Quantentheorie und Gravitation
ein Überblick über konzeptuelle Probleme
Franz Embacher
Homepage: http://www.ap.univie.ac.at/users/fe/
E-mail: fe@ap.univie.ac.at
Unter Verzicht auf mathematische Genauigkeit werden einige der Grundzüge,
die den meisten Versuchen zu einer Quantentheorie der Gravitation anhaften,
angerissen.
Vorbemerkungen zur Gravitationswechselwirkung und zur Allgemeinen Relativitätstheorie
- Die Gravitation ist in mehrfacher Hinsicht eine universelle Welchselwirkung:
- Sie wird in der (klassischen) Allgemeinen Relativitätstheorie nicht durch ein eigenes
"Gravitationsfeld" dargestellt (wie es in der Newtonschen Theorie der Fall ist),
sondern mit der Geometrie der Raumzeit (kurz: 4-Geometrie 4g)
identifiziert. Die Raumzeit wird als
vierdimensionale differenzierbare Mannigfaltigkeit M,
ihre Geometrie - in gegebenen Koordinaten x º (x0 = t, x1, x2, x3 )
- als metrischer Tensor ("raumzeitliches Abstandsquadrat") auf
M beschrieben:
ds2 =
gmn(x) dxm
dxn .
Dieses Objekt ist eine Verallgemeinerung der Metrik
ds2 =
dt2
- dx2
- dy2
- dz2
º
hmn
dxm
dxn ,
die die Struktur der Raumzeit in der Speziellen Relativitätstheorie (d.h. bei Abwesenheit
oder Vernachlässigung der Gravitation) beschreibt.
(Technische Nachbemerkung: 4g bezeichnet
genau genommen eine Klasse von Metriken, die durch eine Koordinatentransformation
auseinander hervorgehen, also physikalisch äquivalent sind. Wir werden diese
Unterscheidung aber hier nicht so ernst nehmen und "Metrik" synonym mit "Geometrie"
verwenden).
- Über die Einsteinschen Feldgleichungen (die wir hier nicht aufschreiben)
koppelt sie (in nichtlinearer Weise)
an jede Form von Energie, ist also in gewisser Weise "omnipräsent". Diese Koppelung
wird populär als "Materie krümmt die Raumzeit" ausgedrückt. Damit wird
die Struktur der Raumzeit - die sowohl in der Speziellen Relativitätstheorie als
auch in der Quantentheorie eine fix vorgegebene Hintergrundstruktur ist
- zu einer dynamischen Variable.
- Schließlich spielt die Gravitation über große Distanzen
die dominante - strukturbildende - Rolle (wohingegen die elektrische Kraft aufgrund
gegenseitiger Abschirmeffekte positiver und negativer Ladungsträger in
kosmologisch relevanten Entfernungen praktisch auf Null absinkt).
Weiters ist das Universum ein "geschlossenes System",
das alle möglichen Beobachter beinhaltet.
Daher ist muß jede Quantentheorie des Universum als Ganzes (Quantenkosmologie)
einerseits eine Quantengravitation sein und andererseits
- zumindest auf der grundsätzlichen Ebene - mit einer
Interpretation arbeiten, die "äußere Beobachter" vermeidet.
Dynamische Variable des Gravitationsfeldes
- Die Feldgleichungen bewirken eine wohldefinierte klassische Zeitentwicklung für die
Raumzeitmetrik 4g.
Als Menge der Konfigurationsvariablen ("Ortsvariablen") kann dabei die räumliche Geometrie
(kurz: 3-Geometrie 3g),
die durch Einschränkung von 4g
auf eine Familie von raumartigen Hyperflächen entsteht, gewählt werden.
(Nach der Wahl geeigneter
Koordinaten sind diese Hyperflächen durch die Gleichungen
t = const
gegeben. In diesem Sinn kann t
als "Zeit" bezeichnet werden). Die verbleibenden in
4g steckenden Freiheitsgrade
bestehen aus einem als 3p bezeichneten Tensor (er spielt die
Rolle der Impulse und stellt - vereinfacht
gesagt - die Zeitableitung von 3g
dar) sowie einigen weiteren Variablen, die keine physikalische Bedeutung haben,
sondern lediglich das verwendete Koordinatensystem (die "Eichfreiheitsgrade") charakterisieren.
