17.Jh.: Bolduanus
1616
18.Jh.: Barthelemy (dt. 1802), Diderot (dt. 1984), Gmeiner (1788),
Heumann (1715), Klaus (1757),
Montesquieu (dt. 1944)
19.Jh.: Ast (1807), Bachmann (1811), Hegel (ed. 1982),
Kirchner (1896)
20.Jh.: Burnet (1930), Gadamer (1993), Jaspers (1949),
Kinyongo (1982), Mall und Hülsmann
(1989), Moritz (1988), Nehru (dt
1958), Russell (dt 1962), Thomson
(dt 1980)
Diderot, Denis: Artikel
aus Diderots Enzyklopädie
Naumann, Manfred (Hg.)
Leipzig: Reclam 1984
77: Einige von denen, die den Ursprung der Philosophie zu ergründen
suchen, machen nicht bei dem ersten Menschen halt, der nach dem Ebenbild
Gottes geschaffen wurde, sondern schwingen sich zum Himmel auf, als ob die
Erde keine Stätte wäre, die ihres Ursprungs würdig wäre.
Sie suchen die Philosophie bei den Engeln, wo sie sie uns in ihrem vollen
Glanz zeigen. ...
79: Ich versage mir das Vergnügen, hier zu beweisen, wie kläglich
alle diese Gedankengänge sind, durch die man darlegen will, daß
die Engel und die Teufel Philosophen, ja sogar große Philosophen
seien. Lassen wir diese Philosophie der Bewohner des Himmels und der Unterwelt
auf sich beruhen; sie ist uns zu hoch. Sprechen wir von der Philosophie,
die den Menschen eigentlich zukommt und für die wir zuständig sind.
(Artikel: "Antediluvienne")
Gmeiner, Franz Xaver:
Litterärgeschichte des Ursprungs und Fortgangs der Philosophie, Bd.
I, II.
Grätz: 1788-89.
16: In Rücksicht nun des historischen Ursprunges der Weltweisheit
machen viele unsern Stammvater Adam zum Urheber derselben, und beruffen
sich deshalb auf die Erzählung des Moses, allein es ist noch nicht
außer allem Zweifel gesetzet: ob man in diesem Punkte aus der heiligen
Geschichte etwas Zuverläßiges schöpfen könne.
16f: Da ... aus der Erzählung Mosis sich nicht schließen läßt,
daß Adam eine solche Fertigkeit gehabt habe, so ist bei den ersten
Menschen keine Philosophie im strengen Verstande zu suchen.
18: Indessen kann man unsern Stammältern, und ihren Enkeln eine
natürliche Vernunftlehre keineswegs absprechen, auch würde man
ihnen zu wenig Gerechtigkeit widerfahren lassen, wenn man nicht zugeben
wollte, daß sie ein undeutliches Kenntniß der ersten Grundwahrheiten
hatten, aber von einer deutlichen Einsicht in dieselben zeigt sich nicht
die geringste Spur.
Heumann, Christoph August:
(Hg.) Acta philosophorum, das ist gründliche Nachrichten aus der historia
philosophica. , Bd. I
Halle: 1715
290: Um nun alle Confusion, wie auch alle homonymie, zu
vermeiden, so müssen wir den originem philosophiae Stuffenweis
also beschreiben. Bey denen alten Hebräern finden wir den Ursprung
(zwar nicht der Philosophie, aber doch) der schlechten und einfältigen
Weissheit. In Chaldaea und Egypten, sonderlich aber in dieser letzten
Landschafft, sind nicht nur allerhand Künste, sondern auch das Studiren
(aber nicht das studium philosophicum) ausgeübet und cultiviret
worden. Die Griechen haben zu erst die Flügel ihres Verstandes in die
Höhe geschwungen, und zu philosophiren angefangen: jedoch also, dass
sie anfänglich nur particulariter philosophirten, mit der Zeit
aber auch systematice, und endlich gar universaliter und systematice
zugleich, oder, mit einem Worte, pansophice. Von denen Griechen haben
die Christen die Philosophie geerbet, welche, weil sie vollkommen reine Religion,
und also eine göttliche Offenbarung darbey haben, auch die gelehrtesten
Griechischen Philosophos an Weissheit übertreffen können.
Klaus, Michael: Brevis introductio
in philosophiam comprehendens tum doctrinam tum historiam philosophiae.
Viennae: Trattner. 1757.
