Das Hamzanama, oder die Geschichte Hamzas, eine monumentales Bildhandschrift aus dem 16. Jahrhundert gilt als das Gründungswerk der Mogulmalschule in Nordindien, die eine der wichtigsten Malschulen der islamischen Welt darstellt. Als Inspiration diente eines der ältesten und beliebtesten Heldenepen Persiens, das im islamischen Kulturraum über Jahrhunderte mündlich tradiert wurde. Dieses erste große Projekt der Malwerkstatt wurde von dem jungen Mogulkaiser Akbar (r. 1556-1605) in Auftrag gegeben. Der reine Unterhaltungswert der Abenteuer Hamzas scheint dabei der auslösende Faktor der in Umfang sowie im Format ambitionierten Unternehmung gewesen zu sein: 14 Bände zu je 100 Folios mit einer Größe von ca. 68,5 x 53,5cm wurden auf einem dichten Baumwoll-Gewebe gemalt.

John Seyller’s frühe Datierung für die Entstehung des Hamzanamas zwischen 1557-1572 wird von der Forschung als problematisch eingeschätzt, Pramod Chandra schlägt eine Einordnung der Handschrift in die Zeit zwischen 1562-1577 vor.

Frühe Bände zeigen den in Nasta`liq-Schrift verfassten Text noch mit den  Illustrationen kombiniert, während diese bei den späteren Bänden getrennt gearbeitet wurden. Anhand der erhaltenen Folios lässt sich in der zweiten Werkstattphase um 1570 das Reifen eines eigenen, selbständigen Stils festmachen. Unter der Leitung des persischen Künstlers Abdul-Samad, der Mir Sayyid Ali nachfolgte, zeigt das Hamzanama dieser Periode eine Synthese der safawidischen Maltradition (Bihzad-Schule) mit jener der indischen, zentral asiatischen und europäischen Tradition. Dies scheint ganz im Einklang mit Akbars synkretistischer Einstellung zu stehen.

Mit dem Bestand von 60 Blättern vereinigt des Museum für angewandte Kunst in Wien (MAK) in seiner Sammlung den weltweit größten Anteil der heute noch etwa 200 erhaltenen Blätter. Vor dem Hintergrund des wachsenden Interesses für „exotische“ Kunstgegenstände im Fin de Siecle wurde der Wiener Bestand bereits 1873 auf der Wiener Weltausstellung erworben. Als Anlass für den Ankauf galt die Ornamentik und Farbigkeit dieses einzigartigen und wertvollen Manuskripts auch als Inspirationsquelle für das heimische Kunsthandwerk zu nutzen.

Aus heutiger Sicht repräsentiert  das Hamzanama für die Kunstblättersammlung des MAK sowie für die außereuropäische Kunstgeschichte eines der seltenen Zeugnisse der intensiven Produktivität und der Formulierung einer eigenständigen Bildsprache als Ausdruck einer eigenen Identität der Moguldynastie.  2002 und 2003 fand eine  grosse von John Seyller kuratierte  Ausstellung des Hamzanama in Washington, New York, London  und Zürich statt

Irina Witoszynsky

 

Literatur

The Adventures of Hamza, Painting and Storytelling in Mughal India, Ausstellungskatalog, Arthur Sackler Gallery, Washington,  DC., 2002

Egger, Gerhart, Hamza-nama, Vollständige Wiedergabe der bekannten Blätter der Handschrift aus der Zeit Akbar des Grossen, Wien 1969.

Seyller, John, The Adventures of Hamza – Painting and storytelling in Mughal India, London 2002.

Schäning, Anke, Ein Beitrag zur Untersuchung von Maltechnik und Objektgeschichte der Indo-Persischen Miniaturen des Hamza-nama Manuskripts, Dipl.-Arb. Akademie der bildenden Künste, Wien 1999.

Chandra, Pramod und Ehnbom, Daniel J., The Cleveland Tuti-nama Manuscript and the Origins of Mughal Painting, Chicago 1976