Volkswirtschaft I, Inflation

Beispiel über Nominal- und Effektivverzinsung

Die Berechnung des Effektivzinssatzes

Dem folgenden Beispiel liegt ein festverzinsliches Wertpapier (= eine Obligation oder Anleihe mit festem Zinssatz) zugrunde. Der Betrag und der Zinssatz, die auf dem Wertpapier aufgedruckt sind, sind der Nennwert (= das Nominale) und der Nominalzinssatz. Der Nennwert ist jener Betrag, den der Inhaber des Wertpapiers am Ende der Laufzeit des der Obligation (z.B. nach 10 Jahren) zurückerhält.

Der Nennwert des Wertpapiers und der Nominalzinssatz bleiben immer gleich1). Die während der Laufzeit auszuzahlenden Zinsen werden immer, unabhängig vom Kurswert des Wertpapiers, mit Hilfe des Nominalzinssatzes vom Nennwert berechnet. Bei einem Nominale des Wertpapiers von 100 Euro und einem Nominalzinssatz von 5 % sind die jährlichen Zinsen unveränderlich immer 5 Euro.

Viele Wertpapiere werden an Börsen gehandelt. Sie haben dort einen Preis (= Kurs), der sich je nach Angebot und Nachfrage verändert. Der Kurs wird in Prozent des Nennwertes ausgedrückt. Beträgt der Kurs des Wertpapiers in unserem Beispiel 110, ist der Kurswert des Wertpapiers (= der Preis, zu dem man es kaufen kann) 110 Euro. Bei einem Kurs von 90 hat das Wertpapier einen Kurswert von 90 Euro.

Nennwert
(Nominale)
Nominal-
zinssatz
Zinsen
(absolut)
Kurs-
wert
Effektiv-
verzinsung
Zins-
niveau
Gleichge-
wichtskurs
100 5 % 5 100 5 % 5 % 100
100 5 % 5 110 4,55 % 4 % 125
100 5 % 5    90 5,56 % 6 %       83,3

Für den Käufer eines Wertpapiers ist neben der Nominalverzinsung auch die Effektivverzinsung2) von Interesse. Wenn ein Käufer 110 Euro für das Wertpapier bezahlt, von dem er jährlich 5 % Zinsen vom Nominale erhält, wird er sich ausrechnen, welche Rendite das Wertpapier für ihn wirklich (= effektiv) hat, d.h. welche Effektivverzinsung er erreicht. Nachdem er 110 Euro ausgelegt hat und er jährlich 5 Euro an Zinsen erhält, ist die Effektivverzinsung für ihn (gerundet) 5,55 %. Hätte der Käufer bei einem Kurs von 90 nur 90 Euro ausgelegt, wäre die Effektivverzinsung für ihn (ebenfalls gerundet) 5,56 %. Hätte der Käufer das Wertpapier bei einem Kurs von 100 um 100 Euro erworben, wäre die Effektivverzinsung für ihn ebenso hoch wie die Nominalverzinsung, nämlich 5 %.

Mit einer Formel - die einer normalen Prozentrechnung in Form einer Zinsenrechnung entspricht - kann man diesen Zusammenhang wie folgt ausdrücken:

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Zinsniveau und Gleichgewichtskurs

Das Zinsniveau, d.h. der durchschnittlich in auf einem Markt verwendete Zinssatz, schwankt, z.B. weil es sich durch Geschäfte über den betreffenden Markt hinaus an das Zinsniveau eines anderen, vielleicht viel größeren Marktes anpasst oder z.B. durch die Zinspolitik der Notenbank.

Liegt das Zinsniveau unter dem Effektivzinssatz eines bestimmten Wertpapiers, ist dieses Wertpapier - gemessen am Zinsniveau - gut verzinst. Es wird daher mehr nachgefragt werden und sein Kurs wird in der Folge steigen. Der steigende Kurs hat allerdings zur Folge, dass die Effektivverzinsung des Wertpapiers für die Käufer, die es bereits zu einem gestiegenen Kurs kaufen, sinkt.

