen. Mütter wenden hingegen 11 Wochenstunden für Versorgung und 17 Wochenstunden für Spielen auf.
 
 

Wenn der Mann etwa die Hälfte der Aufgaben im Haushalt und in der Kinderversorgung übernimmt, werden die Aufgaben, die unmittelbar die Kinder betreffen denen im Haushalt und Garten vorgezogen. Insgesamt erreichen auch stark engagierte Männer nie ein größeres Ausmaß der Beteiligung als die Mütter in diesen Familien. Es erfolgt also auch in nichttraditionellen Familien kein echter Rollentausch.
 
 

Zu den Auswirkungen auf die Partnerbeziehung ist festzustellen, daß 85% der Väter und 90% der Mütter mit dieser Familiensituation generell zufrieden sind (Radin,1982, zitiert nach Fthenakis, 1988a), was unter anderem durch das verstärkte Gefühl der Gleichberechtigung und das bessere gegenseitige Rollenverständnis erklärt werden kann. Väter bewerten ihre bessere Beziehung zu ihren Kindern als positiv, wobei sie die Behinderung ihrer Karriere als Nachteil sehen. Mütter berichten von einem erhöhten Selbstbewußtsein und einer verminderten Bürde, sie vermissen allerdings häufig die Nähe zu ihrem Kind und empfinden Schuldgefühle wegen der Vorstellung, ihre Kinder alleine zu lassen. 50% der Eltern berichten auch von vermehrten Konflikten und Spannungen, weil sie weniger Zeit füreinander haben. Vor allem in der Anfangszeit habe es Probleme mit der Anpassung an die neuen Rollenbilder gegeben, so wären z.B. die Mütter mit der Qualität der Hausarbeit der Männer nicht zufrieden gewesen.
 
 

Bezüglich der Vater-Kind-Beziehung läßt sich sagen, daß stark beteiligte Väter ein vergleichsweise umfassenderes Rollenmodell, das sowohl instrumentelle als auch expressive Aspekte beinhaltet, bieten. Die Kinder nehmen die Geschlechtsrolle des Vaters differenzierter wahr, wobei sie zum Teil noch stereotyper wirkt (Der Vater als strafende Instanz.), andererseits aber auch weniger stereotyp (Der Vater beim hantieren mit Haushaltsgeräten.). Hinsichtlich der Geschlechtsrollenorientierung der Kinder ist keine Veränderung zu bemerken. Es ist auch keine Veränderung bezüglich der geschlechtsspezifischen Reaktionen auf Söhne und Töchter gegenüber traditionellen Vätern. Trotz der an sich positiven Tendenz der Väter zur verstärkten kognitiven Förderung ihrer Kinder, ist bei Mädchen in diesem Bereich nur eine Verbesserung der verbalen Fähigkeiten und der Internalität festzustellen, während bei Jungen der gesamte Intelligenzscore und die Internalität erhöht ist (Radin, 1982 zitiert nach Fthenakis, 1988a).
 
 

Trotz häufigerer Konflikte empfinden die Eltern die Vater-Kind-Beziehung als realistischer, weil die Kinder mehr Seiten des Vaters kennenlernen (Radin & Russell, 1983, zitiert nach Fthenakis, 1988a). 60% der Väter und 64% der Mütter meinen, daß das Vater-Kind-Verhältnis viel enger geworden ist und empfinden die Beziehung als sicherer und positiver (Russell, 1982a, zitiert nach Fthenakis, 1988a).

Diese Veränderung bringt auch positive Effekte für den Vater selbst. Sein Verständnis für die Kinder und seine Sensibilität für kindliche Bedürfnisse ist erhöht. Außerdem ist eine erhöhte Selbstsicherheit und Effektivität im Umgang mit Kindern feststellbar. Es gibt für die meisten nichttraditionellen Väter kein Problem, ihr Verhalten mit ihrer männlichen Identität zu vereinbaren und sie äußern eine größere Wertschätzung der Kinder.
 
 

Die Beteiligung des Vaters in Familien mit behinderten Kindern
 
 

Über die Rolle von Vätern mit behinderten Kindern gibt es nur wenige und teilweise widersprüchliche Ergebnisse (Fthenakis, 1988a). Bei Vätern und Müttern verläuft der Anpassungsprozeß an die neue Situation unterschiedlich. Väter können ein Kind, dessen Behinderung äußerlich sichtbar ist, weniger akzeptieren, wobei die Akzeptanz von Mädchen noch schwerer fällt als von Jungen (Boston, 1981; Cain & Levine, 1963; Gregory, 1976; Tallman, 1965, zitiert nach Fthenakis, 1988a). Mehrere Ergebnisse deuten darauf hin, daß sich Väter behinderter Kinder nicht stärker an der Kinderbetreuung und -pflege beteiligen als in "normalen" Familien. (McConachie, 1981, zitiert nach Fthenakis, 1988a). Einige Forscher z.B. Markova, MacDonald & Forbes (1981, zitiert nach Fthenakis, 1988a) fanden einen negativen Zusammenhang zwischen der Schwere der Behinderung (Mongolismus bzw. Hämophilie) und der Beteiligung des Vaters. Wilkin (1979, zitiert nach Fthenakis, 1988a) konnte hingegen einen positiven Zusammenhang zwischen geistig und körperlich schwer behinderten Kindern und der Partizipation des Vaters feststellen. Wishart, Bidder & Gray (1981, zitiert nach Fthenakis, 1988a) fanden heraus, daß Väter ihre Kinder je behinderter sie sind, desto weniger kognitiv fördern.
 
 

Allerdings sind Väter immerhin ein Drittel der Zeit vom Aufwachen des Kindes bis zu seinem Zubettgehen verfügbar. Väter und Mütter verbringen den gleichen Anteil ihrer verfügbaren Wochentagzeit mit gemeinsamer Aktivität mit dem Kind. Am Wochenende erhöht sich der Anteil des Vaters. Generell scheint die Aufmerksamkeit der Väter während der Spielaktivitäten, die der Mütter während der Betreuungsaktivitäten intensiver zu sein (McConachie, 1981, zitiert nach Fthenakis, 1988a).
 
 

Die Bedeutung von Vorbereitungskursen für werdende Väter und ihr Einfluß auf die Betreuung und Entwicklung von Säuglingen
 
 

In diesem Zusammenhang sollen zwei (Längsschnitt-) Studien von Nickel (1987, 1988) und von Nickel (1990) erwähnt werden. Es wurden zwei Gruppen von Vätern (N = 69) vorwiegend aus der mittleren bzw. unteren Mittelschicht verglichen, die eine Gruppe hatte gemeinsam mit den Müttern einen Säuglingspflegekurs besucht, die andere hatte keine entsprechende Vorbereitung. Bei der Datenerhebung kamen sowohl Fragebögen als auch Beobachtungen unter quasi-experimentellen Laborbedingungen zur Anwendung.
 
 

Bei der ersten Begegnung mit dem Kind konnten zwei signifikante Unterschiede festgestellt werden: Vorbereitete Väter waren mehr gerührt und fühlten sich stärker zu dem Kind hingezogen, außerdem wickelten sie das Kind bereits während des Klinikaufenthalts häufiger und gaben ihm öfter die Flasche.
 
 

In der häuslichen Umgebung waren 91% aller Väter in unterschiedlichem Ausmaß an der Pflege beteiligt. In der vorbereiteten Gruppe wirkten die Väter häufiger z.T. sogar voll bei der Versorgung und Betreuung des Kindes mit. Vorbereitete Väter hatten häufiger proximale Kontakte (Körperberührung, Ganzkörperbewegungen, Baden...) mit dem Kind während unvorbereitete Väter distales Verhalten (Anschauen, Vokalisieren, Zeigen...) bevorzugten.
 
 

Bezüglich der alltäglichen Betreuung wickelten vorbereitete Väter ihr Kind signifikant häufiger und übernahmen häufiger das Einschlafzeremoniell. Was die speziellen Betreuungstätigkeiten betrifft trugen sie ihr Kind häufiger am Körper oder fuhren es im Kinderwagen spazieren.

Bei der qualitativen Auswertung der Laborszenen mit freiem Spiel und Face-to-Face-Interaktion zeigten die vorbereiteten Väter mehr Einfühlungsvermögen und Herzlichkeit/ Wärme im 3.Lebensmonat des Kindes, im 9.Lebensmonat waren die Unterschiede deutlich geringer.
 
 

Bezüglich des Verhaltens der Kinder ließen sich im 3.Lebensmonat noch keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen feststellen. Im 9.Lebensmonat zeigen die Kinder vorbereiteter Väter eine höhere Qualität der Lautäußerungen (durchschnittlich doppelt so viele negative Lautäußerungen in der Trennungssituation), höhere Responsivität und tendentiell höhere Heiterkeit.
 
 

In der zweiten Untersuchung teilte H. Nickel die Väter nach dem Ausmaß der späteren Pflegebeteiligung unabhängig von der Vorbereitung ein. Es ergaben sich keinerlei signifikante Unterschiede bezüglich der Trennungssituation im Labor. Er vertritt daher die Annahme, daß nicht die in den Vorbereitungskursen trainierten Praktiken der Säuglingspflege als Ursache für die Unterschiede im Kindverhalten vorbereiteter und unvorbereiteter Väter anzusehen sind, sondern eher entsprechend veränderte Einstellungen und Grundhaltungen, die den Umgang bzw. das Zuwendungsverhalten der Väter mit ihren Kindern beeinflussen. Es scheint entscheidend zu sein, mit welcher Einstellung das vermehrte Engagement in der Kinderbetreuung erfolgt, darauf sollte besonderer Wert bei der Gestaltung von Vorbereitungskursen gelegt werden.
 