- Ohne auf die Details der Zeitentwicklung näher einzugehen, wollen wir nur festhalten,
dass die Analyse der klassischen Theorie die 3-Metrik 3g
als die "Ortsvariable" einer quantenmechanischen Wellenfunktion des Gravitationsfeldes
nahelegt. Demnach wäre der quantenmechanische Zustand des Gravitationsfeldes
ein Funktional y º y[3g], in Analogie zur vertrauten
Wellenfunktion y º y(x) für ein System mit Ortsvariable(n)
x. Folglich
besitzt die 3-Geometrie (und daher auch die 4-Geometrie, die neben 3g auch von den entsprechenden Impulsvariablen und den Eichfreiheitsgraden abhängt)
keinen eindeutigen, scharfen Wert.
Zur Rolle der Zeit in der Quantentheorie
- Die Struktur der Quantentheorie beruht auf der unitären Zeitentwicklung von Zuständen.
Die Wellenfunktion eines Systems hängt folglich von der Zeit t
als Parameter ab. Formal kann man das als
y º yt(x)
schreiben, um die unterschiedliche Rolle von t
und x zu verdeutlichen.
Für einen gegebenen Wert von t
beinhaltet sie die für Voraussagen von Beobachtungen, die
zur Zeit t gemacht werden,
notwendige Information. (Dasselbe gibt für die Beschreibung durch eine Dichtematrix).
Der Zustand kann zu einer beliebigen (Anfangs-)Zeit vorgegeben werden und
wird mittels eines unitären Operators zu späteren Zeiten "propagiert":
Ut: yo ® yt.
Die "infinitesimale" Version dieses Vorgangs ist gerade die (zeitabhängige)
Schrödingergleichung.
- Dabei muß der Parameter t durchaus keine
absolute physikalische Größe sein:
In der auf der Speziellen Relativitätstheorie basierenden Quantenfeldteorie
stellt sie die Koordinatenzeit eines beliebigen Inertialsystems dar. (Durch spezielle
Zusatzforderungen wird dann sichergestellt, dass eine derartige Beschreibung der
Natur vom verwendeten Inertialsystem unabhängig ist).
- Falls die Raumzeit nicht flach, sondern gekrümmt ist, aber eine fixe Hintergrundstruktur bildet,
kann an die Stelle der "Hyperebenen"
t = const auch
eine Familie von raumartigen Hyperflächen treten (Quantenfeldtheorie in
gekrümmten Raumzeiten, z.B. Hawking-Effekt).
Die Rolle der Zeit in der Quantengravitation
- Ist allerdings die Geometrie der Raumzeit selbst eine dynamische Variable, so entsteht ein
großes Problem:
Wir haben oben erwähnt, dass die klassiche Variablenstruktur der Alllgemeinen
Relativitätstheorie eine Abhängigkeit der
Wellenfunktion des Gravitationsfeldes von
der räumlichen Geometrie nahelegt.
In Analogie zur herkömmlichen Quantentheorie könnte also
eine "zeitabhängige Wellenfunktion"
y º yt[3g] erwartet werden: sie stellt die Wahrscheinlichkeitsamplitude für die 3-Geometrie
auf der zum Parameterwert
t gehörenden
raumartigen Hyperfläche dar. (Hinzu treten noch Variablen,
die die Materie beschreiben, und die wir der Einfachheit halber nicht eigens anführen).
Nun kann das aus mehreren Gründen nicht der Fall sein:
- Um aus einer Wellenfunktion dieses Typs physikalische Voraussagen zu extrahieren, müßte
zunächst der Wert von t angegeben,
d.h. eine raumartige Hyperfläche spezifiziert werden. Wie kann aber in einem solchen Zustand
vorab festgestellt werden, ob eine Hyperfläche (also eine dreidimensionale Fläche
in der Mannigfaltigkeit M )
raumartig ist? Weder die 3-Geometrie noch die volle 4-Geometrie besitzen scharfe Werte!
