Thema 1: Einleitung
Thema 2a: Griech. Antike
Thema 2b: China
Thema 2c: Frühe Neuzeit
Thema 3a: Aufklärung

Thema 3b: Kantzeit
Thema 3c: Hegel und Marx

Thema 4: entfällt in diesem Semester
Thema 5: Postkoloniale, feministische und interkulturelle Perspektiven
Thema 6: Globale Philosophiegeschichte

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Geschichte der Philosophiehistorie: Einleitung

(Vorlesung von Franz M. Wimmer, Wien, Version WS 2014)

Themen:
Begriffliches: Perspektivität | Philosophiebegriff 

Thesen zum Gegenstand:
Inhaltliches | Individuelles Denken | Empirizität | Historizität | Periodisierungen | Klassifikation | Interpretamente

Gattungen, Beschreibungsformen, Funktionen:
Unterscheidung nach dem Gegenstand:
Bibliographie | Doxographie | Biographie | Problemgeschichte | Institutionengeschichte
Unterscheidung nach der Beschreibungsform:
chronologisch | entwicklungsgeschichtlich | kanonisch | systematisch
Unterscheidung nach der Funktion:
Traditionsbildung | Heuristik | Wissenschaftsplanung | Wertorientierung

Literaturhinweise


Wenn wir uns mit der Geschichte der Geschichtsschreibung der Philosophie befassen, so ist es nicht nur nützlich, sondern notwendig, vorweg einige begriffliche Überlegungen darüber anzustellen, was mit den einzelnen Ausdrücken bezeichnet werden soll, also mit "Philosophie", mit deren "Geschichte" und mit der Beschreibung dieser Geschichte. Wir haben es hier mit einer akademisch-wissenschaftlichen Disziplin zu tun und wollen wissen: ist diese historische Disziplin, deren Gegenstand die Geschichte oder Abschnitte aus der Geschichte der Philosophie sind, überhaupt eine Wissenschaft? Wenn ja, was macht sie dazu, das heißt: aufgrund welcher Daten, Erklärungen oder Theorien bringt sie Erkenntnisse und wie zuverlässig sind diese? Aufgrund welcher Probleme und Fragestellungen befassen wir uns mit der Geschichte der Philosophie, wozu hat man sich in anderen Epochen damit befasst, in ähnlicher oder auch in anderer Weise als in der Gegenwart? Derartige Fragen stehen hinter den einleitenden methodologischen Überlegungen, auf deren Hintergrund wir uns dann mit einigen wichtigen Stationen in der Geschichte der Philosophiegeschichtsschreibung befassen werden.

Es gibt zunächst einmal die Möglichkeit, da von einer historiographischen Disziplin die Rede ist, diese mit anderen ähnlichen Disziplinen zu vergleichen. Eine ganze Reihe davon könnte in Frage kommen: die Geschichte der Literatur, der Wissenschaft, der Kunst, die Sozialgeschichte, Religionsgeschichte, aber vielleicht auch die Staatsgeschichte oder die Geschichte der Lebensformen bis hin zur Geschichte der Arten. Insgesamt sind diese und andere einschlägige Disziplinen sowohl in der Gegenwart als auch in ihren historischen Entwicklungen so weitreichend voneinander verschieden, dass sie nicht nur in der Verwaltungspraxis von Universitäten oft getrennt sind, sondern auch in ihren Terminologien, ihren Theorieansätzen und Gegenstandsbestimmungen wenig Gemeinsamkeiten aufweisen. Wenn das so ist: können oder sollen wir die Philosophiehistorie dann überhaupt mit einer dieser Disziplinen vergleichen? Ist es nicht vielleicht so, dass diese Disziplin einen ganz eigenartigen Gegenstand, eine besondere Terminologie und eigene Fragestellungen hat, die für die anderen historischen Disziplinen so nicht gegeben sind? Oder anders gefragt: sollte die Geschichtsschreibung der Philosophie sich denn überhaupt mit Fragen befassen, wie sie etwa von der Geschichte der Kunst, der Architektur, der Literatur oder auch der Politik behandelt und zu klären gesucht werden? Sollte sie womöglich auch die Geschichte der Kulturformen oder der biologischen Arten berücksichtigen? Ist nicht der Entwicklungsgang der Philosophie von all diesen Gegenständen so unabhängig, dass seine Geschichte gleichsam in einer autonomen Weise beschrieben werden muss?

Zumindest ein Sachverhalt spricht gegen ein derart autonomistisches Verständnis der Geschichte des philosophischen Denkens, nämlich der Umstand, dass dieses Denken stets mit den Mitteln einer Zeit, Kultur, Sprache vor sich geht und sich auch nicht anders äußern kann als mit solchen besonderen Mitteln. Es ist aber auch auffallend, dass immer wieder so etwas wie Familienähnlichkeiten zwischen den Ausdrucksformen der Philosophie und denjenigen anderer geistiger Tätigkeiten, etwa der Musik, der Architektur, der Literatur, oder auch der Kochkunst vorkommen - sodass es nicht einfach absurd klingt, von einer byzantinischen oder chinesischen Küche und Dichtkunst ebenso zu sprechen wie von einer byzantinischen oder chinesischen Philosophie.

Ein zweiter Umstand zwingt uns außerdem noch dazu, ein allzu autonomistisches Verständnis von "Philosophie" und deren "Geschichte" abzulehnen: es sind nicht einfach nur die Ausdrucksmittel des Denkens verschieden - das könnte man vielleicht noch als Frage des Stils für nebensächlich halten -, sondern auch dessen Objekte, dasjenige, worauf sich die Aufmerksamkeit des Denkens gerichtet, was es überhaupt als aufklärungsbedürftig, als problematisch erfasst hat. Nicht nur das: es gibt durchaus auch Unterschiede darin, was jeweils als selbstverständlich und unproblematisch angesehen wird. In diesem Sinn könnte man sagen, dass es so etwas wie byzantinische und chinesische philosophische Fragestellungen oder Probleme gibt, die etwa von US-amerikanischen oder afrikanischen philosophischen Fragestellungen der Gegenwart verschieden sind. 

Perspektivität

Befassen wir uns etwas näher mit den literarischen Formen von Arbeiten, die Titel tragen wie „Geschichte der Philosophie“ oder ähnliche, und beschränken wir unsere Aufmerksamkeit dabei nicht auf die unmittelbare Gegenwart, so werden wir bemerken, dass diese Versuche, „die“ Geschichte „der“ Philosophie zu beschreiben, ganz und gar kein einheitliches Bild liefern: Sie grenzen ihren Gegenstand auf unterschiedliche Weise ab; sie verwenden unterschiedliche Erklärungsmuster und Begriffe, um ihren Gegenstand zu erfassen; immer wieder ändern sich die Namen, aber auch die Abgrenzungen für Perioden, für Schulrichtungen oder auch für spezielle Bereiche der Philosophie; sie berichten auch nicht immer über dieselben AutorInnen, Werke oder Fragestellungen.

Da solcherlei nicht nur eine Frage des Sprachgebrauchs ist, da es vielmehr das Verständnis der Problemformulierung wie der formulierten Theorien, und letztlich das Verständnis davon betrifft, welche Art von Problemen die Philosophie behandeln oder lösen soll oder kann, ist es notwendig, sich über einen Begriff von Philosophie zu verständigen, der aus der Geschichte – oder zumindest aus der Geschichtsschreibung – dieser Disziplin allein nicht zu gewinnen ist, jedenfalls dann nicht, wenn man dem Rat nicht folgt, den Mephisto dem Schüler bezüglich des Theologiestudiums gibt: „Am besten ist's auch hier, wenn Ihr nur einen hört / Und auf des Meisters Worte schwört.“ (Goethe, Faust 1)

Damit jetzt nicht der Eindruck entsteht, die Normalität, das normale Bild von Philosophie, das uns die Philosophiehistorie schildert, sei doch trotz aller Unterschiede in Details insgesamt einheitlich und recht plausibel, möchte ich einen Fall erwähnen, der zeigt, was einem „Schüler“ zustoßen kann, wenn er mehr als einen „Meister“ liest: Es kann ihm schlicht zweifelhaft werden, ob sich hinter dem Namen „Immanuel Kant“ nicht doch vielleicht mehrere Personen verbergen. Dieser Name eignet sich für den fraglichen Punkt deshalb sehr gut, weil bei seinem Träger keine Kontroversen darüber zu erwarten sind, ob er in der Geschichte der Philosophie eine Rolle spielt und darum auch in jeder allgemeinen Beschreibung dieser Geschichte vorkommen sollte. Dass Immanuel Kant ein Philosoph sei, kann man nun schon seit seiner Lebenszeit und überall auf der Welt behaupten. Man braucht nicht zu befürchten, dass diese Zuordnung angezweifelt wird. Dasselbe lässt sich noch für ein paar andere Namen sagen, aber nicht für allzu viele. Bleiben wir nur bei Kandidaten aus dem deutschsprachigen Raum, so wären beispielsweise Wittgenstein, Carnap, Nietzsche, Marx prominente Beispiele dafür, dass die Zugehörigkeit eines Werks zur Philosophie durchaus nicht unumstritten war oder ist. Weder das allgemeine Urteil der Mitwelt eines Denkers, noch das der Nachwelt ist da immer unwiderruflich. Zwei Beispiele aus unterschiedlichen Kulturtraditionen können diesen Punkt verdeutlichen.

Der Konfuzianer Mencius gilt als Klassiker in seiner Tradition; wer sich nur etwas mit dem Konfuzianismus befasst, in China oder im Westen, wird ihm begegnen. Er war für sechzig Generationen von Konfuzianern vergessen und wurde erst im Neokonfuzianismus der Song-Zeit zum Klassiker, der er seither geblieben ist. Es kommt auch vor, dass ein prominenter Philosoph – oder eine ganze Gruppe davon – seinen Titel verliert, weil er einem Wissenschaftsideal nicht (mehr) entspricht. Er kann ihn dann später wieder erlangen. Die Absenz und Präsenz neuplatonischer Autoren bietet Beispiele dafür. So gliederte Pierre Bayle den Porphyrius aus der Reihe ernstzunehmender Philosophen aus, weil dieser sich einiger Künste – der Bilokation, der Elevation – gerühmt hatte, was mit einem geordneten Vernunftgebrauch nicht vereinbar sei. Bei Kant jedoch können wir uns zumindest bislang für diesen Punkt jede Argumentation sparen – er ist ein Philosoph. Aber: Was macht ihn eigentlich dazu, was ist Kants hauptsächliche Leistung als Philosoph? Die Antworten auf diese Frage sind nicht nur im Detail, sondern sehr weitreichend verschieden.

Ich nehme also an, Mephistos „Schüler“ beachtet den Rat nicht, er liest auch nicht selbst Kants Arbeiten, sondern orientiert sich an verschiedenen Darstellungen von „Meistern“, die dieses Werk darstellen: an Bertrand Russells „Philosophie des Abendlandes“1, an der „Geschichte der Philosophie“ von einem Autorenkollektiv der Akademie der UdSSR2, an dem von Theodor Haering3 herausgegebenen Band „Das Deutsche in der Deutschen Philosophie“ und schließlich an Frederick Coplestons „A History of Philosophy“4. Die genannten Darstellungen haben den Vorteil, dass sie einigermaßen gleichzeitig, um die Mitte des 20. Jahrhunderts, geschrieben wurden und wir daher einen etwa gleichen Wissensstand annehmen dürfen. Sie haben den Nachteil, dass zwei davon aufgrund ihrer Nähe zur nationalsozialistischen bzw. zur marxistisch-leninistischen Ideologie inzwischen nicht mehr nachgedruckt und kaum mehr gelesen werden. Zu ihrer Zeit waren deren Autoren in ihrem jeweiligen Kontext aber durchaus ebenso autoritativ wie es Russell in der analytischen und Copleston in der neuthomistischen Philosophie nach wie vor sind. Darum bezeichne ich sie alle als „Meister“ in ihrer Zeit, die mich über „Kant“ informieren können, zumal mir nicht bekannt ist, dass die beiden Ausgeschiedenen dieses Schicksal aufgrund ihrer Einschätzung von Kants Werk ereilt hat.

Mir erscheint aber nach dieser Lektüre Kant nicht mehr als gefestigte Denkpersönlichkeit, und es ist mir auch nicht mehr klar, was eigentlich den Philosophen Kant ausmacht. Russell schildert mir „Kant“ als einen großen Erkenntnistheoretiker. Sein Hauptwerk sei die „Kritik der reinen Vernunft“, das vorkritische Werk Vorbereitung dafür, die späten Arbeiten seien nicht mehr recht ernstzunehmen. Nach Auffassung der sowjetischen Akademie habe „Kant“ seine großen Leistungen in der vorkritischen Periode als Theoretiker der Naturwissenschaften erbracht. Später habe er sich mehr und mehr in Widersprüche verstrickt, er habe damit die Situation des deutschen Bürgertums im Feudalstaat widergespiegelt; diese Widersprüche seien fundamental und für „Kant“ nicht lösbar gewesen: zwischen dem Ding an sich und der Erfahrungswelt; zwischen der Unmöglichkeit einer natürlichen Theologie und der notwendigerweise vorausgesetzten Existenz Gottes, usw. Das Spätwerk sei ein Rückfall in die Metaphysik. Der deutsche „Kant“ hingegen habe die Vernunftkritik zwar anstellen müssen aus der „Artung“ des Deutschen heraus, überall bis an die Grenze zu gehen, aber er sei, als preußisch-protestantischer Heros, dem damit verbundenen französischen Zeitgeist doch nicht auf Dauer verfallen. Sein ganzes Denken laufe auf die „Kritik der Urteilskraft“ hinaus, das Alterswerk sei die Krönung, wofür die „Kritik der reinen Vernunft“ lediglich eine später entbehrliche Vorstufe gewesen sei. Ein wieder anderer „Kant“ begegnet mir bei dem Neothomisten Copleston: nun steht doch wieder die „Kritik der reinen Vernunft“ als das zentrale Werk da, aber dies sei weniger eine Theorie der Erkenntnis, als vielmehr der missglückte, weil verkürzte Versuch einer Metaphysik. „Kants“ Unklarheiten und Widersprüche (hier ganz ähnlich wie von der sowjetischen Akademie aufgezählt) seien auf seine Unkenntnis der philosophischen Tradition zurückzuführen.

Ich will mit diesem (gewiss sehr verkürzten) Exzerpt zum Thema „Kant“ aus vier Meistern keineswegs sagen, dass ich meinerseits klar wisse und sagen könne, was Kant gedacht hat und was daran warum wichtig und bleibend sei. Worauf ich aufmerksam machen will, ist nur: Das Ergebnis dessen, was Philosophiehistorie tut, ist jeweils auch eine „story“. Selbst wenn manche dieser stories so gut erzählt sind, dass es den Zeitgenossen fast unmöglich erscheint, sie anders zu erzählen, so verflüchtigt sich dieses Vertrauen in die story-teller mit gewissem zeitlichem Abstand. Es kann aber auch, wie der vierfache „Kant“ zeigt, mit ideologischen Abständen zu tun haben, was eine Darstellung plausibel oder unplausibel macht.

Im gegensätzlichen Fall, wenn Philosophen diesen Titel verlieren, sind ähnliche Beobachtungen zu machen. Das kann die Denkleistungen einzelner AutorInnen und Schulrichtungen, aber gelegentlich auch ganze Epochen, Kulturregionen oder des gesamten weiblichen Teils der Menschheit betreffen. Dass solche Exkommunikationen nicht immer unwiderruflich sind, haben wir an den Fällen von Mencius und Porphyrius schon gesehen. Eine ganze Epoche, der dies widerfahren ist, kennen wir heute immer noch unter dem Namen „Mittelalter“, der zwar als verdeutlichendes Beiwort manchmal als „finster“ erweitert wird, der aber doch lange schon nicht mehr so abfällig klingt, wie er einmal gemeint war. Was in der frühen Neuzeit „Mittelalter“ genannt wurde, würden wir heute, wenn der Name nicht so gebräuchlich wäre, besser als „Zwischenzeit“ benennen – eine Epoche ohne nennenswerte eigene Leistungen zwischen einer antiken Hochkultur und der modernen Zeit.

Für zahlreiche stories über die Philosophie des Mittelalters, wie sie uns aus der frühen Neuzeit und der Zeit der Aufklärung überliefert sind, kann als ein (heute sicher für die meisten LeserInnen unplausibel klingendes) Beispiel die Darstellung des Abbé Batteux in der Zeit der Aufklärung stehen, der in einem einzigen kurzen Absatz mehr als ein Jahrtausend zusammenfasst, indem er mit einer rhetorischen Frage von der Spätantike zu Descartes übergeht:

... sollten wir uns in die Philosophie der Kirchenväter einlassen, die ... kaum etwas anderes gesucht haben, als den Plato mit dem Glauben zu vereinigen, oder den Glauben durch den Aristoteles zu erklären? Oder sollten wir uns lange bey den Scholastikern aufhalten, die bloß der Philosophie der Kirchenväter eine barbarische Gestalt gegeben, und einen Haufen unnützer, oft lächerlicher Fragen hinzugethan haben? Der Leser wird uns vielmehr Dank wissen, wenn wir ihn auf einmal in die glücklichen Zeiten versetzen, in welchen der menschliche Geist, nach einer Unwissenheit von zwölf Jahrhunderten, gleichsam von vorne wieder angefangen und frey von vorgefaßten Meynungen eine ganz neue Philosophie auf die Bahn gebracht hat.
Man erräth schon, daß ich hier von dem Jahrhunderte des Cartesius rede...5

Batteux musste sein Publikum damals nicht groß überzeugen, das hatten Andere vor ihm längst getan. Es wäre sicher nicht hinreichend, wenn einem ein solches Urteil oder eine solche story unplausibel erscheint, lediglich zu sagen: Wir wissen es heute eben besser. Viel wichtiger ist, danach zu fragen, was wir wissen wollen und warum, beziehungsweise was Batteux und seine Zeitgenossen nicht wissen wollten und warum. Die Texte des Thomas von Aquin oder des Wilhelm von Ockham und vieler anderer wären auch ihnen zugänglich gewesen, und wenn sie es nicht waren, hätten die Philologen sie edieren können, wenn sie daran interessiert gewesen wären. Das spezifische Interesse hinter einer bestimmten Blickweise auf vergangenes Philosophieren ist daher entscheidend für die Auswahl dessen, was der Erinnerung und des Berichts wert erscheint.

Bis heute kann man für das Ausschließen eines anderen regionalen Bereichs des philosophischen Denkens dem Argument begegnen, darüber sei eben noch zu wenig bekannt, um es in ein allgemeines Bild der Philosophie einzuordnen. Ich meine nicht-okzidentale Traditionen. In den meisten allgemeinen Darstellungen der Philosophiegeschichte kommen solche ja nur marginal, meist in einer separaten Abteilung und nur in einer zeitlich entlegenen Gestalt vor. Das kann man jedenfalls von philosophischem Denken feststellen, wie es in Ost- und Südasien entwickelt worden ist. Darstellungen von philosophischem Denken in Afrika südlich der Sahara finden sich in allgemeinen Philosophiegeschichten jedoch meines Wissens überhaupt nicht.