 

Zusammenfassung:
 
 

Die Forschung zur Beteiligung des Vaters an der Kleinkindpflege widmet sich vor allem folgenden Fragestellungen: Welche Tätigkeiten übernimmt der Vater bei der Kleinkindpflege? Welche Auswirkungen haben verschiedene Grade väterlicher Beteiligung auf die eheliche Beziehung? Welche Auswirkungen hat variierende väterliche Partizipation auf die Entwicklung der Kinder? Wirkt die stärkere Beteiligung an der Kleinkindpflege auf die Väter persönlichkeitsverändernd?
 
 

In Familien mit traditioneller Rollenteilung sind Väter generell wenig involviert in die Kleinkindpflege, obwohl die Kompetenz dazu grundsätzlich genauso wie bei Frauen gegeben ist. Sie sind seltener verfügbar und übernehmen deutlich seltener die alleinige Verantwortung für ihre Kinder. Den größeren Teil der Beschäftigung verbringen sie mit Spielaktivitäten.
 
 

In Familien mit nichttraditioneller Rollenteilung kommt es zu einer stärkeren Übernahme von Verantwortung und vermehrter Beteiligung an der Pflege durch den Vater. Trotz des starken Engagements ist dieses absolut gesehen jedoch nie größer als das der Mütter.
 
 

Bezüglich der Partnerbeziehung wird trotz anfänglich vermehrter Konflikte mehr Zufriedenheit, bedingt durch das Gefühl der Gleichberechtigung und das bessere gegenseitige Rollenverständnis, erlebt. Kinder nehmen die Geschlechtsrolle des Vaters differenzierter wahr, die Vater-Kind-Beziehung wird als realistischer und enger erlebt.
 
 

Von H. Nickel wurden mehrere Untersuchungen über die Bedeutung von Vorbereitungskursen für werdende Väter angestellt (1987a und b, 1988a, 1990). Vorbereitete Väter übernehmen größere Anteile an der Versorgung und Betreuung des Kindes. Sie haben häufiger proximale Kontakte und zeigen in der Laborsituation mehr Einfühlungsvermögen und Herzlichkeit mit dem 3 Monate alten Kind, im 9.Lebensmonat wurden deutliche Unterschiede im Verhalten der Kinder der beiden Gruppen festgestellt.
 
 

In einer weiteren Untersuchung, in der die Väter nach ihrer Pflegebeteiligung unabhängig von ihrer Vorbereitung eingeteilt wurden, zeigten sich keine signifikanten Unterschiede im Verhalten der Kinder. Deshalb ist es denkbar, daß nicht der praktische Umgang mit dem Säugling sondern entsprechend veränderte Grundhaltungen und Einstellungen für eine bessere Entwicklung des Kindes verantwortlich sind.
 
 

Persönliche Stellungnahme:
 
 

Es ist bemerkenswert, daß die Beteiligung der Väter an der Kinderpflege in Zeiten der zunehmenden Gleichberechtigung noch immer so gering ist bzw. die Anteile der Mütter an dieser Tätigkeit überhaupt nie übersteigt. Allerdings kann dafür bestimmt nicht nur die Faulheit der Männer verantwortlich gemacht werden.
 
 

Einerseits hat die Gesellschaft sicherlich einen großen Einfluß darauf, was Frauen und Männer für ihre Pflichten halten. Wenn sie andere Schwerpunkte in ihren Tätigkeiten setzen, werden sie noch immer mißtrauisch begutachtet oder müssen zumindest ständig Fragen nach dem "Warum" beantworten.
 
 

Andererseits glaube ich aber auch, daß sich viele Frauen die Zeit mit ihren Kindern gar nicht mit den Vätern teilen wollen, daß sie vielleicht gar nicht wahrhaben wollen, daß Männer dafür genauso geeignet sind. Für Männer ist es beinahe (hoffentlich) schon selbstverständlich, mit Frauen die Arbeitswelt zu teilen. Für Frauen ist es aber noch neu, daß Männer in ihr Imperium (Haushalt und Kinder) vordringen und dadurch neue Selbstwert und -bild-Überlegungen nötig werden.
 
 

Ich würde mir meine ideale Lebensgestaltung so vorstellen, daß ich und mein Partner jeweils einen 20 Stundenjob haben und sonst Zeit für uns und unsere Kinder. Leider ist dafür aber in der Arbeitswelt noch keine Chance gegeben...
 
 
 
 

Literatur:
 
 

Bartoszyk, J. & Nickel, H. (1986). Teilnahme von Vätern an Säuglingspflegekursen und ihr Betreuungsverhalten in den ersten Lebenswochen des Kindes. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 35, 254-260.

Fthenakis, W.E. (1988a). Die Beteiligung des Vaters an der Kleinkindpflege. In: Väter. Zur Psychologie der Vater-Kind-Beziehung (Bd.1). München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 151-208.

Nickel, H. (1987). Die Bedeutung des Vaters für die Betreuung und Entwicklung von Säuglingen: Eine empirische Untersuchung über den Einfluß von Vorbereitungskursen für werdende Väter. In: P.G. Fedor-Freyberg (Hrsg.), Pränatale und perinatale Psychologie und Medizin. Begegnung mit dem Ungeborenen (S.45-60). München: Saphir.

Nickel, H. (1990). Pränatales und postnatales Engagement von Vätern und das Verhalten ihrer neun Monate alten Kinder in einer Trennungssituation. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 37, 26-32.
 
 
 
 

Inhaltsverzeichnis   13) Väter in Karenz (Alexandra Granzer)   Einleitung

Die jüngeren Frauen wollen Familie - aber nicht Familie als Lebensaufgabe. Die jüngeren Männer wollen mehr Familienbeteiligung - aber nicht lebenslange Verantwortung als alleiniger Familienernährer...

Die Gleichberechtigung ist oft unbequem, irritierend, auch schmerzhaft. Sie verlangt das Infragestellen vertrauter Vorstellungen, Gewohnheiten, Rechte - von beiden, Frauen wie Männer. (Beck - Gernsheim).
 
 

1.Theoretischer Teil

1.1) Geschichte der Hausarbeit - Geschichte der geschlechtlichen Arbeitsteilung

A) Feudalzeit

In der feudalen Gesellschaft bildeten Arbeits- und Familienleben eine Einheit. Es gab keine Trennung von Arbeit und Freizeit, keine zeitlich oder räumliche Aufteilung in Produktions- und Reproduktionsarbeit.
 
 

Man kann drei Typen von Haushalten unterscheiden:

Auf dem grundherrschaflichen Hof hatte die Frau eine selbständige Stellung. Der Mann war die meiste Zeit kriegsbedingt außer Haus.

Am Bauernhof halfen alle Mitglieder des Hofs zusammen - auch Kinder, Frauen und alte Leute. Die Frau war dem Mann untergeordnet, beide zusammen waren den Kinder und Dienstboten übergeordnet.

Die Frauen waren für den Garten und Dienstboten zuständig, sie versorgten das Kleinvieh, erledigten die Marktgeschäfte. Die Kinder wurden früh in den Arbeitsprozeß einbezogen.

Die Vater - Kind - Beziehung war im Innersten von Furcht geprägt. Der Vater war derjenige, der die Kinder zu Arbeit, Gottesfurcht, Gehorsam, Moral und Tugend anleitete, was meist in Form von Prügeln geschah.

Der städtisch - handwerkliche Haushalt war durch die persönliche Freiheit des Meisters geprägt, der von den Zunftregeln abhängig war. Die Frau war relativ selbständig, sie betrieb sehr oft eine kleine Landwirtschaft für den Eigenbedarf und war außerdem für Kleidung, Wohnen und für die Ernährung zuständig.
 
 

B) Industriezeitalter

Mit der Entstehung neuer Produktionsweisen wurde der Arbeitsprozeß aus dem Haus verlagert. Die Einheit von Produktion und Reproduktion geht verloren.

Mit der Auflösung der agrarischen Feudalgesellschaft entwickelte sich der bürgerliche Haushalt und der proletarische Haushalt.
 
 

Es entstanden Fabriken und somit setzte eine räumliche Trennung zwischen der bezahlten Arbeit in der Fabrik und der privaten Arbeit ein. Anfangs waren der Anteil der Frauen in den Fabriken sehr groß, aber mit zunehmender Verbreitung von Maschinen und der Umwandlung von handwerklicher in fabriksmäßige Produktionsweisen nahm der Anteil männlicher Arbeiter zu.
 
 

C) Das städtische Bürgertum

Durch die Entwicklung neuer Produktionsweisen kam es auch zu einer Ausdehnung des Marktes. Die Männer arbeiteten vorwiegend in den Fabriken außer Haus, und somit wurden den Frauen neue Aufgaben zugeteilt, wie z.B. Organisation des Haushaltes, Herstellung von häuslichen Klima und vor allem die Erziehung der Kinder. Eine weitere Veränderung stellte für die Frauen die Nahrungsbeschaffung und das Kochen da. Der Einkauf erforderte Kenntnisse über die Qualität der Produkte, Lagerungsmöglichkeiten und die Fähigkeit, Preise zu vergleichen. Das Kochen wurde nun von der Hausfrau selbst übernommen.
 
 

1.2) Elternkarenzurlaubsgesetz

Wie ist dieses Gesetz entstanden?

Seit dem späten 19. Jahrhundert gehören Frauenarbeit und Mutterschutz zu den zentralen Themen der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung.

In der Zeit von 1869 bis 1885 wurden vier- bis sechswöchige Arbeitsverbote für Wöchnerinnen eingeführt.

Ab 1888 hatten Frauen erstmals Anspruch auf Wochengeld mit der Höhe von 60 bis 70% des ortsüblichen Lohnes in den ersten vier Wochen nach der Entbindung.

Anfang des 20. Jahrhunderts begannen Forderungen nach Erweiterung des Mutterschutzes um z.B. die hohe Säuglingssterblichkeit zu senken.

