Thema 1: Einleitung
Thema 2a: Griech. Antike
Thema 2b: China
Thema 2c: Frühe Neuzeit
Thema 3a: Aufklärung

Thema 3b: Kantzeit
Thema 3c: Hegel und Marx

Thema 4: entfällt in diesem Semester
Thema 5: Postkol
oniale, feministische und interkulturelle Perspektiven
Thema 6: Globale Philosophiegeschichte

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Geschichte der Philosophiehistorie

(Vorlesungen von Franz M. Wimmer, Wien)

Projekte und Ansätze der Philosophiehistorie in globaler Perspektive (Version 2014 – in Bearbeitung)

Prüfungsrelevant:
Enrique Dussel:
"Eine neue Epoche in der Geschichte der Philosophie: Der Weltdialog zwischen philosophischen Traditionen." In: polylog. Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren, Nr. 24 (2010): 47-64. Englisch im Internet
oder:
John C. Plott, James M. Dolin und Paul D. Mays: "Das Periodisierungsproblem." In: polylog. Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren 2, Nr. 3 (1999): 33-51. Im
Internet


Als akademisches Fach ist Philosophie weltweit etabliert, allerdings vorwiegend in einer regional ausgebildeten, nämlich in ihrer okzidentalen Form. Dieser Umstand ist historisch bedingt und erklärbar, er führt aber in zentralen Bereichen philosophischer Forschung zu stillschweigenden Exklusionen und letztlich zu Verengungen möglicher Diskurse. Wir stehen an einer Stelle der Entwicklung einer Weltgesellschaft, die bereits im Sprechen über das Eigene und das Andere, gewisse Widersprüche offenbart. Wer über Ethik spricht und dabei keine anderen als okzidentale Denker und Begriffe anführt, muss das nicht westliche oder abendländische Ethik nennen – obwohl es sich genau darum handelt. Wenn aber jemand beim selben Thema lediglich afrikanische – oder chinesische oder indische usw. – Denker und Begriffe anführen würde, so wäre der regionale Marker sicher zu erwarten, die Rede wäre dann also von afrikanischer (oder chinesischer, indischer usw.) Ethik. Das kultur-regionale Adjektiv scheint also im einen Fall überflüssig, in den anderen Fällen notwendig oder wenigstens zu erwarten. Berechtigt ist ein solches Verhalten aber nur dann, wenn man bereit ist, Ethik – und Philosophie im Allgemeinen – im strengen Sinn als ein exklusiv okzidentales Geistesprodukt zu sehen. Diese Voraussetzung wird bestritten, wenn von einer interkulturellen Orientierung der Philosophie die Rede ist.

Eine Diskursrichtung, die sich aufgrund dieser Situation entwickelt, wird als interkulturelle Philosophie1 bezeichnet, was daran denken lassen könnte, dass es sich um etwas handelt, was insbesondere mit Interkulturalität befasst sei. Dem ist nicht so. Interkulturelle Philosophie ist prinzipiell Philosophie und in diesem Sinn hat sie keine besonderen Themen oder Schwerpunkte. Sie kann und soll ethische wie erkenntnistheoretische, ontologische, logische Fragen zum Gegenstand machen. Nach ihrem allgemein philosophischen Beitrag muss sie auch beurteilt werden können. Allerdings gibt es Gründe, warum gerade bestimmte Themen häufig in den Sinn kommen, wenn etwa seit den 1990er Jahren von einer interkulturellen Orientierung in der Philosophie die Rede ist und diese im universitären Raum zunehmend wahrnehmbar ist.2

Da ist zuerst die Philosophiehistorie zu nennen. Im Betreiben akademischer Philosophie weltweit spielen philosophiehistorische Themen und Fragen eine so große Rolle, wie das für andere Wissenschaften untypisch ist, und das gilt für so gut wie alle philosophischen Schulen. Es gilt selbst als philosophische Tätigkeit, Texte von (anderen) Philosophen zu interpretieren und zu kommentieren. Das versteht sich nicht von selbst, es war oder ist auch nicht weltweit in allen historischen Stadien von Philosophie gleicherweise der Fall (gewesen), es hat auch mit der Hegemonialisierung der okzidentalen Philosophie seit der Neuzeit zu tun, ist also gewissermaßen kontingent. In einem solchen Kontext ist es dann aber schon eine kleine Revolution, wenn Texte und Denker aus der Geschichte der Philosophie aus verschiedenen Weltregionen wahrgenommen werden. Diese Frage nach den anderen Stimmen aus der Weltgeschichte des philosophischen Denkens ist ein Merkmal interkulturell orientierter Philosophie.

Dabei ist die im 20. Jahrhundert entstandene komparative oder kulturvergleichende Philosophie weiter zu entwickeln – sofern diese bislang vor allem einen Vergleich ost- und südasiatischer mit okzidentaler Philosophie praktiziert hat –, es sind prinzipiell alle Weltregionen in den Blick zu nehmen, wobei die Diskurse der letzten Jahrzehnte über afrikanische, islamische und lateinamerikanische Philosophie besonders bedeutsam sind (vgl. Dussel 2010, s.o.). Die Entwicklung von Standards der Forschung und von Lehrmaterialien in dieser Richtung steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Über bloße Vergleiche in Richtung auf inhaltliche Auseinandersetzungen hinauszugehen, wäre dabei notwendig.3
Die wesentlichen hierbei relevanten Gesichtspunkte wurden in der Einleitung dieser Vorlesung bereits ausgeführt und sind dort nachzulesen. Sie betreffen vor allem Fragen der Bestimmung des Gegenstandes, der Auswahl von Traditionen, AutorInnen und Werken, sowie der Klassifizierung, Periodisierung und der Entwicklung passender Beschreibungsbegriffe.


