Spezielle Relativitätstheorie


13. Relativistische Energie und Ruheenergie
 

In diesem Abschnitt wollen wir das relativistische Konzept der Energie entwickeln. Wir werden eine Argumentationslinie verfolgen, die ohne höhere Mathematik nachvollzogen werden kann. Ein eleganterer Ansatz, dieses Thema anzupacken (der allerdings mit einer Integration verbunden ist) wird zum Abschluß nachgereicht.

mv2/2 gilt nicht mehr

Zu den vertrautesten Ausdrücken der galileischen Physik zählt jener für die kinetische Energie eines bewegten Körpers: mv2/2. Diese kann im Rahmen der Speziellen Relativitätstheorie aber nicht aufrecherhalten werden: Die kinetische Energie kann als die Arbeit, die zur Beschleunigung eines anfangs ruhenden Körpers aufgewandt werden muss, um ihn auf Geschwindigkeit v zu bringen, interpretiert werden. Nach der traditionellen Formel wäre es möglich, einen Körper unter Aufbringung eines endlichen Arbeitsaufwands auf (oder über) Lichtgeschwindigkeit zu bringen. Die Lichtgeschwindigkeit als Obergrenze (die wir im Abschnitt über die Zeitdilatation besprochen haben) muss sich auf irgendeine Weise auch in einem sinnvollen Energiebegriff widerspiegeln.

Daher stellt sich die Frage, wodurch der Ausdruck mv2/2 ersetzt werden soll.
 

Ein einfacher Stoßprozess

Um ein Energiekonzept zu entwickelt, das zur Grundstruktur der Speziellen Relativitätstheorie passt, gehen wir nach einer mittlerweise schon gut erprobten Methode vor: Wir werden einen einfachen Prozess von verschiedenen Gesichtspunkten (d.h. in verschiedenen Inertialsystemen) betrachten. Dabei handelt es sich um den folgenden Stoßprozess:

Zwei Körper gleicher Ruhemasse m bewegen sich mit Geschwindigkeiten v und -v aufeinander zu. Beim Aufprall bleiben sie aneinander haften, so dass ein ruhender Körper der Masse M entsteht. (So etwas nennt man einen inelastischen Stoß. Wir stellen uns am besten vor, die Kugeln seien aus Wachs):

Nun würde man zunächst gleich sagen, dass M = 2m ist, denn der resultierende Körper ist ja aus zwei Objekten der Masse m zusammengesetzt. Nach der Galileischen Physik ist das auch der Fall. Wir haben aber im vorigen Abschnitt gesehen, dass die Masse weniger konstant ist als man vielleicht gedacht hätte, also sind wir vorsichtig und lassen M vorläufig offen.

Analysieren wir den Prozess zuerst im Rahmen der galileischen Physik. Der Gesamtimpuls des (abgeschlossenen) Systems ist erhalten: vor und nach dem Stoß ist er Null. Bei der Energieerhaltung müssen wir ein bisschen aufpassen: Vor dem Stoß besteht die Gesamteenergie lediglich aus der kinetischen Energie der beiden Körper:  Evor = 2 mv2/2 = mv2. Nach dem Stoß ist die kinetische Energie des resultierenden Körpers Null, da er ja in Ruhe ist. Andererseits ändert sich die Gesamtenergie eines abgeschlossenen Systems nicht, also müssen wir schliessen, dass die Gesamtenergie nach dem Stoß, Enach, ebenfalls durch mv2 gegeben ist. Sie ist offensichtlich im resultierenden Körper enthalten und heißt Wechselwirkungsenergie. (So kann sie beispielsweise für die Verformung des Wachses verwendet worden und in Wärme übergegangen sein). Wir halten also fest, dass die in diesem Stoßprozess auftretende Wechselwirkungsenergie durch

W  =  m v2 (1)

gegeben ist.
 