Terminologie und Philosophiebegriff

Ich treffe nun zuerst eine sprachliche Festlegung, die ich schon bisher verwendet habe: es gibt eine historiographische Disziplin, die ich Philosophiehistorie nenne; deren Gegenstand ist (ein Teil der) Geschichte der Philosophie bzw. der Philosophiegeschichte. Die getroffene Unterscheidung hat ihre Parallelen in anderen historischen Wissenschaften: Kriegsgeschichtsschreibung ist nicht selbst eo ipso ein kriegerisches Unternehmen, die Wirtschaftsgeschichte ist nicht ein Zweig der Wirtschaft, die Kunstgeschichte muss nicht selbst Kunst produzieren und so fort. In der Philosophiegeschichte und bei ihrer Historiographie könnte Ähnliches zutreffen: es gibt da die Philosophie, sie hat ihr Entstehen, Sich-Verändern, Einflussnehmen, Vergehen, wie alles, was in der Zeit ist. Diese Sich-Verändernde interessiert nun den Historiker, und wenn er dann interpretiert, übersetzt, zusammenfasst oder erklärt, was im Denken von Philosophen vor sich gegangen ist, so philosophiert er damit nicht schon selbst. Gegen diese einfache und scheinbar auf der Hand liegende Unterscheidung ist ein Einwand von einem Autor vorgebracht worden, der auf beiden Gebieten, in der Philosophie wie in deren Historiographie, außergewöhnlich schöpferisch war. Hegel sagt einleitend zu seiner Vorlesung über die Geschichte der Philosophie:

"Der Gedanke, der uns bei einer Geschichte der Philosophie zunächst entgegen kommen kann, ist, daß sogleich dieser Gegenstand einen inneren Widerstreit enthalte. Denn die Philosophie beabsichtigt das zu erkennen, was unveränderlich, ewig, an und für sich ist. Ihr Ziel ist die Wahrheit. Die Geschichte aber erzählt solches, was zu einer Zeit gewesen, zu einer anderen aber verschwunden, und durch Anderes verdrängt worden ist. Gehen wir davon aus, daß die Wahrheit ewig ist: so fällt sie nicht in die Sphäre des Vorübergehenden, und hat keine Geschichte. Wenn sie aber eine Geschichte hat, und indem die Geschichte dieß ist, uns nur eine Reihe vergangener Gestalten der Erkenntniß darzustellen: so ist in ihr die Wahrheit nicht zu finden; denn die Wahrheit ist nicht ein Vergangenes."6

Dass Hegel in der Formulierung des Dilemmas schon dessen Lösung andeutet, die er darin sehen wird – dass es nämlich in der Geschichte des Denkens eben nicht „nur eine Reihe vergangener Gestalten der Erkenntniß“ gebe, sondern dass im Grunde nichts, was je Philosophie war, vergangen sei, wird uns später beschäftigen. Hier steht einmal nur die Behauptung: Von einer „Geschichte“ der „Philosophie“ zu reden sei so ähnlich, als wolle man von einem „viereckigen Kreis“ reden. Es wäre dem gegenüber zu einfach, darauf zu verweisen, dass es doch immerhin ein Entstehen und Vergehen von Schulen und Terminologien, Methoden und Problemformulierungen gebe, dass es förderliche und hinderliche Bedingungen für das Philosophieren zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Gesellschaften gebe usw. All das sieht Hegel so gut wie jeder und sagt darüber, dass es „zu interessanten Fragen Veranlassung“ gebe. Aber er bleibt dabei: Von all dem – von der Sprachgeschichte, der Soziologie, der Untersuchung politischer oder weltanschaulicher Bedingungen – sei doch lediglich die „äußerliche“, nicht aber die „innere“ Geschichte der Philosophie betroffen – und nur diese letztere sei für die Philosophie von Bedeutung.

Wir brauchen nicht mit Hegel anzunehmen, es gebe so etwas wie eine (einzige) „innere“ Geschichte der Philosophie überhaupt, um aus der „äußerlichen“ Geschichte der Philosophiehistorie etwas zu lernen über die Voreingenommenheiten jedes Blicks auf die Geschichte; auch zu lernen, dass mit dem Wort „Voreingenommenheit“ – wie mit dem älteren Wort „Vorurteil“, das die Aufklärung gern verwendet hat – zwar etwas Wertendes, aber nicht eindeutig die Richtung der Wertung gegeben ist. Man kann zu Unrecht voreingenommen sein: dann wird man enttäuscht oder bleibt in der Illusion. Man kann zu Recht voreingenommen sein: dann bemerkt man mehr und genauer.

Was ist Philosophie?

Wir müssen nun als Voraussetzung jeder Analyse, auch einer bloß historischen Darstellung philosophiehistorischer Richtungen, etwas über den Begriff dessen sagen, wovon Philosophiehistorie handelt. Wir können diesen Begriff nicht aus der Philosophiehistorie selbst gewinnen, sonst befänden wir uns in einem Zirkel. Woher wollen wir uns eine Meinung bilden, was unter „Philosophie“ zu Recht verstanden werden soll?

Ein einfacher Weg läge darin: Nennen wir all das und nur das „Philosophie“, was unter dieser Bezeichnung an Universitäten unterrichtet wird oder wurde. – Das wäre leider nur dem Wortlaut, nicht der Sache nach eine einfache Regel, denn darunter fiele Unvereinbares, Widersprüchliches, und zwar auch dann, wenn wir nur die Universitäten eines Landes in einer gegebenen Epoche untereinander vergleichen, aber erst recht dann, wenn wir unterschiedliche Länder oder Epochen vergleichen. Ganz ähnlich würde es uns ergehen, wenn wir etwa die Regalbeschriftung von Buchhandlungen oder Verlagskataloge zur Orientierung benutzen wollten. Obwohl es sich also um eine sicher unbrauchbare Regel handeln würde, wenn wir uns den Begriff der „Philosophie“ auf diese Weise klarmachen wollten, so entspricht faktisch die Situation von Studierenden des Faches häufig weitgehend dieser Regel: was ihnen unter diesem Namen begegnet, das und nichts anderes ist „Philosophie“. Aus dem genannten Grund können wir uns damit aber leider nicht zufriedengeben.

Ein zweiter Weg läge darin, sich auf bestimmte Traditionen zu stützen. Am auffallendsten ist das dann der Fall, wenn Eigennamen eine Richtung der Philosophie bezeichnen – wie z.B. Platonismus, Aristotelismus, Konfuzianismus, Thomismus, Kantianismus, Hegelianismus, Marxismus etc. Aber auch dann, wenn stattdessen methodologische Orientierung zur Benennung dient – kritischer Rationalismus, Konstruktivismus, Dekonstruktivismus usf. – ändert sich die Situation nicht. Der springende Punkt bei einer derartigen Begriffsbestimmung von „Philosophie“ nach einer Tradition liegt darin, dass die jeweils eigene Option als die eigentlich einzig richtige angesehen wird. Das hat für einen historischen Vergleich dann den Nachteil, dass alle anderen Richtungen entweder als Vorstufen oder als Abirrungen qualifiziert werden müssen. Es hat allerdings den Vorteil, dass damit jeweils ein verhältnismäßig einheitliches und entwickeltes begriffliches und terminologisches System zur Behandlung aller Fragen zur Verfügung steht. Der in der Philosophiehistorie entscheidende Nachteil dieser Option liegt jedoch darin, dass ein außer Frage stehender Kanon von Problemen und Begriffen angenommen werden muss, ohne dass doch irgendeiner dieser Kanones jemals tatsächlich historisch außer Frage gestanden wäre.

Ein dritter Weg wäre es daher, formale oder methodologische Kriterien zur Abgrenzung von Philosophie und Nicht-Philosophie anzulegen. In der akademischen Praxis scheint ein solches formales Kriterium etwa darin zu liegen, dass bestimmte Äußerungsformen von Gedanken nicht als akzeptabel gelten, damit etwas „Philosophie“ heißen darf. Beispielsweise sind ein Lied, ein allegorisches Bild, eine architektonische Struktur für gewöhnlich keine Kandidaten für die Kategorie „philosophisches Werk“, hingegen können Textinterpretationen dann darunter fallen, wenn die Verfasser der interpretierten Texte ihrerseits als Philosophen anerkannt sind. Im allgemeinen ist die Voraussetzung unwidersprochen, dass ein „philosophisches Werk“ jedenfalls etwas Schriftliches sein müsse. Wie die Diskussion Platons über die Rolle des Schreibens beim Philosophieren, oder auch der Streit um die sogenannte Ethnophilosophie unter afrikanischen Philosophen der Gegenwart zeigen, ist diese Voraussetzung nur scheinbar unbezweifelt.

Viertens ließe sich philosophisches von nichtphilosophischem Denken auch noch auf eine kulturtheoretische oder rassistische Weise unterscheiden. Man könnte etwa sagen (und hat das auch gesagt): „Philosophie“ im eigentlichen (oder „strengen“) Sinn des Wortes sei die Errungenschaft (oder auch: das „Geschick“) einer einzigen Kultur (der „abendländischen“ oder „westlichen“) oder einer einzigen Rasse (der „arischen“). Ob dies dann als Bürde (wie von Heidegger), als wertneutrales Merkmal (wie von Rorty) oder als Vorzug (wie von den meisten Rassentheoretikern und Eurozentrikern) angesehen wird, macht wenig Unterschied für die jeweils anderen, die damit jedenfalls aus der Philosophie hinauskomplimentiert sind, was und wie immer sie denken mögen.

Keiner der vier genannten Wege orientiert sich in der Bestimmung des Begriffes der Philosophie an einer philosophischen Sachfrage: Der erste tut dies am Stand von Bildungsinstitutionen, der zweite an einer Art von kanonischen Büchern oder Autoren, der dritte an der äußeren Form von Geistesprodukten und der vierte an der Zugehörigkeit von Individuen zu bestimmten Kollektiven. Könnte man denn aber auch nach Sachfragen abgrenzen?

Gibt es Fragen, die nur „die Philosophie“, wenn überhaupt eine Disziplin, behandeln und vielleicht lösen kann? Das würde man am ehesten dann erfahren, wenn eine Frage, von der dies angenommen wird, endgültig und mit solchen Mitteln entschieden wäre, die aus keiner anderen Disziplin stammen als der Philosophie. Solche Fragen scheint es nicht zu geben. Was als „ewige Fragen“ der Menschheit oder auch der Philosophie zuweilen genannt wird – wie: Hat Leben Sinn? Existiert Gott? und ähnliche – so kommen sie nicht in Betracht, denn sie wären nicht „ewig“, wenn sie jemals endgültig beantwortbar wären. Dass Philosophen sich auch mit derartigen Fragen befassen, ist nicht zwingend, auch wenn sie in manchen Traditionen von Philosophie eine wichtige Rolle spielen.

Streichen wir also eine der genannten Bedingungen – dass eine Frage endgültig gelöst sein müsste – und suchen wir nach Fragen, die rational nur mit Mitteln der Philosophie zu behandeln sind. Dann könnte folgende Frage von dieser Art sein: „Was ist Wahrheit?“ Die Formulierung der Frage ist nicht eindeutig und daher missverständlich; insbesondere ist es denkbar, dass aufgrund des verwendeten Substantivs so etwas wie eine Substanz oder Entität „Wahrheit“ angenommen wird – und wenn wir Dergleichen mit der Frage im Sinn hätten, so fänden wir durchaus Antworten, die nicht oder nicht nur mit philosophischen Mitteln gefunden oder begründet würden. Und wir würden Auffassungen begegnen, nach denen etwas wie „Wahrheit“ (und anderen ähnlichen Entitäten) etwas wie Existenz zukomme, was aber nicht alle, die sich mit dieser Frage befassen, annehmen würden. Dann könnten wir die Frage in dieser Bedeutung nicht für eine Begriffsbestimmung von Philosophie überhaupt verwenden. Wir könnten sogar auf die Aussage stoßen: „Ich bin … die Wahrheit ...“, wie sie sowohl Jesus von Nazareth als auch Al-Halladsch zugeschrieben wird. Solche Aussagen können in ihrem (religiösen) Zusammenhang einen Sinn ergeben, für eine Bestimmung des Begriffs von Philosophie taugen sie nicht.

Formulieren wir die Frage anders: „Was bedeutet es, dass ein Satz wahr ist?“ Eine mögliche Antwort auf eine solche Frage, die wir in Texten vorfinden, könnte z.B. lauten: „Ein Satz ist wahr, wenn das in dem Satz Behauptete mit der Wirklichkeit übereinstimmt.“ Ob die Aussage eines bestimmten Satzes tatsächlich „mit der Wirklichkeit übereinstimmt“, wäre dann jeweils zu überprüfen und die Kriterien einer solchen Überprüfung würden wir Wahrheitskriterien nennen. In der allgemeinen Aussage darüber, was ein wahrer Satz sei, geht es aber nicht um solche Kriterien, sondern um den Begriff von „Wahrheit“ (eines Satzes). Die Frage nach diesem Begriff wurde nun mit einer Definition beantwortet („Wahrheit ist Übereinstimmung eines Satzes mit der Wirklichkeit“), die historisch eine von mehreren gegebenen Formulierungen der sogenannten Adäquations- oder Korrespondenztheorie ist. Es gibt andere Theorien darüber, z.B. die Konsens- und die Kohärenztheorie. Sie bestimmen den Begriff von „wahr“ jeweils anders. Allgemein aber könnten wir in einem ersten Schritt sagen: Immer, wenn die Bestimmung eines Begriffs von Wahrheit gedanklich reflektiert wird, haben wir es mit Philosophie zu tun. Als definitorisches Abgrenzungsmittel können wir diese Frage also immerhin verwenden, indem wir sagen: Philosophie sucht mit Hilfe von Begriffsreflexion und -definition Antworten auf bestimmte Fragen. Eine solche Frage betrifft das Verhältnis von Denken und dessen Gegenständen, also in einem weiten Sinn die Erkennbarkeit von Wirklichkeit. Wo und in welcher Form immer uns eine derartige Suche in Texten oder anderen Quellen begegnet, haben wir es mit Zeugnissen für philosophisches Denken zu tun. Die Umkehrung trifft nicht zu: Nicht nur dann treffen wir auf Philosophie, wenn erkenntnistheoretische Fragen im weitesten Sinn auftauchen.

Aber wir werden bei solchen Fragen feststellen, dass nicht jegliche Äußerung dazu auch schon mit dem Prädikat „philosophisch“ belegt werden kann. Es handelt sich um Denkäußerungen, die prinzipiell argumentierbar und in einer bewusst explizierten Begrifflichkeit formulierbar sind. Dies trifft auf sehr viele Sachverhalte in unterschiedlich entwickelter Form in mehreren kulturellen Traditionen zu. Allerdings sind die leitenden Fragestellungen der einzelnen Traditionen verschieden. Wenn wir in griechischen und indischen Traditionen der epistemologischen Frage sehr deutlich begegnen und diese in der europäischen Neuzeit Priorität gewinnt, so ist dies in klassischer chinesischer Philosophie anders. Die Frage spielt eine Rolle, noch viel wichtiger aber ist die Frage nach einem guten Leben, einer guten Ordnung der Gesellschaft. Es liegt daher nahe, auch bei Zeugnissen für die Suche nach der Begründbarkeit von Normen von Philosophie zu sprechen. Eine dritte Fragerichtung betrifft das Suchen nach der Grundstruktur von Wirklichkeit. In den Begriffen der Tradition gesprochen, haben wir mit diesen drei Sachfragen die Erkenntnistheorie, die Ontologie oder Metaphysik, und die Ethik oder Moraltheorie zur Definition eines weiten Begriffes von Philosophie“ gebraucht, der uns genügen sollte, um den Gegenstand zu erkennen, um dessen Beschreibungen oder Erklärungen es Philosophiehistorikern insoweit zu tun ist, als sie solche Beschreibungen und Erklärungen bei anderen, früheren Denkern vorfinden. Der Gegenstand der Philosophiehistorie selbst ist nicht die Grundstruktur der Wirklichkeit, deren Erkennbarkeit, oder die Begründbarkeit von Normen, sondern dasjenige, was andere zu solchen Fragen gedacht haben oder denken. In welcher Weise und mit welchen Mitteln diese anderen sich dazu geäußert haben, ist damit allerdings keineswegs festgelegt.

Thesen zur Philosophiehistorie als Wissenschaft

Die folgenden Thesen betreffen den methodologischen Status der Philosophiehistorie als einer historischen Wissenschaft: was ist Geschichtsschreibung dessen, was nun als Philosophie bestimmt worden ist?

These 1: Alle Gegenstände der Philosophiehistorie sind Sachverhalte, in denen Auffassungen über die Grundstruktur der Wirklichkeit und/oder über deren Erkennbarkeit und/oder über Werte oder Normen zum Ausdruck kommen.

Ich schlage vor, unter “Philosophie” solche denkerische Unternehmungen zu verstehen, die zumindest eine von drei Fragestellungen betreffen, nämlich die Fragen: Was ist wirklich? Oder: Was ist erkennbar? Oder: Was ist gültig? Philosophiehistorie hat demnach als ihren Gegenstand sinnhafte Sachverhalte – Texte und auch andere Belege für Äußerungen des Denkens – die Denken über Themen zum Ausdruck bringen, welche mindestens einer der genannten Fragen zuzurechnen sind. Philosophiehistorie selbst entscheidet nicht über die Wahrheit von Antworten auf diese Fragen, aber sie muss imstande sein, solche Fragen in unterschiedlichen Formen von Äußerungen zu identifizieren.

Ein Vorbegriff von Philosophie sollte inhaltlich und nicht nur formal bestimmt sein, um zweierlei zu leisten: Einerseits sollen damit Denkformen und -traditionen, die aus kulturell-kontingenten Gründen zu Unrecht bisher nicht unter diesen Begriff gefasst worden sind, als Thema einbezogen werden. Andererseits sollte damit die Abgrenzung gegen geistige Produktionen möglich sein, die vielleicht zeitweise auf dem Markt der Bücher und Ideen in dieser Rubrik firmieren, aber keinem reflektierten Begriff davon entsprechen.

Gerade wenn wir Bedingtheiten des Denkens in verschiedenen Kulturen berücksichtigen wollen, werden wir notgedrungen auf unterschiedliche Weltbilder, Wertordnungen und Denkformen stoßen, wie sie nicht nur in explizit abstrakten Texten, sondern beispielsweise auch in Mythen, Religionen, Bräuchen, Sprichwörtern oder Institutionen zum Ausdruck kommen. Ob wir deren Gehalt dann unserem eigenen Begriff des Philosophischen zurechnen wollen oder nicht, werden wir selbst zu entscheiden und zu begründen haben. Als Kriterium dafür kann die Frage dienen, ob in einem denkerischen Projekt die Berufung auf eine Tradition, auf religiösen Glauben oder auf andere über der menschlichen Vernunfttätigkeit angesetzte Instanzen nicht als Argument gilt. Ein Merkmal dessen, was unter Philosophie verstanden werden kann, ist demnach darin zu sehen, dass es sich um ein Denken handelt, das keine übermenschlichen Autoren oder Autoritäten in Streitfragen bindend anerkennt.

Die hier getroffene Festsetzung soll zu einer Klärung und Abgrenzung des Gegenstandsbereiches führen, sie führt aber auch zu einigen Schwierigkeiten, von denen mir die wichtigsten folgende scheinen:

a) Ist mit den genannten drei Themenbereichen ein zutreffendes Bild von Philosophie zu geben, sind andere Themenbereiche (bzw. philosophische Disziplinen) jeweils durch Thesen über einen dieser drei oder über alle diese drei Fragebereiche hinreichend bestimmt? Dies mag insbesondere im interkulturellen Diskurs als Schwierigkeit erscheinen, wobei man vielleicht geneigt ist, hier einen methodologischen Eurozentrismus zu vermuten.

b) Ist eindeutig, welche Arten von Sachverhalten fähig sind, derartige Auffassungen zum Ausdruck zu bringen? Handelt es sich letztlich doch nur um Texte oder kommen auch andere Sachverhalte in Frage?

c) Reicht die gegebene Festsetzung denn hin, um "Philosophie" etwa von "Wissenschaft" abzugrenzen? Kommen nicht auch in Thesen der Physik (etc.) Auffassungen über die Grundstruktur der Wirklichkeit, in Thesen der Sinnesphysiologie solche über deren Erkennbarkeit durch den Menschen, in Thesen der Ethnologie solche über Werte und Normen vor? Ist darum diese zuletzt gegebene Festsetzung leer und unfähig, ihren Zweck als Orientierungshilfe bei der Abgrenzung von Philosophie und Nichtphilosophie zu erfüllen?

These 2: Gegenstand von Philosophiehistorie sind Sachverhalte, die auf individuelle menschliche Denktätigkeit rückführbar sind

Diese Bestimmung grenzt den Gegenstand in zweifacher Hinsicht ein. Erstens schließt sie alles aus, was nicht durch menschliche Tätigkeit entstanden ist. Zweitens gehört nicht in ihren Gegenstandsbereich, was einer anderen menschlichen Tätigkeit als der des Denkens zu verdanken ist. Wir können den zweiten Punkt hier mit dem Hinweis so stehen lassen, dass er lediglich besagt, dass bloße Akte des Fühlens oder des Wollens nicht als “Philosophie” zu verstehen sind, was allgemein akzeptiert sein dürfte. Der erste Punkt hingegen ist näher zu untersuchen, denn seine Implikationen springen in interkulturell orientierten Untersuchungen sofort ins Auge.

Wenn etwas – beispielsweise eine Lehre, eine Idee, ein Begriff – einer nichtmenschlichen Quelle zugeschrieben wird, so kommen dafür theoretisch zwei mögliche Arten von Urhebern in Betracht: Es kann sich um unpersonale oder aber um übermenschliche Urheber handeln. Es scheint mir notwendig, beide Denkmöglichkeiten im Auge zu behalten, weil jede von ihnen im Zusammenhang mit Philosophistorie immer wieder eine Rolle spielt.

