Wien. Lange wurde über sie geredet, nun ist sie in greifbare Nähe gerückt: die Staats- und Verwaltungsreform. Bis zum Sommer soll eine siebenköpfige, von der Regierung eingesetzte Expertengruppe konkrete Vorschläge erarbeiten. Einer der wichtigsten Punkte dabei: Eine Reform der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern.
Doch warum sind hier Reformen nötig? Bernd Schilcher, ehemaliger ÖVP-Klubchef im steirischen Landtag, bringt die Problematik auf den Punkt. „Wir haben zu 80 Prozent über Bundesangelegenheiten gesprochen“, erinnert er sich an seine Zeit als Politiker. Die wenigen Aufgaben, für die Landtage eigentlich zuständig sind (etwa den Jugendschutz oder die Bauordnung), hätten weniger Zeit in Anspruch genommen. Denn wenn es Interessantes zu diskutieren gab, dann seien es Bundesthemen gewesen, so Schilcher im Gespräch mit der „Presse“.
Dazu kommt die
komplexe Aufgabenverteilung zwischen den Ländern und dem Bund:
Abhängig vom jeweiligen Rechtsgebiet gelangen momentan vier verschiedene
Varianten zur Anwendung (siehe Abb. oben):
1.) Der Bund macht die Gesetze und vollzieht sie.
2.) Der Bund macht die Gesetze, vollzogen werden sie vom Land.
3.) Der Bund macht die Grundsatzgesetze, das Land die Ausführungsgesetze
und die Vollziehung.
4.) Das Land macht die Gesetze und vollzieht sie.
Und trotzdem sind die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern nicht klar geregelt. „Überall“ gebe es Überschneidungen, sagt Verfassungsexperte Univ. Prof. Theo Öhlinger – er wurde von der SPÖ für die Expertengruppe zur Staatsreform nominiert. Ein konkretes Beispiel: Jagdrecht ist gänzlich Landessache, Forstrecht aber Bundessache. Jagen tut man aber üblicherweise im Wald – also können sich Bund und Länder gegenseitig in die Haare bekommen.
Vorschlag in Reformgruppe :
„Die Kompetenzverteilung „ist das reformbedürftigste Kapitel der Bundesverfassung“, resümiert Öhlinger. Er wird daher in die Reform-Gruppe einen Vorschlag für die Einführung eines „Vollzugs-Föderalismus“ einbringen. So soll künftig der Bund grundsätzlich alle Angelegenheiten regeln, und das Land diese vollziehen. Den Ländern soll aber bei der Art der Vollziehung ein Spielraum überlassen bleiben. Und wenn der Bund die Rechtssetzung in einem Bereich völlig unterlässt, dann können die Länder in diesem Bereich ohne Vorgaben tätig werden.
Auch Schilcher war „immer ein Anhänger des Vollzugs-Föderalismus“. Dieser sollte ähnlich ablaufen wie bei EU-Richtlinien, erklärt Schilcher. Mit Richtlinien werden die Mitgliedsstaaten zur Umsetzung des EU-Rechts verpflichtet. Wie sie das konkret machen, bleibt aber ihnen überlassen. Auf Österreich umgemünzt heißt das: Der Landtag könnte in jedem Fall über die konkrete Umsetzung der vom Bund vorgegebenen Grundsätze entscheiden – und würde dadurch aufgewertet werden.
Länderinteressen im Bundesrat
Auch den Bundesrat wollen die Experten reformieren: „Heute ist der Bundesrat eine reine Kopie des Nationalrats“, diagnostiziert Öhlinger. Er plädiert dafür, dass künftig nur Landtagsabgeordnete im Bundesrat sitzen dürfen. Diese wären nämlich den Wählern im jeweiligen Bundesland verbunden. Momentan werden die Bundesrats-Mandatare zwar vom Landtag entsandt, sind aber in aller Regel keine Landtagsabgeordneten und daher nur der Bundes-Partei hörig.
Auch Schilcher beklagt, dass im Bundesrat nicht nach Länder- sonder nach Partei-Interessen abgestimmt wird. Er schlägt unter anderem vor, dass künftig nicht mehr die Angehörigen der gleichen Partei, sondern die Länder im Bundesrat einen Klub bilden. So könnten sich etwa die Steiermark und Kärnten in der Frage des Koralm-Tunnels zusammenschließen.
Bis zum Sommer 2007 soll eine Arbeitsgruppe die Staatsreform ausarbeiten. Die SPÖ nominierte dafür Volksanwalt Kostelka, Salzburgs Landeschefin Burgstaller und Verfassungsexperten Öhlinger. Die ÖVP schickte Vorarlbergs Landeschef Sausgruber, Ex-Konvents-Vorsitzenden Fiedler, sowie VP-Pensionistenchef Khol. Leiter der Gruppe ist der Chef des Verfassungsdienstes, Lienbacher.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2007)