Unter der mamelukischen Dynastie waren im Ägypten des 15. Jahrhunderts Teppichmanufakturen tätig, die eine unverwechselbare Teppichgattung hervorbrachten die sich durch besonders anspruchsvolle und künstlerische Verarbeitung auszeichnete. Sogar europäische Adelskreise sollen jene Manufakturen beauftragt haben. Kostbare exotische Teppiche wurden in Europa sehr geschätzt und galten als Zeichen von Reichtum, Würde und Ansehen.

Zu den fünf Mamluken- Teppichen aus der Sammlung des Museums für angewandte Kunst, die alle aus habsburgischem Besitz stammen und 1918 nach dem Zusammenbruch der Monarchie dem damaligen „Österreichischem Museum für Kunst und Industrie“ zugewiesen wurden, gehört der hier gezeigte, weltweit einzig noch erhaltene, seidene Mamluken-Teppich. Durch sein aussergewöhnliches Kompositionsschema und aufgrund seiner hohen technischen Qualität, zählt dieser Seidenteppich zu den besonderen Kostbarkeiten der Wiener Sammlung und gilt weltweit als einer der schönsten und bedeutendsten Teppiche.

Die Grundstruktur der Ornamentik dieses seidenen Mamluken- Teppichs ist streng geometrisch, und zentriert sich auf einen grossen, achtzackigen Stern im Mittelfeld, der kaleidoskopartig von vielen kleineren geometrischen Formen umgeben ist. Vegetabile Elemente, in erster Linie Lanzettblätter und gestielte Schirmblätter füllen die geometrischen Formen aus und bilden ein spannungserzeugendes Gegensystem. Die minuziöse Zeichnung, der Farbkontrast zwischen Kirschrot., Hellblau und Gelbgrün und dazu der Glanz des Seidenflors erzeugen jene schimmernde Oberfläche, für die dieser Teppich so gerühmt wird.

Die Knüpfung der mamelukischen Teppiche erfolgte im „persischen“ Knoten, bei dem die Fäden so um zwei benachbarte Kettfäden geschlungen sind, dass zwischen diesen je eines der freien Enden heraushängt. Diese Form hatte den Vorteil, die Knotenenden gleichmässiger zu verteilen und damit eine feinere Zeichnung zu erlauben. Die Knotendichte liegt im allgemeinen bei 140-150 000, der hier gezeigte in Seide geknüpfte Teppich aus dem MAK hat 310 000 Knoten und ist allein schon deshalb von höchster technischer Raffinesse.

Dorothea Berndsen

 

Literatur:

Baker, Patricia L : Islamic Textiles. Britsh Museum Press, London 1995. 

Erdmann, Kurt:   Kairener Teppiche. In: Ars Islamica, VII, 1940.

Erdmann, Kurt:  Der orientalische Knüpfteppich. Tübingen 1955.

Hattstein, Markus; Delius Peter: Islam. Kunst und Architektur, Köln 2000.

Hein, Wilhelm; Völker, Angela (Bearb.): Kunst des Islam. Ausst. Kat. Österreichisches Museum für angewandte Kunst Wien, Schloss Halbturn 1977.

Sarre, Friedrich:  Die Ägyptischen Teppiche. In: Jahrbuch der asiatischen Kunst, I, 1924.

Sourdel-Thomine, Janine; Spuler, Bertold:  Die Kunst des Islam. Propyläen Kunstgeschichte. Bd. 4. Berlin 1973.

Spuhler, Friedrich:  Die Orientteppiche im Museum für islamische Kunst Berlin. München, Berlin 1987.

Riegl, Alois:  Ältere orientalische Teppiche aus dem Besitz des allerhöchsten Kaiserhauses. In: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des allerhöchste Kaiserhauses, XIII, 1, 1892, S.267-331.

Völker, Angela:  Die orientalischen Knüpfteppiche im MAK. Österreichisches Museum für angewandte Kunst, Wien 2001.