1915 wurden Stillprämien für Frauen, die ihre Kinder selbst stillten, eingeführt.

1917 gewährten Krankenkassen ein Krankengeld vor der Entbindung bis zu einem Höchstausmaß von vier Wochen. Dadurch umfaßte der Mutterschutz erstmals auch Leistungen für schwangere Frauen.

Im Jahre 1942 trat ein vollkommen reformiertes Mutterschutzgesetz in Kraft. Dies brachte eine Verlängerung der arbeitsfreien Zeit auf sechs Wochen vor der Geburt und sechs bis zwölf Wochen nach der Geburt mit sich. Während dieser Zeit stand den Frauen ein Wochengeld in voller Höhe des Durchschnittsverdienstes der letzten 13 Wochen zu. Außerdem wurde Akkord- und Nachtarbeiten für werdende und stillende Mütter verboten. Der Kündigungsschutz reichte von Beginn der Schwangerschaft bis vier Monate nach der Geburt des Kindes.

1957 kam es zu einem neuen großzügigen Mutterschutzgesetz. Dies beinhaltet ein absolutes Arbeitsverbot in den letzten sechs Wochen vor dem erwarteten Geburtstermin und mindestens in den ersten sechs Wochen danach. Während dieser Zeit wurde ein Wochengeld in voller Höhe des zuletzt bezogenen Einkommens gewährt. Außerdem wurde erstmals die Möglichkeit geschaffen, nach Ablauf der Mutterschutzzeit einen unbezahlten sechsmonatigen Karenzurlaub anzutreten.

1961 wurde die Dauer des Karenzurlaubes auf ein Jahr verlängert und das Karenzurlaubsgeld eingeführt.

1974 kam es zu einer neuerlichen Reform. Die Schutzfrist und das Wochengeld wurden auf mindestens 16 Wochen (acht Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt) verlängert.

1975 wurde der Anspruch auf Pflegefreistellung bei Erkrankung eines Kindes für beide Elternteile gesetzlich verankert und somit erstmals eine Sozialleistung geschaffen, die auch vom Vater des Kindes in Anspruch genommen werden konnte.

Am 1. Jänner 1990 trat das Eltern - Karenzurlaubsgesetz in Kraft. Seither haben auch unselbständig erwerbstätige Väter, die mit ihrem Kind im gemeinsamen Haushalt leben und dieses überwiegend selbst pflegen, die Möglichkeit, den Karenzurlaub und das Karenzurlaubsgeld in Anspruch zu nehmen, wenn die Mutter des Kindes Anspruch auf Karenzurlaub hat, aber diesen nicht bzw. nicht zur Gänze in Anspruch nimmt, oder wenn die Mutter keinen Anspruch auf Karenzurlaub hat, aber das Kind aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit nicht betreuen kann.

Beginn und Dauer seines Karenzurlaubes muß der Vater spätestens vier Wochen nach der Geburt des Kindes melden. Ein Karenzurlaubsteil muß mindestens drei Monate dauern, dabei kann es nur einmal einen Wechsel zwischen den Eltern geben.

Das am 1.Juli 1990 in Kraft getretene Karenzurlaubserweiterungsgesetz umfaßt neben der Einführung eines zweiten Karenzjahres auch das Recht auf Teilzeitarbeit beider Elternteile im zweiten Lebensjahr des Kindes. Das Karenzgeld beträgt seit 1.1.1990 öS 155,30 pro Tag; Alleinstehende bzw. Frauen oder Männer, deren Partner über kein ausreichendes Einkommen verfügen, erhalten öS 232,30 täglich.

Für Geburten ab dem 1.7.1996 gebührt Karenzurlaubsgeld maximal bis zur Vollendung des 18. Lebensmonat des Kindes. Das Karenzgeld beträgt 185,50.- pro Tag bzw. 273.-. Bis zum zweiten Geburtstag gebührt Karenzurlaubsgeld nur mehr, wenn geteilt wird und der andere Elternteil mindestens 6 Monate Karenzurlaubsgeld bezieht.

Es besteht weiterhin die Möglichkeit, bis zum zweiten Geburtstag des Kindes Karenzurlaub in Anspruch zu nehmen.
 
 

1.3) Alternative Arbeitsteilung - es geht auch anders

In einer Studie von Petzold, Kentges & Erdmann, 1990 nennen Mütter von Kleinkinder bei den Wünschen nach einer Änderung der Zeitaufteilung an erster Stelle, mehr Zeit für sich selbst zu haben. Daneben existiert auch der Wunsch nach erneuter Erwerbstätigkeit.

Bei einer ganztägigen außerhäuslichen Erwerbstätigkeit wünschen sich sechs von zehn Frauen, daß die Männer die Hälfte der Hausarbeit übernehmen. In einem internationalen Vergleich sind Österreichs Väter am unteren Ende der Skala zu finden:

40% der schwedischen

34% der deutschen Väter verrichten mehr als 40% der Hausarbeit.

Bei den österreichischen Väter waren es nur 9%!!!

Allerdings findet auch bei den Männer ein allmähliches Umdenken statt. Ein Teil der Väter hätte gerne mehr Zeit für die Familie, viele möchten ihre Berufstätigkeit einschränken.

Obwohl viele Väter von der "neuen Väterlichkeit" sprechen, d.h. sie wollen aktiv an der Erziehung und der Betreuung der Kinder beteiligt sein, stellen diejenigen, die tatsächlich eine Aufteilung der Kinderbetreuung realisieren, eine Ausnahme dar. 92% aller Männer, die mit einer Partnerin zusammenleben, fühlen sich durch Hausarbeit kaum belastet - weil sie keine machen.

Auf die Frage, ob Männer sich einen "Rollentausch" vorstellen können, antworteten sie folgendermaßen:

für 40% lehnen einen Rollentausch völlig ab

für 3% erscheint die Rolle des Hausmanns wünschenswert
 
 

Prenzel und Strümpel befragten 500 Männer, die je zur Hälfte ihre Erwerbstätigkeit reduziert haben oder sich freiwillig für ein Hausmann - Dasein entschieden haben. Der "Typische Mann" ist Mitte 30, lebt mit der Partnerin zusammen, und hat ein oder zwei nicht schulpflichtige Kinder. Die Partnerinnen gehen einer Berufstätigkeit nach und verfügen über ein dem Mann vergleichbares bzw. höheres Einkommen.
 
 

Der häufigste Grund für die Karenzierung des Mannes stellt das sichere bzw. bessere Einkommen der Frau dar. Weiters wird noch genannt, daß die Männer aktiv an der Kinderbetreuung beteiligt sein wollen. Außerdem wollen sie der Partnerin die Berufstätigkeit ermöglichen.

Die befragten Männer erleben zum ersten Mal, wie anstrengend Hausarbeit ist. Die Hausmannsrolle ist für viele der Befragten sehr schwierig. Die Berufsausübung und der Umgang mit den Kollegen werden vermißt, oft wird der von der Umgebung mit Skepsis und Ablehnung reagiert, häufig klagen Männer über eine Unausgefülltheit und fehlende Bestätigung in ihrem Alltag.

Motive für die Entscheidung der Frauen wären:

Auch bei Männer liegen mehrere Motive vor: Nachteile, die Frauen und Männer übereinstimmend beschreiben sind:

2.Empirischer Teil
 
 

2.1) Instrumentarium

A) DAS

Das häufigste verwendete Fragebogeninstrument ist die "Dyadic Adjustment Scale" (DAS) von Spanier (1976). DAS dient zur Erfassung ehelicher Anpassung, es kann sowohl Ehebeziehungen als auch Beziehungen nichtverheirateter zusammenlebender Paare untersucht werden.

Die Erfassung der "Dyadic Adjustment Scale" enthält 32 Fragen, die vier Subskalen zugeordent werden können.

B) Interview

Das Interview dient der Erfassung der spezifischen Situation der Familien, in denen die Väter den Karenzurlaub antreten. Es dient als Ergänzung für jene Bereiche, die mit den Fragebogen nicht abgedeckt werden können.

Das Interview umfaßt folgende Bereiche:

2.2) Stichprobe

Im Februar 1991 befanden sich 192 Männer und über 8 000 Frauen in Karenzurlaub.

48 Familien nahmen an der Untersuchung teil, sie gehörten vorwiegend der Mittelschicht und Oberschicht an.

Die durchschnittliche Zeit des väterlichen Karenzurlaubes beträgt 13,3 Monate. In 13 der 48 Familien nimmt der Mann 22 Karenzurlaubsmonate in Anspruch. Insgesamt hat in 23 Familien die Frau ihre Berufstätigkeit nicht unterbrochen - ausgenommen jeweils acht Wochen Mutterschutzzeit vor und nach dem Geburtstermin des Kindes. In 25 Fällen nahm der Vater den ersten Teil bzw. den gesamten Karenzurlaub in Anspruch, bei 23 Paaren war die Mutter zuerst in Karenzurlaub und anschließend der Mann.
 
 

2.3) Motive

Als Motive für die Karenzierung des Mannes und der Berufstätigkeit der Frau wurden am häufigsten finanzielle Gründe genannt (52,1%).

Weitere Motive sind:

Finanzielle Gründe ergeben sich auch durch bestimmte Berufsumstände der Frau, die eventuell als Selbständige (Ärztin, Landwirtin,...) keinen Anspruch auf Karenzurlaub besitzt oder sich noch in Ausbildung befindet (Studentin,..).

Für einige selbständige Frauen ist es wichtig, ihre Tätigkeit aufgrund des Kinds nicht für längere Zeit zu unterbrechen, da ein Wiedereinstieg ins Berufsleben schwierig wäre oder unmöglich.