19: Ortum Philosophiae suum ad mundi exordium refert, & primum hominem,
primum sui cultorem censet ... Et certe sine sapientia fieri non potuisse
vel Plato (in Cratylo) existimavit, ut omne, quod vocavit Adam, animae
viventis, ipsum sit nomen ejus (Genes. Cap. II, v.19)
((Inhalt:))
Marginalia 23ff:
Philosophia antiquissima.
Duplex est, Sacra & Barbara.
Sacra comprehendit Philosophiam Patriarcharum. Mosaicam. Regum Juda &
Israel. Hebraeorum. Cabalistarum.
Barbara quadrifariam dividitur:
Orientalium prima, est Chaldaeorum, seu Astronomorum. Duplex partitio
Chaldaeorum. Persarum seu Magorum. Indorum. Sinensium Triplex periodus. Malabarica.
Siamensium. Sabaeorum. Phoenicum. Meridionalium, speciatim Aegyptiorum.
In Mauretania Atlanticorum. Lybicorum.
Occidentalium Philosophiae: Celtarum cum primis. Celebres ist-hic Druidae.
Bardi. Huc revocandi Tyrrheni. Hyperboreum Philosophia ad Thraces. Scythasque
porrigitur. Veterum Chemica Secta huc forsitan referenda.
37: Antiqua Graeca Philosophiae
Origo philosophiae apud Graecos
Mythologicam consectari sunt Prometheus, Linus, Orpheus, Musaeus etc.;
Politicam septem sapientes excoluerunt; Adulta jam apud Graecos Philosophie
trifariam spectatur universe: Italica, Jonica, Eclectica.
Montesquieu, Charles
de Secondat (1689-1755): Vom glücklichen und weisen Leben.
Stuttgart: Spemann. 1944.
150: Die Mythenschöpfer, die sich vor der schwierigen Aufgabe sahen,
die Geschichte und das Geschlecht der
151: Götter zu entwirren, schlugen zwei Wege ein. Die einen - die
Dichter und ihre Erklärer - unterschieden und vermehrten die Gottheiten.
Die andern waren subtiler und wollten alles vereinfachen, auf eines zurückführen
und miteinander verschmelzen; dazu gehörten die Philosophen.
Bachmann, Carl Friedrich:
Über Philosophie und ihre Geschichte. Drei academische Vorlesungen.
Jena: Crökersche Buchhandlung. 1811.
74: ... ob man nämlich auch die orientalischen Völker, die
Indier, Perser etc. in dieselbe aufnehmen, oder gleich bey den Griechen
anheben solle. ... Die Entscheidung der Frage beruht auf der Ansicht der
Philosophie.
((Philgesch. als Wissenschaft: Anfang bei den Griechen; wenn aber: Asien
und Europa als Einheit; Orient ist Wiege der Menschheit; Vernunft und Gemüt
als Quellen))
76: so verdienen sie allerdings einen ehrenvollen Platz in der Geschichte
der Philosophie, wovon sie niemand ohne großes Unrecht vertreiben
kann. ((Aber: Unterscheidung zwischen Mythen und Philosophie nötig:))
denn die mythologischen Dichtungen derselben sind eine in das Gewand der
Poesie gekleidete Sammlung nationeller Sagen, Begriffe und Meynungen, die
Lehren ihrer Weisen hingegen sind Resultate ihrer Forschungen über
das Wesen der Gottheit und der Dinge.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich:
Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie
Zitierte Texte aus: Irrlitz, Gerd und Karin Gurst (Hg.): Bd. 1
Leipzig: Philipp Reclam jun. 1982
91: Anfang der Philosophie und ihrer Geschichte
In der Philosophie ist der Gedanke, das Allgemeine als Inhalt, der alles
Sein ist. Dieser allgemeine Inhalt muß bestimmt werden; es wird sich
zeigen, wie diese Bestimmungen nach und nach in der Geschichte der Philosophie
hervortreten.
91:...da fängt die Philosophie an, wo das Allgemeine als das allumfassende
Seiende aufgefaßt wird oder wo das Seiende in einer allgemeinen Weise
gefaßt wird, wo das Denken des Denkens hervortritt. Wo ist nun dies
geschehen? Wo hat dies begonnen? Das ist das Historische der Frage.
92: Der eigentliche Anfang der Philosophie ist da zu machen, wo das Absolute
nicht als Vorstellung mehr ist, sondern der freie Gedanken - nicht bloß
das Absolute denkt - die Idee desselben erfaßt...