Nehmen wir die erstgenannte Möglichkeit an – Philosophie oder philosophische Begriffe, Ideen, Lehren seien durch unpersonale Faktoren hervorgebracht –, so können uns solche Auffassungen tatsächlich begegnen. Eine derartige Auffassung liegt immer dann vor, wenn der “Geist” einer “Sprache”, einer „Kultur“, eines “Volkes” oder “Stammes”, einer “Klasse” oder gar einer “Rasse” oder auch eines “Geschlechts” für dasjenige verantwortlich gemacht wird, was historisch als philosophisches Denken begegnet.

In solchen Fällen werden das Entstehen und die Besonderheit von philosophischen Ideen, Thesen etc., und sogar deren “Gültigkeit” grundsätzlich mit einer “natur- oder kulturgegebenen” Bedingung verknüpft, durch die das Denken determiniert sei. Von dieser Bedingung wird dann angenommen, dass sie für dieses Denken, für dessen Entstehen, aber auch für dessen Nachvollzug notwendig, aber auch hinreichend sei. Damit werden die so verstandenen philosophischen Thesen und Ideen einer rational-diskursiven Begründung, einer Diskussion und Kritik entzogen. Sie sind dann nicht allgemein verbindlich, sondern lediglich für jene Menschen typisch oder auch einleuchtend, die dieser behaupteten Einheit einer “Rasse”, eines “Volkes” einer „Kultur“ etc. angehören.

Eine derartige Auffassung ist in der Philosophiehistorie nicht so selten, wie man annehmen sollte. Wir begegnen ihr in “ethnophilosophischen” Zusammenhängen ebenso, wie sie dann vorliegt, wenn etwa aus der Eigenart der chinesischen Schrift und Sprache auf bestimmte, scheinbar zwangsläufig folgende Ideen im philosophischen Denken von Chinesen geschlossen wird.

Sie findet sich ebenso, wenn nach einem “weiblichen” Denken auf irgendeinem Gebiet gefragt und damit einem ganzen Geschlecht oder auch einer Sozialisationsform derart prägende Kraft zugeschrieben wird, dass lediglich die entsprechende Zugehörigkeit, nicht aber die Leistung eines Individuums als entscheidend gilt. Es kommt vor, dass eine solche, ursprünglich von der Unterscheidung der Geschlechter ausgehende Zuschreibung für ganze “Kulturen” oder “Völker” behauptet wird, die “weiblich” seien. Damit wird in der Regel auch ein Mangel an philosophischer Kompetenz (z.B. keine entwickelte Logik, keine Metaphysik etc.) behauptet.7

Die Zuschreibung einer “rassisch” bedingten Philosophie findet sich beispielsweise häufig in Hinweisen nationalsozialistischer Lehrbücher auf die “jüdische” Denkweise von Philosophen wie Spinoza, Cohen oder Husserl in ganz selbstverständlicher Weise.8 Die Annahme ist aber auch in weniger deutlich rassistischen Auffassungen vorzufinden, etwa dann, wenn ganzen Kulturen und Regionen eine lediglich “kollektive” und somit dem Einzelnen nicht bewusste “Philosophie” zugeschrieben wird, was sehr deutlich im Fall von Philosophie in Afrika häufig vorkommt. Was ist allgemein problematisch an Sichtweisen, in denen etwas Kollektives, Anonymes, ein allgemeines kulturelles oder sogar ein genetisches Merkmal zum eigentlichen Schöpfer von Gedanken, Vorstellungen, Begriffen erklärt wird? Philosophische Inhalte tauchen in dieser Perspektive wie Naturdinge auf. Es ist zwar möglich, dass eine These genau gleichlautend formuliert wird, ob sie nun als Naturprodukt bzw. als kollektiv-anonyme Kulturschöpfung vorgestellt wird, oder ob sie als etwas gedacht wird, was einer Diskussion unterworfen, was mit Argumenten kritisierbar und begründbar ist. Im ersten Fall bleibt eine These jedoch unaufgeklärte Ideologie. Für die kritisierbare These übernimmt jemand die Verantwortung aufgrund von Denk- und Urteilshandlungen, nicht aufgrund von Herkunft, Gruppenzugehörigkeit oder aufgrund eines kollektiven Wollens. Wer die These vertritt, muss auch bereit sein, sie aufzugeben, wenn sie anderen diskursiven Denk- und Urteilshandlungen nicht standhält. Nur in einem solchen Fall kann von Philosophie die Rede sein.

In diesem Sinn kann dann aber nicht nur, es muss von Philosophie die Rede sein, wo und wann immer, in welchen Sprachen und Ausdrucksweisen immer Derartiges begegnet, im achsenzeitlichen Griechenland ebenso wie in China in der “Zeit der Streitenden Reiche”, in den Upanischaden, in frühislamischen “Kalam-Schulen”, bei den “philosophischen Weisen” der Luo, in äthiopischen oder in aztekischen Texten. In allen diesen Fällen werden wir auf explizite, bewusst argumentierende Reflexion grundlegender Fragen stoßen. Es ist Aufgabe philosophiehistorischer Forschung in interkultureller Orientierung, solche Quellen zu erschließen und zugänglich zu machen.

Hat also Philosophiehistorie mit kollektiven Denkweisen überhaupt nichts zu tun? Ist es denn nicht illusorisch, eine gänzliche Unabhängigkeit des Denkens bei Einzelnen im Verhältnis zu ihrer Herkunft, ihrer Gesellschaft und Zeit, oder auch zu ihrer Sprache anzunehmen?

Marxistisch-leninistische Philosophiehistorie hat die Frage nach kollektiven Bedingungen im Zusammenhang mit der These von einer gesetzmäßigen Entwicklung der Philosophie diskutiert, wobei zwischen “Gesetzmäßigkeit” und “Gesetz” terminologisch unterschieden wurde. Wenn definiert wurde:

Die Geschichte der Philosophie stellt einen sich gesetzmäßig entwickelnden Prozeß des ideellen Lebens dar, in dem die verschiedenen philosophischen Lehren und Ideen wechselseitig zusammenhängen, einander bedingen und sich im Kampf der entgegengesetzten Richtungen entwickeln, […]9

so werden bestimmte “soziologische Gesetzmäßigkeiten” angenommen wie die “entscheidende Rolle der materiellen Produktionsweise”, aber auch “eine gewisse relative Selbständigkeit”, die für alle Bereiche des geistigen Lebens spezifisch sei. Für die Philosophie insbesondere werden noch spezifischere Gesetzmäßigkeiten formuliert: Die “Entwicklung auf der Grundlage des Kampfes des Materialismus gegen den Idealismus” im “Kampf der Dialektik gegen die metaphysische Denkweise” und in Abhängigkeit “vom Klassenkampf sowie vom Entwicklungsstand der Naturwissenschaften.” Diese Entwicklung hat eine “innere Logik”, die darin liegt, “daß dieser Prozeß im wesentlichen vom Einfachen zum Komplizierten, vom Niederen zum Höheren verläuft.”10

Insbesondere ist in unserem Zusammenhang die These von einer “relativen Selbständigkeit” der Entwicklung philosophischen Denkens von Interesse, wie sie von marxistisch-leninistischen Theoretikern vertreten wurde. Sie führte zu durchaus interessanten Fragen. Sie führte jedoch nicht dazu, die Denkleistungen Einzelner hinter den Analysen sozialer oder anderer Bedingungen verschwinden zu lassen. Der Sammelband Wie und warum entstand Philosophie in verschiedenen Regionen der Erde?11, in der DDR entstanden, zeigt deutlich, dass das Interesse an den Denkleistungen Einzelner durchaus stark ist. Hier werden Yajnavalkya und Uddalaka genannt und vorgestellt, es ist nicht einfach von einem Denken der Upanischadenzeit die Rede. Hier wird von Nkrumah, Oruka oder Hountondji gesprochen und nicht, wie das sonst – bei nicht-marxistischen Autoren – oft der Fall ist, von einer anonymen, kollektiven “afrikanischen Philosophie”. Die explizite Orientierung an der Frage nach gesellschaftlichen Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten führt nicht dazu, die Denkleistungen Einzelner auf kollektive Verhältnisse zu reduzieren.

Vergleichbares kann auch über einen wissenssoziologischen Zugang zur Weltgeschichte des philosophischen Denkens gesagt werden, wie ihn in eindrucksvoller Weise Collins vorgelegt hat. Kaum irgendwo erfährt man so viele Daten über einzelne Denker auf vergleichbarem Raum wie in diesem Buch, obwohl der Autor in seiner methodologischen Einleitung betont, es sei eines seiner Ziele, gegen Vorurteile zu argumentieren, die da lauten: Ideen zeugen Ideen; Individuen zeugen Ideen und Kultur zeugt sich selbst.12 Insbesondere die zweite Vorstellung ließe vermuten, dass Individuen in einer solchen Untersuchung eine untergeordnete Rolle spielen, denn die Geschichte der Philosophie, so betont Collins, sei zu einem beträchtlichen Teil die Geschichte von Gruppen, deren interne und externe Kommunikation.13 Geht man dem Entstehen, der Entwicklung und der Fortwirkung solcher Gruppen und Netzwerke von Menschen, die “dekontextualisierte Ideen” mit dem Anspruch auf allgemeine Geltung14 hervorbringen – was Collins für eine beeindruckend große Anzahl von solchen Gruppen in China, Indien, Japan, Griechenland, dem neuzeitlichen und modernen Europa tut – und sucht diese auf allgemeine Grundmuster des Verhaltens zu beziehen, so entsteht dabei ein Bild mit lauter Einzelnen, die sich hier vernetzen. Dieses Bild ist sehr viel dichter, als dies gewöhnlich der Fall ist, wenn Philosophie als gleichsam autonome Leistung von einzelnen “großen Denkern” betrachtet wird. Für einen interkulturell orientierten Zugang zur Geschichte des philosophischen Denkens kann darum eine derartige Sichtweise schon deswegen von großer Fruchtbarkeit sein, weil sie nach den Vielen fragen und diese auch benennen und entdecken lässt, deren Leistungen sonst oft gar keine Beachtung finden.

Der erste Teil der behaupteten These kann also in folgender Weise zusammenfassend formuliert werden: Philosophiehistorie untersucht individuelle Denkleistungen, nicht bloß kollektiv akzeptierte oder geltende Anschauungen, wenngleich die allgemein kulturellen oder die spezifisch intellektuellen Kontexte der Individuen nicht außer Acht zu lassen sind. Wir können nun zum zweiten Teil der These übergehen.

Die Gegenstände von Philosophiehistorie sind andererseits auch nicht als Schöpfungen übermenschlicher Instanzen zu betrachten. Die Gegenstände der Philosophiehistorie sind Hervorbringungen von Menschen, sie sind von Menschen gegebene Antworten auf von Menschen gestellte Fragen. Darum gehört etwas wie “Offenbarungswahrheit” eindeutig nicht zu ihrem Gegenstand und der junge Marx hatte Recht mit seinem Wort, dass die Philosophie, wenn sie überhaupt einen “Schutzheiligen” hätte, den Prometheus dazu wählen müsste.15

Hingegen werden religiös geglaubte Sätze – “Dogmen” – so aufgefasst, als wären sie nicht Menschenwerk. Wer sie religiös glaubt, für den stehen sie “außer Frage”. Eine bestimmte Auffassung von dem, was „christliche Philosophie“ genannt werden sollte, vermischt die beiden Sphären:

Von Philosophen wie Max Scheler, Karl Jaspers (1883-1969) oder Martin Heidegger (mit dem Schlagwort vom „hölzernen Eisen“) abgelehnt und auch durch die protestantische Theologie, v.a. Karl Barth (1886-1968), in Frage gestellt, hatte der Begriff der „christlichen Philosophie“ im 20. Jahrhundert insbesondere durch Étienne Gilson eine Rehabilitierung und Neuinterpretation erfahren. Als „christliche Philosophie“ galt Gilson jede Philosophie, die unter Beibehaltung der Unterscheidung von Theologie und Philosophie die christliche Offenbarung als unabdingbare Hilfe für die Vernunft ansieht („révélation génératrice de raison“) und in der Hl. Schrift die Quelle philosophischer Inspiration findet. ... Überdies war Gilson der Überzeugung, daß eine durch christliche Offenbarung bereicherte Philosophie anderen Philosophien inhaltlich überlegen sei.“16

Man braucht nicht allzu viel Fantasie, um sich auszumalen, was für Kommentare eine solche „Rehabilitierung und Neuinterpretation“ nach sich ziehen würde, wenn hier nicht von „christlicher“, sondern von „islamischer“ Philosophie die Rede wäre: der Koran als „unabdingbare Hilfe für die Vernunft“ hätte von der Sache her – wie auch aus der Geschichte des islamisch geprägten philosophischen Denkens – um nichts weniger an Plausibilität als die heiligen Schriften des Christentums. Vermutlich aber gälte den Meisten eine derartige Position zumindest als „mittelalterlich“, wenn nicht als „fundamentalistisch“. In beiden Fällen – wie auch im Fall anderer Dogmengeschichten – gilt: Philosophie fußt nicht auf diesem oder jenem religiösen Glauben, sie ist Menschenwerk.

Damit soll natürlich nicht bestritten werden, dass religiöse Ideen und Schriften, theologische Reflexionen u.Ä. für die Geschichte der Philosophie von Bedeutung sind. Ob und in welchem Grad sie dies sind, hängt aber nicht von ihrer religiösen Überzeugungskraft oder geglaubten Wahrheit ab, sondern davon, in welcher Weise sie im Verlauf der Denkgeschichte einflussreich und/oder anregend geworden sind.

Es wäre ein Verlust für die Kenntnis der menschlichen Denkgeschichte, wenn man aus irgendeinem Purismus heraus solche Begriffe, Probleme, Thesen aus dem Gegenstandsbereich der Philosophiehistorie ausschließen wollte, die im Zusammenhang mit religiösen Lehren oder als Ausdruck religiöser Überzeugungen entstanden sind. Das beträfe in christlich-okzidentaler Tradition etwa Fragen, die mit der Personalität oder der Willensfreiheit zusammenhängen, und noch eine Reihe anderer. Für Islam und Judentum, Buddhismus und Hinduismus wie auch andere Religionen gilt Vergleichbares. Aber das besagt nicht, dass der Verlust geringer wäre, wenn irgendeine bestimmte Glaubensauffassung von vornherein als wahr angenommen und philosophische Reflexion ihr grundsätzlich untergeordnet würde. Im ersten Fall würde die Philosophie amputiert, im zweiten würde sie abgeschafft.

These 3: Gegenstand von Philosophiehistorie sind Sachverhalte, die durch gegenwärtige Zeugnisse, das heißt durch empirische Belege erschließbar sind

Diese Festsetzung besagt zweierlei:

Keine dieser beiden Thesen ist unproblematisch. Man muss sich fragen, von welcher Art solche empirischen Belege sein können; man muss sich zweitens fragen, in welcher Weise und innerhalb welcher Grenzen die Philosophiehistorie über ihre Daten hinausgehen darf oder sogar muss.

Fragen wir uns nach der ersten These. Sie besagt, dass es überhaupt empirische Belege für philosophisches Denken gibt. Welcher Art solche sein können, ist bei näherem Hinsehen nicht ganz leicht zu sagen.

Die wichtigste Überlegung in diesem Zusammenhang betrifft die Frage der Schriftlichkeit. Es ist eine gewöhnliche Annahme, dass philosophisches Denken jedenfalls durch das Vorhandensein von “Texten” zu belegen ist. Aber bereits dabei müssen wir eine große Vielfalt an möglichen Textformen annehmen. Philosophie drückt sich nicht nur in Traktaten oder wissenschaftlichen Abhandlungen aus, sie kann sich ebenso in einem Drama, einem Roman oder in Aphorismen ausdrücken. Dies alles sind vertraute Formen unserer eigenen Kultur, für die vermutlich vielen jeweils Beispiele einfallen, die sie als “philosophisch” oder zumindest als “philosophierelevant” einschätzen würden: Lichtenbergs Sudelbücher, Goethes Faust oder Musils Mann ohne Eigenschaften könnten z.B. hier in den Sinn kommen.

Auch andere Textarten kommen natürlich in Betracht: Gedichte, Lieder, Novellen, Fabeln, Briefe etc. Nicht nur gibt es Lehrgedichte wie dasjenige des Lukrez, in dem eine philosophische Theorie dargelegt wird; es gibt eine ganze Menge von sehr unterschiedlichen Texten, in denen dies mehr oder weniger explizit ebenso der Fall ist. Beispielsweise ist einer der Grundtexte der Philosophie in China, das Daodejing, zu einem großen Teil in Reimversen abgefasst. Wichtige Texte der römischen Stoa sind der Form nach Briefe. Über das philosophische Denken im lateinamerikanischen Kontext ist öfter mit Recht gesagt worden, dass es sich besonders in jenen Texten ausdrücke, die man gewöhnlich der Belletristik, vor allem dem Roman zuordnet.

Andererseits kann es legitim sein, auch Texte, die dem allgemeinen Verständnis nach theoretisch-philosophisch sind, als mögliche Kunstwerke zu lesen. So ist Wittgensteins Tractatus von Frege auf diese Weise aufgefasst worden. Die Tendenz, Texte unterschiedlichsten Inhalts und eben auch solche, die gewöhnlich als “philosophische” gelesen werden, als “literarische” Texte zu lesen, ist in den letzten Jahrzehnten des 20. Jh. in der Postmoderne nicht selten verfolgt worden.

Aus diesen Hinweisen wird klar: Ob ein bestimmter Text ein philosophischer Text ist oder nicht, lässt sich nicht generell sagen. Eine derartige Zuordnung ist immer begründungsbedürftig. Das heißt aber auch, dass wir als Interpretierende die Freiheit haben, das philosophisch Relevante aus den unterschiedlichsten Texten zu erheben.

Wir werden also nicht eine bestimmte literarische Form und nicht einmal eine bestimmte Thematik zum Kriterium dafür annehmen können, ob ein Text als philosophischer Text klassifiziert werden soll oder nicht. Wir begegnen aber auch “Texten”, die nur in einer minimalen Weise oder sogar überhaupt nicht verschriftlicht worden sind, bei denen jedoch dieselbe Frage zu stellen ist.

Wollen wir etwa von vornherein ausschließen, dass beispielsweise ein zen-buddhistischer “Koan”, in seinem ganzen Kontext genommen, einen philosophischen Gedanken zum Ausdruck bringen könnte? Der “Text” liegt im Koan in einer minimalisierten Form vor, aufgrund derer der unmittelbar wahrnehmbare Wortlaut absurd oder auch nichtssagend erscheinen kann. Sind “Sprichwörter”, die in manchen afrikanischen Gesellschaften eine sehr bedeutende Rolle spielen, als philosophische Texte zu betrachten? Es kommen in vielen dieser Sprichwörter Lebensregeln zum Ausdruck, wie wir das aus Volksweisheiten und Weisheitssprüchen überall kennen; es sind darin andererseits aber auch Konzepte von Gerechtigkeit, von Erkennen und Wissen, von Zeit und Ursächlichkeit zum Ausdruck gebracht.

Können vielleicht auch nichtsprachliche Ausdrucksformen – wie etwa Architekturformen17 oder Tänze18 – auf ethische, ästhetische oder kosmologische Ideen hinreichend deutlich schließen lassen?

Derartige Fragen sollten nicht generell, sondern jeweils im Einzelfall entschieden werden. Sie verweisen auf die allgemeine Frage, welcher Status der Schriftlichkeit im Vergleich zur Oralität zukommt. Es eröffnen sich mit dieser Frage vielleicht neue Möglichkeiten. Kimmerle weist etwa auf Derridas “neuen Schriftbegriff als das Hinterlassen ‚lesbarer Spuren‘” hin, “das ebenso alt ist wie die gesprochenen Sprachen”. In einer solchen Sichtweise werde “der ganze Gegensatz von oralen und Schriftkulturen obsolet”. Er fährt fort: “Dies könnte Grund genug sein anzunehmen, daß auch der Gegensatz von Kulturen, die Philosophie haben, und anderen, die keine haben, zu überwinden ist. Diesen Schritt hat Derrida indessen nicht getan.”19 Derridas Kritik am Logozentrismus und der von ihm entwickelte Begriff von Sprache und Text könne jedoch hier weiterführen. Er führt ein merkwürdiges Paradox vor Augen:

Von Jacques Derrida und seiner Philosophie der Differenz lässt sich lernen, dass der Gegensatz von Mündlichkeit und Schriftlichkeit der Denkweise der europäisch-westlichen Philosophie entstammt. Derrida zeigt, dass diese Denkweise, die vor allem in geschriebenen Texten dokumentiert ist, nicht nur durch Logozentrismus und Ethnozentrismus, sondern paradoxerweise auch durch Phonozentrismus, d.h. den Vorrang der gesprochenen Sprache, charakterisiert ist. Denn die vorherrschende westliche philosophische Tradition bevorzugt einerseits die gesprochene Sprache und bewertet die Schrift nur als äußerliches Mittel, als Gedächtnisstütze, um das gesprochene Wort nicht zu vergessen. Derrida bezieht sich in diesem Zusammenhang besonders auf Platon, Rousseau und Hegel. Andererseits beurteilt dieselbe philosophische Tradition Kulturen, welche die ‚Kunst des Schreibens‘ nicht kennen, als niedriger stehend.”20

Das hohe Ansehen, das “Schriften” in einigen traditionellen Kulturen – nicht nur in der okzidentalen – hatten und haben, ist in mehreren Faktoren begründet und wir haben uns zu fragen, ob diese Faktoren auf jeder Stufe der Schriftlichkeit in gleicher Weise wirksam sind, wie wir uns auch die zweite Frage stellen müssen, ob dieselben oder analoge Faktoren nicht auch in mündlichen Traditionen wirksam sein können.