Auf dem Weg zu einem neuen Energiekonzept

Nun analysieren wir die Situation relativistisch. Die Größen m und M sollen für die Ruhemassen der auftretenden Objekte stehen. Im Inertialsystem I, das den Abbildungen entspricht, gibt es nichts Aufregendes zu lernen: Der relativistische Gesamtimpuls (der ja, wie wir im vorigen Abschnitt formuliert haben, erhalten ist) ist vor und nach dem Stoß Null, und über die relativistische Energie wissen wir ja noch nichts.

Wir wollen denselben Prozess nun von einem anderen Inertialsystem I' aus betrachten, nämlich jenem, in dem der rechte der beiden aufeinanderfliegenden Körper vor dem Stoß in Ruhe ist. Wir werden dann aus dem (bereits bekannten) Satz von der Erhaltung des relativistischen Impulses und der (bereits bekannten) Umrechnung der auftretenden Geschwindigkeiten in das System I' eine neue Erkennntnis erlangen, die uns den Weg zum relativistischen Energiekonzept weisen wird.

Das System I' bewegt sich in I mit Geschwindigkeit -v. Wie schnell bewegt sich in ihm der linke Körper? Nach der galileischen Physik wäre seine Geschwindigkeit durch 2v gegeben, aber in der Relativitätstheorie müssen wir die Formel für die relativistische Geschwindigkeitsaddition anwenden: Danach ergibt sich die gesuchte Geschwindigkeit zu

u  =  (v + v)/(1 + v2/c2 )  =  2v/(1 + v2/c2 ) , (2)

ist also kleiner als 2v. Die Situation vor dem Stoß sieht in I' nun so aus:

Nach dem Stoß bewegt sich der resultierende Körper mit Geschwindigkeit v:

Nun wenden wir den Satz von der Erhaltung des relativistischen Impulses in diesem Inertialsystem an. Der Impuls ist (siehe Formel (4) des vorigen Abschnitts) vor dem Stoß durch m u (1 - u2/c2 )-1/2, nach dem Stoß durch M v (1 - v2/c2 )-1/2 gegeben. Die Erhaltung des relativistischen Impulses verlangt also

m u (1 - u2/c2 )-1/2 =  M v (1 - v2/c2 )-1/2 . (3)

In dieser Gleichung ist alles bekannt außer M. (Wenn wir dieselbe Argumentation in der galileischen Physik durchgehen, entsteht eine entsprechende Gleichung, die sich auf die Aussage M = 2m reduziert). Wir können Gleichung (3) also benutzen, um M zu berechnen. Wir lösen sie nach M auf und verwenden (2), um u durch v auszudrücken. Nach einer kurzen Rechnung ergibt sich

M   =  2 m (1 - v2/c2 )-1/2 . (4)

Die Masse des resultierenden Körpers ist also tatsächlich größer als der zunächst vermutete Wert 2m. Was bedeutet das? Falls die Geschwindigkeit v nicht allzu groß (also v/c klein) ist, können wir für diesen Ausdruck die Näherungsformel  (1 - x )-1/2 » 1 + x/2, die für kleine x gilt, verwenden (das sind gerade die ersten zwei Terme der Taylorreihe) und erhalten

M   »  2 m  +  mv2/c2 (5)

Wir erinnern uns an (1) und erkennen, dass (5) auch als

M   »  2 m  +  W/c2 (6)

geschrieben werden kann. (Die Verwendung der nichtrelativistischen Formel (1) als Näherung ist sicher gerechtfertigt, wenn v nicht zu groß ist). Das bedeutet, dass die Masse des resultierenden Körpers im Vergleich zur Summe der Massen der Bestandteile (dem galileischen Wert) um den Beitrag "Wechselwirkungeenergie/Quadrat der Lichtgeschwindigkeit" erhöht ist. Damit sind wir einem Muster auf der Spur, das ganz allgemein gilt: Wird einem System die Energie DE zugeführt, so ändert sich seine Masse um den Betrag

Dm  =  DE/c2 . (7)

Im Fall unseres Stoßprozesses ist dem System, das nach dem Stoß aus den beiden aneinander haftenden Körpern besteht, die Energie DE = W (z.B. als Verformungsenergie) zugeführt worden. Dass in (5) nur ein » statt eines Gleichheitszeichens steht, erklärt sich daraus, dass W durch die nichtrelativistische Formel für die kinetische Energie ausgedrückt war. Im Lichte von (7) könnte allerdings in (6) ein Gleichheitszeichen geschrieben werden, wenn W nicht als von (1) übernommener nichtrelativistischer Ausdruck, sondern als relativistische Verformungsenergie gedeutet wird. Wer Lust hat, kann letztere damit exakt ausrechnen.
 