Die Gesetzgebung, der ganze Zustand des Volkes hat seinen Grund allein
im Begriffe, den der Geist sich von sich macht, in den Kategorien, die
er hat. Sagen wir, zum Hervortreten der Philosophie gehört Bewußtsein
der Freiheit, so muß dem Volke, wo Philosophie beginnt, dies Prinzip
zugrunde liegen; nach der praktischen Seite hängt damit zusammen, daß
wirkliche Freiheit, politische Freiheit aufblühe...
93: In der Geschichte tritt daher die Philosophie nur da auf, wo und
insofern freie Verfassungen sich bilden. Der Geist muß sich trennen
von seinem natürlichen Wollen, Versenktsein in den Stoff. Die Gestalt,
mit der der Weltgeist anfängt, die der Stufe jener Trennung vorausgeht,
ist die Stufe der Einheit des Geistes mit der Natur, welche, als unmittelbar,
nicht das Wahrhafte ist. Das ist das orientalische Wesen überhaupt;
die Philosophie beginnt in der griechischen Welt.
93: Abscheiden des Orients und seiner Philosophie
95: Der Geist geht wohl im Orient auf, aber das Verhältnis ist noch
ein solches, daß das Subjekt nicht als Person ist, sondern im objektiven
Substantiellen (welches teils übersinnlich, teils auch wohl mehr materiell
vorgestellt wird) als negativ und untergehend erscheint. Das Höchste,
zu dem die Individualität kommen kann, die ewige Seligkeit, wird vorgestellt
als ein Versenktsein in die Substanz, ein Vergehen des Bewußtseins
und so des Unterschiedes zwischen Substanz und Individualität, mithin
Vernichtung. Es findet mithin ein geistloses Verhältnis statt, insofern
das Höchste des Verhältnisses die Bewußtlosigkeit ist.
95: So unbestimmt die Substanz der Orientalen ist, so unbestimmt, frei,
unabhängig kann auch der Charakter sein. Was für uns Rechtlichkeit,
Sittlichkeit, ist dort im Staate auch - auf substantielle, natürliche,
patriarchalische Weise, nicht in subjektiver Freiheit. Es existiert nicht
das Gewissen, nicht die Moral; es ist nur Naturordnung, die mit dem Schlechtesten
auch den höchsten Adel bestehen läßt. Die Folge davon ist,
daß hier kein philosophisches Erkennen stattfinden kann.
96: Das Orientalische ist so aus der Geschichte der Philosophie auszuschließen;
im ganzen aber will ich doch davon einige Notizen geben, besonders über
das Indische und Chinesische. Ich habe dies sonst übergangen; denn
man ist erst seit einiger Zeit in den Stand gesetzt, darüber zu urteilen.
Man hat früher großes Aufsehen von der indischen Weisheit gemacht,
ohne zu wissen, was daran ist; erst jetzt weiß man dies, und es fällt
natürlich dem allgemeinen Charakter gemäß aus.
96: Beginn der Philosophie in Griechenland
96: Die eigentliche Philosophie beginnt im Okzident. Erst im Abendlande
geht diese Freiheit des Selbstbewußtseins auf, das natürliche
Bewußtsein in sich unter damit der Geist in sich nieder. Im Glanze des
Morgenlandes verschwindet das Individuum nur; das Licht wird im Abendlande
erst zum Blitze des Gedankens, der in sich selbst einschlägt und von
da aus sich seine Welt erschafft.
Kirchner, Friedrich:
Geschichte der Philosophie von Thales bis zur Gegenwart, 3. Aufl.
Leipzig: Weber. 1896.
Zitiert nach der 4. Aufl. hg. v. Georg Runze Leipzig 1911
((Orientalische Philosophie?))
13: Der Orient, von geknechteten, unmündigen, phantastischen Volksherden
bewohnt, konnte nur Religionssysteme, keine Philosophie hervorbringen.
Was von "orientalischer Philosophie" geredet wird, ist Fabel oder Mißverständnis.
Die Juden waren ohne philosophische Anlage. Zoroasters Zend-Avesta
enthält neben der dualistischen Idee nur religiöse und physikalische
Lehren, was darin Philosophisches ist, stammt von späteren, griechischen
Einflüssen her. Von der bei den
14: Griechen viel gerühmten ägyptischen Weisheit wissen
wir heute nicht mehr als damals, denn sie gehört ins Reich der Sage.
