Franz M. Wimmer
Barbaren, Exoten und Heiden - zur
Wahrnehmung der Anderen
in: Zeitschrift für
Lateinamerika, Wien,
Nr. 29, 1985, S. 45-53
Aus dem Text:
Für die Europäer der frühen
Neuzeit
sind die Bewohner der Neuen Welt, sobald man sich im klaren
ist, nicht
Indien
oder die Ostküste Asiens vor sich zu haben, Fremde par
excellence.
Es ist für das Selbstverständnis einer Kultur
aufschlußreich, wie sie die jeweils Anderen sieht, mit welchen
Begriffen und Methoden sie
die Herausforderung einer fremden Lebensform zu bewältigen
sucht.
Für unser heutiges Bewußtsein, auch für unsere
Fähigkeit und Unfähigkeit,
Fremdes anzueignen und uns dabei doch selbst treu zu bleiben,
sind die
Grundmuster
immer noch bedeutungsvoll und aufschlußreich, die unsere
Vorfahren
für die Verarbeitung der "Neuen Welt" entwickelt haben.
Mir scheint, es sind immer wieder drei Grundtypen des Anderen,
der als
fremdkultureller
Mensch in den Blick kommt, wirksam gewesen: Diese Anderen
wurden
entweder
als Barbaren oder als Exoten oder als Heiden betrachtet. Jede
dieser
Kategorien
konnte dazu dienen, eine aggressive Politik gegenüber diesen
Anderen
gerechtfertigt erscheinen zu lassen, die Zeugnisse dafür sind
Legion.
Jeweils als Kritik an innereuropäischen Zuständen konnten
diese
Heiden, Exoten und Barbaren aber auch zu Bewohnern Utopias
stilisiert
werden.
Nicht die Utopisierung und Idealisierung alter Lebensformen
(seien es
amerikanische,
asiatische oder afrikanische) ist die Aufgabe unserer Zeit,
sondern die
konkrete
Überwindung der Herrschaft der Begriffe von Barbarei und
Heidentum,
verbunden mit einer Entwicklung des Begriffs des Exotischen.
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