Relativistische Energie

Wir versuchen nicht, die Massenänderung (7) noch genauer zu begründen (obwohl es die verschiedensten Argumente dafür gibt), sondern fassen sie als Hypothese auf, die zu einer weiteren Spekulation Anlaß gibt: Wenn jede Energieänderung zu einer Massenänderung führt, so könnte das doch auch für die relativistische Massenzunahme durch Bewegung, die wir im vorigen Abschnitt besprochen haben, angewandt werden:

Im Vergleich zum Ruhezustand ist einem bewegten Körper seine kinetische Energie Ekin zugeführt worden. Andererseits hat sich auch seine Masse von der Ruhemasse m zur dynamischen Masse mdyn (siehe Formel (3) des vorigen Abschnitts) geändert: Dm = mdyn - m. Kombinieren wir das mit (7), so erhalten wir mdyn - m = Ekin/c2, d.h.

Ekin   =   (mdyn - m) c2   =   E - m c2 , (8)

wobei

E     =     m c2  
________
  _______
Ö1 - v2/c2
(9)

ist. Wir definieren den Ausdruck (8) als die relativistische kinetische Energie eines Körpers, der sich mit Geschwindigkeit v bewegt. Ist v klein gegenüber der Lichtgeschwindigkeit, kann wieder die Näherungsformel  (1 - x )-1/2 » 1 + x/2, für kleine x verwendet werden, und (8) reduziert sich auf den nichtrelativistischen Ausdruck  mv2/2. Für Geschwindigkeiten nahe c wird E beliebig groß.

Einstein hat diese Gedankengänge noch weiter getrieben: Wenn die beiden Größen Energie und Masse generell gemäß (7) aneinander gekoppelt sind, brauchen wir sie möglicherweise nicht wirklich zu unterscheiden! Sie wären zueinander "äquivalent", um nicht zu sagen identisch. (Dieses Postulat heißt "Äquivalenz von Masse und Energie"). Demnach wäre der Ausdruck (9) ein besserer Kandidat für einen relativistischen Energiebegriff als (8): Energie und (dynamische) Masse wären dann zueinander proportional, also bis auf den Faktor c2 miteinander zu identifizieren. Masse wäre im Grunde als eine spezielle Form von Energie anzusehen.

Der Ausdruck (8) für die kinetische Energie sieht in der Tat ein bisschen ungewohnt aus: Eigentlich gleicht eher die Größe (9) vielen der anderen Formeln, die wir in diesem Lehrgang abgeleitet haben. Es spricht noch eine Reihe weiterer Argumente (die ein bisschen mathematischer sind, und auf die wir hier nicht näher eingehen) dafür, dass E die Gesamtenergie eines Körpers (in Abwesenheit von Kräften) darstellt. Diese Größe trägt den schlichten und prägnanten Namen relativistische Energie.
 

Ruheenergie

Wenn E die Gesamtenergie eines Körpers (in Abwesenheit von Kräften) darstellt, dann ist E = mc2 + Ekin, d.h. der Körper besitzt - selbst wenn er ruht - bereits aufgrund seiner Masse eine Energie. Das können wir auch einsehen, indem wir v = 0 in (9) einsetzen. Ein ruhender Körper der (Ruhe-)Masse m hat dann die Energie

Eo  =  m c2 . (10)

Sie wird Ruheenergie genannt.

