Der Portugiesenteppich der Wiener Sammlung befand sich ursprünglich im Besitz des Österreichischen Kaiserhauses. 1919 gelangte der Teppich gemeinsam mit anderen ins MAK, dem damaligen Museum für Kunst und Industrie. Da er weltweit gesehen einer der besterhaltenen Teppiche einer Gruppe von neun ganzen Stücken und drei Fragmenten ist, gilt er als Prunkstück der Wiener Sammlung.
Kett- und Schussfäden des aus dem 17. Jahrhundert stammenden 680 x 313 cm großen Teppichs bestehen aus Wolle, und aufgrund seiner Knüpftechnik wird die Herkunft des Teppichs der Region Chorasan im Nord-Ost- Iran zugeschrieben.
Eine breite Borte umgeben von zwei Begleitborten bildet die Umrahmung des Teppichs. In der Mitte befindet sich ein Medaillon, welches nach außen hin mehrmals die Farbe wechselt. Die Ecken zwischen Borten und Medaillon zeigen jeweils zwei Schiffe mit Besatzung in europäischer Kleidung, vier Fische, ein Seeungeheuer und einen Schwimmer.
Diese Darstellungen in den Eckfeldern des Teppichs sind ungewöhnlich und haben zu den verschiedensten Theorien über dessen Herkunft und Entstehungsgeschichte geführt. Anfangs wurde angenommen, dass es sich um ein persisches Erzeugnis aus Kaschan handelt und dass eine unbekannte Begebenheit im Iran dargestellt sein könnte. Auch europäische Stiche, die kein bestimmtes Geschehnis zeigen, wurden als Vorlage vermutet. Als weitere Möglichkeit wurde ins Auge gefaßt, dass der Teppich in Indien für die portugiesische Kolonie auf Goa oder für Portugal erzeugt wurde. Eine Anlehnung an die Jonas- Legende und Herkunftszuschreibung nach Isfahan oder Schiras wurden ebenfalls in Betracht gezogen. Theorien, die den Herstellungsort des Portugiesenteppichs im Norden des indischen Moghulreiches sahen, werden von Steven Cohen anhand der Strukturierung des Teppichs und der speziellen Knüpftechnik, des Juftiknotens abgelehnt, da dies typisch für den Ostiran war; es sei denn Knüpfer aus Chorasan hätten diese Techniken nach Indien gebracht. Die Schiffsszenen könnten Bahadur Schah zeigen, den letzten Herrscher von Gujarat an der westindischen Küste, der 1537 mit einem portugiesischen Schiff segelte und ertrank. Eine verwandte Darstellung dieses Ereignisses findet sich unter den Miniaturen des Akbarnama, (c. 1603-04), der illustrierten Geschichte des Moghulherrschers Akbar, der Gujarat annektierte.

Zeitgenössische Fresken, Kacheln und Seidenstoffe weisen eine ähnliche Motivik wie der Teppich auf und bilden damit eine weitere Gruppe des zu beachtenden Bild- und Kunstverständnisses der damaligen Zeit.
 

Veronika Kochesser

 

 

Literatur:

Bennet, Ian, Schönheit echter Orientteppiche,Bertelsmann Ratgeber Verlag, München, 1974

Bennett, Ian, Oriental Rugs- Vol. 1 Caucasian, Oriental Textile Press Ltd., Welsermühl, Wels, 1981

Bode, Wilhelm von, Vorderasiatische Knüpfteppiche aus alter Zeit, 4. Aufl., Klinkhardt & Biermann, Braunschweig, 1955

Cohen, Steven, "The A. E. D. T. A. Indian Floorspread", in Hali34, 1987, S. 8-9.

Cohen, Steven, "Safawid and Mughal Carpets", Hali 114, 2001, S. 75-85; und persönliche Auskunft  durch Mail von 5. Juni 2007.

Erdmann, Kurt, Der orientalische Knüpfteppich- Versuch einer Darstellung seiner Geschichte,Verlag Ernst Wasmuth, Tübingen, 1955

Gladis, Almut v., Islamische Teppiche und Textilien, Kestner Museum, Hannover, 1987

Völker, Angela, Die orientalischen Knüpfteppiche im MAK, Böhlau, Wien- Köln- Wiemar, 2001