Kongfutse und Laotse haben den Chinesen nur praktische Moral
und eine symbolische Mythologie über Himmel und Erde gebracht.
Ja, selbst die höchste dieser orientalischen Spekulationen, die
indische, bietet unter grotesken, oft abenteuerlichen Sagen nur
den einen großen Gedanken, daß alles aus der einen Naturkraft
hervorgehe und in dieselbe zurückkehre ...
Aber hier, wie bei allen orientalischen Urkunden, macht die Unsicherheit
der Zeitbestimmung jede genauere Angabe unmöglich.
13: Von Philosophieren kann erst bei den Hellenen die Rede sein. Dieses
hochbegabte, unter glücklichem Himmel im günstigsten Lande wohnende
Volk hat zuerst eine Ahnung von der Würde und Aufgabe des Menschengeistes
gehabt.
Gadamer, Hans Georg: Europa
und die Oikoumene. In:
Gander, Hans-Helmuth (Hg.) Europa und die Philosophie
Frankfurt/M.: Klostermann 1993, S. 67-86.
68: Es ist im Grunde völlige Willkür, ob wir das Gespräch
eines chinesischen Weisen mit seinem Schüler Philosophie nennen oder
Religion oder Dichtung.
((Vergleichbares treffe auf indische Traditionen zu. Es sei der)) Begriff
der Philosophie ... noch nicht auf die großen Antworten anwendbar,
die die Hochkulturen Ostasiens und Indiens auf die Menschheitsfragen, wie
sie in Europa durch die Philosophie immer wieder gefragt werden, gegeben
haben.
Jaspers, Karl: Ursprung
und Ziel der Geschichte
Frankfurt/M.: Fischer 1956 (zuerst: 1949)
Charakteristik der Achsenzeit
In dieser Zeit drängt sich Außerordentliches zusammen. In
China lebten Konfuzius und Laotse, entstanden alle Richtungen der chinesischen
Philosophie, dachten Mo-Ti, Tschuang-Tse, Lie-Tse und ungezählte andere,
- in Indien entstanden die Upanischaden, lebte Buddha, wurden alle philosophischen
Möglichkeiten bis zur Skepsis und bis zum Materialismus, bis zur Sophistik
und zum Nihilismus, wie in China, entwickelt, - in Iran lehrte Zarathustra
das fordernde Weltbild des Kampfes zwischen Gut und Böse, - in Palä-
15: stina traten die Propheten auf von Elias über Jesaias und Jeremias
bis zu Deuterojesaias, - Griechenland sah Homer, die Philosophen - Parmenides,
Heraklit, Plato - und die Tragiker, Thukydides und Archimedes. Alles, was
durch solche Namen nur angedeutet ist, erwuchs in diesen wenigen Jahrhunderten
annähernd gleichzeitig in China, Indien und dem Abendland, ohne daß
sie gegenseitig voneinander wußten.
Das Neue dieses Zeitalters ist in allen drei Welten, daß der Mensch
sich des Seins im Ganzen, seiner selbst und seiner Grenzen bewußt
wird. ...
Es erwuchsen geistige Kämpfe mit den Versuchen, den andern zu überzeugen
durch Mitteilung von Gedanken, Gründen, Erfahrungen. ...
In diesem Chaos wurden die Grundkategorien hervorgebracht, in denen wir
bis heute denken, und es wurden die Ansätze der Weltreligionen geschaffen,
aus denen die Menschen bis heute leben. In jedem Sinne wurde der Schritt
ins Universale getan.
Durch diesen Prozeß wurden die bis dahin unbewußt geltenden
Anschauungen, Sitten und Zustände der Prüfung unterworfen, in Frage
gestellt, aufgelöst. Alles geriet in einen Strudel. Soweit die überlieferte
Substanz noch lebendig und wirklich war, wurde sie in ihren Erscheinungen
erhellt und damit verwandelt.
Das mythische Zeitalter war in seiner Ruhe und Selbstverständlichkeit
zu Ende. Die griechischen, indischen, chinesischen Philosophen und Buddha
waren in ihren entscheidenden Einsichten, die Propheten in ihrem Gottesgedanken
unmythisch. Es begann der Kampf gegen den Mythos von seiten der Rationalität
und der rational geklärten Erfahrung (der Logos gegen den Mythos),
- weiter der Kampf um die Transzendenz des Einen Gottes gegen die Dämonen,
die es nicht gibt, - und der Kampf gegen die unwahren Göttergestalten
aus ethischer Empörung gegen sie. ...