Der erste Faktor, der hier zu nennen ist, ist die Buchstäblichkeit bzw. Wortwörtlichkeit. Bei dem schriftlich fixierten Text ist es im Normfall nicht zweifelhaft, was da steht, auch dann nicht, wenn Uneinigkeit darüber herrscht, was die Bedeutung oder der Sinn dessen ist, was da steht.

Man kann sich zweitens fragen, ob der Grad der Gefährdung für orale Traditionen größer oder kleiner ist als für schriftliche. Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass mit dem Tod etwa eines indischen Pundit oder eines afrikanischen Weisen “eine Bibliothek stirbt”21. Wenn dieses Bild seine Berechtigung hat, so ist damit eine tatsächliche Überlegenheit schriftlicher über mündliche Traditionen ausgesagt. In dieser Frage ist allerdings zu bedenken, dass die bloße Erhaltung von schriftlichen Dokumenten der Denkgeschichte nicht bedeutet, dass die in ihnen niedergelegten Traditionen weiterleben. Die Geschichte wissenschaftlicher oder auch philosophischer Traditionen kennt immer wieder Brüche und Neuorientierungen, die kaum etwas damit zu tun haben, dass Texte verloren gehen. Es gibt andere Gründe dafür, dass etwas nicht mehr gelesen oder doch wieder gelesen wird.

Ein dritter Faktor ist die Öffentlichkeit schriftlich fixierter Aussagen. Aus einleuchtenden Gründen sind selektive Verfahren bei mündlicher Weitergabe einer Tradition wesentlich stärker als bei schriftlicher. Ist das “Publikum” einer schriftlichen “Veröffentlichung” virtuell unbegrenzt und jedenfalls nicht individuell definiert, so sind die Partner in mündlichem Gespräch dies nicht, ihr Kreis ist begrenzt. Berühmte Fälle von “Lehrern” oder “Meistern” in der Geistesgeschichte – wie Konfuzius, Buddha, Sokrates oder Jesus – zeigen, dass deren Gedanken, obwohl sie selbst aus unterschiedlichen Gründen nicht geschrieben haben, sehr bald verschriftlicht und damit einem größeren Kreis von Menschen zugänglich gemacht wurden.

Der zweite Teil der hier besprochenen These – dass Philosophiehistorie nur dort und nur so weit möglich ist, als es eben empirische Belege gibt – führt uns zu Themen der Hermeneutik: In welcher Weise und innerhalb welcher Grenzen darf oder muss die Philosophiehistorie über ihre empirischen Daten hinausgehen? Welche Selektion, welche Interpretation ist angemessen? Nur nebenbei sei angemerkt dass dies nicht Fragen sind, die etwa nur die Philosophiehistorie betreffen würden und auch nicht solche, die erst dann auftreten würden, wenn kulturell differente Prägungen bei AutorInnen oder bei InterpretInnen von Gedanken anzunehmen sind.

Diese Frage wird in ihren Dimensionen vielleicht dann klar, wenn wir an die Auffassung des Kantianers Grohmann denken, dass aufgrund der von ihm angenommenen Ausarbeitung einer endgültigen – der kantischen – Philosophie auch behauptet werden müsse, dass nunmehr eine “systematische Darstellung der nothwendigen vorhandenen Systeme der Philosophie” und damit das vollständige Bild aller menschenmöglichen philosophischen Richtungen gegeben werden könnte.22 Nicht mehr nur die aus Vergangenheit oder Gegenwart bekannten Denkformen könne man schildern und analysieren, sondern überhaupt alle, die für Menschen denkmöglich sind, also auch solche, von denen bisher keine Spur sichtbar ist. Nicht häufig stoßen wir auf so entschiedenen Apriorismus wie bei Grohmann; doch sind auch schwächere Formen des Apriorismus kritisch zu beurteilen, etwa die gar nicht so seltene Praktik, einem referierten oder kommentierten Philosophen Thesen zuzuschreiben, für die sich zwar keine Belege finden, die er aber nach Auffassung des Kommentars vertreten haben müsste, um seine expliziten Thesen begründen zu können.23

Wie in allen historischen Wissenschaften haben wir es auch hier mit der Schwierigkeit zu tun, dass das empirische Material auf mehreren Ebenen der Subjektivität der Forscher ausgesetzt ist. Die wichtigsten Sachverhalte in dieser Hinsicht sind die Notwendigkeit der Auswahl bei Autoren wie bei Problemen, was beides bereits Wertungen voraussetzt, und die Angemessenheit der Interpretation des Materials. Wir werden diesen Schwierigkeiten aber überall begegnen, wo wir geistige Äußerungen anderer Menschen aufnehmen oder darstellen wollen, es ist nicht eine Problematik, die für die Philosophiehistorie spezifisch wäre.

These 4: Alle Gegenstände der Philosophiehistorie sind vergangene Sachverhalte und somit historisch zu beschreiben

Diese wiederum sehr allgemeine Festsetzung mag trivial erscheinen. Es ist jedoch nützlich, sich ihrer bewusst zu sein, denn durch sie werden grundsätzlich systematische Arbeiten in der Philosophie von historischen unterscheidbar. Es werden in der Philosophiehistorie wie in jeder historischen Disziplin beschreibende Aussagen gesucht und begründet, wobei die beschriebenen Ereignisse und Sachverhalte zeitlich vor der Beschreibung liegen. Das besagt aber nicht, dass sie in jeder Hinsicht “vergangen” sind.

Was an der Philosophie gehört mit Sicherheit der Vergangenheit an? Vergangen sind die Akte, Ereignisse, Reflexionstätigkeiten oder Kontroversen, die zur Formulierung, Äußerung, Veröffentlichung einer These als Rede, Text, Bild oder in welchem Medium immer geführt haben. Vergangen sind auch die Lese-, Aufnahme-, Verstehensakte, die Argumentationssituationen, alles, was zum Betrieb des Philosophierens gehört.

Sind aber auch Ideen, Theorien, Thesen, ihr Inhalt, ihre Implikationen vergangen? Im strengen Sinn kann man das wohl nur dann sagen, wenn etwas eindeutig widerlegt worden ist, wenn also ein Inhalt zu keinem Zeitpunkt das war, was er scheinen sollte und schien: ein intelligibler Sachverhalt. Dies ist aber nicht der Normalfall in der Philosophie.

Der übliche Fall ist nicht die eindeutige Widerlegung und Entlarvung, sondern eher, dass Thesen, Sprechweisen und Themen in einer bestimmten Gesellschaft und Tradition auftauchen, einflussreich werden und dann auch wieder aus dem kollektiven Gedächtnis verschwinden, sobald ihre Neuinterpretationen nicht mehr überzeugen. Sie können dann noch in archivierter Form oder als Gegenstand von Kommentaren weiterbestehen. Philosophische Ideen, Fragestellungen und Traditionen können für lange Zeit vergessen und somit „vergangen“ sein24 und dann wieder zu großer Wirksamkeit gelangen. Sie können auch “wandern” - sie können in anderen Gesellschaften als denjenigen, in denen sie zuerst aufgetaucht sind und jetzt „vergangen“ sind, wieder aufgegriffen und weiterentwickelt werden, somit gegenwärtig sein.25

Das Vergangene an den vergangenen philosophischen Theorien ist ihr Entstandensein in einem anderen gesellschaftlichen Zusammenhang als dem gegenwärtigen; und genau in diesem Sinn bilden sie den Gegenstand der Philosophiehistorie: Insofern eine These, die überhaupt inhaltlich in den Bereich der Philosophie gehört, nicht gerade jetzt, in aktueller philosophischer Diskussion entwickelt wird, kann sie als vergangen gelten und Gegenstand philosophiehistorischer Forschung werden. Die Größe des zeitlichen Abstands ist dabei theoretisch gar nicht von Belang. Was gestern gedacht, formuliert, geäußert wurde, ist heute hinsichtlich seiner Entstehung „vergangen“.

Ob ein vergangenes Philosophieren aber tatsächlich Gegenstand von Philosophiehistorie wird, hängt stets davon ab, ob es nach der Einschätzung von PhilosophiehistorikerInnen geschichtswirksam ist oder sein sollte. Als “geschichtswirksam” können wir einerseits ein Denken verstehen, das “folgenreich” in dem Sinn ist, dass es eine notwendige Voraussetzung für späteres – gegenwärtiges oder zukünftiges – Denken darstellt26; oder andererseits ein Denken, das ohne Hinblick auf späteres Denken als “symptomatisch” für eine bestimmte Epoche, Gesellschaft oder Gruppe angesehen werden kann. Letzteres ist allerdings nur dann von Interesse, wenn aus irgendeinem Grund wiederum diese Epoche, Gesellschaft oder Gruppe als wichtig, d.h. als folgenreich angesehen wird. Philosophiehistorie in interkultureller Orientierung hat zunächst die Aufgabe, eine qualitativ und quantitativ breitere Kenntnis solcher Vergangenheiten zu erschließen.

These 5: Periodisierungen der Philosophiehistorie sollen möglichst kulturübergreifend sein

Beinahe stereotyp begegnet in der Literatur zur interkulturellen Philosophie immer wieder die Forderung nach einer Reorientierung der Philosophiehistorie, auch in Bezug auf deren zeitliche und inhaltliche Kategorien. Besonders ärgerlich erscheint die verbreitete Gewohnheit, auch in der Geschichte des menschlichen Denkens als drei große Perioden Antike–Mittelalter–Neuzeit anzusetzen: “Das traditionelle Wort ‚Mittelalter‘ ergibt weder in der buchstäblichen noch in einer übertragenen Bedeutung irgendeinen Sinn für eine Universal- oder Weltgeschichte.”27 Es gibt etwas wie einen “Zwang zur Periodisierung der Weltgeschichte, der so alt ist wie das systematische Nachdenken über Geschichte selbst”, stellt ein Historiker fest28 und es ist zu betonen, dass jede dieser Periodisierungen problematisch ist, indem sie etwas sichtbar macht, anderes wiederum verdeckt.29 Beispielsweise spielt in den Debatten darüber, was unter “Globalisierung” zu verstehen ist, häufig auch die Frage eine Rolle, wann der Beginn eines solchen Prozesses anzusetzen sei. Mit der jeweiligen Festsetzung ist auch ein je bestimmtes Vorverständnis angesprochen.

Bei jeder methodologischen Neuorientierung der Geschichtsschreibung tritt die Frage nach einer angemessenen Periodisierung auf, mit deren Hilfe die jeweilige Sicht auf die Vergangenheit erst beschreibbar wird. Dies trifft auch auf die Philosophiehistorie zu, die als besondere Literaturgattung ein Produkt der europäischen Neuzeit ist. Noch Ende des 18. Jh. finden wir in einem Schulbuch folgende Periodisierung der Weltgeschichte, die sich natürlich auch in den damaligen Beschreibungen der Geschichte der Philosophie abbildet: Die erste Periode geht von der “Schöpfung” bis zu Jesus Christus, die neue Geschichte beginnt hier. Andere Autoren hatten mehr Perioden angesetzt (bis zur “Sintflut”, von da an bis zum “Turmbau zu Babel” etc.), die sich jedoch auch vorwiegend an der Bibel und den aus ihr berechneten Chronologien orientierten.30

In den meisten Fällen seither sind Periodisierungen getroffen worden, die sich auf ein auch in allgemeinen Darstellungen der Weltgeschichte übliches europazentriertes Schema stützen und insbesondere die hierfür konzipierte Dreiteilung von “Antike–Mittelalter–Neuzeit” zugrunde legen.31 Dies scheint jedoch, wenn es überhaupt ein brauchbarer Gesichtspunkt ist32, für eine Beschreibung globaler Entwicklungen auf dem Gebiet der Philosophie ganz unangemessen. Man braucht nur wenige Versuche, um herauszufinden, dass unter “antiker Philosophie” in aller Regel nicht chinesische oder indische, sondern ausschließlich griechische und römische Philosophie verstanden wird. Ähnliches lässt sich ebenso über “mittelalterliche” und “neuzeitliche” Philosophie sagen. Das Schema, in dieser Form eine Schöpfung des 17. Jh. in der allgemeinen Geschichtsschreibung, geht eindeutig von europäischen Ereignissen aus und passt auch höchstens für diese. Nur in wenigen allgemeinen Darstellungen der Geschichte der Philosophie wird dieser Sachverhalt bislang zum Anlass genommen, neue und passendere Epocheneinteilungen in Erwägung zu ziehen. Darum will ich einen dieser Vorschläge etwas näher vorstellen.

Im zweiten Band von Plotts Global History of Philosophy33 findet sich der Versuch, eine angemessene Periodisierung der Globalgeschichte (nicht nur: der Philosophie) neu zu entwerfen und zu begründen. Die Autoren dieses Entwurfs setzen sich dabei drei Ziele: Sie wollen “ein eher anwendbares Schema” finden, “die Weltgeschichte der Philosophie enger mit der allgemeinen Weltgeschichte zu verbinden, als dies bislang geschehen ist” und schließlich dazu beitragen, “jene Fragen zu klären und/oder auf jene Verwirrungen genauer hinzuweisen, die in jeder Periodisierung der Weltgeschichte zu bedenken sind” (33f.).

Die erste Periode, in der sie das Entstehen von “Philosophie im technischen Sinn” ansetzen, ist die von Jaspers34 und anderen so genannte Achsenzeit (ca. 750–250 v.AZ), der sie allerdings die Frage nach einer Prä-Achsenzeit irgendwann nach 3600 v.AZ vorangehen lassen, in der “jene grundlegenden Mythologien ihre gegenwärtige Form angenommen haben, die unseren unbewussten kulturellen Erbschaften in all ihrem Reichtum und ihrer Vielfalt Sinn gegeben haben”. Dies habe den gesamten asiatischen Raum betroffen. In der von den Autoren so genannten mittleren Achsenzeit (500–325 v.) schließlich “kann man nicht übersehen, wie nahe die Daten beisammen liegen: Buddha Sakyamuni (566–486), Vardhamana Mahavira (599–527), Konfuzius (551–497), Zarathustra (660–583; obgleich er nach den meisten jetzigen Datierungen etwas früher anzusetzen ist), Sokrates (470–399), der am Höhepunkt der Begegnung zwischen der hellenischen und der persischen Kultur auftritt; die mögliche Herausbildung der japanischen Kultur […] und das Zeugnis der besten alttestamentlichen Propheten.” Die späte Achsenzeit wird hier mit Alexander (325 v.AZ) angesetzt und reicht bis 250 v.AZ.

Nach dieser Periode der späten Achsenzeit werden hier folgende, stets auf den gesamten eurasischen Raum und in der Neuzeit auch auf die beiden Amerika bezogenen Epochenbezeichnungen vorgeschlagen

Als einer der wenigen zum verbreiteten Europa-Zentrismus “alternativen” Ansätze in einer globalen Periodisierung der Philosophie ist dieser Vorschlag von Plott von großem Interesse. Es zeigen sich aber dabei deutlich auch Schwierigkeiten, die nicht lediglich auf Schwächen oder Lücken dieses Vorschlags zu reduzieren sind. Er ist, vom Ansatz her zu Recht, beinahe überwuchert von Andeutungen von Ereignissen, Personen und Daten, deren Beurteilung und Einordnung wohl nur äußerst wenigen universell historisch gebildeten LeserInnen überhaupt möglich sein dürfte. Auch sind keineswegs alle unterschiedenen Perioden mit gleicher Sorgfalt behandelt – auffallend vage bleibt etwa die Beschreibung der für die Gegenwart sehr wichtigen Periode von 1550 bis 1750.

Auch ist klar, dass hier zwar übergreifende Parallelen in Eurasien als einem Gesamtraum gesucht werden, dass aber Afrika und Amerika höchstens als periphere und rezeptive Regionen einbezogen sind (etwa in der Erwähnung von Übersetzungen griechischer Philosophie in das Koptische in Äthiopien, oder in der Darstellung von Transferprozessen europäischer Philosophie nach den Amerikas).35 Die Frage etwa, ob in bestimmten Gesellschaften Zentralamerikas, bei den Mayas oder Azteken, eine Entwicklung expliziter Philosophie nachweisbar ist, stellt sich in der Perspektive einer so gesehenen Weltgeschichte ebenso wenig wie die Frage nach nichtislamischer oder nach präkolonialer Philosophie in afrikanischen Gesellschaften. Die übergreifende Einheit der vorgeschlagenen Periodisierung ist im Entwurf Plotts wesentlich, und in heuristisch anregender Weise, breiter als in den meisten anderen Ansätzen. Aber sie gehorcht doch der Logik einer einzigen großen Ganzheit. Man kann darum wohl sagen, dass ein wirklich überzeugendes Konzept einer nicht eurozentrischen Periodisierung der Philosophie auch in der hier vorgestellten “Alternative” nicht vorliegt. Doch meine ich, dass bedenkenswerte Anregungen daraus zu gewinnen sind.

These 6: Klassifikationen von philosophischen Positionen in der Philosophiehistorie sollen möglichst kulturübergreifend sein

Klassifikationen philosophischer Positionen oder Traditionen sind in der Philosophiehistorie unerlässlich, sie werden aber auch sonst in der Philosophie häufig gebraucht, um bestimmte Schulen oder Richtungen auszugrenzen bzw. andere als klassisch darzustellen; Klassifikationen dienen nicht nur der Ökonomie der Darstellung, sondern auch der Merk- und Lernbarkeit des historischen Materials. Nun gibt es allerdings im Bereich der Klassifikationen kaum so etwas wie eine systematische Behandlung des Stoffes, wenigstens nicht, soweit umfassende Darstellungen gemeint sind. In erster Linie lässt die jeweilige Klassifikation einen Schluss darauf zu, was unter Philosophie verstanden wird und welcher Tradition jemand sich zuordnet.

Grob gesprochen kann man zwei Arten von Klassifikationsbegriffen in der Historiographie der Philosophie vorfinden, die jeweils entweder von Fragestellungen der Philosophie selbst ausgehen, also philosophieimmanent sind, oder diese Fragestellungen grundsätzlich überschreiten. Zu den Ersteren zähle ich z.B. die Ausdrücke: “Realismus”, “Materialismus”, “Idealismus”, “Nihilismus”, aber auch “Skeptizismus”, “Rationalismus”, “Empirismus”, “Monismus” und ähnliche. Zur zweiten Gruppe gehören Ausdrücke wie “griechische”, “abendländische”, “afrikanische” oder “chinesische Philosophie”. Auch solche Namen wie “christliche” oder “buddhistische Philosophie”, “Scholastik” u.ä. gehören hierher. Deren interpretatorischer Bezugsrahmen ist weniger als im ersten Fall die Philosophie selbst, sondern etwas, worin die Philosophie eine vielleicht wichtige, aber eben doch nur eine partielle Rolle spielt oder eine bestimmte Art der Organisation von Forschung und Darstellung entwickelt.

Mischformen, die eigentümliche Lehren von Schultraditionen oder Schulgründern oder auch bestimmte Wirkungszusammenhänge als klassifizierendes Merkmal annehmen, sind etwa “Platonismus”, “Stoa”, “Neuplatonismus”, “Daoismus”, “Thomismus”, “Kantianismus”, “Deutscher Idealismus”, “Marxismus” u.ä. Wenn allerdings zuweilen noch der Deutlichkeit halber unterschieden wird zwischen “thomasisch” und “thomistisch” oder zwischen “marx'sch” und “marxistisch”, so wird dadurch jedenfalls eines deutlich: Es braucht geradezu eine Initiation, um sich in solchen Klassifikationen zurechtzufinden. Und jede Erschließung einer neuen kulturellen Tradition bringt auch neue, bisher unvertraute klassifizierende Ausdrücke mit sich, wodurch sich Vertrautheit immer nur für Spezialisten in einem bestimmten Bereich einstellt, dessen Grenzen meist rasch bewusst werden.

