"Psychologie der Familie.

Theorien, Konzepte, Anwendungen"

(Hrsg: Harald Werneck und Sonja Werneck-Rohrer)

erschienen am 7. Nov. 2000 im WUV | Universitätsverlag, Wien
ISBN 3-85114-547-X (21,80 Euro)
(vgl. auch das Titelblatt)

siehe auch:

  • NewsLetter 47 der Österreichischen Nationalbibliothek (2000)
  • beziehungsweise 23/00 - Pressedienst des  Österreichischen Instituts für Familienforschung
  • Inhaltsverzeichnis

    I Allgemeiner Teil

    1. Familienpsychologie – Eine Einführung
         Harald Werneck
    2. Gegenstands- und Begriffsdefinitionen der Familienpsychologie
         Katharina Kramlinger
    3. Familie gestern und heute
         Bettina Saur
    4. Wandel der Familienformen
         Martina Mayer
    5. Demographische Daten zur Familie
         Sabine Resl
    6. Familienpsychologische Theorien
         Angelika Drabek
    7. Familiäre Sozialisation
         Alice Zech
    8. Familiendiagnostik
         Carina Maria Kranz
    9. Familiendiagnostisches Testsystem
         Verena Schwertberger
    10. Familiäre Intervention
           Alrun Trebo
    11. Grundlagen der Bindungstheorie
           Sabine Kainz
    12. Pubertät als Herausforderung für die Familie
           Manuela Hochwarter
    13. Geschwisterforschung
           Barbara Pint
    14. Scheidung und ihre Folgen für die Familie
          Sabine Radosztics
    15. Scheidung und ihre Folgen für die betroffenen Kinder
          Judith Sams
    16. Beziehungen zwischen den Generationen
          Irmgard Bartl
    17. Psychologie der Großelternschaft
          Claudia Dotter
    18. Beruf – Familie – Freizeit / Zeitbudgeterhebungen
          Ilka Reitzner
    19. Familie und Arbeitswelt
          Sonja Groß
    20. Familienpolitik
          Silke Oswald
    21. Familie in verschiedenen Kulturen / Ostasien, Afrika
          Tanja Otte
    22. Familien in verschiedenen Kulturen / Mittelmeer, Osteuropa
          Gabriele Adl
     

    II Übergang zur Elternschaft

    23. Schwangerschaft und Geburtserleben aus Perspektive der Mütter
          Sabine Kainz
    24. Kindkonzepte werdender Mütter
          Katharina Kramlinger
    25. Die Rolle der Väter während Schwangerschaft und Geburt
          Sabine Radosztics
    26. Abtreibung
          Angelika Drabek
    27. Geburtsvorbereitung
          Gabriele Adl
    28. Tod / Behinderung des Kindes
          Sonja Grosz
    29. Postpartale Stimmungsstörungen bei Müttern
          Claudia Dotter
    30. Identitätsveränderungen im Zuge des Übergangs zur Elternschaft
          Silke Oswald
    31. Belastungsaspekte und Gratifikationen beim Übergang zur Vaterschaft
          Verena Schwertberger
    32. Mütterliche Belastungsverarbeitung
          Bettina Saur
    33. Wiedereinstieg von Frauen in das Berufsleben
          Martina Mayer
    34. Jugendliche werden Mütter
          Judith Sams
    35. Alleinerziehende
          Carina Maria Kranz
    36. Väter-Forschung
          Alice Zech
    37. Väter in unterschiedlichen Familienstrukturen
          Alrun Trebo
    38. Elternschaft und Partnerschaftsqualität
          Tanja Otte
    39. Düsseldorfer Längsschnittstudie "Paare werden Eltern"
          Irmgard Bartl
    40. Verbundstudie "Optionen der Lebensgestaltung junger Ehen ..."
          Manuela Hochwarter
    41. Kulturelle Determinanten des Elternschaftserlebens
          Ilka Reitzner
    42. Tierexperimentelle Untersuchungen zur Elternschaft
          Barbara Pint


