Semesterüberblick

7. April

Montage und Narration

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Filmbeispiele:
"Bronenosez Potjomkin/Panzerkreuzer Potemkin"
(Sergej Eisenstein, UdSSR 1925): Montage im sowjetischen Revolutionsfilms, Kollision der Einstellungen, Kreuzschnitt
"À bout de souffle/Außer Atem"

(Jean Luc Godard, Frankreich, 1959): Montage des Autorenfilms, "Regelverstöße": jump cut
"2001: A space odyssey"
(Stanley Kubrick, England/USA 1965-68): match cut

 

Unter Montage versteht man die Verbindung verschiedener Einstellungen, die Auswahl und Zusammenstellung von Bild- und Tonteilen zu einem Film. Sie ist die organisierende Kraft des im Film Erzählten.

Die Montage kann unterschiedliche Ansichten eines Objektes, aber auch Ansichten verschiedener Objekte miteinander verbinden, sie kann dadurch im Zuschauer Bedeutungen evozieren, die im tatsächlich Abgebildeten keine Entsprechung haben. Zwischen den in den Einstellungen gezeigten Sachverhalten bildet der Betrachter in seinem Bewusstsein eine Brücke, stellt zwischen dem, was nacheinander in den beiden Einstellungen zu sehen ist, einen Zusammenhang her.

Um Bedeutung zu erzeugen, muss so montiert werden, dass die montierten Aufnahmen etwas miteinander zu tun haben. Es muss also in den Einstellungen etwas geben, was sich in Beziehung setzen lässt: ein Bewegungsvorgang, eine Ähnlichkeit der Gegenstände, eine Identität der Figuren, eine sich ergänzende Handlung, eine ideelle Verbindung.

Die Montage ist seit den 20er-Jahren bedeutend (siehe sowjetischer Revolutionsfilm: Eisenstein, Pudivkin, Vertov)

Narrative Aspekte der Montage:
1. Mimesis einer montageförmig erlebten Realität (filmischer Realismus, Klassisches Hollywood)
2. Konstruktion von Bedeutungen aus der Reihung oder dem Zusammenprall von Elementen zu einem neuen Zusammenhang (z.B. Panzerkreuzer Potemkin (S. Eisenstein, 1925)

ad 1: Der „Unsichtbare Schnitt“ (continuity editing)
Historische, vielfach noch wirksame Montageform des Klassischen Hollywood-Kinos, bei der unter Verwendung wiedererkennbarer Gestaltungsmuster Sachverhalte schnell auf den Punkt gebracht werden (z.B. durch Ellipsen).

Einige Grundprinzipien:

-Der Schnitt soll vom Zuschauer nicht bewusst wahrgenommen werden; „Blick in eine andere Wirklichkeit“. Unterschiedliche Einstellungsgrößen prallen nie kontrastiv aufeinander, sondern werden in der Abfolge miteinander vermittelt, so als näherte sich der Zuschauer einem Geschehen an (s. Establishing shot/Übersichtseinstellung, Totale – HN, N, G, Reestablishing shot; dadurch können sich die ZuseherInnen im Raum orientieren)

-Illusion des ununterbrochenen Geschehensflusses: Eindruck des „Dabeiseins“. Irritationen beim Anschluss sollen vermieden werden (z.B. Jump Cut; Achsensprung, Verreißen der Kamera; nicht inhaltlich motivierte Bewegungswechsel)

Beispiele: Schuss-Gegenschuss-Verfahren, räumliche Plausibilität.
-Bewegungseindeutigkeit: Die Kamera muss einer gemeinsamen Bewegungsrichtung folgen, sie darf die Handlungsachse zwischen Redenden nicht überspringen (verbotener Achsensprung); falls Handlungsachse übersprungen wird, sind Zwischenbilder notwendig, um Achsensprung plausibel zu machen.

-Figuren dürfen nicht seitlich aus dem Bild treten. Sie müssen in der Bildmitte verbleiben oder durch räumliche Gegebenheiten (Tür) verschwinden. Begrenztheit des Bildausschnitts soll so wenig wie möglich bewusst gemacht werden.

Ziel des continuity editing ist die Wirklichkeitsillusion. Für die Filmtheoretiker Siegfried Kracauer und André Bazin ist diese Montageform das Prinzip des filmischen Realismus. Besonders Bazin enwarf eine Anti-Montage-Theorie, die von den Begriffen Kontinuum, Fluss, Natur, Leben, Realismus, mise-en-scène geprägt ist. Er setzt auf die Darstellung vor der Kamera (mise-en-scène), und die Erzählweise ist eher traditionell; die Apparatur soll hinter dem Schein verschwinden.

Kritik am continuity editing kommt vom sogenannten Autorenkino und von der feministischen Filmtheorie.

 

ad 2.: Montagefilm: russischer Revolutionsfilm; feministischer Film, Autoren- und experimenteller Film (z.B. Nouvelle Vague); Bazin und Kracauer wandten sich gegen das Montagekino.
Für Eisenstein ist die Montage ein „intellektuelles Potential“; er erzeugt eine „Kollision der Einstellungen“ (Potemkin; Streik); Einstellungen werden als Zeichenbetrachtet, deren Zusammenfügung neuen Sinn ergibt.

Montage des Autorenfilms
Montage macht sich nicht unsichtbar, sondern versteht sich als strukturierendes, eingreifendes Moment des Erzählens und Darstellens. Die Montage ist hier nicht durch „Logik von Raum und Zeit“ bestimmt, sondern durch die „Logik der Gedankengänge“: daher kommt es zu sprunghaften und assoziativen, bruchstückhaften, unvollendeten und ungewöhnlichen Verbindungen und Regelverstößen. Die Wirklichkeitsillusion wird zerstört.
Bei Jean Luc Godard wird Film wie ein Text gestaltet, es kommt zum Einsatz verpönter Stilmittel (z.B. Jump Cut) und er reduziert illusionsstiftende Mittel. Seine Filme sind reflexiv und zwingen die ZuschauerInnen, sich mit den eigenen Wahrnehmungsformen auseinanderzusetzen.


 

Narration
Siehe "Classical Hollywood Cinema: Narration Principles and Procedures"
von David Bordwell

Diegese: Filmische Realität, filmischer Raum in einem narrativen Spielfilm. Dazu gehören auch Handlungen, Töne und Räume, die nicht On-Screen gezeigt werden.
(diegetischer, nicht-diegetischer Ton; On-, Off-Ton)Plot, Story

Story, Fabula: Konstrukt des Zusehers; narrative Ereignisse in ihrer kausalen und chronologischen Reihenfolge (Nacherzählung, Inhaltsangabe).
Syuzhet, Plot: systematische Darstellung der Fabula-Ereignisse; „das, was wir sehen“
Narration: Prozess, der den Zuseher dazu führt, eine Fabula zu konstruieren durch Syuzhet und Filmstil.