Nehmen wir an, es will sich jemand mit der Geschichte der Philosophie vertraut machen und eignet sich dazu ein Verständnis davon an, was unter “Platonismus”, unter “Aristotelismus” und “Hegelianismus” zu verstehen ist. Ihr oder ihm werden bei einer Beschäftigung mit chinesischem Denken dann ein “Mohismus” und ein “Konfuzianismus” begegnen, beides ebenfalls nach Eigennamen gebildete Bezeichnungen, aber auch ein “Legalismus” und ein “Daoismus”, was nach einer zentralen These bzw. einem zentralen Begriff gebildete Namen sind. Bei der Beschäftigung mit indischer Philosophie wird man sich eher mit Hilfe tradierter Schulnamen wie „Vedanta“ oder „Yoga“ als an Eigennamen orientieren. Wieder anders wird der Gegenstand sprachlich erfasst, wenn es sich um das philosophische Denken in Japan, im islamischen Raum oder in Afrika handelt. Überall wird man auf verhältnismäßig etablierte Selbstbenennungen stoßen, aber diese werden nichts oder wenig über inhaltliche Ähnlichkeiten und Unterschiede sagen und sie werden sich mit jeder neuen Begegnung vermehren, sodass ihre Funktion, der Orientierung und dem Überblick zu dienen, nur sehr bedingt erfüllt wird. Wir haben daher zu fragen, ob die angesprochenen und ähnliche andere Klassifikationsbegriffe überhaupt geeignet sind, bei einer interkulturellen Orientierung der Philosophie und einer entsprechenden Behandlung der Geschichte des philosophischen Denkens orientierend zu sein.

Die herkömmlichen Modi des Klassifizierens in der Philosophiehistorie sind von bemerkenswerter Urwüchsigkeit und Unübersichtlichkeit. Dies ist schon dann kein Vorteil, wenn sich jemand in den begrifflichen Bahnen und Formen einer etablierten Tradition bewegt. Es wird aber vollends zu einem Hindernis für Verständigung, wenn der Versuch unternommen wird, über hergebrachte kulturelle Grenzen hinaus Philosophie wahrzunehmen und zu verstehen. Darum ist es sinnvoll, sich Gedanken über die Möglichkeit klassifikatorischer Begriffe für philosophische Positionen überhaupt zu machen, in welchen kulturellen Räumen diese auch immer anzusetzen sind. Hier scheint eines zunächst klar: dass bei einer Klassifikation von Gegenständen der Philosophiehistorie Mengen von Sätzen zu klassifizieren sind, die in philosophiehistorisch relevanten Quellen vorkommen oder aus solchen rekonstruierbar sind. Ist so der Gegenstand der Klassifikation wenig problematisch, so folgt die Frage nach dem Inhalt und nach dem Merkmal, wonach klassifiziert werden soll.

Hierbei scheint es sinnvoll, von der Unterscheidung zweier Begriffe auszugehen, die zwar in den verschiedenen Kulturtraditionen keineswegs univok gebraucht werden müssen, die jedoch in vielen, wenn nicht in allen philosophischen Traditionen eine Rolle spielen. Der Ausgang von zwei Begriffen, wovon jeweils der eine in einem negierenden Verhältnis zum anderen steht, liegt aus logischen Gründen nahe: Nur auf diese Weise erhalten wir eine Klassifikation, deren einzelne Positionen distinkt zueinander stehen und somit klar unterschieden werden können. Welcher Begriff beziehungsweise welche Begriffe dafür in Frage kommen, ist damit nicht festgelegt, jedoch sollte es sich um solche handeln, deren Vorkommen in möglichst vielen philosophischen Traditionen erwartet werden kann. Es sollte sich also nicht um Begriffe handeln, bei denen trotz langer und intensiver Übersetzungsarbeit immer wieder festgestellt werden muss, dass sie zwar zentral in der einen, aber kaum übertragbar in die Sprache einer anderen Philosophietradition sind, wie das beispielsweise beim griechischen “lógos”, beim chinesischen “Dao” oder beim indischen “dharma” der Fall ist.

Es sollte sich ferner unter der Voraussetzung des hier leitenden Philosophiebegriffs um solche Begriffe handeln, mit deren Hilfe sowohl ontologische wie epistemologische und auch ethische Aussagen in sinnvoller Weise formuliert werden können. Dies spricht dagegen, etwa die Unterscheidung von Wissen und Meinen oder Glauben für diesen Zweck heranzuziehen. Zwar ist anzunehmen, dass eine derartige Unterscheidung in jeder philosophischen Reflexion eine wesentliche Rolle spielt. Aber es wäre mit dem Begriffspaar “Wissen–Glauben” wohl kaum möglich, gleicherweise Thesen über alle drei Grundbereiche philosophischen Fragens zu formulieren. Wir könnten jedoch beispielsweise versuchen, philosophische Positionen nach ihren Implikationen in Bezug auf die Begriffe “materiell” und “immateriell” zu klassifizieren. Es ist natürlich bestreitbar, dass diese Begriffe oder ihnen entsprechende Begriffe durchgehend zur Erfassung aller unterschiedlichen Traditionen geeignet sind. Es handelt sich aber immerhin um sehr allgemeine Begriffe, wofür „funktionale Äquivalente“ (siehe nächste These) oder Entsprechungen wohl in sehr vielen Philosophien mehr oder weniger direkt auffindbar sein werden

Die Anwendung der Klassifikation mit Hilfe dieser beiden Begriffe würde es zulassen, von einem “ontologischen Materialismus” dort zu sprechen, wo aufgrund von Interpretationen gesagt werden kann, dass eine ontologische These vertreten wird, die in den Satz übersetzt werden kann: “Mindestens ein Materielles existiert und es ist nicht der Fall, dass ein Immaterielles existiert.” Belege für eine solche Auffassung dürften sich in mehreren Philosophietraditionen, jedenfalls aber in der griechisch-okzidentalen, der indischen und der chinesischen Philosophie finden lassen. Bei Ersterer können wir an Demokrit ebenso denken wie an La Mettrie; in der Geschichte der indischen Philosophie an Lokayata und einige Richtungen des Buddhismus; in der chinesischen Denkgeschichte etwa an den Skeptiker Wang Chong. Von einem “ontologischen Idealismus” könnten wir bei einer derartigen Klassifikation dort sprechen, wo eine Auffassung übersetzt werden kann in den Satz: “Mindestens ein Immaterielles existiert und es ist nicht der Fall, dass ein Materielles existiert.” In unterschiedlichen Traditionen zu verschiedenen Zeiten würden wir auch dafür Belege finden, und wie im ersten Fall wäre es von Interesse, die Argumente für eine solche Auffassung wie auch ihre praktischen Implikationen zu untersuchen. Als “ontologischer Realismus” ließe sich eine Position bezeichnen, in der sowohl eine Seinsaussage über Materielles, als auch über Immaterielles behauptet wird. Wo schließlich Seinsaussagen sowohl über Materielles wie über Immaterielles geleugnet werden, läge ein “ontologischer Nihilismus” vor.

Die gleichen Unterscheidungen lassen sich in Bezug auf erkenntnistheoretische Positionen treffen: “Erkenntnistheoretischer Materialismus” behauptet, dass (mindestens ein) Materielles Erkenntnisgegenstand ist, leugnet aber, dass Immaterielles Erkenntnisgegenstand sei. Trifft die Umkehrung zu, so können wir von “erkenntnistheoretischem Idealismus” sprechen; bei einer Kombination beider Thesen von “erkenntnistheoretischem Realismus” und bei einer Leugnung beider Thesen von “erkenntnistheoretischem Nihilismus”. Auch unterschiedliche ethische Positionen lassen sich, ausgehend von zwei Sätzen wie “mindestens ein Materielles (oder: Immaterielles) ist gut” und deren Negationen, kennzeichnen.

Versucht man, jeweils ontologische, epistemologische und ethische Thesen, in denen eine positive oder eine negative Aussage über Materielles bzw. über Immaterielles enthalten ist, auf ihre logische Verträglichkeit im Sinn der Nicht-Widersprüchlichkeit hin zu bestimmen, so erhält man eine große Anzahl von denkmöglichen Positionen, von denen wahrscheinlich nicht alle in den historisch tatsächlich vorhandenen Quellen vertreten werden. Dies ist jedoch kein Nachteil, weil mit einer solchen Feststellung die wichtige Frage verbunden ist, warum von allen überhaupt denkmöglichen und nicht logisch widersprüchlichen Positionen in einer bestimmten Tradition jeweils gerade die aus den Quellen rekonstruierbaren entwickelt werden und andere nicht. So könnte die Klassifikation selbst heuristischen Wert haben.

Es ist beispielsweise eine in systematischer und auch historischer Hinsicht interessante Frage, welche Implikationsbeziehungen zwischen ontologischen und erkenntnistheoretischen oder auch zwischen ethischen und ontologischen Thesen in einer Tradition angenommen oder vorausgesetzt werden. Hat sich etwa in einer philosophischen Tradition die Überzeugung verfestigt, dass ontologische Thesen nur auf Grund von erkenntnistheoretischen Thesen gerechtfertigt sein können, so sind andere Positionen logisch möglich bzw. unmöglich als bei der gegenteiligen Überzeugung. Es ist auch denkbar, dass aus ethischen auf ontologische Theoreme geschlossen wird usw. Die heuristisch interessante Frage ist, welche allgemeinen gesellschaftlichen Bedingungen für oder gegen die Plausibilität solcher Implikationen verantwortlich sind. Eine in der angedeuteten Weise entwickelte Klassifikation36 hätte den Vorzug, eine deutlichere Kennzeichnung inhaltlicher Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu ermöglichen, als dies bei herkömmlicher Benennungsweise der Fall ist. Sie hat allerdings den möglichen Nachteil, wiederum von den Begriffsfeldern einer einzigen philosophischen Tradition auszugehen – was jedoch nicht der Fall sein muss.

These 7: Interpretamente der Philosophiehistorie sollen möglichst kulturübergreifend sein

Unabhängig davon, welche Periodengrenzen gesetzt und welche Klassifikationen getroffen werden, sind jedenfalls Allgemeinbegriffe zu bilden, um philosophisches Denken beschreiben zu können. Eine denkmögliche Alternative dazu, nämlich in Interpretationen ausschließlich die Ausdrucksmittel dessen zu verwenden, was interpretiert wird – also beispielsweise über Heideggers Denken nur in Wörtern zu sprechen, die Heidegger selbst verwendet hat u.ä. – käme einer Privatsprache nahe und würde als methodische Regel schon die Zugänglichkeit einer einzigen Tradition verunmöglichen. Philosophiehistorie muss interpretieren und sie kann die dazu verwendeten Ausdrücke, die Interpretamente nicht einfach den Quellen selbst entnehmen. Das zeigt sich bereits beim allgemeinsten dieser Begriffe, nämlich “Philosophie” als Ausdruck aus griechischer Tradition.

Interkulturell orientierte Philosophiehistorie wird auch in der Frage nach angemessenen Interpretamenten nicht exkludierend vorgehen, sondern nach Überlappungen suchen. Panikkar hat dazu einen bemerkenswerten Vorschlag gemacht. Er schreibt:

Vor Jahren führte ich den Begriff homöomorpher Äquivalente als einen ersten Schritt zur Interkulturalität ein. [Es] müssen sowohl die möglichen, der Philosophie in den anderen Kulturen äquivalenten Begriffe als auch jene Symbole (nicht notwendig Begriffe, noch weniger ein Begriff), die ihre homöomorphen Äquivalente ausdrücken, gesucht werden. Die homöomorphen Äquivalente sind nicht bloße wörtliche Übersetzungen, noch übersetzen sie einfach die Funktion, die das Wort (Philosophie in diesem Fall) auszufüllen vorgibt, sondern sie geben eine Funktion zu verstehen, die der vermeintlichen Rolle der Philosophie entspricht. Es handelt sich also um kein begriffliches, sondern um ein funktionales Äquivalent […] Es wird […] dasjenige Äquivalent gesucht, das dem entspricht, was der Originalbegriff in der entsprechenden Weltanschauung bedeutet.”37

Ich möchte nur ein Beispiel Panikkars anführen, das zeigen kann, wie dies gemeint ist. Wenn etwa, ausgehend vom lateinischen Wort “Religion”, die “homöomorphe”38 Entsprechung – oder besser: die Entsprechungen – dazu in der indischen Philosophie gesucht werden, so schlägt er vor, dafür “dharma” zu nehmen, wohl wissend, dass

wir nicht ‚dharma‘ schlechtweg mit ‚Religion‘ übersetzen [können]. ‚Dharma‘ bedeutet auch Pflicht, Ethik, Element, Ordensregel, Kraft, Ordnung, Tugend, Gesetz, Gerechtigkeit und es ist sogar durch Realität übersetzt worden. “Religion” kann aber auch sampradaya, karma, jati, bhakti, mârqa, pûjâ, daivakarma, nimayaparam, punyasila usw. bedeuten. Jede Kultur ist eine Welt”.39

Das Wissen um die teilweise Nicht-Übereinstimmung verhindert nicht ein wechselseitiges Gespräch, es macht dieses erst möglich. Es eröffnet einen

Mittelweg zwischen der kolonialistischen Geisteshaltung, die glaubt, daß sie mit den Begriffen einer einzigen Kultur die Totalität der menschlichen Erfahrung ausdrücken kann, und dem entgegengesetzten Extrem, wonach man glaubt, daß es keine mögliche Kommunikation gibt zwischen den verschiedenen Kulturen. Solche Kulturen verdammten sich selbst zu einer kulturellen Apartheid, um ihre Identität zu wahren”.40

Damit ist ein konkreter Vorschlag gemacht, der sich dem Sinn nach in der Diskussion über interkulturelle Philosophie immer wieder findet. So weisen einige der “Daumenregeln zur Vermeidung interkultureller Missverständnisse”, die Holenstein formuliert, in dieselbe Richtung.41 Paul verlangt “eine explizite Begründung für die Identifizierung (Auswahl, Nennung, Charakterisierung, Namhaftmachung) bestimmter Sachverhalte (Fragen, Probleme, Methoden, Philosopheme etc.) als Gemeinsamkeiten oder Unterschiede, insbesondere aber eine explizite Erläuterung der Relevanz dieser Identifizierung”.42 Fornet-Betancourt spricht von einer “Kommunikationspraxis” die “vor allem ein Bestreben nach Übersetzung ist. Die kulturellen Welten werden übersetzt, und indem sie sich gegenseitig übersetzen, wird Universalität erzeugt”43 und Mall sieht “die verschiedenen Philosophien als unterschiedliche, aber nicht radikal verschiedene Wegweiser zur wahren Philosophie”.44

Wir sind in den sieben “Thesen zur Philosophiehistorie” zwar immer wieder auf Fragen gestoßen, die sich aus der Realität kulturell differenter Traditionen ergeben. Aber man sollte sich bewusst sein, dass vergleichbare oder sogar dieselben Fragen bei jeder, auch bei einer intrakulturellen Auseinandersetzung mit der Geschichte des philosophischen Denkens auftreten. Wenn wir uns jetzt der Frage nach möglichen Gattungen von Philosophiehistorie zuwenden, so können wir dabei zunächst durchaus an jenen Formen ansetzen, die aus der eigenen, der okzidentalen Tradition vertraut sind.

Gattungen von Philosophiehistorie

Entsprechend der jeweiligen Auffassung vom Gegenstand ist in der okzidentalen Tradition von Philosophiehistorie zu unterscheiden zwischen Bibliographie, Doxographie, Problemgeschichte, Biographie und Institutionengeschichte. Außer diesem Gesichtspunkt der Gegenstandsauffassung ist bei einer Reflexion auf Philosophiehistorie zweitens die Frage nach deren Darstellungsform und drittens nach deren Funktion zu stellen. Als typische und differente Formen der Darstellung können wir chronologische, entwicklungsmäßige, kanonische und systematische Darstellungen unterscheiden. Als Funktionen von Philosophiehistorie sind zu nennen: Heuristik, Traditionsbildung und -kritik, Wissenschaftsplanung und schließlich Wertorientierung.

Ohne zunächst auf die Geschichte der Philosophiehistorie näher einzugehen, ist in Erinnerung zu behalten: In Europa ist die Institutionengeschichte eine neuzeitliche Errungenschaft, wogegen die anderen (Bibliographie etc.) in unterschiedlichen Spielformen bereits in der griechischen Antike vorliegen45. In chinesischer Tradition finden sich bezogen auf Philosophie ebenfalls Bibliographie, Doxographie und Biographie, in einzelnen Epochen auch problem- und institutionengeschichtliche Ansätze. Ähnliches lässt sich für indische Traditionen sagen – wenngleich etwa die Erstellung genauer Chronologien, die in chinesischer wie in griechischer Tradition als sehr wichtig angesehen wird, dort kein vorrangiges Interesse fand. Die Unterschiede zwischen diesen Literaturtraditionen bezüglich der einzelnen Gattungen und ihre jeweiligen Entwicklungsstadien, ihre hermeneutischen Stärken und Schwächen herauszuarbeiten, ist eine Aufgabe, die noch zu leisten ist. Auch für die okzidentale Tradition liegen erst seit kurzer Zeit detaillierte Studien zur Geschichte der Philosophiehistorie vor.

Die folgende Unterscheidung von Gattungen oder Typen der Philosophiehistorie geht also zunächst von Typen aus, die sich bereits in der griechisch-antiken Literatur vorfinden, und bringt demgegenüber lediglich eine gewisse Systematisierung und (wie im Fall der Institutionengeschichte) Ergänzung. Es ist festzuhalten, dass reine Fälle nur sehr selten (streng genommen wohl nur bei der Gattung der Bibliographie) vorkommen, dass wir in der Regel also auf Mischformen treffen. Dennoch will ich eine Unterscheidung solcher Gattungen versuchen, weil sich anhand dessen leichter über die Funktionen, die Vorzüge und die Schwächen der einzelnen literarischen Möglichkeiten sprechen lässt, Geschichte der Philosophie zu beschreiben.

Ich unterscheide drei Gruppen von Gattungen nach der Art der Gegenstandsbestimmung, nach der Form der Darstellung sowie nach der intendierten oder der tatsächlichen Funktion.

(A) Gegenstandsbestimmung

(1) Bibliographie

Gegenstand von Bibliographie sind Texteinheiten, die dem Bereich der Philosophie zugeordnet werden. Dabei wird das vorgegebene Material in einer funktional bestimmten Weise ausgewählt (z.B. als Literatur zu einem Problem, zu einer Schule, zu AutorInnen, über eine philosophische Disziplin u.Ä.) und geordnet oder klassifiziert. Die Bibliographie hat stets theoretische oder systematische Voraussetzungen als Grundlage:

Diese beiden Voraussetzungen sind jedoch nicht für das philosophische Denken aller Gesellschaften in gleicher Weise zutreffend. Mag die erste noch für weite Bereiche des Philosophierens in unserer Tradition zutreffen – obgleich es auch in Europa wichtige geistige (eben auch philosophische) Strömungen gab und gibt, die kaum im offiziell-wissenschaftlichen Publikationswesen dokumentiert sind –, so ist die zweitgenannte Voraussetzung dazu angetan, die Sicht auf das geistige Erbe solcher kultureller Traditionen eher zu verstellen, deren Medium nicht in einem vergleichsweise hohen Maß die Schrift war: Sie erfasst nur veröffentlichte schriftliche Produkte.

(2) Doxographie

Den Gegenstand von Doxographie bilden überlieferte Formulierungen philosophischer Thesen, wobei diese sowohl unkommentiert wiedergegeben (wie in den sogen. „Florilegien), als auch in einen systematischen Zusammenhang gebracht werden können (wie im Hauptwerk Bruckers in der Zeit der Aufklärung). In der Regel werden solche formelhaften Thesen bestimmten AutorInnen zugeordnet. Auf “doxographische” Weise wissen wir etwa, dass von Descartes der Satz stammt “Cogito ergo sum” oder von Wittgenstein „worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“, auch wenn wir uns nicht näher mit den Argumenten befasst haben, aus dem solche Sätze gefolgert wurden. Derartige Sätze können etwas wie Markenzeichen werden – sodass etwa „cogito“ automatisch Descartes in Erinnerung ruft und man umgekehrt bei Descartes an „cogito“ denkt.

In so unterschiedlichen Textgattungen wie den Gesprächen des Konfuzius und dem philosophiehistorischen Hauptwerk der europäischen Aufklärung, der Historia Critica Bruckers, stoßen wir auf ein vorrangig doxographisches Interesse.