    1. Familienpsychologie – Eine Einführung
    Harald Werneck

    Bei der Familienpsychologie, die – in ihrer allgemeinsten und einfachsten Definition – die Untersuchung des Verhaltens und Erlebens von Personen in Beziehung zu ihrer Familie zum Ziel hat, handelt es sich um ein relativ junges Fach (als solches) mit sehr hohem Entwicklungspotential. Auch wenn die Familienpsychologie im Rahmen der universitären Ausbildung (zumindest im deutschsprachigen Raum) erst ansatzweise, an manchen Standorten, verankert ist, so gibt es dennoch, auch in Österreich, bereits einige erfolgreiche Beispiele einer (außeruniversitären) Institutionalisierung der Familienpsychologie, beispielsweise in Form der Sektion "Kinder-, Jugend- und Familienpsychologie" im Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen (B.Ö.P.). International gesehen gilt die Familienpsychologie längst als etablierte Disziplin, institutionalisiert etwa in der "Division 43 – Family Psychology" der renommierten American Psychological Association (APA), deren Publikationsorgan, das "Journal of Family Psychology", als "currently one of the fastest growing APA scientific journals" (http://www.apa.org/about/division/div43.html) gilt, oder auch in der "International Academy of Family Psychology".

    Die zunehmende Relevanz der Familienpsychologie im Rahmen des psychologischen Fächerkanons manifestiert sich vor allem in vermehrter einschlägiger Forschungs- und Publikationstätigkeit. So finden etwa seit 1998 nun auch im deutschsprachigen Raum (München) regelmäßig familienpsychologische Fachtagungen statt, als Forum für einen systematischen Austausch wissenschaftlicher und anwendungsbezogener Erfahrungen (abgesehen von den immer zahlreicher werdenden Kongressen und Tagungen, welche einzelne Themenbereiche der Familienpsychologie abdecken). Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs), die sich als Vertretung der in Forschung und Lehre tätigen Psychologinnen und Psychologen versteht, reiht in ihrer Sachgebietsklassifikation der gesamten Psychologie (für ihre Kongresse) die Familienpsychologie als eine Hauptkategorie, differenziert in immerhin acht Unterkategorien (Familienentwicklung, Eltern-Kind-Beziehung, mehrgenerationale Familienbeziehungen, Familiendiagnostik, Familiäre Intervention, alternative Familienformen, Trennung / Scheidung und Klinische Familienpsychologie), und somit mehr Subkategorien als etwa die Hauptkategorien Arbeits- und Organisationspsychologie, Biologische Psychologie und Psychophysiologie, Gesundheitspsychologie, Medienpsychologie, Methoden, Rechtspsychologie oder Verkehrspsychologie, die alle als eigene Fachgruppen der DGPs geführt werden.

    Als weiterer Indikator für die zunehmende Präsenz der Familienpsychologie können die in letzter Zeit erschienenen Fachbücher herangezogen werden, wie etwa das Lehrbuch "Familienpsychologie" von Schneewind (neueste Auflage: 1999), die Sammelwerke "Familienpsychologie im Aufwind" (Schneewind, 2000), "Familie im Wandel" (Perrez, Lambert, Ermert & Plancherel, 1995), "Übergang zur Elternschaft" (Reichle & Werneck, 1999), "Engagierte Vaterschaft" (Fthenakis, gemeinsam mit seinen MitarbeiterInnen, 1999), "Was wird aus den Kindern?" (Walper & Schwarz, 1999), die Monographien "Übergang zur Vaterschaft" (Werneck, 1998) oder "Entwicklung und Erziehung in der Familie" (Petzold, 1999), um nur einige zu nennen.