Selbst die Entscheidung, ob zwei Raumzeit-Punkte
(a, b Î M) zeitartig, lichtartig oder raumartig zueinander liegen, hängt von der Geometrie
ab, in der diese Frage gestellt wird - sie ist also gar nicht
beantwortbar, solange verschiedene Geometrien zu einem Zustand beitragen.
Daher ist es konzeptuell gar nicht möglich, eine Wellenfunktion der Form
y º yt[3g] auf die herkömmliche Weise zu interpretieren.
- Das läßt sich auch so ausdrücken: Was als "Zeit" bezeichnet werden kann, bestimmt erst
die Metrik. Daher ist ein Objekt der Form yt[3g] sinnlos.
- Eine genauere Analyse zeigt tatsächlich, dass das
formale Analogon der zeitabhängigen Schrödingergleichung (Zeitentwicklungsgleichung)
im Fall der Quantengravitation
¶t
yt[3g] = 0
lautet. Die Wellenfunktion hängt also nur von der 3-Geometrie ab,
und nicht von einem weiteren Parameter: y º y[3g]. Soll ein solcher Zustand die Chance auf
physikalische Interpretation haben, so muss die Information über
die zeitliche Entwicklung eines gravitativen Systems darin enthalten sein!
Wheeler-DeWitt-Gleichung
- Wird versucht, das allgemeine kanonische Quantisierungsschema auf die
Allgemeine Relativitätstheorie anzuwenden, so entsteht eine als
Wheeler-DeWitt-Gleichung bezeichnete Bedingung, der die Wellenfuktion genügen muss.
Sie ist, grob gesprochen, vom Typ
( Impulse2 + Krümmung ) y[3g] = 0,
wobei "Impulse" für
(Funktional-)Ableitungen nach 3g
steht und "Krümmung"
eine Art Potentialterm
V[3g]
darstellt. (Allfällige Terme, die die Materiefelder repsäsentieren,
sind hier der Einfachheit weggelassen).
Diese Gleichung drückt die Forderung nach der Gleichberechtigung aller
möglichen Koordinatensysteme aus.
Von technischen Details
(und von der Forderung, dass
y[3g] = y[3g'] für Metriken
3g und
3g',
die durch räumliche Koordinatentransformationen - Diffeomorphismen -
auseinander hervorgehen)
abgesehen, ist das die einzige Bedingung an die Wellenfunktion.
Ihre Lösungen müssen also die gesamte Beschreibung der Welt enthalten!
Die Standard-Quantenmechanik für Subsysteme, in denen die
Gravitation vernachlässigbar ist, muss - zumindest als Grenzfall -
daraus rekonstruierbar sein.
- Einfache toy models, die die grundlegende Struktur dieser Gleichung zeigen,
ergeben sich, wenn die Freiheitsgrade von Gravitation und Materiefeldern
bis auf endlich viele "eingefroren" werden. Wird z.B. die Geometrie der Raumzeit
als räumlich homogenes und isotropes Universum (3-Sphäre) mit "Radius"
(besser: Skalenfaktor) a
angenommen und die Materie lediglich durch ein
räumlich konstantes skalares Feld f dargestellt, so
ist die Wheeler-DeWitt-Gleichung vom Typ
(
¶aa +
a2
¶ff +
V(a,f)
)
y(a,f) = 0,
wobei V(a,f)
von den Details der Kopplung abhängt. Mathematisch ist das die Struktur
einer Klein-Gordon-Gleichung in einer gekrümmten (hier zufälligerweise sogar flachen) Raumzeit,
dem "Minisuperraum".
Interpretation
-
In diesem einfachen Modell ist zunächst nicht klar, wie die Wellenfunktion
y(a,f)
interpretiert werden soll.
Erste Versuche, ein positiv definites Skalarprodukt zu konstruieren, schlagen fehl.
Erst wenn die klassische Begriffe von "auslaufenden" und "einlaufenden" Moden und
die asymptotische Struktur des Minisuperraums herangezogen werden, läßt sich ein
"auslaufender" Hilbertraum, der mit expandierenden Universen, und ein
"einlaufender" Hilbertraum, der mit kontrahierenden Universen identifiziert wird,
konstruieren. (Mathematisch ist das äquivalent zum Problem, Teilchen- und
Antiteilchen-Wellenfunktionen in einem gekrümmten Raumzeit-Hintergrund zu unterscheiden).