Das doxographische Interesse scheint in der Geschichte der Philosophiehistorie von bemerkenswerter Bedeutung zu sein. Es tritt überall auf, wo sich Philosophie zum Zweck der Einführung oder der Darstellung gegenüber einem breiten Publikum auf ihre vergangenen Leistungen berufen will. Es ist daher vorwiegend von einer appellativen, auf Zustimmung hin ausgerichteten Haltung gekennzeichnet. Die Gedanken von PhilosophInnen werden dabei in einer interpretierenden, klassifizierenden und meist auch ausdrücklich übersetzenden Weise dargeboten, die dem vorausgesetzten Leserinteresse entspricht. In mehr oder weniger hohem Grad sind wohl alle Darstellungen der Geschichte der Philosophie (zumindest auch) doxographisch.

Doxographie hat eine Voraussetzung, die jener der Bibliographie vergleichbar ist: dass nämlich klar sei, dass die “doxa”, die “Meinungen” von dem- oder derjenigen wert seien, im Gedächtnis behalten zu werden. Es ist eine Weise des Darstellens und Aneignens von Gedanken, die darauf beruht, dass die UrheberInnen der jeweils vorgestellten Meinungen in einer als gesichert und wichtig erachteten Tradition gesehen werden. Insofern dient diese Sicht des Gegenstandes eher der Selbstbestätigung der jeweiligen Tradition als einer Ausweitung des Horizonts in argumentativer Weise.

(3) Biographie

Von den ersten Biographien der aristotelischen oder konfuzianischen Schulen bis zu Erinnerungen an Wittgenstein und ähnlichen Werken der Gegenwart steht biographische Literatur immer im Dienst einer Selbstverständigung mit Hilfe der Erinnerung an Vorbilder.

Biographien können sympathetisch oder kritisch-entlarvend verfasst sein, in jedem Fall bilden sie Solidarität – indem sie die jeweils eigene Tradition stärken oder die gegnerische angreifen. Ob sie freundlich oder feindlich mit den geschilderten Personen umgehen, stets streben Biographien von PhilosophInnen danach, eine Einheit (eines Lebens sowie Entsprechungen zwischen Leben und Denken) darzustellen und herzustellen. Gewiss ändern sich manche Gesichtspunkte und auch methodische Voraussetzungen dabei.

In der pragmatischen Erklärung aufklärerischer Philosophiehistorie hat die Biographie vorübergehend explizit systematische Züge angenommen: es ist nach Bruckers Auffassung nur aufgrund der Lebensumstände eines Denkers zu erklären, wenn er irrige Auffassungen entwickelt hat. Dieser Gedanke - überzeugend lediglich unter der Voraussetzung einer Normalvernunft, die, unbehindert angewandt, zu wahren Erkenntnissen gelangen müsse - ist implizit in vielen Phasen biographischer Beschreibungstradition vorhanden.

Biographische Aussagen beispielsweise über Konfuzius (im Lunyu) sind nicht rein deskriptiv. Sie sind, deutlicher ausgedrückt, überhaupt nicht oder nicht in erster Linie als Informationen intendiert, sondern als Appelle. Wenn gesagt wird, dass Konfuzius bei bestimmten Gelegenheiten geschwiegen bzw. gefragt habe, so heißt das für LeserInnen, dass es bei derartigen Gelegenheiten angebracht ist, zu schweigen bzw. zu fragen; schwierig mag es sein, jeweils zu wissen, welche Gelegenheiten von derselben Art sind. Biographische Anekdoten können auch allgemein bekannte Thesen eines Philosophen illustrieren und damit die praktische Anwendbarkeit dieser Thesen aufzeigen. Der biographische Bericht hat in solchen Fällen erzieherische Funktion. Woher kommt ihm diese zu? Heumann, wohl der wichtigste Autor der Frühaufklärung in der Frage einer Theorie der Philosophiehistorie, bringt das auf den Punkt: Die lebendige Vertrautheit mit der Geschichte kann uns selbst wahrheitsliebend und weise machen durch das Beispiel, das die Philosophen darin geben: "longum iter per praecepta, breve et efficax per exempla" – weit ist der Weg über Regeln und Vorschriften, kurz und wirksam über Vorbilder46.

Wir haben es bei dem Wunsch nach Solidarität, der der Biographie ihren Sinn gibt, mit einem Autoritätsargument zu tun. Was aber ist es, das Lebensumstände und Verhaltensweisen von PhilosophInnen autoritativ macht? Die Antwort ausschließlich im Rang oder im Wahrheitsgehalt ihres Denkens zu suchen, wäre naiv. Gelegentlich lässt sich gerade im Gegenteil der Eindruck nicht vermeiden, dass die Autoritätsvermutung bezüglich des Denkens von Berichten über Handlungen und Lebensumstände getragen ist. Dies kann gerade dann jedoch eine trügerische Neigung sein, wenn es sich um DenkerInnen aus fremden Traditionen handelt. Dann nämlich ist beides möglich: dass der Bericht über ihre Lebensumstände und Verhaltensweisen verhindert, sie als denkende Menschen ernst zu nehmen; oder auch: dass dieser Bericht es erschwert, sich mit ihrem Denken kritisch auseinander zu setzen.

Zwischenüberlegung

Obgleich bibliographische, doxographische und biographische Arbeiten in Bezug auf nichtokzidentale philosophische Traditionen nützlich und notwendig sind, plädiere ich im Hinblick einer globalen Perspektive von Philosophiehistorie doch in erster Linie für problem- und institutionengeschichtliche Projekte. Gründe dafür wurden für die drei erstgenannten teilweise schon angesprochen, ich will nur für den Fall der Biographie den Punkt verdeutlichen, der mutatis mutandis auch für die Bibliographie und Doxographie zutrifft.

Biographische Texte stellen den Lebenslauf einer Person dar, im Ganzen oder in Teilen. Das Interesse an solchen Texten, wenn sie von philosophierenden Personen handeln, kann letztlich nur darin liegen, deren Gedanken oder Ideen genauer zu verstehen. Dieses Verstehen bezieht sich aber nur darauf, etwas darüber zu erfahren, wie sie zu ihren Ideen gekommen, welche Anlässe und Umstände zu deren Entwicklung geführt haben. Biographische Kontexte können auch verstehen helfen, was genau in Texten von Philosophen ausgesagt ist. All das sind Gesichtspunkte, die das Entstehen und den Gehalt von Ideen betreffen, nicht deren Gültigkeit oder Wahrheit. Biographische Nachrichten sagen letztlich nichts über die philosophische Relevanz oder die Überzeugungskraft einer These, eines Arguments, einer Idee aus. Es klingt darum nicht einfach absurd, wenn Leibniz seinem Lehrer Jakob Thomasius lobend zuschreibt, dieser habe „non Philosophorum, sed philosophiae historiam“ bearbeitet – auch wenn die Reinform einer solchen Idee (nämlich eine Geschichte von Philosophie gänzlich ohne biographische Daten) schwer vorstellbar ist.

Jedenfalls liegt das Kriterium dafür, wer als PhilosophIn gelten soll, nicht in irgend welchen Merkmalen von Lebensläufen, es sei denn, es gäbe eine klare Vorstellung davon, was ein philosophischer Lebenslauf sei – was für einzelne historische Perioden vielleicht der Fall ist, aber sicher nicht im allgemeinen und für alle regionalen Kulturtraditionen zutrifft.

(4) Problemgeschichte

Als primärer Gegenstand von Problemgeschichte sind Fragestellungen und Lösungsvorschläge anzusehen, die im Verständnis der HistorikerInnen als philosophisch zu klassifizieren sind. Es handelt sich also um eine Zugangsweise, die in erster Linie von den in den systematisch philosophischen Diskursen der jeweiligen Gegenwart leitenden Gesichtspunkten und Fragestellungen bestimmt ist. Das rekonstruierte Denken der Vergangenheit wird dabei entweder in einem Entwicklungsmodell oder im Rahmen der gegenwärtigen Forschungssituation in systematischer Weise (s.u.) dargestellt.

Die problemgeschichtliche Zugangsweise in der Philosophiehistorie ist vor allem für solche Traditionen kennzeichnend, die eine stark entwickelte Methodologie der Erkenntnis aufweisen, im europäisch-neuzeitlichen Kontext also etwa für den Kantianismus, den Positivismus und die Analytische Philosophie. In der indischen Tradition können die Arbeiten, die zur Unterscheidung der sechs klassischen astika-Schulen geführt haben, dazugezählt werden.

In allen diesen Fällen treten hinsichtlich der Philosophiehistorie Tendenzen auf, in einer möglichst rein systematischen Weise die Ergebnisse, Missergebnisse und Fragestellungen der vergangenen Philosophie zu der als gültig angesehenen gegenwärtigen Philosophie in Bezug zu setzen. Nach meinem Verständnis des Projekts einer interkulturell orientierten Philosophie ist darin deren zentrales Interesse zu sehen, auch im Hinblick auf die Geschichte: Die differenten Traditionen miteinander ins Gespräch zu bringen, nicht nur zum Zweck des Kennenlernens oder um einander besser zu verstehen, sondern letztlich um mit den Mitteln des Philosophierens in Sachfragen gemeinsam weiterzukommen. Das schließt natürlich Kritik und Selbstkritik ein, es lässt nicht einfach bestehen, was besteht.

(5) Institutionengeschichte

Institutionen als Gegenstand der Philosophiehistorie können von unterschiedlichem Typ sein. Grundsätzlich handelt es sich jeweils um kollektive Bedingungen, unter denen Entwicklungen des philosophischen Denkens vor sich gegangen sind. Hierbei muss unterschieden werden zwischen solchen Institutionen, die den akademischen oder wissenschaftlichen Betrieb der „Philosophie“ (was in der älteren Literatur bedeutet: der Wissenschaften) betreffen wie z.B. Akademien, Universitäten, Bibliotheken, Kommunikations- und Organisationsformen etc. – einerseits, und andererseits Institutionen, welche die allgemeine gesellschaftliche Organisation einer Epoche bestimmen (wie z.B. das Rechtswesen, die Staatsorganisation, Religionen, Wirtschaftsformen, Sprachgeschichte etc.). Der Gegenstand wird in der Institutionengeschichte mit dem Ziel bearbeitet, empirisch-sozialwissenschaftliche Erklärungshypothesen für den Ablauf der Geschichte der Philosophie zu finden oder Wissenschaftsplanung auf eine historische Basis zu stellen.

Die Geschichte des Denkens als eine Geschichte von Institutionen, eher denn als eine Geschichte von individuellen Denkleistungen aufzufassen, ist in mehrerer Hinsicht eine leitende Idee der europäischen Neuzeit geworden. Die Interpretation der Traditionen der verschiedenen Völker ging zunächst von dem für entscheidend gehaltenen Unterschied im Abstand zur (biblisch: an Adam) geoffenbarten Wahrheit aus: die barbarischen Völker wurden in dieser Hinsicht ganz anders eingeschätzt, als dies bei antiken Autoren der Fall gewesen war. Erst die Hinwendung zu einer von der Offenbarung unabhängigen, aber ebenso endgültigen Erkenntnisinstanz in der frühen Neuzeit hat hier neue Fragerichtungen geschaffen. Damit sind jene Institutionen in den Blick gekommen, mit deren Hilfe eine überlegene Wissenschaftsplanung möglich erschien - die Akademien, Zeitschriften, Kommunikationsformen etc. Die anderen Institutionen, wie die Sitten, Sprachen, Organisation der Lebensformen u.dgl. gerieten hingegen aus dem Blick, wurden in die neuen Kulturwissenschaften ausgegliedert, in Ethnologie oder allgemeine Geschichte.

Wenn ich meine, dass die Geschichte von Institutionen zusammen mit Problemgeschichte wichtig für die Historiographie der Philosophie im Zusammenhang mit kulturellen Differenzen ist, so ist dies keineswegs ein Plädoyer für Ethnophilosophie. Ein Projekt, in dem eine gelungene Verbindung institutionsgeschichtlicher mit problemgeschichtlichen Fragestellungen zugleich mit dem erstmaligen Bekanntmachen individueller PhilosophInnen vorliegt, ist beispielsweise die Rekonstruktion der so genannten “sage-philosophy” von DenkerInnen der Luo in Kenia durch Henry Odera Oruka.47 Hier werden die Lebensumstände, die gesellschaftliche Organisation von Wissen und die Funktion der Weisen zugleich mit deren Thesen und Argumentationen vorgestellt. Das ist dem kollektivistischen Ansatz der Ethnophilosophie ebenso entgegengesetzt wie einem bloßen Verstärken von bereits etablierten Traditionssträngen. Es bringt Stimmen zu Gehör und zwar so, dass es bei dem, was sie sagen und wie sie dies tun, wirklich schwer fällt, zu bestreiten, dass es sich dabei im strikten Sinn um Philosophie handelt.

(B) Darstellungsformen

(1) Chronologie

Die Form der chronologischen Darstellung entspringt der Vorstellung, dass die Abfolge von Systemen oder Schulen in ihrer Zeitfolge einen Erkenntniswert darstelle, weil schon allein darin ein Fortschreiten der Philosophie gezeigt werden könne. Der hellenistischen Form der Diadochographie48 liegt diese Vorstellung zugrunde. Für diese Darstellungsform sind Fragen der zeitlichen Priorität natürlich von großer Bedeutung. Aber auch in einer modernen “Soziologie der Philosophien” soll gezeigt werden: Die Geschichte der Philosophie ist in beträchtlichem Ausmaß die Geschichte von Gruppen, mit gewissen, regelmäßigen Abläufen, mit Lehrer-Schüler-Beziehungen und Beeinflussungen, die überall in ähnlicher Weise vor sich gehen – in China und Indien wie in Griechenland, im neuzeitlichen Europa oder in der islamischen Welt.49

Herrscht das chronologische Interesse vor, so wird die absolute wie die relative Datierung von Texten eine wichtige Rolle spielen. Hier scheinen nun aber deutliche Unterschiede zwischen den Traditionen der verschiedenen Schriftkulturen zu bestehen.

Aus indischer Tradition sind nur sehr wenige Werke50 bekannt, die ausdrücklich eine Geschichte des philosophischen Denkens zum Inhalt haben; darin ist der Gegenstand problemgeschichtlich aufgefasst und entsprechend die Darstellung nicht chronologisch, sondern systematisch. Ein Desinteresse an Fragen der Chronologie ist für die indische Geschichtsschreibung im Allgemeinen oft konstatiert worden51 und tatsächlich auffallend. China hingegen hat eine hoch entwickelte historiographische Tradition seit früher Zeit.52 Auch die Geschichte der Denkschulen hatte darin bereits während der Han-Dynastie, eine feste Stelle gefunden, wobei der chronologische Gesichtspunkt stets eine wichtige Rolle spielte.

Wir müssen uns bei der Chronologie, wie bei den anderen Darstellungsformen, immer auch fragen, welchem Interesse diese Form entspricht. Die Außerfragestellung einer historischen Abfolge – und das ist das erste Ziel jeder Chronologie – ist auf das Interesse an einer möglichst lückenlosen und zweifelsfreien Ahnenreihe zurückzuführen. Ein solches Interesse konnte unter den allgemeinen Annahmen der frühen Neuzeit dazu tendieren, bis zum Anfang der Menschen- und Erdgeschichte, zu den allerersten Ursprüngen, zum biblischen Adam zurückzugehen. Es fand seine Befriedigung dann darin, dass diese Ahnenreihe nicht nur lückenlos, sondern auch möglichst rein dargestellt wurde. Die Etablierung der vorsokratischen Denker als der ersten Philosophen im strengen Sinn im 17./18. Jh. führte hier zu einer neuen Ahnenreihe, aber auch diese wurde in den meisten Fällen möglichst lückenlos und möglichst geradlinig rekonstruiert.

Für eine interkulturelle Orientierung der Philosophiehistorie kann absolute Chronologie schon darum nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein, weil sie es mit Ungleichzeitigem zu tun hat. Wenn sie sich aber der Herausforderung des Vielfältigen stellt – wie dies in der erwähnten “Soziologie der Philosophien” von Collins der Fall ist –, so können die relativen Chronologien durchaus aussagekräftig sein für die genaue Erfassung von Besonderheiten einzelner Kulturregionen.

Collins spricht von “Netzwerken zwischen Generationen, Ketten von hervorragenden Lehrern und Schülern”, in denen sich intellektuelle Diskurse rekonstruieren lassen: “Kreativität ist bei Individuen nicht zufällig; sie baut sich in Ketten zwischen Generationen auf” und noch die Abgrenzung bestimmter Positionen lässt sich im Generationenabstand beobachten.53 Sein “intellektuelles Gesetz der kleinen Zahlen” fordert geradezu heraus, eine möglichst genaue Analyse der Gleichzeitigkeit und relativen zeitlichen Nähe in der Geschichte geistiger Produktionen zu unternehmen. Es lautet: ” […] the number of active schools of thought which reproduce themselves for more than one or two generations in an argumentative community is on the order of three to six”54, die sich gegeneinander profilieren. Intellektueller Konflikt beschränkt sich stets durch Konzentration auf bestimmte Themen und durch die Suche nach Verbündeten, wie Collins gleich zu Beginn schreibt: Nicht Einzelkämpfer, sondern eine kleine Zahl von kämpfenden Lagern bilden das Muster der Geistesgeschichte. Konflikt ist die Energiequelle des geistigen Lebens, und Konflikt ist durch sich selbst begrenzt.55

In einer derartigen Sichtweise, für die vieles spricht, werden aber nicht nur die allgemeinen, auch zeitlichen Muster erkennbar, die den Soziologen der Wissenschaft – und in unserem Fall: der Philosophie – interessieren, es zeigen sich darin auch deutlich Motivationen und Intentionen der einzelnen TeilnehmerInnen an Theoriedebatten.

(2) Entwicklungsgeschichte

Darstellung der Geschichte der Philosophie als einer Entwicklung setzt einerseits nicht unbedingt und in jeder Einzelheit die Priorität der Chronologie voraus; andererseits kann sie sicherlich nicht auf diese beschränkt bleiben. In einer entwicklungsgeschichtlichen Darstellung ist der Gesichtspunkt wesentlich, dass etwas Identisches beschrieben wird, das sich in der Zeit fortschreitend verändert, sich in unterschiedlichen, aufeinander folgenden Gestalten mehr und mehr verwirklicht hat. Es muss darin gezeigt werden, worin die Unterschiede bestehen, aber auch, in welcher Weise diese Unterschiede doch innerhalb eines Identischen bestehen. Entwicklungsgeschichte des Denkens besagt also, dass es ein identifizierbares Etwas gibt, einen Kern des Geschehens, der als solcher unverändert bleibt; dass es ferner Unterschiede, Entgegensetzungen, Abweichungen gibt, die indessen auf das behauptete Identische zu beziehen sind.

Geschichte der Philosophie oder besser: Geschichte der okzidentalen Philosophie ist immer wieder so beschrieben worden: als Entwicklung, Ausfaltung, oder sogar als Selbstentwicklung eines von den Akteuren — den Philosophierenden — abgehobenen, “absoluten” Geistes. Sie wurde 1715 von Heumann als Gang von der Kindheit (bei den Griechen) zur Reife (in der Neuzeit) beschrieben56 , von Bachmann 1811 als unendliche Evolution, von Hegel schließlich als das zwangsläufig Zum-Selbstbewusstsein-Kommen des Universums ganz im Allgemeinen. Aber auch dort, wo für die Geschichte der Philosophie nicht ein so zwangsläufig ablaufender Prozess angenommen wurde, konnte man durch die Kenntnis der Geschichte wenigstens im Bereich der Vernunfttätigkeit die “erfreuliche Gewissheit” eines beständigen Fortschritts gewinnen.57

Seit der Zeit der europäischen Aufklärung und Romantik sind in der Philosophie Versuche häufig, den eigenen Geisteszustand als Ergebnis eines Prozesses der Selbstentwicklung zu beschreiben, wobei dieses Ergebnis entweder als Zwischen- oder bereits als erkennbares Endergebnis angesehen wird.