    Auf institutioneller Ebene ist in Österreich vor allem die Etablierung des "Arbeitskreises für familienpsychologische Aspekte" im Rahmen der Österreichischen Gesellschaft für Interdisziplinäre Familienforschung (ÖGIF) zu erwähnen, dessen Zielsetzungen vor allem eine gezieltere Öffentlichkeitsarbeit, Bewußtseinsarbeit auf mehreren Ebenen, systematischerer Informationsaustausch aller unmittelbar oder mittelbar im Bereich Familienpsychologie Tätigen und eine gezieltere Vernetzung und Initiierung möglicher Kooperationen umfassen.

    Familienpsychologie gewinnt also zunehmend als (Sub-)Disziplin an Bedeutung, gleichermaßen aus forschungstheoretischer wie auch aus gesellschaftspolitischer Sicht (vgl. dazu etwa die gegenwärtig sehr lebhaften politischen Diskussionen) und – nicht zuletzt – auch im "Familienalltag". Daß der familiäre Kontext – trotz aller gegenläufigen Entwicklungen – nach wie vor einen ganz zentralen Lebensbereich darstellt, wird beispielsweise belegt durch aktuelle Resultate des Österreichteils einer Europäischen Wertestudie (vgl. Zulehner, 2000), wonach 89 % der Befragten die Familie als "sehr wichtigen" Bereich für ihr Leben einschätzen (zweitwichtigster Bereich ist die Arbeit – für 66 % "sehr wichtig", gefolgt von "Freunde und Bekannte" mit 44 %).

    Ausgehend von dieser Situation, die eine (aus mehreren – oben ausgeführten – Gründen) beträchtliche Relevanz der behandelten Inhalte und gleichzeitig auch ein breites Interesse daran berechtigterweise annehmen läßt, soll in dem vorliegenden Buch ein Überblick über den aktuellen Stand der Forschung im Bereich Familienpsychologie gegeben werden. Dazu werden die einzelnen Themenbereiche so ausführlich wie nötig, gleichzeitig aber so kurz(weilig) wie möglich dargestellt. Durch diese fundierten Einblicke sollen Studierende, Lehrende, Forschende, im Bereich der Psychologie wie auch aus Nachbardisziplinen, sowie im Bereich Familie – beruflich oder privat – praktisch Tätige und schließlich alle am Thema Familie Interessierten in die Lage versetzt und eingeladen werden, sich (noch) kompetenter an der weiteren Differenzierung und Diskussion familienpsychologischer Inhalte und Anliegen zu beteiligen, mit dem Ziel einer Qualitätsoptimierung familiären Zusammenlebens.
     

    Die einzelnen Beiträge (vgl. auch das Inhaltsverzeichnis):

    Das vorliegende Buch ist in zwei große Abschnitte (I und II) gegliedert, wobei der erste Teil ("Allgemeiner Teil") einen Überblick über das Selbstverständnis und den Gegenstand der Familienpsychologie (Motto: "was ist Familienpsychologie?") sowie über einige wichtige Aufgabengebiete der Familienpsychologie ("womit befaßt sich Familienpsychologie?") bietet. Der zweite große Abschnitt ("Übergang zur Elternschaft") befaßt sich ausführlich mit verschiedenen Aspekten eines Themenkreises, dem im Familienentwicklungsprozeß – sowohl für die Biographie der betroffenen Familienmitglieder als auch für die Entwicklung des Systems Familie – eine herausragende Rolle zukommt, nämlich der Phase des Übergang zur Elternschaft.

    Die einzelnen Kapiteln wurden zwar selbstverständlich aufeinander abgestimmt (etwa durch entsprechende Querverweise), sind aber zugleich so konzipiert, daß sie auch jeweils eine in sich geschlossene Einheit bilden und daher problemlos einzeln – gezielt, je nach Interesse – gelesen werden können. Umfang und Struktur der einzelnen Beiträge wurden – soweit das möglich bzw. sinnvoll war – gleich oder zumindest ähnlich gehalten und umfassen neben Einleitung, Hauptteil (mit entsprechender Untergliederung) und Zusammenfassung in der Regel zusätzlich noch kurz "Gedanken zum Thema", bestehend aus subjektiven Assoziationen, einer Art persönlichem Resumé der jeweiligen Autorin oder weiterführenden Überlegungen zum behandelten Thema.