Für einige Frauen (z.B. Lehrerin, Gemeindebedienstete) ist es wichtig ihre Berufstätigkeit nicht längere Zeit zu unterbrechen, da damit die Möglichkeit zur Pragmatisierung verloren gegangen wäre. Einige Väter möchten in ihrem Beruf pausieren, andere streben einen Berufswechsel oder die Beendigung einer Ausbildung während der Karenzzeit an.
 
 

2.4) Auswirkungen auf die Beziehung zum Kind

Für 60.4% hat sich die Karenzierung des Vaters positiv auf die Beziehung zum Kind ausgewirkt. Die Beziehung ist inniger, intensiver, enger geworden. Dies bewirkt mehr Vertrautheit und Sicherheit des Vaters im Umgang mit dem Kind.

Die berufstätigen Mütter fühlen sich entlastend, befreiend, erleichternd. Als belastend beschreiben Mütter sowohl den Wunsch des Kindes nach mehr gemeinsamer Zeit als auch den eigenen Wunsch nach mehr Zeit mit dem Kind. Manche Frauen haben auch ein schlechtes Gewissen, so wenig Zeit mit ihrem Kind zu verbringen.
 
 

2.5) Auswirkungen auf die Partnerschaft

In 42% werden positive Auswirkungen auf die Partnerschaft beschrieben. Männer bekommen Verständnis für die Belastungen durch Hausarbeit, sie beginnen die Frauenarbeit zu schätzen.

Durch die Karenzierung des Vaters ergibt sich auch in einigen Familien mehr gemeinsame Zeit für die Familie.

Einige Frauen klagen allerdings auch über Eifersucht gegenüber der intensiven Beziehung des Vaters zum Kind. Einige Männer klagen über die finanzielle Abhängigkeit von der Frau.

2.6) Auswirkungen auf das persönliche Wohlbefinden

Bei 45.8% wirkt sich die Karenzierung des Mannes positiv auf das persönliche Wohlbefinden aus. Für einige Männer ist die Zeit zu Hause mit dem Kind angenehmer, entspannter und befriedigender als die Berufsarbeit. Allerdings fühlen sich die Väter häufig isoliert, sie leiden unter Kontaktmangel und der Belastung durch die Hausarbeit.
 
 

2.7) Reaktionen der Umgebung

Zusammenfassend kann man sagen, daß 70% der Freunde, Verwandte, Nachbarn und Kollegen positiv auf die Karenzierung des Vaters reagieren. Frauen reagieren überrascht, interessiert und bewundernd, häufig beneiden sie, die berufstätige Frau um ihren Partner. Männliche Bekannte belächeln die Situation oder beneiden den "Karenzvater" um seine "freie Zeit". Die Herkunftsfamilie der Mutter bringt Unverständnis gegenüber der berufstätigen Frau auf, "sie ist eine Rabenmutter und er ein Pantoffelheld".
 
 

3.Persönliche Stellungnahme

Ich persönlich finde es gut wenn Väter ihren Anspruch auf Karenzurlaub wahrnehmen, und sich eine bestimmte Zeit um die Erziehung und Betreuung ihres Kindes kümmern wollen. Allerdings gehört dazu auch die Hausarbeit, und ich kann mir leider nicht vorstellen, daß sie auch diese Aufgabe so meistern, daß die Frau in diesem Bereich wirklich entlastet wird.

Für das Kind ist es sicherlich wichtig auch eine intensive Beziehung zum Vater zu haben, und somit ist die Karenzierung des Vaters ein vernünftiger Schritt. Meiner Meinung nach leidet dabei aber sicher die Beziehung der Mutter zum Kind. Die Mutter kommt am Abend müde von der Arbeit nach Hause, und hat sicher nicht mehr die Energie und Geduld sich intensiv mit ihrem Kind zu beschäftigen. Deshalb ist es, so glaube ich, daß Beste für das Kind wenn die Karenzzeit zwischen Mutter und Vater geteilt ist. Somit kann eine ausgeglichene Beziehung zu Mutter und Vater entstehen.

Kann ich mit vorstellen, daß mein Partner den Karenzurlaub in Anspruch nimmt?

Wenn der Vater mit der neuen Rollenzuteilung einverstanden ist und sich der Aufgabe gewachsen fühlt, würde auch ich einer Karenzierung zustimmen. Allerdings müssen viele Komponenten dafür sprechen. Zuerst finde ich die finanzielle Seite wichtig, da ich auch dem Kind etwas "bieten" will. Ich finde es überhaupt nicht gut, wenn man durch die Karenzierung des Vaters in finanzielle Not geraten sollte. Man muß das Kind zwar nicht mit "allem überschütten", aber man sollte auch an die Zukunft des Kindes denken.

Für die Beziehung des Vaters zum Kind ist die Karenzierung sicherlich ein Vorteil. Außerdem wissen die Männer nach dem Karenzurlaub endlich die Hausarbeit zu schätzen. Sie haben am eigenen Körper erfahren, daß die Arbeit einer Hausfrau und Mutter auch anstrengend ist. Dadurch wird die Stellung der Hausfrau und Mutter sicherlich aufgewertet.

Wenn mein Partner den Karenzurlaub in Anspruch nehmen möchte, würde ich zustimmen - allerdings nur für die halbe Zeit.
 
 

Literaturverzeichnis

Deutsch - Stix, G. (1992). Väter in Karenz. Qualität der Partnerschaft und spezifische Lebenssituation von Karenzfamilien. Unveröff. Dipl. Arbeit, Universität, Wien.

Deutsch - Stix, G. & Janik, H.M. (1993). Hauptberuflich Vater. Paare brechen mit Traditionen. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik.
 
 
 
 

Inhaltsverzeichnis
 
 

14) Väter zwischen Beruf, Familie und Freizeit (Andrea Heider)

  1. THEORETISCHER TEIL

1.1. EINLEITUNG

Die Qualität eines Vaters wird immer noch mehr an seinem beruflichen Erfolg als an seiner Phantasie und seinem Einfühlungsvermögen gemessen. Männer, die in den ersten Lebensjahren ihres Kindes den Beruf aufgeben oder zumindest deutlich reduzieren wollen, um sich an der Familienarbeit zu beteiligen, sind immer noch die Ausnahme. 1992 nahmen in Deutschland 96,7 Prozent der jungen Eltern Erziehungsurlaub in Anspruch, der Anteil der Väter lag dabei jedoch nur wenig über ein Prozent. Die überlieferte Rollenverteilung setzt sich also trotz allen Geredes vom "neuen Vater" vor allem deshalb fort, weil sich bei den steigenden Lebenshaltungskosten auch Männer, die einer gerechten Aufgabenverteilung aufgeschlossen gegenüberstehen, angesichts ihres meist höheren Einkommens in die Rolle des Ernährers gedrängt sehen. (Helgard Roeder, Psychologie Heute 1995, S. 66)
 
 

1.2. Finanzielle Situation
 
 

Der Vater übernimmt heute, in unserer Gesellschaft (nach wie vor) den Großteil der Ernährungsfunktion in der Familie. Zieht man zur Quantifizierung dieser Rolle das Kriterium der Erwerbstätigkeit heran, so ergab sich hier 1992, gemäß einer Studie des Österreichischen Statistischen Zentralamtes, ein Verhältnis von durchschnittlich 5 Stunden und 9 Minuten täglich, bei den Männern, zu 2 Stunden und 26 Minuten, bei den Frauen. Interessant dabei ist auch, daß, im Vergleich zu 1981, der in der Erwerbsarbeit investierte Zeitanteil bei Männern nur um durchschnittlich 2 Minuten, bei Frauen jedoch um 16 Minuten anstieg (Bundesministerium für Jugend und Familie, 1995, S. 7).

Finanzielle Ressourcen tragen dazu bei, das väterliche Belastungserleben zu verringern (Petzold, 1995, S. 55; Wicki et al., 1995, S. 27), bei Vätern zweimonatiger Kleinkinder konnte in Pfadanalysen sogar ein direkter Zusammenhang zwischen dem Familieneinkommen und positiven Erfahrungen als Vater nachgewiesen werden (Petzold, 1994, S. 71).

Umso bedeutender scheinen deshalb die massiven Einkommensverluste im Zuge des Übergangs zur Elternschaft, in den meisten Fällen bedingt durch den Entfall des mütterlichen Beitrags zum Familieneinkommen, wodurch das Haushaltsnettoeinkommen von Eltern durchschnittlich um 20% unter jenes kinderloser Paare zu liegen kommt (Rost & Schneider, 1995, S. 192). Der Verlust fällt für Ersteltern signifikant stärker aus als für Paare, die bereits ihr zweites Kind erwarten/bekommen (Grant, 1992, S.130).
 
 

1.3. Arbeitsteilung
 
 

Generell läßt sich in den letzten Jahrzehnten eine zunehmende Angleichung der Rollenzuschreibungen, im Sinne einer Gleich- bzw. Umverteilung der traditionell Männern bzw. Frauen zugedachten Arbeitsbereiche, feststellen (Gauda, 1989, S.366). Dieser Wandel, eng verknüpft auch mit der Frage der Zeitaufteilung zwischen den Bereichen Beruf und Familie, bleibt auch nicht (ganz) ohne Folgen für das Selbstverständnis der Väter (Stearns, 1991, p. 50), dennoch erweisen sich - im europäischen bzw. angloamerikanischen Raum - in erster Linie kinderlose Männer von der zunehmenden Egalisierung der Geschlechtsrollen betroffen (Buba & Vascovics, 1994, S.150). Der Übergang zur Elternschaft hingegen bewirkt in vielen Fällen eine Rückkehr zu traditionellen Rollenaufteilungen (z.B. Gloger-Tippelt et al.,1995, S.275). "Die Mehrzahl der Längsschnittuntersuchungen mit Interviews und spezifischen Verhaltensweisen zeigen, daß Frauen nach der Geburt den überwiegenden Teil der Kinderpflege, Ernährung, und Haushaltsarbeit übernehmen, während die Ehepartner für den Unterhalt der Familie sorgen" (Gloger-Tippelt, 1985, S84;) Auch vorher - oft mühsam erarbeitete und ausgehandelte - egalitär und partnerschaftlich strukturierte Formen der Arbeitsteilung gehen, vor allem in den ersten Jahren des Familienbildungsprozesses, häufig über in traditionelle Muster (z.B. Buba & Vascovics, 1994, S154, Rost & Schneider. 1994, S. 49).
 