Diese Betrachtungen erscheinen auf den ersten Blick sicher abenteuerlich. Es gibt jedoch zahlreiche Argumente, die zu denselben Konsequenzen führen. So ist beispielsweise der Ausdruck (4), der ja auf sicheren Beinen steht, eine nachträgliche Rechtfertigung der Definition (9): Mc2 wäre dann nämlich als Energie nach dem Stoß zu interpretieren, und diese Größe ist gleich der Summe der Energien (9) für die beiden anfliegenden Teilchen, d.h. der Gesamtenergie des Systems vor dem Stoß. Dies ist eine Eigenschaft, die wir für jeden vernünftigen Eneergiebegriff verlangen müssen: in einem abgeschlossenen System darf keine Energie verloren gehen.

Damit kommen wir zu der Frage, wie sich die relativistische Energie in experimentell überprüfbarer Weise äußert.
 

Erhaltung der Energie

Die wichtigste derartige Aussage, die die relativistische Mechanik über die relativistische Energie macht, ist der Satz von deren Erhaltung:

In einem System von Massenpunkten, die miteinander in beliebiger Weise wechselwirken, das aber insgesamt abgeschlossen ist (d.h. keine Wechselwirkung mit seiner Umgebung eingeht), ändert sich die Summe der relativistischen Energien aller Teilchen mit der Zeit nicht. Unter der relativistischen Energie eines Teilchens ist dabei der durch (9) gegebene Ausdruck gemeint, wobei alle Bewegungen auf ein beliebiges Inertialsystem bezogen werden.

Diese Aussage spielt - gemeinsam mit dem Satz von der Erhaltung des relativistischen Impulses, den wir im vorigen Abschnitt besprochen haben - eine wichtige Rolle bei der Analyse von Elementarteilchen-Prozessen. Sie ist durch Messungen in Teilchenbeschleunigern hervorragend bestätigt worden. Dieselben experimentellen Befunde zeigen, dass die Summe der kinetischen Energien (8) in Elementarteilchen-Prozessen nicht immer erhalten ist. Damit haben wir nun auch die experimentelle Bestätigung dafür, dass die Größe (9) - anstelle von (8) - die korrekte relativistische Energie darstellt. Die kinetische Energie ist lediglich ein Teil der Gesamtenergie. Der andere Teil ist die Ruheenergie.
 

Die Bedeutung der Ruheenergie

Im Gegensatz zur nichtrelativistischen Mechanik ist in der relativistischen Mechanik die Summe der an einem Prozess beteiligten Ruhemassen nicht erhalten. Ein Beispiel bildet der oben betrachtete Stoßprozess, in dem die Summe der Ruhemassen vor dem Stoß 2m ist, nach dem Stoß jedoch M, was sich gemäß (4) von 2m unterscheidet. In der Natur kommen Umwandlungen von Elementarteilchen vor, in denen die Summe der Ruhemassen ebenfalls nicht erhalten ist. Ist die in einem derartigen Prozess auftretende Wechselwirkungsenergie negativ, so spricht man von einer Bindungsenergie, die gemäß (7) zu einer Abnahme der Summe der Ruhemassen führt und energetisch betrachtet für die Stabilität von Teilchen verantwortlich ist.

Wenn nun in einem Prozess die Summe der Ruhemassen kleiner wird, muss die Summe der kinetischen Energien größer werden. Im Extremfall kann das bedeuten, dass ein System der Masse m einen Prozess durchmachen kann, in dem kinetische Energien der Größenordnung mc2 auftreten. Berechnen Sie einmal die Ruheenergie eines Bleistifts! Wenn auch nur ein kleiner Teil dieser Energie als kinetische Energie auftritt (bzw. in andere Energieformen umgewandelt wird), wird dieser Prozess einer gewaltigen Explosion gleichen. Das ist das Prinzip, auf dem die Wasserstoffbombe (Kernfusion), die Atombombe (unkontrollierte Kernspaltung) und die Energiegewinnung in Atomkraftwerken (kontrollierte Kernspaltung) beruhen.
 