    Teil I geht nun im Detail zuerst auf Gegenstands- und Begriffsdefinitionen der Familie bzw. der Familienpsychologie und auf deren Kennzeichen ein. Um den Forschungsgegenstand, die Familie, in all ihren Facetten besser faßbar und begreifbar zu machen, wird danach in drei Kapiteln ausführlich auf die historische Entwicklung (von der "Vormoderne" zur "Postmoderne"), aktuelle Trends (z. B. den Bedeutungswandel der Familie, alternative Lebensformen) und demographische Entwicklungen der Familie als Institution und ihrer einzelnen Mitglieder (z. B. sinkende Geburtenraten, weniger Eheschließungen, steigende Scheidungsraten) eingegangen. Es folgt ein Überblick über Theorien zur Familienpsychologie (Familiensystemtheorie, Familienentwicklungstheorie, Familienstreßtheorie) und zur familiären Sozialisation (z. B. das integrative Modell zur familiären Sozialisationsforschung). In dem Beitrag über Familiendiagnostik wird auf die Grunddimensionen, Erhebungstechniken und die Besonderheiten der Familiendiagnostik allgemein eingegangen. Anschließend wird exemplarisch ein familiendiagnostisches Verfahren, nämlich das "Familiendiagnostische Testsystem (FDTS)", näher vorgestellt, welches die Erfassung verschiedener dyadischer Beziehungskonstellationen innerhalb einer Familie, aus Selbst- und Fremdperspektive, ermöglicht. Einen ebenso hohen Anwendungsbezug – v. a. für praktizierende Psychologinnen und Psychologen – wie die Kapitel über die Familiendiagnostik weist der darauffolgende Beitrag über familiäre Intervention auf, wo v. a. Aufgabenfelder und Ansatzpunkte der Familienberatung und Familientherapie analysiert werden. Zunehmend breite Resonanz, gleichsam in der Forschung wie unter PraktikerInnen, findet auch das im nächsten Kapitel behandelte Thema "Bindungsforschung" – über die Entstehung der Bindung von Kleinkindern an ihre primären Bezugspersonen, die Erfassung der Bindungsqualität und die längerfristigen Auswirkungen unterschiedlicher Bindungsmuster (innerhalb eines Jahres fanden bzw. finden 1999 / 2000 alleine zu diesem Spezialthema gleich drei größere einschlägige Fachtagungen im deutschsprachigen Raum statt). Im Anschluß daran geht es um die Frage nach einer möglichst geglückten Loslösung der Kinder bzw. Jugendlichen vom Elternhaus, die Phase der Pubertät – als Herausforderung für die gesamte Familie (dargestellt v. a. anhand der Ergebnisse einer empirischen Studie dazu). Einem lange Zeit vernachlässigten Thema widmet sich der darauf folgende Beitrag, nämlich der Geschwisterforschung. Dabei werden wichtige Grundlagen und Modelle (v. a. das Drei-Phasen-Modell), Fragen der Identifikation zwischen Geschwistern und nach möglichen Auswirkungen der Geschwisterposition ebenso behandelt wie methodische Probleme, der Komplexität dieses Forschungsgegenstandes gerecht zu werden. Die nächsten beiden Kapitel geben einen Überblick über ein Teilgebiet, welchem aufgrund der gegenwärtigen bzw. zukünftigen demographischen Entwicklungen wohl (noch) mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muß, nämlich die Scheidungs- bzw. Trennungsforschung, mit dem Fokus auf mögliche bzw. wahrscheinliche Folgen für die einzelnen Betroffenen (beschrieben werden u. a. die einzelnen Scheidungsphasen, die Entwicklungsverläufe danach, mögliche Unterstützungsangebote für die Betroffenen, Einflußfaktoren auf das Erleben der Trennung usw.). Die Beziehungen zwischen den Generationen sind Gegenstand der beiden darauffolgenden Kapitel, wobei sich der erste Beitrag allgemein u. a. mit der Dynamik von Generationenbeziehungen, dem Generationenvertrag, der Verantwortung und den Emotionen zwischen den Generationen befaßt, während sich der zweite Beitrag auf die Großelterngeneration, die Rolle der Großeltern, deren Einfluß auf die Enkelkinder usw. konzentriert – ebenfalls ein schon aus rein demographischen Gründen (v. a. der höheren Lebenserwartung) zukunftsträchtiger Forschungsbereich. Im folgenden wird (anhand der Darstellung zweier Zeitbudgetstudien) analysiert, wie das individuelle bzw. familiäre Zeitbudget durchschnittlich genutzt wird, also wer (z. B. Mann oder Frau) wo (z. B. zu Hause oder am Arbeitsplatz) wielange welche Tätigkeiten (z. B. Erwerbs- oder Haushaltstätigkeit) übernimmt. Hier geht es v. a. um das Spannungsfeld innerhalb der Familie, zwischen den Partnern, aber auch um das Spannungsverhältnis Familie – Arbeits- bzw. Berufswelt, welches im anschließenden Kapitel zusätzlich ausführlich erörtert wird (z. B. die Problemfelder kindbedingter Berufsunterbrechung, die Bedeutung entsprechender Kinderbetreuungsmöglichkeiten, Lösungsansätze zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie usw.). Hier wird besonders deutlich, daß Familienpsychologie immer nur unter Berücksichtigung des gesellschaftlichen (politisch beeinflußten bzw. vorgegebenen) Kontextes sinnvoll diskutiert werden kann. Strukturelle Rahmenbedingungen wirken sich unter Umständen sehr nachhaltig auf das familiäre Gefüge, familiendynamische Prozesse und somit nicht zuletzt auf das Individuum aus – man denke nur etwa an die speziell für die kindliche Entwicklung sehr bedeutsame Frage der Regelung der Karenzzeiten, also wer die erste Zeit (nicht) mit dem Kind verbringen (können) soll. Das nächste Kapitel geht daher auf einige relevante Aspekte der Familienpolitik ein, wie z. B. die Instrumente der Familienpolitik oder die Einstellungen zur sozialpolitischen Verantwortung des Staates. Welchen Einfluß gesellschaftspolitische und kulturelle Rahmenbedingungen auf das familiäre Gefüge, die Rollenaufteilungen innerhalb der Familie usw. ausüben, kann sehr eindrucksvoll auch durch Vergleiche mit anderen Gesellschaften bzw. Kulturen veranschaulicht werden. Die letzten beiden Kapitel zum ersten Abschnittes gewähren daher (exemplarisch) Einblicke in die gelebten Formen von Familie in anderen Kulturräumen, konkret in Japan, China, Afrika (Aka-Pygmäen, Maasai, Kamerun), dem Baltikum, Weißrußland, der Türkei und Griechenland.