 

1.4. Hausarbeit
 
 

Auch wenn die Hausarbeit - nach wie vor - insgesamt überwiegend von Frauen geleistet wird (Goldberg, 1995, S. 51-52; Rost & Schneider, 1995, S. 187), so läßt sich, in Österreich dennoch ein allgemeiner Anstieg des von Männern verrichteten Anteils verzeichnen, wie aus dem vom Bundesministerium für Frauenangelegenheiten, 1995, herausgegebenen Frauenbericht zu entnehmen ist:
 
 

Der Anteil jener Personen, die Hausarbeit leisten, ist nicht nur bei den Frauen, sondern vor allem bei den Männern deutlich gestiegen. Männer übernahmen 1992 deutlich öfter Tätigkeiten im Haushalt, und sie verrichteten auch jenen Teil, der als wenig attraktiv oder als unangenehm galt: Kochen, aufräumen, und Wäsche waschen sind heute nicht mehr ausschließlich Aufgaben von Frauen. Zwischen 1981 und 1992 erhöhte sich der Anteil der Männer, die kochen, von 6,0% auf 28,5%. Mit dem Aufräumen und dem Waschen der Wäsche beschäftigten sich 1981 nur 8,0% der Männer, 1992 waren es bereits 38,7%. Und auch der Anteil der einkaufenden Männer hat sich von 11,0% auf immerhin 26,3% erhöht. (Faßmann, 1995, S. 39)
 
 
Gemäß einer österreichischen Zeitbudgeterhebung (Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie, 1995, S. 15) unterscheidet sich sowohl das Volumen der geleisteten Arbeit als auch deren Aufteilung auf Beruf und Haushalt sehr deutlich zwischen Männern und Frauen. Etwas über 5 Stunden für Erwerbs- und 2 Stunden und 15 Minuten für Arbeit im Haus addieren sich bei den Männern zu einer Gesamtarbeitszeit von 7 Stunden und 15 Minuten täglich. Das Verhältnis von Erwerbstätigkeit und Hausarbeit beträgt 70:30 Prozent. Gerade umgekehrt ist die Relation bei den Frauen: 2 Stunden 30 Minuten Erwerbs- und 5 Stunden 30 Minuten Hausarbeit bedeuten eine Gesamtarbeitszeit, und sie erbringen den Großteil der unbezahlten Familienarbeit.

Allerdings hat 1992 die Gesamtarbeitszeit der Männer gegenüber 1981 um ein halbe Stunde zugenommen, die praktisch ganz auf die Hausarbeit entfällt. 1981 lautete das Verhältnis bei den Männern noch 77 Prozent Beruf und 23 Prozent Hausarbeit.
 
 

1.5. Belastung
 
 

Auf einen wichtigen Aspekt, nämlich die spezielle Belastung engagierter Väter, weist Petzold (1994) hin, "daß Väter, die sich stärker an der Erziehung beteiligen bzw. sich beteiligen möchten, einer besonderen Belastung durch den Zwiespalt zwischen Beruf und Familie ausgesetzt sind (und zwar unabhängig von den Gründen der momentanen Mehrbelastung" (S. 68)
 
 

Reichle (1994) sieht das Belastungsempfinden, untersucht bei Ersteltern, zusammenfassend umso stärker,
 
 

- ...je weniger das Kind geplant war, je unsicherer das Einkommen ist, je weniger stellvertretende Erfahrung des Übergangs zur Elternschaft berichtet wird, je umfänglicher das Berufszeitbudget der Familie (Summe des Umgangs der eigenen beruflichen Verpflichtung und der des Partners bzw. der Partnerin) ist, wenn die Zwei-Verdiener-Konstellation gegeben ist, je größere Gesundheitsprobleme vorliegen, wenn eine kindliche Behinderung vorliegt, je schwieriger das Temperament des Kindes eingeschätzt wird, je niedriger das Familieneinkommen, je weniger Entlastungsmöglichkeiten (Hilfen im Haushalt, bei der Kindversorgung, durch den Partner, durch Dritte) gegeben sind, je negativer die intrapersonelle Gewinn-Verlust-Bilanz ist (Überwiegen von Verlusten infolge der Erstkindgeburt);

- je mehr zumindest leichte Einschränkungen in zumindest leicht positiv valenten Bedürfnissen berichtet werden;

- je mehr und je intensiver negative Kognitionen und Emotionen anläßlich zweier ausgewählter Einschränkungen berichtet werden;

- je schwächer die Tendenz zu sozial erwünschtem Verhalten ist. (S.138)
 
 

1.6. Freizeit
 
 

Ein Bereich, in dem es teilweise zu gravierenden Veränderungen bei jungen Vätern kommt, betrifft das Freizeitverhalten. Am häufigsten angeführt werden in diesem Zusammenhang: eine Verhäuslichung, Familienzentrierung bzw. Privatisierung der Freizeit (Buba & Vaskovics, 1994, S.170-171, Rost & Schneider, 1994, S. 45), eine generelle Reduktion gemeinsamer Aktivitäten der jungen Paare (z.B.: Gloger-Tippelt et. al. 1995, S257), selteneres Ausgehen, der Verzicht auf Urlaub(sreisen) usw.

(Bauer, 1992, S.104). Zum Teil können diese angeführten Tendenzen allerdings auch bei kinderlosen Paaren beobachtet werden.

Die Einschränkungen betreffen Väter in der Regel zwar weniger als ihre Partnerinnen - jeder dritte Vater und knapp die Hälfte der Mütter mit Kind(ern) unter 2 Jahren gehen nun seltener mit Freunden und seltener alleine weg (Rost & Schneider, 1995, S.184) -, die Mütter nehmen jedoch später vergleichsweise mehr neue Freizeitaktivitäten wieder auf als Väter (Petzold, 1994, S.66).

Das (angegebene) subjektive Erleben der Veränderungen in der Freizeitgestaltung relativiert allerdings die objektiv gegebenen Zeitbeschränkungen für persönliche Freiräume:

Etwa jeweils sechzig Prozent der Väter und der Mütter haben mit solchen Einschränkungen gerechnet und sind mit ihren gegenwärtigen Freizeitmöglichkeiten zufrieden, und weitere zwanzig Prozent haben sogar mit größeren Einschränkungen gerechnet, als tatsächlich eingetreten sind. Offensichtlich bestehen bei den jungen Paaren sehr realistische Einschätzung der Auswirkungen der Elternschaft auf die Freizeitgestaltung und eine große Bereitschaft, daraus resultierende Einschränkungen auch in Kauf zu nehmen. (Rost & Schneider, 1994, S. 46). Mit zunehmender Dauer der Elternschaft wird eine, zumindest teilweise Revision der Verhäuslichung des Freizeitverhaltens berichtet.
 
 

Nach der Zeitbudgeterhebung des Österreichischen Zentralamtes, 1992, stehen Männern durchschnittlich 5 Stunden und 27 Minuten zur Verfügung, wovon 1 Stunde und 19 Minuten in die Familie bzw. soziale Kontakte investiert werden (Bundesministerium für Jugend und Familie, 1995, S. 28). Daß es im Zuge des Überganges zur Elternschaft generell - bei Männern nicht so stark wie bei Frauen - zu einer Umstrukturierung der Freizeitgestaltung in Richtung "Verhäuslichung" bzw. "Familisierung" (Rost & Schneider, 1995, S. 183) kommt, unterstreicht die Relevanz des Vaters als Freizeitpartner. Konkret widmen Väter ihren Kindern durchschnittlich 45 Minuten pro Tag, wovon 21 Minuten zum Spielen genützt werden - die einzige Tätigkeit, die Väter im Rahmen der Kinderbetreuung in ähnlichem zeitlichen Umfang wahrnehmen wie ihr (erwerbstätigen) Partnerinnen (Bundesministerium für Jugend und Familie, 1995, S. 21).

Auch wenn der Anteil der Väter an der Kinderbetreuung, in Vergleich zur Hausarbeit höher einzuschätzen ist (Giebel, 1991, S. 36), so übernehmen, analog dem Haushaltsbereich, insgesamt überwiegend die Mütter Betreuungs- und Versorgungsfunktionen (Reichle, 1994, S.191). Nur in wenigen Bereichen, vor allem bei spielerischen Tätigkeiten oder dem Sport, scheint Vätern, im Vergleich zu Müttern, rein zeitmäßig, eine ähnliche bzw. größere Bedeutung als Bezugsperson für ihre Kinder zuzukommen (z.B. Griebel, 1991, S. 36).

Eine Erhöhung der Beteiligung der Väter wird vereinzelt, für bestimmte Situationen (z.B. das Baby baden oder in der Nacht aufstehen, wenn es weint), im Zeitraum vom 6. bis zum 7. Lebensmonat berichtet.
 
 

2. EMPIRISCHER TEIL

2.1. Familieneinkommen

Bei der Frage nach dem gemeinsamen Einkommen im Monat (Nettoverdienst inklusive Nebeneinnahmen) weichen die Angaben von Vätern und Müttern in einigen Punkten - vor allem den oberen Einkommensbereichen beim zweiten und dritten Befragungszeitpunkt - voneinander ab.