Energie, Arbeit und c als Höchstgeschwindigkeit

Die kinetische Energie eines Körpers, der sich mit Geschwindigkeit v bewegt, ist - in der nichtrelativistischen wie in der relativistischen Mechanik - nichts anderes als die Arbeit, die in ihn gesteckt werden muss, um ihn vom Zustand der Ruhe auf Geschwindigkeit v zu beschleunigen. Das eröffnet eine weitere Möglichkeit, das relativistische Energiekonzept experimentell zu überprüfen. Beispielsweise werden elektrisch geladene Teilchen durch die Wirkung elektromagnetischer Felder in Beschleunigeranlagen - wie ja der Name sagt - beschleunigt. Dabei muss Energie in sie gesteckt werden. Diese Energie macht sich als die Arbeit, die zur Erzeugung der Felder nötig ist, bemerkbar. Sie kann gemessen und mit dem Ausdruck (8) verglichen werden.

Dabei ergibt sich eine interessante Konsequenz: Um ein solches Teilchen (das eine nichtverschwindende Ruhemasse besitzt) auf Lichtgeschwindigkeit zu beschleunigen, wäre nach Formel (8) unendlich viel Energie notwendig (da der Nenner von E dann Null wäre). Um es sehr nahe an c heranzuführen, ist sehr viel Energie notwendig - mehr, als nach der nichtrelativistischen Mechanik zu erwarten wäre. Das ergibt einen messbaren Effekt! Wenn noch mehr Energie in das Teilchen gepumpt wird, nähert sich seine Geschwindigkeit zwar der Lichtgeschwindigkeit immer mehr an, erreicht sie jedoch nie.

Hier haben wir - neben einem weiteren experimentellen Test der Speziellen Relativitätstheorie - den dynamischen Grund dafür, dass ein massives Teilchen die Lichtgeschwindigkeit nie erreichen kann (siehe c als Höchstgeschwindigkeit im Abschnitt über die Zeitdilatation).
 

Masselose Teilchen

Nun ist es Zeit, etwas über die sogenannten "masselosen Teilchen" zu sagen. In der Natur treten Teilchen auf, die sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Zumindest Photonen tun das. (Bis vor kurzem gehörten auch die Neutrinos dazu, aber das ist jetzt nicht mehr sicher). In jedem Fall macht die Spezielle Relativitätstheorie über solche Teilchen einige prinzipielle Aussagen, die wir jetzt wiedergeben, aber nicht weiter begründen.

Es spricht kein prinzipielles Argument gegen Teilchen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Allerdings kann solchen Teilchen keine Ruhemasse zugeordnet werden. (Man kann auch sagen, dass deren Ruhemasse Null ist, daher die Bezeichnung "masselose Teilchen"). Sie bewegen sich (aufgrund der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit) in jedem Inertialsystem mit Lichtgeschwindigkeit, besitzen also - im Gegensatz zu massiven Teilchen - kein Ruhsystem.

Die im vorigen und in diesem Abschnitt abgeleiteten Formeln für Impuls und Energie gelten für sie nicht. Dennoch kann man ihnen einen Impuls p und eine Energie E zuordnen. Diese stehen immer in der Beziehung

E  =  c |p| (11)

zueinander (wobei p im allgemeinen Fall als Vektor verstanden ist).

Um die Energie und den Impuls eines Photons anzugeben, müssen wir auf ein Resultat der Quantentheorie zurückgreifen (das wir hier ebenfalls nicht begründen): Einem Photon ("Lichtteilchen") kann eine Frequenz f zugeordnet werden. (Salopp gesprochen, besteht ein Lichtstrahl der Frequenz f aus vielen Photonen der Frequenz f ). Der Frequenz f entspricht eine Wellenlänge l (die mit c durch die Gleichung l f = c verbunden ist). Die Energie des Photons ist nun durch

E  =  h f (12)

gegeben, wobei h für die Plancksche Konstante steht. Der Impuls des Photons zeigt in die Bewegungsrichtung, und sein Betrag ist h/l. Manchmal wird einem Photon die Masse  mPhot = E/c2 º h f/c2  zugeordnet. Klarerweise ist darunter aber nicht die Ruhemasse, sondern die Photonen-Version der dynamischen Masse zu verstehen.