    Abschnitt II, der sich mit verschiedenen Aspekten des "Übergangs zur Elternschaft" befaßt, beginnt mit drei Kapiteln über die Schwangerschaft, wobei zuerst die einzelnen Phasen, welche die werdende Mutter dabei typischerweise durchlebt, dargestellt werden; danach wird näher auf die Entwicklung des Kindkonzeptes eingegangen (Phasen, methodische Erfassung, Studien darüber); das dritte Kapitel dazu fokussiert auf die Rolle der Väter während der Schwangerschaft und Geburt (Erleben der Schwangerschaft, Einstellungen dazu, Ängste vor der Teilnahme an der Geburt, Motive dazu usw.). Nicht jede Schwangerschaft wird allerdings auch ausgetragen. Das folgende Kapitel befaßt sich daher mit verschiedenen Aspekten der Abtreibung, wie z. B. den verschiedenen grundsätzlichen Positionen dazu, der aktuellen gesetzlichen Regelung, den Hintergründen ungewollter Schwangerschaften, dem Entscheidungsfindungsprozeß und vor allem den psychischen Verarbeitungsmechanismen einer Abtreibung. Entscheiden sich die Eltern bzw. die Mutter jedoch, das Kind auszutragen, bestehen erste konkrete Schritte im Sinn einer Vorbereitung auf die Familiengründung bzw. den Familienzuwachs oft im Besuch von Geburtsvorbereitungskursen – dem Gegenstand des nächsten Beitrages, in welchem verschiedene Formen der Geburtsvorbereitung und eine empirische Studie zur Minderung von Schwangerschafts- und Geburtsangst dargestellt werden. In manchen Fällen (mehr als allgemein angenommen) enden alle Vorbereitungen auf die Geburt jedoch ungewollt, sehr abrupt und für die Betroffenen meist sehr tragisch, durch eine Fehl- oder Totgeburt. Das nächste Kapitel setzt sich daher mit den psychischen Folgen eines Aborts oder einer Totgeburt, aber auch der Mitteilung einer schweren Behinderung des Kindes für die Eltern auseinander. Nicht nur in diesen gravierenden Fällen, sondern auch bei komplikationslosen Entbindungen, wo ein rundum gesundes und zufriedenes Baby von einer liebenden und optimal vorbereiteten (Um-)Welt sehnsüchtig in Empfang genommen wird, stellt sich in vielen (wiederum mehr als oft vermuteten) Fällen bei den Müttern aber nicht automatisch die – oft von ihnen selbst oder anderen implizit oder explizit geforderte – überschwengliche Mutter-Glückseligkeit ein, sondern, ganz im Gegenteil, höchst ambivalente bis depressive Gefühle. Der nächste Beitrag analysiert daher die Ursachen, Einflußvariablen und Formen dieser postpartalen Stimmungsstörungen (vom "Baby-Blues" über die postpartale Depression bis zu massiven postpartalen Psychosen). Oftmals sind depressive Verstimmungen, eine gewisse Nachdenklichkeit, aber auch "nur" Anzeichen und Ausdruck eines sich verändernden Selbstbildes der Mutter. Diese Identitätsveränderungen, die beide Eltern vor allem nach der Geburt des ersten Kindes erleben, werden im nächsten Kapitel analysiert. Elternschaft geht aber nicht nur mit Veränderungen im Selbstbild, sondern auch mit deutlichen Veränderungen in der Organisation des Alltags einher, wobei manches als Bereicherung, manches als – mehr oder weniger – belastend empfunden wird. Die nächsten Beiträge setzen sich daher eingehender mit typischen positiven bzw. negativen Veränderungen