16: Diese gesamte Veränderung des Menschseins kann man Vergeistigung
nennen. ... Der Mensch ist nicht mehr in sich geschlossen. Er ist sich
selbst ungewiß, damit aufgeschlossen für neue, grenzenlose Möglichkeiten.
...
Zum erstenmal gab es Philosophen. Menschen wagten es, als Einzelne sich
auf sich selbst zu stellen. Einsiedler und wandernde Denker in China, Asketen
in Indien, Philosophen in Griechenland, Propheten in Israel gehören
zusammen, so sehr sie in Glauben, Gehalten, innerer Verfassung voneinander
unterschieden sind. ...
Kinyongo, Jean: La philosophie
africaine et son histoire. In: Les Études Philosophiques, Paris.
1982. Nr. 4, S. 407-418
407: L'on sait ... que pour certains théoreticiens de l'histoire,
celle-ci se situe inéluctablement dans un cadre quadripartite comprenant
une unité de lieu qui devrait être l'Europe; une unité
d'origine qui ne serait que grecque; une unité de temps
actualisée par le calendrier européen et une unité
d'action qui s'enfonce bien loin dans le temps: des Présocratiques
à M. Heidegger.
((Bekanntlich spielt sich nach gewissen Theoretikern die Geschichte innerhalb
eines vierfachen Rahmens ab, der eine Einheit des Ortes kennt -
der Ort ist Europa; eine Einheit des Ursprungs- dieser ist griechisch;
eine Einheit der Zeit - im europäischen Kalender, und eine
Einheit des Handelns, die sich über weite Zeiträume erstreckt,
von den Vorsokratikern bis zu M. Heidegger. dt.: FW))
Mall, Ram Adhar; Hülsmann,
Heinz: Die drei Geburtsorte der Philosophie. China, Indien, Europa.
Bonn: Bouvier. 1989.
56: Die heutigen gegenseitigen Kontakte der Kulturen, Philosophien und
Religionen stellen eine nie dagewesene Herausforderung dar, und von dem
Ausgang dieser Begegnung hängt die Zukunft der Menschheit ab. Bis jetzt
haben die Philosophen, Hegel eingeschlossen, mehr oder minder eine Einheit
gedacht, spekulativ sich vorgestellt und von einem bestimmten mehr oder
minder nationalen philosophischen Standpunkt her, diesen fast immer verabsolutierend,
das Schema einer Weltgeschichte der Philosophie entworfen. Heute ist ein
solches Schema nicht mehr am Platze.
58f.: Wir sind der Ansicht, daß die Hegelsche Art der Geschichtsbetrachtung
heute nicht nur nicht ausreicht, sondern prinzipiell verfehlt ist und einer
interkulturellen Kommunikation im Wege steht. Dazu lassen sich folgende
Gründe angeben: 1) Für Hegel gilt die Geburt Christi als die Achse
der Weltgeschichte. ... Einem solchen Denken ist heute der Boden entzogen
worden. 2) Die Geschichtsauffassung Hegels und auch die seiner Nachahmer
zeugt von einer Glaubensthese, welche die gesamte Geschichte von einem Offenbarungsgeschehen
oder spekulativ-ideologischen Denken her begreift. Das absolut Wahre ist
uns weder in einer historisch lokalisierten Offenbarung noch in einer Ideologie
gegeben. Ließe (59) man eine theologische Geschichtsdeutung zu, so
müßte man gerechterweise dem religiösen Pluralismus entsprechend
auch eine vielfältige gläubige Geschichtsdeutung zugestehen. 3)
Die einheitliche Vernunft in der Geschichte ist ein Dogma. Daß in der
Geschichte Vernunft herrscht, muß sich noch zeigen. Wer dem Fortschritt
gegenüber skeptisch ist, ist deswegen kein Irrationalist.
195f.: Vergleicht man die indische Philosophie mit der europäischen,
so stellt man sowohl verblüffende Ähnlichkeiten als auch erhellende
Differenzen fest. Die Ähnlichkeiten bestehen in dem Befassen mit den
Problemen der Welt, Seele, Immanenz, Transzendenz u.a. Zum Teil werden
auch ähnliche Lösungsmöglichkeiten bzw. Theorien vorgeschlagen,
freilich mit anderer Akzentuierung, unterschiedlicher Formulierung und
Argumentation.