Im Folgenden nenne ich einige Werke aus den letzten Jahrzehnten, die
- entweder theoretische Ausführungen zu einer interkulturell orientierten, globalen Philosophiehistorie enthalten,
- oder selbst Versuche einer global orientierten Philosophiehistorie darstellen.

Randall Collins: The Sociology of Philosophies. A Global Theory of Intellectual Change. Cambridge, Mass.: Belknap Press of Harvard Univ. Pr., 2000. (Erstdruck: 1998)
    vgl. dazu: Ines Simon: "Randall Collins, The sociology of philosophies: Einleitung." Seminararbeit, Wien, 2004. Im Internet
Alois Dempf: Selbstkritik der Philosophie und vergleichende Philosophiegeschichte im Umriß. Wien: Herder, 1947. 
Christoph Helferich: Geschichte der Philosophie. Von den Anfängen bis zur Gegenwart und Östliches Denken. 3. Aufl. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1999.
Elmar Holenstein: Philosophie-Atlas. Orte und Wege des Denkens. Zürich: Ammann Verlag, 2004.
    vgl. dazu: Bertold Bernreuter: "Denkräumen auf der Spur. Zu Elmar Holenstein: Philosophie-Atlas. Orte und Wege des Denkens." In: polylog. Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren, Nr. 13 (2005): 125-29. Im Internet
Karl Jaspers: Weltgeschichte der Philosophie. Einleitung. Hg.: Hans Saner. München: R. Piper, 1982.
Heinz Kimmerle: Philosophie in Afrika - afrikanische Philosophie. Annäherungen an einen interkulturellen Philosophiebegriff. Frankfurt/M.: Campus, 1991.
Gerald James Larson und Eliot Deutsch (Hg.): Interpreting Across Boundaries. New Essays in Comparative Philosophy. Delhi: Motilal Banarsidass, 1989. (Erstdruck: 1988 Princeton Univ. Press)
Ram Adhar Mall und Heinz Hülsmann: Die drei Geburtsorte der Philosophie. China, Indien, Europa. Bonn: Bouvier, 1989.
Ralf Moritz, Hiltrud Rüstau und Gerd-Rüdiger Hoffmann (Hg.): Wie und warum entstand Philosophie in verschiedenen Regionen der Erde? Berlin: Akademie-Verlag, 1988.
Hajime Nakamura: Parallel Developments. A Comparative History of Ideas. Tokyo: Kodansha, 1975.
Peter K.J. Park: Africa, Asia, and the History of Philosophy. Racism in the Formation of the Philosophical Canon, 1780-1830. Albany: State Univ. of New York Pr., 2013.
Gregor Paul: Asien und Europa - Philosophien im Vergleich. Frankfurt/M.: Diesterweg, 1984.
John C. Plott: Global History of Philosophy. Vol. 1-5. Delhi: Motilal Banarsidass, 1977 - 89. Infos im Internet
Ninian Smart: Weltgeschichte des Denkens. Die geistigen Traditionen der Menschheit. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2002.
Hans Joachim Störig: Kleine Weltgeschichte der Philosophie. Frankfurt/M.: Fischer, 2000.
Franz Martin Wimmer (Hg.) Vier Fragen zur Philosophie in Afrika, Asien und Lateinamerika. Wien: Passagen Verlag, 1988. Im Internet
Hamid Reza Yousefi und Heinz Kimmerle (Hg.): Philosophie und Philosophiegeschichtsschreibung in einer veränderten Welt. Theorien - Probleme - Perspektiven. Nordhausen: Traugott Bautz, 2012. Infos im Internet


1Es gibt einige Einführungen zur „interkulturellen Philosophie“ (vgl. THEMA 5). Zur Orientierung wird empfohlen: Heft Nr. 1 von „polylog. Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren“, mit den Beiträgen von Wimmer, Panikkar, Fornet-Betancourt und Mall (1998; Nachdruck 2014); In derselben Zeitschrift: Bertold Bernreuter: "Zehn Fallstricke in der Praxis interkultureller Philosophie." In: Nr. 16 (2007): 113-27. sowie: Hans Schelkshorn: "Interkulturelle Philosophie und der Diskurs der Moderne. Eine programmatische Skizze." In: Nr. 25 (2011): 75-100.

2Nausikaa Schirilla: "Interkulturelles Philosophieren im Studium der Philosophie." In: polylog. Zeitschrift für interkulturelles Philosophieren, Nr. 25 (2011): 31-37.

3Franz Martin Wimmer: "Interkulturelle versus komparative Philosophie – ein Methodenstreit?" In: Zeitschrift für Kulturphilosophie 3, Nr. 2 (2009): 305-12.


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Letzte Bearbeitung: WS 2014/15