durch den Übergang zur Elternschaft auseinander, zuerst aus Perspektive der Väter, im nächsten Kapitel aus Perspektive der Mütter. Ein Spannungsfeld, aus welchem in weiterer Folge für die meisten Mütter vielfältige Belastungen resultieren, ergibt sich aus dem Wunsch bzw. der Notwendigkeit, (wieder) in den Beruf einzusteigen. Ein Kapitel widmet sich aus diesem Grund speziell Fragen dieses Wiedereinstiegs (über rechtliche Grundlagen, unterschiedliche Arten der Erwerbstätigkeit, Bedeutung der Berufs, Schwierigkeiten beim Wiedereinstieg, Rollenkonflikte erwerbstätiger Frauen usw.). Zusätzlichen, speziellen Belastungen ist eine Gruppe von Müttern ausgesetzt, der in der (deutschsprachigen) Forschung bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde, nämlich den jugendlichen Müttern. Der folgende Beitrag befaßt sich dementsprechend u. a. mit Gründen und Konsequenzen von Schwangerschaften in der Adoleszenz und den Aufgaben des sozialen Umfeldes. Ebenfalls eine Sondergruppe, die (im europäischen Raum) quantitativ allerdings wesentlich mehr – und zunehmend mehr – ins Gewicht fällt, stellen die Alleinerziehenden dar (die allermeisten davon sind Mütter), deren Situation ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Parallel zu dieser Entwicklung "entdecken" aber auch zunehmend mehr Väter (wieder) die Familie als Gegenstand lohnenswerten Engagements, weshalb in den folgenden zwei Beiträgen grundlegend und speziell in "alternativen" Lebensformen (Väter nichtehelicher Kinder, nicht-sorgeberechtigte, alleinerziehende und Väter in Stieffamilien) die Rolle der Väter in der Familie reflektiert wird. Von hohem väterlichen Engagement profitiert aber in der Regel auch die Qualität der elterlichen Partnerschaft, die wiederum sehr maßgeblich (stärker als bis vor kurzem angenommen) die Eltern-, und hier v. a. die Vater-Kind-Beziehung beeinflußt. Der Entwicklung der Partnerschaftsqualität im Zuge des Übergangs zur Elternschaft wird daher in einem eigenen Kapitel entsprechend Beachtung geschenkt. Im Anschluß daran werden exemplarisch zwei empirische Längsschnittstudien zum Übergang zur Elternschaft, aus Düsseldorf und aus München vorgestellt, um Einblicke in aktuelle Forschungsergebnisse, aber auch das methodische Vorgehen zu gewinnen. Daß bei derartigen Untersuchungen unter anderem auch immer kulturelle und gesellschaftliche Einflüsse berücksichtigt werden müssen, wird im nächsten Kapitel analysiert, welches beispielhaft auf das unterschiedliche Elternschaftserleben im konfuzianistisch geprägten Südkorea und in Deutschland eingeht. Aber nicht nur Vergleiche zwischen unterschiedlichen Kulturkreisen ermöglichen eine umfassendere Sichtweise und ein besseres Verstehen der Prozesse beim Übergang zur Elternschaft, sondern auch ein Vergleich mit dem Tierreich. Überlegungen zu den unterschiedlichen Modellen der Nachwuchsbetreuung, speziell bei subhumanen Primaten, und zu dem Einfluß der ökologischen Rahmenbedingungen auf das Pflegeverhalten, insbesondere von Vatertieren, konzentrieren sich auf die Frage des Anteils biologischer Verankerung am Elternverhaltens und runden so die Betrachtungen zum Übergang zur Elternschaft ab.