Es ist unklar, ob sich diese Vorgangsweise auf die volle Theorie (den "Superraum")
übertragen lässt, nicht zuletzt dank mathematischer Schwierigkeiten, die
Wheeler-DeWitt-Gleichung wohlzudefinieren.
- Die am häufigsten angewandte Methode, einer Wellenfunktion wie
y(a,f)
physikalisch relevante Information abzugewinnen, besteht in der Anwendung
von Näherungsmethoden: In gewissen Gebieten des Minisuperraums
oszilliert y sehr schnell und
zeigt damit ein Verhalten, das eine herkömmliche
quantentheoretische Interpretation erlaubt. Die Idee dabei ist,
einen oszillierenden Faktor von y abzuspalten und
für den Rest c eine (Schrödinger-)Gleichung vom Typ
i
¶t
c
=
H c
+ ¼
zu erhalten, wobei
t
eine Koordinate am Minisuperraum ist, die durch die Oszillationen
von y festgelegt wird,
und H ein (ebenfalls nur
lokal definierter) linearer Operator, der bezüglich eines
(nur lokal definierten) inneren Produkts selbstadjungiert ist.
Werden diese Größen über das ihnen zustehende Gebiet hinaus
betrachtet, so verlieren sie ihren Sinn (z.B. ist das innere Produkt dann unter Umständen
nicht mehr positiv definit). Die Punkte bezeichnen Zusatzterme, die
auch innerhalb des betrachteten Gebiets Schwierigkeiten machen können
und dank der Kleinheit der Planck-Länge vernachlässigt werden.
Die notwendigen Näherungen gelten für Systeme, die wir beobachten können,
sehr gut, und c wird gemäß den Regeln
der Quantentheorie interpretiert und liefert Wahrscheinlichkeiten
für die möglichen Ausgänge von Beobachtungen.
So wird ein Stück beobachtbare Welt (inklusive der
dafür benötigten Zeitkoordinate) konstruiert. Diese Art dieses Vorgehens heißt
WKB- oder semiklassische Approximation.
- Der Mechanismus, der das ermöglicht, ist folgender:
die Größe c hängt im Allgemeinen
nicht von allen Freiheitsgraden ab, sondern nur von den "kleinen", während
die "grossen" die "näherungsweise klassische Umgebung" definieren
(technisch gesprochen als WKB-Trajektorien), innerhalb derer von
wohldefinierten Experimenten und Messungen gesprochen werden kann.
(Beispielsweise kann in unserem Minisuperraum-Beispiel - bei geeigneter Wahl des Potentials -
eine Gleichung für eine Wellenfunktion des Typs
c(t,f)
auf dem Hintergrund eines gemäß
a(t)
expandierenden - klassischen - Universums konstruiert werden).
Die gesamte Wellenfunktion y
enthält eine Reihe solcher "makroskopischer Alternativen" (Universen), die jede
ihre eigenen Quantenvariablen beherbergen.
- In Teilen des Minisuperraum ist eine solche Vorgangsweise nicht möglich, da
die Wellenfunktion dort nicht oszilliert. Dass diese Situationen mit Worten wie
"creation from nothing" oder "Bewegung in der imaginären Zeit"
bezeichnet werden, ändert nichts daran, dass sie keine Interpretation
im strengen physikalischen Sinn besitzen.
Das drückt sich auch als sprachliches Problem aus:
Eigentlich dürfte nicht gesagt werden "Als das Universum
10-33 cm
groß war..." - denn damals "gab es noch keine Zeit", und wie hätte man
"damals" seine Größe messen können?
- Bisher ist es aufgrund von mathematischen Schwierigkeiten nicht gelungen, über
stark vereinfachte Modelle hinauszugelangen. Nehmen wir aber dennoch an, es gäbe einen Weg,
die soeben skizzierte Logik zu einer Quantengravitation auszubauen.