Einer solchen Prozess-Vermutung hält Kimmerle entgegen: “Späteres ist nicht besser als Früheres, sondern zu allen Zeiten und in allen Kulturen gibt es gute und weniger gute Werke der Kunst und der Philosophie.” Das würde allerdings auch ein Vertreter des Entwicklungsgedankens ohne weiteres zugestehen, er würde nur eben hinzufügen: Die guten späteren Werke sind in irgendeiner Weise höher stehend als die guten früheren. Aber auch das bezweifelt Kimmerle und verweist u.a. auf die Veden und das Laozi: “Sehr alte Beispiele für Kunst oder Philosophie sind bereits in sich vollendet und können von nichts in der nachfolgenden Geschichte übertroffen werden.”58

Es lohnt sich, in diesem Punkt bei Hegel nachzufragen, denn dieser war es in erster Linie59, der die Leitidee verfochten hat,

daß – indem der Fortgang der Entwickelung weiteres Bestimmen und dies ein Vertiefen und Erfassen der Idee in sich selbst ist – somit die späteste, jüngste, neueste Philosophie die entwickeltste, reichste und tiefste ist”.60

Den Gang dieser Entwicklung, einer einzigen Entwicklung, aufzuzeigen ist in Hegels Sicht die Aufgabe von Philosophiehistorie, um die sich seine Vorlesung über die Geschichte der Philosophie dreht. Hegels Rekonstruktion der Geschichte der Philosophie stellt damit den paradigmatischen Fall einer entwicklungsgeschichtlichen Darstellung dar. Sie steht in einem engen Zusammenhang mit seinen Ausführungen über den Gesamtverlauf der Menschheitsgeschichte61 und soll hier nur in Bezug auf ihren Begriff der Entwicklung vorgestellt werden. Dieser Begriff ist so zentral, dass Hegel in der Einleitung zur Vorlesung über die Geschichte der Philosophie bereits klarstellt:

Wir können das, worauf es hier ankommt, in die einzige Bestimmung der ‚Entwickelung‘ zusammenfassen. Wenn uns diese deutlich wird, so wird alles übrige sich von selbst ergeben und folgen.” (S. 26)

Damit sind aber nicht irgendwelche Ereignisse oder Ereignisfolgen angesprochen, sondern: “Es geht vernünftig zu. Mit diesem Glauben an den Weltgeist müssen wir an die Geschichte und insbesondere an die Geschichte der Philosophie gehen.” (S. 26)

Naturgeschichte, Kulturgeschichte, die Völker und Sprachen, die Bemühungen der einzelnen Menschen, alles läuft nach Hegel darauf hinaus, in allem treibt der Geist “sein Werk im Großen, er hat Nationen und Individuen genug zu dispensieren” (S. 49). Es berührt ihn nicht, wenn bei einzelnen Völkern Stillstand eintritt, “wie dies etwa bei den Chinesen z.B. der Fall zu sein scheint” (S. 10) oder wenn, wie bei den Indern, in einzelnen Fällen “ihre Philosophie […] identisch mit ihrer Religion” (S. 119) bleibt, der “eine von Anfang an festbestimmte Wahrheit als Inhalt zugestanden” (S. 17)62 wird. Im Ganzen schreitet der Geist, nachdem zuerst “im Abendlande” die “Freiheit des Selbstbewusstseins” (S. 96) aufgegangen ist, in einer “Reihe von Entwickelungen” voran,

die nicht als gerade Linie, ins abstrakte Unendliche hinaus, sondern als ein Kreis, als Rückkehr in sich selbst vorgestellt werden muß. Dieser Kreis hat zur Peripherie eine große Menge von Kreisen; das Ganze ist eine große sich in sich zurückbeugende Folge von Entwickelungen” (S. 33).

Entwicklung, wie Hegel sie versteht, ist ein Höherschreiten durch Entgegensetzungen, nicht nur eine Abfolge verschiedener Stadien. Was sich entwickelt, bleibt mit sich identisch und verändert sich doch in grundlegender Weise.

Fassen wir die hegelsche Sichtweise zusammen, so lässt sich dies so ausdrücken: Es gibt eine einzige Entwicklung des philosophischen Denkens in der Menschheitsgeschichte, die im Wesentlichen abgelaufen und darum in ihren Grundzügen, Ergebnissen und Perspektiven erkennbar ist; was nicht in diesen Entwicklungsgang passt und ihn befördert, ist wertlos, und was ihn behindert, ist objektiv falsch.

Knüpfen wir bei dem zuletzt aus Hegels Vorlesung zitierten, sehr eindrucksvollen Bild von einem Kreis aus vielen Kreisen an, so können wir uns fragen, ob darin nicht die Möglichkeit liegt, auch neue “Kreise” zu entdecken. Entscheidend in unserem Zusammenhang ist, dass unter diesen peripheren “Kreisen” bei Hegel weder Denkleistungen von Chinesen noch von Indern vorkommen, was ja durchaus denkbar wäre – ein solcher kleiner, peripherer Kreis könnte etwa mit dem Namen “Sextus Empiricus”, ein anderer mit “Nagarjuna”, ein dritter mit “Wang Chong” angesprochen sein. Damit wären drei Erkenntnistheoretiker angesprochen, die in ihren jeweiligen Kontexten eine Form der Skepsis entwickelt haben und es wäre wohl lehrreich, nach Übereinstimmungen und Differenzen zwischen ihnen zu fragen.63 Hegel selbst schließt diese Möglichkeit bekanntlich aber aus.64

Was es bedeuten könnte, auch in der Philosophiehistorie wie in der Entwicklungstheorie im Allgemeinen “Entwicklungen nur noch in der Mehrzahl zu betrachten”65, diese aufeinander zu beziehen und füreinander fruchtbar zu machen, ist eine Frage, die für Philosophie in globaler Sicht von großem Interesse sein könnte.

(3) Kanonische Darstellung

Von einer kanonischen Darstellungsweise kann in der Philosophiehistorie dann gesprochen werden, wenn entweder gemäß traditionell überkommenen Grundbegriffen, Themen oder Philosophemen kategorisiert wird (z.B. nach solchen Begriffen wie ‚Leib–Seele‘, ‚Unendlichkeit‘, ‚Substanz‘ etc.) oder aber durch eine Zusammenstellung autoritativer DenkerInnen, von denen Aussagen über derartige Begriffe überliefert sind.

Der früheste Versuch dieser Art ist wohl der des Hippias von Elis, eines griechischen Sophisten aus der Zeit vor Platon und Sokrates, der eine doxographische, nach kanonischen Themen geordnete Sammlung von Gedanken griechischer und nichtgriechischer Denkerinnen und Denker verfasst haben soll, die jedoch “wohl schon im 3. Jahrhundert [v.AZ., FW] in Vergessenheit geraten”66 ist. Für den philologischen Rekonstrukteur des Werks steht nicht nur außer Frage, dass Hippias neben griechischen auch “barbarische” Denker in sein Werk aufgenommen hat, sondern ebenso, dass er “über berühmte Frauen aus Mythos und Geschichte eine Fülle von Beispielen und Zitaten beibringen konnte.”67 Dies alles habe Hippias auf kanonische Weise unter Themen oder Lemmata geordnet, wovon einige rekonstruierbar seien. Es handelt sich etwa um das Wasser; den Eros; “alles fließt”; das Eine; “am Anfang war alles zusammen”; “es gibt keine Falschaussage”; Erde und Wasser; Liebe und Streit; die Einteilung der Seinsprinzipien usw. So habe Hippias eine Linie von der Lehre des Thales über den Ursprung aus dem Wasser zu der “in der ägyptischen Mythologie weitverbreiteten Lehre vom Urgewässer Nun”68 gezogen. Platon und Aristoteles hätten das Werk sicher gekannt und wahrscheinlich ausgewertet (im Kratylos, Theaitetos, Timaios; in der Metaphysik).

Eine lexikalische Behandlung der Geschichte der Philosophie kann als der klarste Fall einer kanonischen Darstellung angesehen werden. Die Lemmata eines Lexikons bringen den jeweiligen Kanon – der Begriffe wie der relevanten Autoritäten – zum Ausdruck. Ein Vergleich beliebiger Wörterbücher der Philosophie, oder auch verschiedener Auflagen ein und desselben Wörterbuchs zeigt sehr schnell, dass es in der Philosophie nicht einen Kanon an Themen, Begriffen oder klassischen Texten und deren VerfasserInnen gibt, sondern viele, die jeweils einen bestimmten Begriff von Philosophie zeigen und unter einander konkurrieren.

Wie bei jeder Darstellungsform, ist auch hier zu fragen, worin im Hinblick auf eine globale Orientierung von Philosophiehistorie mögliche Verbesserungen zu sehen sind. Ein wichtiger Gesichtspunkt scheint mir darin zu liegen, Entsprechungen von Begriffen aus möglichst allen relevanten Philosophietraditionen gleichrangig zu behandeln. Dies scheint bisher eher in nicht-okzidentalen Sprachen gängige Praxis zu sein. Wenn beispielsweise ein japanisches Wörterbuch der Philosophie in ein und demselben Artikel “Seele” neben “psyche”, “anima”, aber auch “atman” und entsprechende sino-japanische Termini bespricht69, so ist das in okzidentalen Lexika kaum üblich: “atman” und ähnliche Begriffe aus nichtokzidentalen Traditionen finden sich in der Regel gesondert angeführt. Es wird eine Aufgabe der zukünftigen Zusammenarbeit von Philosophierenden aus vielen Traditionen sein, auch hier eine weniger abgrenzende Sichtweise zu verfolgen.

(4) Systematische Darstellung

Eine systematische Darstellungsweise von Geschichte der Philosophie kann chronologischen oder entwicklungsgeschichtlichen Fragestellungen ebenso zweitrangige Bedeutung beimessen, wie sie auch traditionelle Kanones vernachlässigen kann. Sie rekonstruiert oder konstruiert mehr, als dass sie referiert. Ihre Gliederung und ihre Begriffssprache orientiert sich nach dem systematisch begründeten Stellenwert von Problemen, den sie aus einer gegenwärtigen Position oder Diskussion bezieht; dabei wird sie, was in der Darstellung entsprechend einem Kanon nicht geschehen muss, systematische Zusammenhänge, aber auch Argumentationslücken nachweisen, die aus dem Wortlaut des vorhandenen Materials nicht hervorgehen. Darin liegt zugleich die (heuristische) Stärke und die (historisch-erklärende) Schwäche dieser Orientierung, die wir im 20. Jh. am deutlichsten in der analytischen Philosophie ausgeprägt finden, in der “die Vergangenheit der Philosophie als etwas Zeitloses, Nicht-Geschichtliches” und somit ohne “historisches Bewusstsein”70 behandelt wurde. Leitend war und ist dabei die Idee, dass ein Wissen über die Geschichte von Philosophie stets und ausschließlich daran gemessen werden muss, ob und wie weit es für die Klärung oder Lösung systematischer Fragestellungen (in der Logik, Ontologie, Erkenntnistheorie usw.) von Belang ist.71

(C) Funktion

(1) Funktion der Heuristik

Die am häufigsten ausdrücklich genannte Funktion von Philosophiehistorie ist sicherlich die heuristische. Diese Funktion wird jedenfalls von Bibliographie und Problemgeschichte, aber auch von der Doxographie angestrebt. Zwei Wege werden gewöhnlich genannt, auf denen Philosophiehistorie für die Philosophie selbst von heuristischem Wert sein könne: Als Mittel zur Vermeidung von bereits einmal begangenen Irrtümern könne die Kenntnis der Geschichte dienen und zweitens als Vorrat von Hypothesen, die bei der Findung von neuen Lösungsmöglichkeiten hilfreich sein können. Die entwicklungsmäßige und die systematische Darstellungsform scheinen zur Erfüllung dieser Funktion am besten geeignet.

In der europäischen Geschichte der Philosophiehistorie ist diese heuristische Funktion wohl zuerst von Francis Bacon formuliert worden, der Vorschläge machte, um die biographischen und doxographischen Nachrichten aus der Vergangenheit der Philosophie systematisch zu behandeln. Mit Ersterem kann er als Begründer einer institutionsgeschichtlichen Methode angesehen werden.72 Der zweitgenannte Vorschlag73 hat klar heuristische Intention: Sind erst einmal alle “Meinungen” zu irgendwelchen Gegenständen möglichst komplett und übersichtlich gesammelt, so können sie nicht nur untereinander verglichen, sondern auch auf ihre Wahrscheinlichkeit hin überprüft und die unwahrscheinlichen oder falschen ausgeschieden werden.

Die Frage, auf Grund derer wir uns in heuristischer Absicht mit Geschichte der Philosophie befassen, kann heute immer noch lauten: Was kann für die Lösung philosophischer Probleme aus der Kenntnis früheren Denkens gewonnen werden, was auf andere Weise nicht gewonnen werden kann? Dieselbe Frage ist abgewandelt noch weiter an Philosophiehistorie in interkultureller Orientierung zu stellen und lautet dann: Was ist philosophisch aus der Kenntnis nichtokzidentalen Denkens zu lernen, was aus der okzidentalen Denkgeschichte nicht zu lernen ist?

(2) Funktion der Traditionsbildung

Weniger explizit, in der Praxis aber nicht zu übersehen ist eine zweite Funktion: Zum Zweck der Etablierung oder Erhaltung von weltanschaulichen und schulphilosophischen Traditionen wird die Geschichte des philosophischen Denkens beschrieben, wobei vor allem die Typen der Doxographie, der Biographie und Problemgeschichte in Frage kommen; die geeignetste Darstellungsform dafür scheint eine entwicklungsgeschichtliche Darstellung zu sein.

In einer interkulturellen Orientierung sind philosophiehistorische Arbeiten bezüglich dieser Funktion immer noch eher zur Etablierung und – teilweise – Entdeckung von philosophisch relevanten Traditionen außerhalb der klassischen okzidentalen Bildungskanones notwendig.

(3) Funktion der Wissenschaftsplanung

Ebenfalls häufiger, als dies ausdrücklich gesagt wird, sind philosophiehistorisch fundierte Orientierungen im Bereich der Wissenschaftsplanung und Wissenschaftspolitik (im Gebiet der Philosophie) wirksam. Dies kann sowohl die Begründung von Lehrplänen als auch von Forschungsprojekten, die Berufungspolitik von Universitäten oder auch die Verlagspolitik betreffen. Für solche Zwecke wird hauptsächlich die Problemgeschichte, aber auch die Institutionengeschichte zu verwenden sein.

(4) Funktion der Wertorientierung

Die Funktion der Wertorientierung geht über den rein wissenschaftlichen und akademischen Bereich des Philosophierens hinaus. Diese Funktion wird überall dort verfolgt, wo man aus dem Bildungsgut der philosophischen Traditionen Anregungen für eine moralisch-weltanschauliche Orientierung angesichts lebenspraktischer Probleme zu gewinnen sucht. Die angemessenste Form, diese Funktion zu erfüllen, scheint mir in unserer Zeit eine entwicklungsmäßig betriebene Institutionengeschichte zu sein, wobei eine vergleichende Aufarbeitung der philosophischen Traditionen verschiedener Kulturen das Ziel ist. Chronologischen und kanonischen oder systematischen Untersuchungen kommt unter dieser Zielsetzung ebenfalls große Bedeutung zu.

In Debatten über interkulturelle Philosophie spielt diese Funktion eine nicht zu übersehende Rolle, weswegen ich etwas ausführlicher darauf eingehen will. Ausdrücklich betonen Plott und seine Mitautoren einer Global History of Philosophy, dass sie mit ihrem Projekt einer kulturvergleichenden Darstellung der Geschichte der Philosophie auch den Zweck verfolgen, Gemeinsamkeiten im Denken wieder bewusst zu machen, wodurch sie hoffen, zu einem Abbau von Feindseligkeiten und Vorurteilen beitragen zu können.74 Fornet-Betancourt schreibt von einem notwendigen “Konversionsprozeß”, um “eine neue Dynamik der universalen Totalisierung mit dem anderen zu gründen, die auf der gegenseitigen Anerkennung, Respekt und Solidarität basiert”.75 Holenstein antwortet auf die skeptische Frage, warum “wir uns eigentlich überhaupt verständigen” wollen, mit dem Hinweis, die “Besinnung auf zivile Umgangsformen in der Auseinandersetzung mit uns fremden Kulturen bedarf keiner moralischen Motivation. Schieres Eigeninteresse genügt.”76 Dieses allerdings ist in seiner Sicht nur in einer aufmerksamen und selbstkritischen Aufgeschlossenheit zu verfolgen. Mall wiederum spricht von einem “Ethos der Interkulturalität und Interreligiosität”, das “einer Zukunftsgestaltung dient, die falschen und oft gefährlichen Traditionalismen und Exklusivismen vermeidet und die eine Wahrheit, auf welchem Gebiet auch immer, niemandes Besitz allein sein lässt”.77 Panikkar stellt fest: “Was für ein kulturelles Zusammenleben erforderlich ist, ist der dialogische Dialog, dessen Bedingung, unter anderen, die gegenseitige Achtung ist”, was “ein Minimum an gegenseitiger Kenntnis” erfordert, “die nicht ohne Sympathie und Liebe möglich ist”.78 Und Paul nennt als das “oberste Ziel komparativer Philosophie […] die Förderung interkulturellen Verstehens. So banal dies klingt, so richtig bleibt es.”79

Man kann solche Gesichtspunkte der Orientierung und damit Aufgaben interkultureller Philosophie auch im Bereich der Philosophiehistorie in folgender Weise80 formulieren:

Daraus ergeben sich entsprechende Aufgabestellungen auch für die Historiographie der Philosophie in interkultureller Orientierung.


Anmerkungen

1Bertrand Russell: Philosophie des Abendlandes. Ihr Zusammenhang mit der politischen und sozialen Entwicklung. 10. Aufl. Wien: Europa-Verlag, 2001. (Erstdruck: engl. 1946)

2Autorenkollektiv (Hg.) Geschichte der Philosophie. Bd. 1-6. Berlin: VEB Dt. Verl. d. Wiss., 1959-1967. (Erstdruck: russ. 1957-1965) Darstellung Kants in Bd. 2.

3Hinrich Knittermeyer: "Kant." In Das Deutsche in der deutschen Philosophie, Hg.: Theodor Haering. Stuttgart: Kohlhammer, 1942. (Erstdruck: 1941)

4Frederick Copleston: A History of Philosophy. Bd. 1-9. New York: Doubleday, 1985. (Erstdruck: 1946-1974) Darstellung Kants in Bd. 6.

5Charles Batteux: Geschichte der Meynungen der Philosophen von den ersten Grundursachen der Dinge. Leipzig: Dyckische Buchhandlung, 1773, S. 316. (Erstdruck: frz. 1769 )

6Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie. Hg.: Rolf Nölle: BoD - Books on Demand, 2008, S. 9. (Erstdruck: 1831) Vorschau Internet

7Vgl. z.B.: Amaury de Riencourt: Die Seele Chinas. Frankfurt/M.: S. Fischer, 1962. S. 107: „Das Wesen des chinesischen Geistes erschließt sich in seiner synthetischen und konkreten, beinahe weiblichen Erfassung der Realität und dem gewollten Ausweichen vor jeder analytischen Form des Überlegens ...“ 122: „Alles in allem zeichnen sich die Chinesen durch einen völligen Mangel an Logik aus ...“

8z. B. schreiben Joachim Schondorff und Werner Schingitz (Hg.): Philosophisches Wörterbuch. 10., völlig neu bearb. Aufl. Stuttgart: Kröner, 1943, zu Edmund Husserl, dass bei diesem „ein typisch jüdischer Rationalismus Triumphe feiert und jede gewachsene Wirklichkeit entwertet.“ (S. 248)

9Autorenkollektiv: Abriß der Geschichte der Philosophie. Berlin: Deutscher Verlag der Wissensch., 1966.: 12.

10Autorenkollektiv 1966: 14.

11Ralf Moritz, Hiltrud Rüstau und Gerd-Rüdiger Hoffmann (Hg.): Wie und warum entstand Philosophie in verschiedenen Regionen der Erde? Berlin: Akademie-Verlag, 1988.

12Vgl. Randall Collins: The Sociology of Philosophies. A Global Theory of Intellectual Change. Cambridge, Mass.: Belknap Press of Harvard Univ. Pr., 2000. (Erstdruck: 1998): 1–10.

13Vgl. Collins (2000: 3): ”The history of philosophy is to a considerable extent the history of groups. Nothing abstract is meant here – nothing but groups of friends, discussion partners, close-knit circles that often have the characteristics of social movements.”

14Collins (2000: 19): ”Intellectuals are people who produce decontextualized ideas. These ideas are meant to be true or significant apart from any locality, and apart from anyone concretely putting them into practice.”