    Literatur:

    Fthenakis, W. E. (1999). Engagierte Vaterschaft. Die sanfte Revolution in der Familie. Opladen: Leske + Budrich.
    Perrez, M., Lambert, J.-L., Ermert, C. & Plancherel, B. (Hrsg.). (1995). Familie im Wandel. Bern: Huber.
    Petzold, M. (1999). Entwicklung und Erziehung in der Familie. Baltmannsweiler: Schneider.
    Reichle, B. & Werneck, H. (Hrsg.). (1999). Übergang zur Elternschaft. Aktuelle Studien zur Bewältigung eines unterschätzten Lebensereignisses. Stuttgart: Enke.
    Schneewind, K. A. (1999). Familienpsychologie(2. überarbeitete Aufl.). Stuttgart: Kohlhammer.
    Schneewind, K. A. (Hrsg.). (2000). Familienpsychologie im Aufwind. Brückenschläge zwischen Forschung und Praxis. Göttingen: Hogrefe.
    Walper, S. & Schwarz, B. (Hrsg.). (1999). Was wird aus den Kindern? Chancen und Risiken für die Entwicklung von Kindern aus Trennungs- und Stieffamilien. Weinheim: Juventa.
    Werneck, H. (1998). Übergang zur Vaterschaft. Auf der Suche nach den "Neuen Vätern". Wien: Springer-Verlag.
    Zulehner, P. M. (2000). Lieben und Arbeiten. In H. Denz, C. Friesl, R. Zuba & P. M. Zulehner (Hrsg.), Die Wertewelt der ÖsterreicherInnen. Europäische Wertestudie – Österreichteil 1990-2000 (S. 4-40). Wien: Institut für Pastoraltheologie der Universität Wien.



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