Die Einkommensverteilung unterscheidet sich zu den drei Testzeitpunkten signifikant voneinander, sowohl nach Angaben der Väter als auch der Mütter.

Dabei fällt auf, daß beim zweiten gegenüber dem ersten Testzeitpunkt wesentlich mehr Väter die mittleren Kategorien ("15.000,- bis 20.000,-" und "20.000,- bis 25.000,-" angaben (51,6% versus 40,4%), während die höchste bzw. die niedrigeren Einkommensklassen seltener vertreten waren. Kann dies einerseits - am unteren Einkommensende - durch das Hinzukommen sozialer Beihilfen (Karenzgeld, Familienbeihilfe etc.) erklärt werden, so läßt sich die sinkende Zahl der Höchsteinkommensbezieher ("über 25.000,-") sicherlich überwiegend durch den Wegfall etwaiger mütterlicher Erwerbstätigkeit begründen.

Beim dritten Testzeitpunkt steigt die Zahl derjenigen Familien, die im Durchschnitt monatlich über mehr als 25.000,- Schilling netto verfügen können, allerdings wieder stark an (von 38.7% auf 66.7%), wobei 45.4% sogar in die (neueingeführte) Kategorie "über 30.000,-" fallen. Dies bedeutet, selbst unter Abzug der Inflationsrate, einen erheblichen Realeinkommenszuwachs gegenüber dem zweiten Untersuchungszeitpunkt, ca. drei Jahre zuvor.
 
 

2.1.1. Einkommensveränderung
 
 

Interessant in diesem Zusammenhang die Auswertung der beim zweiten Testzeitpunkt gestellten Frage, ob sich das gemeinsame Einkommen "seit der oder durch die Geburt des Kindes verändert hat" hat. Die Reaktionen darauf waren wiederum von Vätern und Müttern uneinheitlich.

Bezieht man in die Angaben über Veränderungen zwischen den ersten beiden Befragungszeitpunkten auch den direkten Vergleich der Antworten auf die Fragen nach dem tatsächlichen Einkommen mit ein, so ergeben sich differierende Werte.
 
 

Nach allen Informationsquellen bzw. Berechnungsarten ergeben sich jedenfalls bei mehr als der Hälfte der Elternpaare in dem halben Jahr um die Geburt reale Einkommensverluste, während ca. ein Drittel einen Zuwachs verzeichnen kann. In den (pessimistischen) Angaben der Mütter bei der direkten Frage nach Veränderungen - 62.4% gaben Verschlechterungen an, von den Männern nur 50.6% - dürfte neben realen Einbußen auch die subjektive Verschlechterung ihrer individuellen finanziellen Situation (in der Regel entfällt ihr bisheriges Einkommen) Ausdruck finden.
 
 

2.1.2. ZUFRIEDENHEIT
 
 

Gefragt, ob sie "mit dem Einkommen jetzt im allgemeinen" zufrieden seien, ergaben sich dementsprechend auch unterschiedliche Angaben zwischen Vätern und Müttern.

Abgesehen von einem relativ konstant bleibenden (kleinen) Prozentsatz von Eltern (ca. 5%), bei denen das Geld "hinten und vorne" nicht reicht, lassen sich die Antworten etwa zur Hälfte der Kategorie "es ist recht knapp, aber wir kommen zurecht" zuordnen, bzw. sind die Eltern "voll und ganz" mit ihrem Einkommen zufrieden. Bemerkenswert scheint in diesem Zusammenhang vor allem eine Änderung der Zufriedenheit der Mütter zwischen erstem und zweitem Testzeitpunkt: waren bei der ersten Befragung noch 57,1% der werdenden Mütter "voll und ganz" mit dem gemeinsamen Einkommen zufrieden, so sind dies bei der zweiten Untersuchung nur noch 41,9%. Die hohe Zufriedenheit der werdenden Mütter beim ersten Testzeitpunkt unterscheidet sich sowohl von der (geringen) Zufriedenheit ihrer Partner zu dieser Zeit als auch ihrer eigenen (Un-)Zufriedenheit ein halbes Jahr später signifikant. Die Angaben der Väter stellen sich hingegen recht konstant dar.
 
 

2.2 Haushaltstätigkeiten
 
 

Die Haushaltstätigkeiten, unterteilt in einen typischerweise von Frauen bzw. typischerweise von Männern übernommenen Bereich, wurden nach den Angaben der Väter (jeweils in der ersten Zeile jeder Zelle angeführt) und Mütter (jeweils zweite Zeile) folgendermaßen zwischen diesen aufgeteilt:
 
 

Tabelle: Hausarbeitsaufteilung-Angaben der Väter (jeweils erste Zeile) bzw. Mütter jeweils zweite Zeile)
 
 

1. Testzeitpunkt 2. Testzeitpunkt 3. Testzeitpunkt

"Typisch weibliche 3.77a (0.53)b 169c 3.88 (0.48) 161 3.87 (0.49) 140

Haushaltstätigkeiten" 3.92 (0.55) 166 4.13 (0.50) 156 4.19 (0.50) 156

"Typisch männliche 2.83 (0.88) 174 2.88 (1.02) 165 2.73 (0.98) 165

Haushaltstätigkeiten" 3.09 (0.88) 175 3.04 (1.02) 167 3.19 (1.08) 150

a Skalenmittelwert

b in Klammern: Standardabweichung

c kursiv: Stichprobengröße
 
 

-"Typisch weibliche Haushaltstätigkeiten": kochen; einkaufen; saubermachen/putzen; Wäsche waschen; bügeln; nach dem Essen wegräumen; abwaschen; aufräumen;
 
 

-"Typische männliche Haushaltstätigkeiten": Behördengänge; "Papierkrieg" erledigen; Geldangelegenheiten; (Geldaufteilung, Rechnungen begleichen etc.)
 
 

Von der absoluten Höhe der abgefragten Werte in den beiden abgefragten Bereichen ist das Ergebnis so zu interpretieren, daß sich Frauen etwa "überwiegend" um den Bereich der "typisch weiblichen Haushaltstätigkeiten" kümmern (entspricht dem Wert "4"), während "typisch männliche Haushaltstätigkeiten", Geldangelegenheiten und Behördenwege, im wesentlichen von beiden Partnern bzw. Partnerinnen zu etwa gleichen Teilen erledigt werden (Wert "3").
 
 

Dabei fallen allerdings bereits die durchgängigen Unterschiede zwischen den väterlichen und den Angaben der Mütter ins Auge. Diese Differenzen erweisen sich in beiden Bereichen ("typisch weibliche" bzw. "typisch männliche Haushaltstätigkeiten") und zu allen drei Befragungszeitpunkten durchwegs hoch signifikant: der eigene Arbeitsanteil im Haushalt wird jeweils höher eingestuft als dies aus der Sicht der Partnerin bzw. des Partners der Fall ist.
 
 

2.3. FAMILIE - BERUF - FREIZEIT
 
 

Zwischen Vätern und Müttern bestehen zu beiden betroffenen Testzeitpunkten, also drei Monate und drei Jahre nach der Geburt, klare Unterschiede, insofern als Väter im Vergleich zu ihren Partnerinnen öfter den Wunsch nach "mehr Zeit für das Kind" artikulieren, während für die Mütter mehr Zeit für sich allein (auch absolut gesehen) im Vordergrund steht.
 
 

Im längsschnittlichen Vergleich ist (bei Vätern und Müttern) in den ersten drei Lebensjahren des Kindes vor allem ein deutliches Ansteigen der Bedürfnisse, mit meinem PartnerIn öfter allein zu sein beziehungsweise öfter mit meiner/m PartnerIn etwas alleine zu unternehmen zu verzeichnen.

Diese beiden Kategorien werden von den Vätern beim dritten Befragungstermin auch absolut am häufigsten angeführt (81% bzw. 85%).

Hinsichtlich der Bedeutung von berufsbezogenen Faktoren, von Freizeit bzw. dem Zusammensein mit der Familie, im Vergleich, wird von Vätern und Müttern, zu allen drei Testzeitpunkten, das "Zusammensein mit der Familie", am bedeutungsvollsten eingeschätzt, gefolgt von der "Freizeit". Erst dann kommen die berufsbezogenen Faktoren wie Anerkennung im Beruf, Kontakt mit den Arbeitskollegen und berufliches Weiterkommen. Hierbei gibt es zwischen Vätern und Müttern (erwartungsgemäß) unterschiedliche Werteinschätzungen sowie Veränderungen während des dreijährigen Testzeitraumes.

Zwischen Vätern und Müttern sticht vor allem, und dies zu allen drei Untersuchungszeitpunkten, der durchwegs hochsignifikante Unterschied in der Bewertung der Bedeutung beruflichen Weiterkommens heraus: Vätern ist dies ein deutlich wichtigeres Anliegen als ihren Partnerinnen.

Beim dritten Testtermin bekunden Väter deutlich weniger Interesse am "Zusammensein mit der Familie" als ihre Partnerinnen.

Drei Monate nach der Geburt des Kindes ist für die Väter Anerkennung im Beruf von stärkerer Bedeutung als für die Mütter. Dies hängt vor allem damit zusammen, daß die Bedeutung der Anerkennung im Beruf für die Mütter beim zweiten Testzeitpunkt gegenüber dem ersten massiv sinkt.

Obwohl insgesamt, über alle drei Befragungszeitpunkte hinweg, weder für Väter noch für Mütter statistisch signifikante Bedeutungsveränderungen nachweisbar sind, so sind dennoch, vor allem aufgrund der teilweise doch recht deutlichen Veränderungen in der Zeit zwischen dem sechsten Schwangerschaftsmonat und dem folgenden halben Jahr, in der Detailbetrachtung signifikante Veränderungen zwischen den zwei Zeitpunkten feststellbar. So kommt es etwa für Väter wie für Mütter drei Monate nach der Geburt des Kindes zu einem statistisch signifikanten Bedeutungsverlust des Kontaktes mit Arbeitskolleg/inn/en. Ebenso sinkt zu diesem Zeitpunkt (gegenüber dem ersten Testzeitpunkt) aus Sicht der Mütter die Bedeutung von Freizeit. In den folgenden Jahren steigt der Stellenwert von Freizeit wiederum an, in signifikanten Ausmaß diesmal jedoch nur für die Väter.
 