Photonen spielen eine wichtige Rolle in Reaktionen zwischen Elementarteilchen. Ist die Summe der Ruhemassen nach einer Reaktion kleiner als vorher, treten oft zusätzlich erzeugte Photonen auf, die die fehlende Ruhemasse als Energie (als kinetische Energie, wenn man will) tragen. Das geschieht etwa bei der Kernspaltung. So gesehen, besteht die Hauptwirkung einer Atombombe in der Umwandlung von Ruheenergie in "Licht". Manchmal wird auch von der "Umwandlung in Energie" gesprochen, aber "reine Energie" gibt es nicht - es sind immer konkrete Teilchen gemeint, vor allem Photonen.
 

Energie und Impuls

Für manche Zwecke ist es günstig, die Energie nicht durch die Geschwindigkeit, sondern durch den Impuls auszudrücken. In der nichtrelativistischen Mechanik führt das auf die Formel E = p2/(2m).

Versuchen wir dasselbe in der relativistischen Mechanik, d.h. mit den Ausdrücken für den relativistischen Impuls (Formel (4) des vorigen Abschnitts) und die relativistische Energie, Formel (9), so erhalten wir eine Gleichung, die (rechnen Sie nach!) in die Form

E2   =   p2 c2  +  m2 c4 (13)

gebracht werden kann. Für m = 0 geht sie in (11) über.

Die aufregendste Konsequenz dieser Beziehung ist - etwas oberflächlich - in wenigen Worten beschrieben: Wird sie in dieser Form (also ohne die Wurzel zu ziehen) ernst genommen und nach E aufgelöst, so gibt es eine positive und eine negative Lösung. Bereits in den Zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde daraus gefolgert, ein relativistisches (durch die Quantentheorie beschriebenes) Teilchen könne Zustände mit positiver Energie und Zustände mit negativer Energie haben. Letztere sind nicht anderes als die Antiteilchen zur betrachteten Teilchensorte. Das illustriert, wie tiefgreifend die Spezielle Relativitätstheorie nicht nur unsere Vorstellungen von Raum und Zeit, sondern auch unser Wissen über die Materie, aus der unser Universum besteht, bereichert hat.
 

Nachtrag:  Ekin durch eine Integration berechnen

Da wir oben die Formel (8) auf relativ umständliche Weise motiviert haben, wollen wir abschließend noch eine elegante Ableitung nachtragen. Die einzelnen Schritte können genauer gerechtfertigt werden, als wir es hier tun:

Die kinetische Energie eines Körpers, der sich mit Geschwindigkeit v bewegt, ist die Arbeit, die in ihn gesteckt werden muss, um ihn vom Zustand der Ruhe auf die Geschwindigkeit v zu beschleunigen. Diese Arbeit ist als "Kraft mal Weg", genauer: als das Wegintegral über die Kraft zu ermitteln. Die Kraft wiederum ist die Ableitung des Impulses nach der Zeit. Insgesamt ist daher

  x1  
Ekin   =   ò dx  dp/dt ,
  x0  
(14)

wobei der Beschleunigungsprozess zwischen den Orten x0 und x1 verläuft. Der Integrand kann wie folgt umgeformt werden:

dx dp/dt   =  dx dp/du du/dt   =  du u dp/du , (15)

wobei u für die Momentangeschwindigkeit dx/dt steht. Das Integral (14) wird damit zu

  v  
Ekin   =   ò du  u dp/du .
  0  
(16)

Wir müssen also den Ausdruck für den relativistischen Impuls (Formel (4) des vorigen Abschnitts) - mit u als Geschwindigkeit - nach u differenzieren, das Resultat mit u multiplizieren und die erhaltene Funktion nach u in den Grenzen von 0 bis v integrieren. Das Resultat ist genau die Formel (8) unter Verwendung von (9).


¬   Relativistischer Impuls und dynamische Masse Übersicht Der Bondische k-Kalkül   ®