Vom fundamentalen Standpunkt aus betrachtet ergäbe eine solche Theorie ein
eigenartiges Bild: Der Zustand der "Welt" ist eine Wellenfunktion auf einem riesigen Raum von
Variablen (dem Superraum). In manchen Gebieten dieses Raums oszilliert die
Wellenfunktion in einer Weise, die eine approximative physikalische Interpretation
ermöglicht. In anderen Gebieten "gibt" es nur die Wellenfunktion, ohne dass sie
interpretierbar wäre.
- Auch alternative, mathematisch vielversprechendere Zugänge zu einer
Quantentheorie der Gravitation leiden an dieser
Eigentümlichkeit. So ergibt beispielsweise die auf
"decoherent histories" beruhende "verallgemeinerte
Quantentheorie" eine ähnliches Bild. Ihr mathematischer Rahmen ist
eine Menge von 4-Geometrien (vereinfacht gesprochen: Pfaden von 3-Geometrien),
die zu Klassen zusammengefasst werden können
(z.B. die Klasse aller 4-Geometrien, die ein Universum darstellen, das
größer als 100 Milliarden Lichtjahre wird). Jedem Paar solcher Klassen
a, b
wird ein "Dekohärenzfunktional"
D(a, b)
zugeordnet, das gewissen formalen Regeln genügen muss
(und als Pfadintegral aus der Allgemeinen Relativitätstheorie
konstruiert werden sollte - dieser Punkt ist noch nicht gelungen, was aber für die
Interpretationsfrage nicht so wichtig ist).
Gilt nun für eine Klasseneinteilung, dass
D(a, b)
sehr klein ist, falls
a ¹ b
(man spricht dann von der "Dekohäherenz der Klassen"), so
erfüllen die Diagonalelemente
p(a)
= D(a,a)
- näherungsweise - Summenregeln, die es ermöglichen, sie - näherungsweise -
als "Wahrscheinlichkeiten für die jeweiligen Klassen" zu interpretieren.
Wie im oben skizzierten Wheeler-DeWitt-Zugang läßt sich ein
solcher Formalismus auf einer fundamentalen Ebene nicht physikalisch interpretieren.
Das Universum als geschlossenes System
- So gewinnt man den Eindruck, die Interpretierbarkeit sei bloß eine
Näherung von etwas Fundamentalerem, gerade so wie die klassische Welt
eine Näherung der Quantentheorie darstellt.
Vom Standpunkt des Universums als geschlossenem System ist das
nicht weiter verwunderlich:
- Da jedes Messinstrument Teil des Universums ist, kann der
"Kollaps der Wellenfunktion" nur eine näherungsweise Betrachtung sein. Tatsächlich
müsste auch jede Messung als Vorgang innerhalb des Universums
beschrieben werden.
- Da in einem realen Universum nur endlich viel Raum und Energie zur Verfügung stehen,
können wir gefühlsmäßig erwarten, dass
Größen wie Impuls und Energie nicht beliebig genau bestimmt sein können.
Eine Art "fundamentale Unschärferelation", die beispielsweise die Mindestbreite von
Energieniveaus mit kosmologischen Dimensionen in Verbingung bringt, wäre geradezu zu
erwarten.
- Ebenso erscheint es angesichts dieser Situation (und auch angesichts
der Unschärfe der Raumzeit-Geometrie) schwierig, sich die Spezifizierung einer
experimentellen Anordnung anders als nur approximativ möglich vorzustellen.
Um die Frage zuzuspitzen:
Wie könnten physikalische Experimentier-Anweisungen für einen Beobachter,
der lange genug lebt, um in den Genuss des "Big Crunch" zu kommen, aussehen?
- Weiters erscheint es vernünftig, dass für physikalische Extremsituationen,
in denen Raumzeit-Unschärfen die eindeutige Installierung von Messgeräten
- oder gar die Existenz strukturierter Organismen, die als Beobachter fungieren können
- verhindern, keine Voraussagen im herkömmlichen physikalischen Sinn möglich
sind.
- Als Radikalposition könnte formuliert werden, dass eine
Quantengravitation die gesamte Struktur der bisherigen Physik
zutiefst in Frage stellen und die Grenzen zwischen
- dem, was der Theorie als "fundamental" gilt,
- dem, was gemäß der Theorie als "beobachtbar" gilt und
- dem, was der Philosophie als "real" gilt
neu ziehen wird.