 

Tabelle: Zufriedenheit mit Zeitaufteilung Familie/Freizeit/Beruf - Angaben der Väter und Mütter

2. Testzeitpunkt 3. Testzeitpunkt

Väter 1,25a (0.60)b 165c 1.28 (0.59) 147

Mütter 1.36 (0.51) 162 1.23 (0.53) 141
 
 
 
 

a Skalenmittelwert

bin Klammern: Standardabweichung

c kursiv: Stichprobengröße
 
 

Väter zeigen sich drei Monate nach der Geburt ihres Kindes signifikant unzufriedener als ihre Partnerinnen, bezüglich der Zeitaufteilung zwischen Familie, Beruf und Freizeit. Drei Jahre danach hebt sich dieser Unterschied auf und kehrt sich sogar leicht um - allerdings statistisch nicht signifikant.

Dies ist - im Gegensatz zur Fragen nach der Einengung durch das Kind - vor allem auf Veränderungen in den Angaben der Mütter zwischen zweitem und drittem Testzeitpunkt zurückzuführen, deren Zufriedenheit mit der Zeitaufteilung in diesem Zeitraum geringfügig, aber nicht signifikant abfällt.
 
 

3. VERSUCHSDESIGN
 
 

Für die Datengewinnung wurden jene 175 Elternpaare, die an dem Forschungsprojekt "Die Bedeutung von Rollenauffassungen junger Eltern für den Übergang zur Elternschaft" teilgenommen hatten, kontaktiert.

Der dem Forschungsprojekt (Rollett & Werneck, 1993) zugrunde liegende Versuchsplan sah folgende Struktur vor:
 
 

* eine Unterteilung in Erst-, Zweit-, Dritteltern;

* eine Unterteilung in Mütter unter bzw. über (inklusive) 30 Jahre;

* zwei Zeitpunkte: drei Monate vor bzw. nach der Geburt des Kindes;
 
 

Aus den ersten beiden Bedingungen ergeben sich sechs Gruppen (Zellen), die jedoch v. a. aufgrund der geringen Verfügbarkeit von Drittmüttern nicht exakt gleichverteilt rekrutiert werden konnten.

Die Verteilung stellt sich folgendermaßen dar:
 
 

Tabelle: Versuchsplan des ursprünglichen Forschungsprojektes

Mütter unter 30 J. Mütter über 30 J. insgesamt

1. Kind 35 (20,0%) 31 (17.7) 66 (37.7%)

2. Kind 35 (20.0%) 36 (20.6%) 71 (40.6%)

3. Kind 16 (9.1%) 22 (12.6% 38 (21.7%)

insgesamt 86 (49.1% 89 (50.9%) 175 (100%)
 
 

Vorrangiges Anliegen dieser Studie ist, allgemein formuliert, die detaillierte und differenzierte Beschreibung des Übergangs zur Vaterschaft. Ein Ansatz der Beschreibung zur Vaterschaft besteht in der querschnittsmäßigen Analyse der Daten.
 
 

Die ursprüngliche und auch für diese Studie relevante Gruppeneinteilung erfolgte nach Kinderzahl bzw. Alter der Mütter.
 
 

1. Testzeitpunkt 2. Testzeitpunkt 3. Testzeitpunkt

Väter Forschungsprojekt Forschungsprojekt Vorliegende

(Rollett & Werneck, 1993) (Rollett & Werneck, 1993) Arbeit

Mütter Forschungsprojekt Forschungsprojekt Diplomarbeit

(Rollett & Werneck, 1993) Rollett & Werneck1993) (Klugger)

Kinder - Forschungsprojekt Diplarb. (Höller,

Rollett & Werneck, 1993) Penn)
 
 

4. Literaturverzeichnis
 
 

Werneck, H. (1996). Übergang zur Elternschaft. Eine empirische Längsschnittstudie. Unveröff. Diss., Universität, Wien.

Bundesministerium für Jugend und Familie. (Hrsg.). (1993). Wo kommt unsere Zeit hin? Beruf - Familie - Freizeit. Das Zeit-Budget der österreichischen Familien. Wien: Autor.

Roeder, H. (1995). Existenz- Risiko Kind. Psychologie Heute, Heft 4, (S. 66 - 69).
 
 
 
 

Inhaltsverzeichnis   15) Neue Väter? (Annelies Gollia)   1. Einleitung
 
 

In der Öffentlichkeit als auch in wissenschaftlichen Publikationen wird derzeit eine Diskussion über die Veränderung der Rolle des Vaters geführt. Dadurch wurden Entwicklungspsychologen angeregt, den Beginn der Familienentwicklung mit dem Blick auf diese vermuteten "neuen Väter" zu untersuchen.

Eine eigene Väterforschung ist im deutschsprachigen Raum noch nicht auszumachen.

So konnte dann beispielsweise beobachtet werden, daß Väter in den letzten Jahren vermehrt an Geburtsvorbereitungskursen teilnehmen. Weiters wurde im Rahmen einer Längsschnitt-Pilotstudie in Düsseldorf festgestellt, daß neun von zehn Vätern bei der Geburt ihres ersten Kindes anwesend waren.

Trotzdem gilt noch die, durch den Vergleich von 80 Kulturen gewonnene Feststellung, daß in 90% der Fälle die Mutter die Hauptpflegeperson des Säuglings darstellt. (Nickel, 1986) Auch Werneck (1996) gelangt in seiner Längsschnittstudie zur Auffassung, daß bereits sechs Monate nach der Geburt die Kinderbetreuung "überwiegend" von der Mutter übernommen wird.
 
 

Metz-Göckel (1988) hat Männer nach den Bedingungen gefragt, unter denen sie sich vorstellen könnten, zur Versorgung ihrer Kinder ihre Berufstätigkeit aufzugeben. Die Antwort ergab: von sich aus wünschen sich durchwegs weniger als 5% der Männer auch nur manchmal die Situation mit einer Mutter zu tauschen, die ausschließlich für ihre Kinder da ist.

Die gesellschaftlichen Antriebskräfte für eine Veränderung der Vaterrolle sind laut Metz-Göckel (1988):

.) Die zunehmende mütterliche Erwerbstätigkeit.

Sie wirkt sich stärker auf eine Egalisierung der Partnerbeziehungen aus, als auf eine partnerschaftliche Wahrnehmung der alltäglichen Vateraufgaben.

.) Die Bedeutung von Kindern als Sinnstifter.

Dieser Wandel im Stellenwert, den Kinder im Leben ihrer Eltern einnehmen, weckt auch in Vätern den Wunsch nach mehr direktem Umgang mit Kindern.

.) Veränderungen in der Arbeitswelt.

Familienfreundliche Gestaltung der beruflichen Arbeitsorganisation

Reduzierung der Wochenarbeitszeiten

Zunahme der personenorientierten Dienstleistungsberufe, in denen Beziehungsarbeit oder "emotionales" Management als Teil der beruflichen Qualifikation verlangt wird.
 
 

2. Drei Studien zu den "Neuen Vätern"

2.1. Übergang zur Vaterschaft

Eine empirische Längsschnittstudie. Unveröff. Diss. Universität Wien; Werneck, H.(1996b):

Das Ziel dieser Studie liegt in einer Beschreibung des differentiellen Erlebens und Verhaltens von Vätern während der ersten drei Lebensjahre ihres Kindes.

Die Längsschnittuntersuchung beschreibt Väter, im Zeitraum von der Schwangerschaft ihrer Partnerinnen bis 3 Jahre nach der Geburt des Kindes.

Die ersten beiden Erhebungen erfolgten 3 Monate vor bzw. 3 Monate nach der Geburt des Kindes.

Darauf aufbauend, konnten letztlich Informationen von 147 Erst-, Zweit- und Drittvätern über 3 Jahre hinweg analysiert werden.
 
 

Den Eltern wurde an jedem der 3 Testzeitpunkte ein Elternschaftsfragebogen mit folgenden Skalen vorgegeben:
 
 

Verantwortung

Tradit. Rollenaufteilung

Tradit. Frauenrolle

Wert von Kindern

Wert der Familie

Pater familias

Egalität

Kinder als Belastung
 
 

Kodierung: 1=lehne voll ab; 2=lehne eher ab; 3=stimme eher zu; 4=stimme voll zu;
 
 

Der Elternschaftsfragebogen erfaßt Einstellungen bezüglich des allgemeinen Stellenwertes von Kindern und der Rollenaufteilung zwischen Vater und Mutter, aber auch zwischen Familie und Beruf.
 
 

Für die Väter ergab sich aufgrund der Angaben im Elternfragebogen bei den ersten beiden Erhebungszeitpunkten eine methodisch und inhaltlich sinnvolle Unterteilung in drei unterschiedliche Gruppen.
 
 

.) Neue Väter (15,9%): Die in diese Gruppe klassifizierten Väter lassen sich dadurch beschreiben, daß sie, im Vergleich zu den beiden anderen Väterclustern, drei Monate vor der Geburt des Kindes

- ihre Partnerschaft glücklicher einschätzen

- eher egalitäre Partnerstrukturen befürworten

- traditionelle Rollenaufteilung hingegen ablehnen.

"Da sie die (drückende) Verantwortung für ihre Familie nicht so ausgeprägt wahrnehmen wie andere Väter, sehen sie dem bevorstehenden Familienzuwachs auch unbelasteter entgegen." (Werneck & Rollett 1994, S.178).