Die Differenzen treten bei Fragen auf, die für die indischen Philosophen
von fundamentaler Bedeutung, während sie für die europäischen
Philosophen nicht von Rang sind. Dies betrifft z.B. die Genesis (utpatti)
und das Erfassen bzw. Gewahrwerden (jnapti) der Wahrheit (pramanya). Auch
hier erkennt man den Brückenschlag zur Religion, das Intuitive, Unmittelbare,
Spirituelle darf nicht außer acht gelassen werden.
Andererseits haben die indischen Philosophen einige für die europäische
Philosophie sehr wichtige Fragen gar nicht gestellt oder nur oberflächlich
behandelt: Erkenntnis in bezug auf Vernunft und Erfahrung, die Unterscheidung
zwischen synthetischen und analytischen Urteilen, zwischen kontingenten
und unbedingten Wahrheiten. Dies führt uns zu der Überzeugung,
daß das Studium der europäischen Philosophie für die indische
und das der indischen für die europäische nützlich ist. Wir
vertreten eine Komplementaritätsthese hinsichtlich der beiden Philosophien.
Moritz, Ralf, Hiltrud Rüstau
und Gerd-Rüdiger Hoffmann: (Hg.) Wie und warum entstand Philosophie
in verschiedenen Regionen der Erde?
Berlin: Akademie-Verlag 1988
8: In Indien, China und Griechenland hat sich philosophisches Denken
als solches autochthon ausgeprägt, wenngleich gerade in Griechenland
Elemente anderer Kulturen - so Ägyptens - mit zur Schaffung von Voraussetzungen
dafür beigetragen haben. Es fällt auf, daß dort, wo philosophisches
Denken als solches autochthon entstanden ist, dies in deutlicher Distanz
zu vorangegangenen religiösen Vorstellungen geschah ... (R. Moritz)
Nehru, Jawaharlal: Briefe
an Indira. Weltgeschichtliche Betrachtungen.
Düsseldorf: Progress. 1958.
43: Um diese Zeit (= um 600 v., FW) gab es eine Anzahl großer Männer.
Es waren die großen
44: Denker, die Begründer von Religionen in den verschiedenen Ländern,
in China, Indien, Persien und Griechenland. Sie lebten nicht alle um die
gleiche Zeit. Aber ihr Auftreten erfolgte immerhin in so dichter Zeitfolge,
daß man das sechste Jahrhundert vor Christus ohne weiteres als eine
hochinteressante Epoche bezeichnen kann. Damals muß eine Woge des
Denkens um die ganze Welt gegangen sein, eine Woge der Unzufriedenheit mit
den bestehenden Verhältnissen und der Hoffnung und Aussicht auf etwas
Besseres.
Russell, Bertrand: Denker
des Abendlandes. Eine allgemeinverständliche Geschichte der Philosophie.
Stuttgart: Belser. 1962.
10: Die Philosophie wie auch die exakte Wissenschaft beginnt dann, wenn
jemand eine allgemeine Frage stellt. Das erste Volk, das eine solche Wißbegier
zeigte, war das griechische. Die Philosophie und die exakte Wissenschaft,
wie wir sie heute auffassen, sind griechische Entdeckungen. ... Weder vorher
noch nachher geschah etwas Ähnliches. ...
Die Philosophie und die exakte Wissenschaft begann mit Thales von Milet
im 6. Jahrhundert vor Chr.
Thomson, George: Die ersten
Philosophen (=Forschungen zur altgriechischen Gesellschaft Bd. 2). Berlin:
Verlag Das Europ. Buch 1980 (4. Aufl., zuerst engl. 1955)
50: Die chinesischen Sprichwörter sind ebenso charakteristisch für
die Frühkonfuzianer wie die griechischen für die Vorsokratiker.
Aber das ist noch nicht alles. Die chinesischen Denker dieser Epoche befaßten
sich, wie die griechischen, mit der Gesamtheit des Lebens, mit dem Menschen
und mit der Natur. Ihr Ziel war, mittels rationaler Untersuchung ein wahres
Bild von der Welt um sich herum zu gewinnen und nach der erkannten Wahrheit
zu leben. Daher befaßten sie sich mit Ethik nicht weniger als mit
Physik und suchten auf beide Wissenszweige die gleichen Grundsätze
anzuwenden.
Letzte Bearbeitung: 6. Dezember 1998
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