Alternativen?
- Allerdings sind auch mögliche Alternativen zu diesem Szenario betrachtet worden.
Mehrere Zugänge halten trotz allem an der konventionellen Struktur
der Quantentheorie (Hilbertraum, unitäre Zeitentwicklung) fest. Der
prominenteste dieser Versuche basiert auf sogenannten "Spin-Netzwerken"
(abstrakten geschlossene Kurven und Vertices, die Darstellungen von Gruppen tragen) anstelle von 3-Geometrien.
Letztere stellen nämlich möglicherweise gar nicht die "richtigen"
Variablen der Quantengravitation dar. Da jede Messung (also auch die Positionsbestimmung
eines Ereignisses) mit energetischen Prozessen verbunden ist, "krümmt" sie
die Raumzeit ein bisschen und beeinflusst dabei die Raumzeit-Geometrie
benachbarter Gebiete. Dieser Effekt (der in der klassischen
Allgemeinen Relativitätstheorie gar nicht problemanisiert werden muss)
könnte zu der "Anomalie" führen, dass die den 3-Metriken an
verschiedenen Punkten zugeordneten Operatoren nicht miteinander kommutieren.
Dann wäre eine Wellenfunktion der Form
y º y[3g],
wie wir sie oben betrachtet haben, gar nicht möglich!
In der Theorie der Spin-Netzwerke wird der Raumzeit auf fundamentaler
Ebene eine Art "diskreter" Charakter gegeben, woraus sich die "Geometrie"
erst in einer Art Kontinuumlimes ergibt.
In einem solchen Setting können Raum und Zeit
natürlich ebenfalls nur als Approximationen verstanden werden.
Das Programm ist sehr weit getrieben worden, hat aber bisher
noch nicht zum angestrebten Ziel einer mathematisch konsistenten
Quantengravitationstheorie geführt.
Ein solcher Zugang beruht letztlich auf der Hoffnung, in der
Allgemeinen Relativitätstheorie (genauer: in ihrem Phasenraum)
oder einer von ihr herrührenden Alternativ-Formulierung eine
"versteckte absolute Struktur" (z.B. eine globale Zeitkoordinate,
bezüglich der die unitäre Entwicklung stattfindet)
aufzufinden, die mit einem
Schlag die gesamte Situation in einem anderen Licht erscheinen
liesse.
- Als eine weitere Alternative sei ein Zugang erwähnt, der an der
Bohmschen Interpretation der Quantenmechanik anknüpft. Hier
besteht die Hoffnung, dass ein auf "Bohmschen Trajektorien"
basierender Formalismus neue mathematische Strukturen zur Formulierung einer
konsistenten Quantengravitation ergeben könnte. Eine solche Theorie
wäre in gewisser Weise eine "Exaktifizierung" der WKB-Approximation.
(Exakte Bohm-Trajektorien treten an die Stelle von approximativen
WKB-Trajektorien).
- Zuletzt seien jene Versuche genannt, die Wellenfunktionen im
Wheeler-DeWitt-Zugang durch ein Integral über Gebiete im
(Mini-)Superraum interpretieren. Im obigen Beispiel der Wellenfunktionen vom Typ
y(a,f)
ergibt sich
ò
|y(a,f)|2
da
df
= ¥,
wobei das Integral über den gesamten Minisuperraum erstreckt wird.
Wird nun jedem begrenzten Gebiet G
eine (endliche) Zahl
p(G) =
òG
|y(a,f)|2
da
df
zugeordnet, so läßt sich diese als relative Wahrscheinlichkeit
dafür interpretieren, das System (Universum)
"in G zu finden".
Sie läßt sich mit anderen Alternativen vergleichen, aber
für keine der möglichen Alternativen ergibt sich eine endliche Wahrscheinlichkeit.
In dieser Interpretation ist eine Normierung von Wellenfunktionen nicht
nötig. Diesem Zugang stehen mathematische Schwierigkeiten, derartige
Integrale im unendlichdimensionalen Fall zu definieren, entgegen.
Er ist bisher über einfachste Modelle nicht hinausgekommen.
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