Ferner können sie auf relativ viel Vorerfahrung im Umgang mit Säuglingen zurückgreifen und verfügen - trotz geringer Schulbildung - über einen hohen Informationsstand bezüglich der Pflege und Entwicklung von Babys.

.) Familienorientierte (31,7%):

- ausgeprägte familiäre Orientierung

- höchster Wert in "Pater familias"

.) Eigenständige (52,4%):

- geringe Bedeutung des Zusammenseins mit der Familie

- tradit. Rollenverteilung wird eher abgelehnt

- relativ geringes Streitverhalten (von Partnerinnen bestätigt)
 
 

Bei den neuen Vätern fällt ihre sinkende Zustimmung zu egalitären Rollenverteilungen zwischen Müttern und Vätern während der ersten drei Lebensjahre des Kindes auf.

In dieser Gruppe kommt es auch zu den stärksten Verschiebungen. Nur mehr ein Drittel dieser neuen Väter kann drei Monate nach der Geburt des Kindes, als solche klassifiziert werden.

Die Bewegung zwischen den drei definierten Gruppen geht in erster Linie von den "neuen", aber auch den "familienorientierten", hin zu den "eigenständigen" Vätern.

Diese Entwicklung in dem halben Jahr um die Geburt und auch in den folgenden drei Jahren ist in erster Linie im Zusammenhang mit dem allgemeinen Anstieg der mit Kindern assoziierten Belastungen zu erklären - einer Einstellungsskala, die vor allem bei "eigenständigen" Vätern hohe Werte aufweist.
 
 

Generell fanden sich verschiedene Ansatzpunkte für einen nachhaltigen Wandel der Vaterrolle bzw. des väterlichen Selbstverständnisses, in anderen Bereichen dominierten allerdings nach wie vor relativ traditionelle, althergebrachte Verhaltensmuster.
 
 

2.2. Österreichs Männer unterwegs zum neuen Mann?
 
 

Wie Österreichs Männer sich selbst sehen und wie die Frauen sie einschätzen.

Paul Zulehner (1994): Wien: Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie
 
 

Empirische Forschungsarbeit zum Thema des Wandels im männlichen Rollenbild.

Stichprobe: n= 1500 Männer über 16 Jahre bei m ersten Zeitpunkt

n= 500 Männer und 500 Frauen.
 
 

Zulehner fand 13% nichttraditionelle (neue) Väter

36% traditionelle Väter und

51% stellten einen Mittelbereich dar.
 
 

Aufgrund dieser Ergebnisse zieht Zulehner den Schluß, daß bis auf den heutigen Tag der traditionelle Mann dominiert. Da jedoch 20% der 20-29jährigen als neue Männer klassifiziert wurden und nur 2,7% der 70jährigen, dürfen in Zukunft gesellschaftliche Entwicklungen in Richtung "Neue Väter" zu erwarten sein.
 
 

In dieser Studie werden "Neue Männer" charakterisiert durch:

- ein verändertes Frauenbild

- einen Trend von Berufs- in die Familienwelt

- größere Offenheit für die Innenwelt der Gefühle

- Abwendung von Gewalt

- geringeren Autoritarismus

- hohe Solidarität und

- geringen Materialismus.

Geringe Unterschiede zwischen "neuen" und "traditionellen" Männern zeigen sich

- in ihrer Verantwortlichkeit für die Existenzsicherung der Familie

- ihren Erziehungszielen
 
 

Zum Umgang der Väter mit ihren Kindern liefert die Studie folgende Ergebnisse:

- Am liebsten spielen Väter mit den Kindern und gehen mit diesen spazieren. Es sind also die sauberen Aktivitäten, die von Vätern unternommen werden.

- Von den Männern eindeutig an die Frauen delegiert ist das Beten. Dazu kommen die pflegerischen "schmutzigen" Tätigkeiten (aufs Klo setzen, bei Krankheit pflegen). Bei den Müttern hängt auch die schulische Verantwortung (Aufgaben machen).

Groß sind auch die Unterschiede nach Altersgruppen. Junge Männer sind für pflegerische Tätigkeiten mit Kindern weit mehr bereit als ältere.
 
 

2.3. Vorbereitete und unvorbereitete Väter fünf Jahre nach der Geburt des ersten Kindes
 
 

Eine Längsschnittstudie auf der Suche nach neuen Vätern; Petzold M. (1991):
 
 

Aufgrund der für die Längsschnittauswertung harten Ausschlußkriterien verblieben nur

n=20 "vorbereitete" und n=15 "unvorbereitete" Väter.

Die erste Teilfragestellung bezog sich auf die Auswirkung der Teilnahme von Vätern an Geburtsvorbereitungsmaßnahmen, und zwar speziell den Säuglingspflegekursen, auf die Vater-Kind-Beziehung im ersten Lebensjahr.

Das Design dieser Untersuchung basierte auf einem Kontrollgruppen-Vergleich mit einer Längsschnitt-Konzeption, wobei zwischen vorbereiteten und unvorbereiteten Paaren unterschieden wurde. Im fünften Lebensjahr wurde die Längsschnittstudie wieder aufgegriffen und die Stichprobe rekonstruiert.

Ergebnisse der Längsschnitterhebung:
 
 

Einstellungen und Erfahrungen vorbereiteter versus unvorbereiteter Väter

In Bezug auf die Zeitaufteilung Familie/Beruf/Freizeit ergeben sich signifikante Unzufriedenheiten mit geschlechtstypischem Muster: Mütter sind im sechsten Lebensjahr des Kindes, Väter schon im neunten Lebensmonat am wenigsten zufrieden, wobei die Gruppe der Mütter mit unvorbereiteten Vätern am unzufriedensten ist.

Vorbereitete Väter erreichen wenige Wochen nach der Geburt in ihrer Selbsteinschätzung ein relativ großes Gefühl der Sicherheit im Umgang mit den Kleinkindern. Insgesamt haben jedoch die meisten Eltern im sechsten Lebensjahr des ersten Kindes wieder ein relativ größeres Unsicherheitsgefühl.

Mütter mit unvorbereiteten Vätern fühlen sich direkt nach der Geburt signifikant stärker belastet als Mütter mit vorbereiteten Partnern.
 
 

Betreuungs- und Versorgungstätigkeiten

Die Angaben der Mütter weisen darauf hin, daß Ehefrauen mit unvorbereiteten Vätern selbst stärker für Pflege, emotionale Zuwendung und Lernanregungen zuständig sind.

Frauen mit vorbereiteten Ehemännern meinen dagegen, daß Väter mehr mit dem Kind spielen, eine stärkere Kontrolle ausüben, dem Kind mehr emotionale Zuwendung und Lernanregungen geben und auch mehr in der Pflege aktiv sind(auch wenn die Männer dies nicht zugeben).
 
 

Eheliche Zufriedenheit vorbereiteter und unvorbereiteter Paare

Vorbereitete Väter haben im Erleben von Zärtlichkeit und Sexualität weitaus geringere Werte als die Normstichprobe.

Vorbereitete Väter erleben auch im Bereich Gemeinsamkeit/Kommunikation weniger Zufriedenheit als die Norm.

Generell zeigen sich vorbereitete Väter in fragen der ehelichen Zufriedenheit deutlich unzufriedener als die Gruppe der unvorbereiteten Väter.

Diese Zusammenhänge könnten dahingehend interpretiert werden, daß sich eine Veränderung der Vaterrolle in Richtung auf ein größeres Engagement im Hinblick auf das Kind negativ auf die eheliche Zufriedenheit auswirkt. "‘Neue Väter’ erleben weniger Glück in Ehe und Partnerschaft" (S. 269).

Die Autoren betonen, daß die Frage nicht so gestellt werden kann, ob die Teilnahme an einem Säuglingspflegekurs selbst unterschiedliche Einstellungen und Verhaltensweisen der Väter bewirkt.

Vielmehr erschien es sinnvoll davon auszugehen, daß sich unvorbereitete und vorbereitete Väter per se durch eine andere Motivation und Einstellung zu Geburt und Kindererziehung unterscheiden.
 
 

3. Zusammenfassung
 
 

"Einen grundlegenden Wandel der Geschlechterrollen im Sinne eines Typus des ‘Neuen Vaters’ konnten wir in unserer Analyse des Erlebens der Elternschaft und der Betreuung/Versorgung des Kindes aber noch nicht auffinden" (Petzold, 1991, S. 270).

Zwar nehmen heute fast alle Väter an der Geburt ihrer Kinder teil, aber die Hauptverantwortung für die Pflege und Betreuung des Kleinkindes liegt noch überwiegend bei der Mutter, erst im Vorschulalter fühlen sich auch die Väter zuständig.
 
 

Literaturverzeichnis
 
 

Metz-Göckel, S. (1988). Väter und Väterlichkeit. Zur alltäglichen Beteiligung der Väter an der Erziehungsarbeit.. Zeitschrift für Sozialisationsforschung und Erziehungssoziologie, 8, 264-280.

Nickel, H. & Köcher, E. M. T. (1986). Väter von Säuglingen und Kleinkindern. Zum Rollenwandel in der Bundesrepublik Deutschland. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 33, 171-184.

Petzold, M. (1991). Vorbereitete und unvorbereitete Väter fünf Jahre nach der Geburt des ersten Kindes. Eine Längsschnittstudie auf der Suche nach neuen Vätern. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 38, 263-271.

Werneck, H. (1996b). Übergang zur Vaterschaft. Eine empirische Längsschnittstudie. Unveröff. Diss., Universität, Wien.

Zulehner, P. (1994). Österreichs Männer unterwegs zum neuen Mann? Wie Österreichs Männer sich selbst sehen und wie die Frauen sie einschätzen. Wien: Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie.
 
 
 
 


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