15Marx schreibt 1841 in der Vorrede zu seiner Dissertation: “Die Philosophie verheimlicht es nicht. Das Bekenntnis des Prometheus: haplo logo tous pantas echthairo theous [schlicht gesagt, ich hasse alle die Götter] ist ihr eigenes Bekenntnis, ihr eigener Spruch gegen alle himmlischen und irdischen Götter, die das menschliche Selbstbewußtsein nicht als die oberste Gottheit anerkennen. Es soll keiner neben ihm sein.” (Marx-Engels Werke, Ergänzungsband 1: 262)

16Hanns-Gregor Nissing, „Wer ist der Mensch?“ Ein erster Blick auf Denken und Werk Karol Wojtyłas/Papst Johannes Pauls II. Zur Einführung, in: Karol Wojtyła, Wer ist der Mensch? Skizzen zur Anthropologie, München 2011, LVII

17Die Proportionen gotischer Kathedralen bringen ebenso Ideen über den Kosmos und die Gesellschaft zum Ausdruck (vgl. Otto von Simson: Die gotische Kathedrale. Beiträge zu ihrer Entstehung und Bedeutung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1972. ) wie dies in der Anlage von Dörfern und der Gestaltung von Häusern in vielen historischen Gesellschaften der Fall ist.

18In manchen Gesellschaften, wie der südindischen, sind Tänze ein bevorzugtes Medium der Vermittlung von Weltbild und Mythos.

19Heinz Kimmerle: "Die interkulturelle Dimension im Dialog zwischen afrikanischen und westlichen Philosophien." In Ethnozentrismus. Möglichkeiten und Grenzen des interkulturellen Dialogs, Hg.: Manfred Brocker und Heino Heinrich Nau, S. 90-110. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1997. : 94.

20Heinz Kimmerle: Interkulturelle Philosophie zur Einführung. Hamburg: Junius, 2002. : 112.

21Vgl. Niels Weidtmann: "Kann Schriftlichkeit fehlen? Afrikanische Weisheitslehren im interkulturellen Dialog." In: polylog. Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren 1, Nr. 1 (1998) S. 73-84. hier: 74): “Hampâté Bâs vielzitierter Ausspruch, daß mit jedem Alten, der in Afrika stirbt, eine ganze Bibliothek verbrenne, deutet an, welch riesigen Wissensschatz die mündlichen Überlieferungen Afrikas bergen.” Im selben Sinn spricht Chatterjee (1988: 75) “von der rasch abnehmenden Klasse der ‚pundits […] sie sind lebende Bibliotheken des Denkens der Ver­gangenheit.”

22Johann Christian August Grohmann: Über den Begriff der Geschichte der Philosophie. Wittenberg: Kühne, 1797. 64: “Geschichte der Philosophie ist die systematische Darstellung der nothwendigen vorhandenen Systeme der Philosophie, als der Wissenschaft der a priori im Vorstellungsvermögen bestimmten Erkenntniss nach Begriffen, in wie fern die Systeme auf ihre ersten im Vorstellungsvermögen bestimmten Gründe zurückgeführt werden können und nach ihnen möglich sind.”

23Bertrand Russell: A Critical Exposition of the Philosophy of Leibniz. Cambridge: Cambridge Univ. Pr., 2013. (Erstdruck: 1900), S. 4: „The principal premisses of Leibniz's philosophy appear to me to be five. Of these some were by him definitely laid down, while others were so fundamental that he was scarcely conscious of them.“

24Collins (2000: 60) spricht von “up-and-down reputations” großer Philosophen und erwähnt hier Sokrates, aber auch Mencius ”who was not elevated to the official Confucian canon until 40 generations later by the Neo-Confucians around 1050–1200 C.E.”.

25Vgl. den Weltatlas solcher Wanderungen: Elmar Holenstein: Philosophie-Atlas. Orte und Wege des Denkens. Zürich: Ammann Verlag, 2004.

26Historische Ereignisse im Allgemeinen können in dem minimalen Sinn “folgenreich” sein, dass es materielle Zeugnisse für sie gibt. Alle Ereignisse, die in der Geschichtswissenschaft beschrieben werden, müssen diese Bedingung erfüllen, und dies trifft auch für die Philosophiehistorie zu. Die Umkehrung trifft in keiner historischen Disziplin zu: Nicht alle Ereignisse, die Spuren hinterlassen haben, werden beschrieben.
In einem zweiten Sinn können historische Ereignisse “folgenreich” sein, wenn ohne ihr Stattfinden spätere Ereignisse nicht (so) stattgefunden hätten. Nicht alle Ereignisse, die von einer historischen Disziplin beschrieben werden, erfüllen diese Bedingung.
In einem dritten Sinn “folgenreich” sind historische Ereignisse, wenn ohne ihr Stattfinden nach der Auffassung von HistorikerInnen spätere oder gegenwärtige Ereignisse nicht (so) stattgefunden hätten, wie dies der Fall ist (Vgl. Franz Martin Wimmer: Verstehen, Beschreiben, Erklären. Zur Problematik geschichtlicher Ereignisse. Freiburg i.Br.: Alber, 1978. : 78ff.).

27John C. Plott, James M. Dolin und Paul D. Mays: "Das Periodisierungsproblem." In: polylog. Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren 2, Nr. 3 (1999) S. 33-51. hier : 39. Vgl. Heinz Kimmerle: "Ein neues Modell des Entwicklungsdenkens. Die Bedeutung interkultureller Dialoge besonders auf den Gebieten der Philosophie und der Kunst für die Entwicklungstheorie." In Symbolisches Flanieren. Kulturphilosophische Streifzüge. Festschrift für Heinz Paetzold zum 60., Hg.: Roger Behrens, Kai Kresse und Ronnie M. Peplow, S. 252-67. Hannover: Wehrhahn Verlag, 2001. 260: “Die Periodisierungsversuche der Geschichten der Kunst und der Philosophie, die von der Perspektive westlicher Geschichtsschreibung ausgehen, sind allgemein bekannt. Für die Bedürfnisse einer interkulturell orientierten Philosophie können sie nicht mehr als selbstverständliche Ausgangspunkte angenommen werden.”

28Geiss 1979: 25.

29Schiller (1974: 14) spricht zwar von der Zeitgeschichtsschreibung in deutscher, englischer und französischer Tradition, aber die Aussage ist mutatis mutandis wohl für jeden Ansatz historischer Periodisierung zutreffend: ”Besides the unfortunate fact that research in the three great cultural languages uses such widely divergent watersheds, the actual suitability of these divisions is also debatable, as is always the case when periods are to be established.”

301788/89 erscheint die Litterargeschichte des Ursprungs und Fortganges der Philosophie, wie auch aller philosophischen Sekten und Systemen von Franz Xaver Gmeiner, der im ersten Band die Philosophie vor Christi Geburt, im zweiten Band diejenige nach Christi Geburt beschreibt, wenngleich er in den übrigen Unterteilungen das damals bereits gängige Schema von Antike, Mittelalter und Neuzeit verfolgt. Albert Schwegler (1861: 4) stellt fest: “(Der) Stoff theilt sich naturgemäß in die zwei Hälften: alte (griechisch-römische) und neuere Philosophie.”

31So kennt auch Hegel insgesamt drei Perioden: “Erste Periode: von Thales’ Zeiten (ungefähr 600 v. Chr.) bis zur neuplatonischen Philosophie […] ein Zeitraum von um 1000 Jahre […]
Zweite Periode: ist die des Mittelalters […] vornehmlich fällt diese Philosophie innerhalb der christlichen Kirche; ein Zeitraum von etwa über 1000 Jahre.
Dritte Periode: die Philosophie der neuen Zeit, für sich hervorgetreten erst seit der Zeit des Dreißigjährigen Krieges mit Baco, Jacob Böhme und Cartesius […] ein Zeitraum von ein paar Jahrhunderten, diese Philosophie ist so noch etwas Neues.” (Hegel 1982, I: 105f.)

32Imanuel Geiss: Epochen. Die universale Dimension der Weltgeschichte. Vol. , (Geschichte griffbereit Bd. 6). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1979. : 25) nennt diese Einteilung “längst nur noch formal” und hält dagegen “die Betonung des ökonomischen Faktors” aus dem marxistischen Periodisierungsansatz für “brauchbar. […] Sie kann helfen, zu einer Periodisierung zu gelangen, die ideologische Einseitigkeiten und Verzerrungen zu vermeiden sucht […] und formal gewordene Kategorien mit sinnvollem Inhalt anfüllt […].”

33Vgl. John C. Plott, James M. Dolin, Paul D. Mays 1979. Ich zitiere hier nach der deutschen Übersetzung (Plott et al. 1999, FN 31) mit einfacher Nennung der Seitenzahl, bzw. ohne Seitenzahl, wenn die entsprechende Passage in der Druckversion nicht enthalten ist. Die gedruckte Version der Übersetzung ist ein Auszug; den gesamten Text der Übersetzung finden Sie hier.
Vgl. im Internet zu den Weiterführungen von Plotts Ansatz den Artikel The Plott Project: http://www.sckans.edu/~gray/plott95.html

34Jaspers setzt die “Achsenzeit” etwa zwischen 800 und 200 v.AZ in Ost-, Süd- und Westasien an und kennzeichnet sie u.a. in folgender Weise: “Das Neue dieses Zeitalters ist in allen drei Welten, daß der Mensch sich des Seins im Ganzen, seiner selbst und seiner Grenzen bewußt wird. […]
Es erwuchsen geistige Kämpfe mit den Versuchen, den andern zu überzeugen durch Mitteilung von Gedanken, Gründen, Erfahrungen. […]
In diesem Chaos wurden die Grundkategorien hervorgebracht, in denen wir bis heute denken, und es wurden die Ansätze der Weltreligionen geschaffen, aus denen die Menschen bis heute leben. In jedem Sinne wurde der Schritt ins Universale getan.
Durch diesen Prozeß wurden die bis dahin unbewußt geltenden Anschauungen, Sitten und Zustände der Prüfung unterworfen, in Frage gestellt, aufgelöst. Alles geriet in einen Strudel. Soweit die überlieferte Substanz noch lebendig und wirklich war, wurde sie in ihren Erscheinungen erhellt und damit verwandelt.
Zum erstenmal gab es Philosophen. Menschen wagten es, als Einzelne sich auf sich selbst zu stellen. Einsiedler und wandernde Denker in China, Asketen in Indien, Philosophen in Griechenland, Propheten in Israel gehören zusammen, so sehr sie in Glauben, Gehalten, innerer Verfassung voneinander unterschieden sind.” (Karl Jaspers: Vom Ursprung und Ziel der Geschichte. Frankfurt/M.: Fischer, 1956. (Erstdruck: 1949): 15f.)

35Plotts Werk war bei seinem Tod bis Band V gediehen, der “The Period of Scholasticism” abschließt, es enthält daher keine Darstellung der Philosophie nach der Zeit der europäischen Entdeckungen mehr.
Die synchronologischen Tafeln, die als Beilage zum ersten Band erschienen sind, verzeichnen erst ab 1500 Namen von Personen, die außerhalb der Alten Welt wirken, und zwar in den Regionen: “Iberia and Latin America” (ab St. Teresa de Ávila, 1515–1582) bzw. “Anglo-America” (ab William Penn, 1644–1718).
Afrika wird in diesen Tafeln fast ausschließlich im Zusammenhang mit der islamischen Philosophie repräsentiert; es gibt beispielsweise keine Erwähnung äthiopischer Philosophen (wie Zarayaqob) oder von neueren Philosophen Afrikas (Ausnahme: Nkrumah; hingegen fehlt z.B. Senghor).

36Ein entsprechender Entwurf ist im Detail ausgeführt in: Wimmer 1990b

37Panikkar 1998: 15f

38Besser als der Ausdruck “homöomorph”, der seiner griechischen Bedeutung nach “Gleich-förmigkeit” zum Ausdruck bringt (was hier offenbar nicht der Fall ist), scheint das ebenfalls von Panikkar verwendete lateinische Wort “funktional” die Sache zu kennzeichnen, um die es geht.

39Panikkar 1998: 16

40Panikkar 1998: 17

41Holenstein 1999. Vgl. z.B. die “Zweckrationalitätsregel”: “Wenn man logische und teleologische Rationalität, die wörtliche Bedeutung eines Satzes und den mit ihm verfolgten Zweck nicht auseinanderzuhalten vermag, erscheinen viele Äusserungen als irrational”; die “Nos-quoque-” wie die “Vos-quoque-Regel”, wobei Letztere besagt: “Stösst man in fremden Kulturen auf Vergehen gegen die Menschlichkeit, die man nicht unwidersprochen zur Kenntnis zu nehmen bereit ist, dann ist es nicht allein wahrscheinlich, dass man vergleichbar anstössige Vorkommnisse in der eigenen Kultur findet.”

42Paul 2000: 404. Das Zitat gibt die Nr. XI seiner “methodischen Regeln philosophischer Komparatistik” wieder, wobei er in den folgenden ähnlich wie Holenstein formuliert. Vgl. S. 407 die Regeln XII und XIII.

43Fornet-Betancourt 2002: 15.

44Mall 2001: 224.

45Vgl. die Darstellung bei Braun 1990

46Christoph August Heumann: Acta philosophorum, das ist gründliche Nachrichten aus der historia philosophica. Erstes bis sechstes Stück. Halle: Rengerische Buchhandlung, 1715-16.

47Vgl. Oruka 1988 und 1990, Graneß und Kresse 1997.

48Vgl. die Darstellung bei Braun (1990), wo gezeigt wird, wie die Annahme einer auch zeitlich regelmäßigen Meister-Schüler-Abfolge sogar so weit wirksam war, dass man “Lücken”, für die keine Belege vorhanden waren, aufgrund hypothetischer Annahmen theoretisch schloss.

49Vgl. Collins 2000.

50Vgl. Madhava Acharya 1996.

51Vgl. Pargiter 1972, Rade 1999.

52Vgl. Beasley and Pulleyblank 1961.

53Vgl. Collins 2000: 5f..

54Collins 2000: 81.

55Vgl. Collins 2000: 1.

56Heumann 1715: I.

57Tiedemann 1793: VIII.

58Kimmerle 2001: 259.

59Hegel ist unter seinen Zeitgenossen allerdings nicht der Einzige, der diese Idee vertritt. Vgl. etwa Bachmann 1811: 73. In der Nachfolge Hegels sind hier vor allem Marx und Engels zu nennen, die nicht einen abgehobenen “Geist”, wohl aber einen einzigen Entwicklungsgang von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen annehmen.
Braun (1990: 17–21) diskutiert die Frage, wie weit auch Aristoteles schon eine “Entwicklung” in der Geschichte des Denkens gesehen hat und gelangt zu der Einschätzung: “Die Lektüre der Vergangenheit, wie sie sich im ersten Buch der Metaphysik abzeichnet, wird […] mit anderen Mitteln und in einem modifizierten Kontext von Hegel wieder aufgenommen werden […]”, und: “Der Begriff der Philosophiegeschichte als einer Geschichte philosophischer Probleme und daher als fortschreitende Entwicklung findet sich so bereits bei Aristoteles skizziert.” (Ebd: 20f.)

60Hegel 1982: 45; im Folgenden werden Zitate aus diesen Vorlesungen in diesem Abschnitt nur mit den Seitenzahlen im Text angegeben.

61Vgl. Hegel 1992.

62Dies ist für Hegel der entscheidende Unterschied zwischen Religion und Philosophie, der auch für deren jeweilige historische Erforschung den Ausschlag gibt. An der hier zitierten Stelle führt er ihn allerdings nur mit Bezug auf das Christentum explizit an: “Der Inhalt des Christentums aber, der die Wahrheit ist, ist als solche unverändert geblieben und hat darum keine oder so gut als keine Geschichte weiter. Bei der Religion fällt daher der berührte Widerstreit nach der Grundbestimmung, wonach sie Christentum ist, hinweg.” (Hegel 1982: 17)

63Derartige Vergleiche und Fragen finden sich immer wieder bei Plott in den verschiedenen Bänden. Für die hier Genannten vgl. Plott 1979, Bd. 2.

64Hegel (1982: 111): “[…] die sogenannte orientalische Philosophie […] tritt nicht in den Körper und Bereich unserer Darstellung ein; sie ist nur ein Vorläufiges, von dem wir nur sprechen, um davon Rechenschaft zu geben, warum wir uns nicht weitläufiger damit beschäftigen und in welchem Verhältnisse es zum Gedanken, zur wahrhaften Philosophie steht.”

65Kimmerle 2001: 266.

66Patzer 1986: 75. Allerdings gesteht Patzer (ebd.: 24) zu: “Daß Hippias auch nichtgriechische Literatur herangezogen hat, pflegt man in der Forschung nicht recht ernst zu nehmen.”

67Patzer 1986: 104.

68Patzer 1986: 41.

69Vgl. Tetsugaku Jiten. Tokyo 1979.

70Fischer und Wimmer 1986: 171.

71Eine aufschlussreiche Episode dazu findet sich im Bericht über ein Plato-Seminar, das in den 1990er-Jahren von einem Altphilologen und einem analytisch orientierten Philosophen gemeinsam durchgeführt wurde. “Wir bemühen uns, die Voraussetzungen zu verstehen, die den, um es überspitzt zu sagen, Unsinn plausibel machen. Die Philosophen fragen sich immer: Ist das denn so nun richtig?”, berichtet der Altphilologe. Und der Philosoph gibt auf die Frage, ob man denn Plato überhaupt noch lesen müsse, ob man ihn brauche, wenn man Philosophie studiert, die Antwort: “Irgendwie ist es eben doch interessant […]. Man entdeckt ja immer etwas Neues. Aber brauchen? Eigentlich natürlich nicht.” (Vgl. Luyken 1994: 19)

72Vgl. Braun 1990: 64: „Man solle … die Natur von Landschaften und Völkern aufzeigen, die Eignung oder Nichteignung bestimmter Charaktere für die Philosophie, jene Ereignisse, die für die Wissenschaf günstig bzw. ungünstig waren, Institutionen und Menschen.“

73Vgl. Braun 1990: 63f.: „man möge die Meinungen sammeln und koordinieren, und zwar so, daß sie sich gegenseitig klären. Sie werden dann die Beliebigleit ind die Fremdheit verlieren, die sie aufweisen, sobald man sie trennt und isoliert.“

74Vgl. das Vorwort zu Plott (1963, Bd. 1: X): Dieses Werk sei geschrieben ”for students who are concerned with problems of peace and international, intercultural, and interfaith relations, and especially students who have begun to realize that there are no short-cut solutions for the planetary crises […] and are therefore willing to work more thoroughly towards the One World goal which have become not just an ideal but a necessity.”

75Fornet-Betancourt 1997: 119.

76Holenstein 1999: 30.

77Mall 2003: 11.

78Panikkar 1998: 37.

79Paul 2000: 401.

80Vgl. Wimmer 1998: 12.

81Vgl. Plott (1984, Bd. IV: 458): ”Just as more knowledge of Ibn Sina’s broad polymath interests as a major humanist philosopher in the highest sense, including his correspondence with al-Biruni, should serve to minimize tension in India beween Muslims and Hindus, so now in Southwest Asia more awareness of his Jewish influence might ease tension between Muslims and Jews in the Holy Land.”


Das folgende Literaturverzeichnis führt allgemeine Literatur an, einige Angaben spezifischer Literatur zu den Themen der einzelnen Vorlesungen werden jeweils nach dem Text der entsprechenden Abschnitte bzw. in den Anmerkungen gegeben.

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Frederick Copleston: "The History of Philosophy: Relativism and Recurrence." In: Heythrop Journal V, Nr. 4 (1973): 123-35.
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Walter Hollitscher: Vom Nutzen der Philosophie und ihrer Geschichte. Wien: Verkauf, 1947.
Heinz Kimmerle: "Philosophie - Geschichte - Philosophiegeschichte." In: Wege zur Geschichte: Konvergenzen – Divergenzen – Interdisziplinäre Dimensionen, Hg.: Hamid Reza Yousefi, Hermann-Josef Scheidgen, Klaus Fischer, et al., S.  39-62. Nordhausen: Verlag Traugott Bautz, 2010. Internet: pdf
Karl Marx und Friedrich Engels: "Über Geschichte der Philosophie. Ausgewählte Texte." Hg.: Gerd Irrlitz und Dieter Lübke, S. Leipzig: Reclam, 1983.
T.I. Oiserman: Probleme der Philosophie und der Philosophiegeschichte. Berlin: Dietz, 1972.
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Giovanni Santinello und Gregorio Piaia (Hg.): Models of the History of Philosophy. Volume II: From Cartesian Age to Brucker. (International Archives of the History of Ideas. Hg. von C.W.T. Blackwell und Philip Weller. Bd. 204). Dordrecht: Springer, 2010. (Erstdruck: 1979 ital.) Voransicht Internet
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Hamid Reza Yousefi und Heinz Kimmerle (Hg.): Philosophie und Philosophiegeschichtsschreibung in einer veränderten Welt. Theorien - Probleme - Perspektiven. Nordhausen: Traugott Bautz, 2012.


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Letzte Bearbeitung: WS 2014/15