Liegt das Zinsniveau über dem Effektivzinssatz eines bestimmten Wertpapiers, ist dieses Wertpapier - gemessen am Zinsniveau - schlecht verzinst. Es wird daher weniger nachgefragt werden und sein Kurs wird in der Folge sinken. Der sinkende Kurs hat zur Folge, dass die Effektivverzinsung des Wertpapiers für die Käufer, die es bereits zu einem gesunkenen Kurs kaufen, steigt.

In unserem Beispiel hat das Wertpapier bei einem Kurs von 110 eine Effektivverzinsung von 4,55 %. Ist das Zinsniveau z.B. 4 %, würde der Kurs des Wertpapiers durch eine erhöhte Nachfrage steigen und die Effektivverzinsung damit sinken. Der Markt, d.h. das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage, würde dafür sorgen, dass der Kurs so lange steigt, bis die Effektivverzinsung bei 4 % angelangt ist. Bei dieser Effektivverzinsung besteht kein Anreiz mehr, das Wertpapier zu kaufen, da sich seine Effektivverzinsung genau beim Zinsniveau, zu dem man auch andere Wertpapiere kaufen kann, eingependelt hat.

Bei einem Kurs von 90 hat das Wertpapier eine Effektivverzinsung von 5,56 %. Ist das Zinsniveau z.B. in diesem Fall 6 %, würde der Kurs des Wertpapiers durch ein erhöhtes Angebot (nämlich jener Personen, die ein im Vergleich zum Zinsniveau so schlecht verzinstes Wertpapier abstoßen) sinken und die Effektivverzinsung damit steigen. Der Markt, d.h. das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage, würde dafür sorgen, dass der Kurs so lange sinkt, bis die Effektivverzinsung bei 6 % angelangt ist. Bei dieser Effektivverzinsung besteht kein Anreiz mehr, das Wertpapier zu verkaufen, da sich seine Effektivverzinsung genau beim Zinsniveau, das auf dem Markt generell gilt, eingependelt hat.

Den Kurs, der sich jeweils unter Berücksichtigung des Zinsniveaus einpendelt, kann man als den Gleichgewichtskurs bezeichnen. Da sich die für die Marktpreise bestimmenden Faktoren ständig ändern, wird allerdings dieser Gleichgewichtskurs - wie jeder Gleichgewichtspreis - nicht lange gültig bleiben.

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Wendet man die Formel für die Berechnung der Effektivverzinsung, nämlich

auf das hier verwendete Beispiel an, bedeutet das, dass jener Kurswert gesucht wird, bei dem die Effektivverzinsung dem Zinsniveau entspricht, somit im ersten Fall 4 % ist:

Der Gleichgewichtskurs ist somit in diesem Fall 125, was in unserem Beispiel (in dem das Nominale 100 Euro ist)in Euro auch dem Kurswert entspricht.

Führt man die gleiche Berechnung für ein Zinsniveau von 6 % durch, erhält man einen Gleichgewichtskurs bzw. Kurswert in Euro von (gerundet) 83,3.

Wie verhält sich ein Spekulant?

Die bisherigen Berechnungen waren immer auf die augenblicklichen Verhältnisse bezogen. Ein Spekulant versucht jedoch, aus zukünftigen Marktentwicklungen einen Gewinn zu machen. Selbstverständlich geht er dabei bewusst ein Risiko ein. Dadurch nimmt er sogar in vielen Fällen anderen Marktteilnehmern, die kein Risiko haben wollen, dieses Risiko gegen Entgelt (das z.B. in den Gebühren eines Börsengeschäftes und im Verzicht auf die mit Risiko verbundene Gewinnchance besteht) ab.

In unserem Beispiel würde sich ein Spekulant, der bei einem Zinsniveau von 6 % auf das Sinken des Zinsniveaus spekuliert, das Wertpapier zum Kurs von 83,3 kaufen und es nach dem Sinken des Zinsniveaus auf 4 % zum Kurs von 125 verkaufen. Bevor Sie allerdings glauben, den Stein der Weisen für das Spekulieren an der Börse gefunden zu haben: Bitte bedenken Sie, dass niemand weiß, ob das Zinsniveau wirklich auf 4 % sinken wird!


1) Es gibt auch Obligationen mit veränderlichem Zinssatz und sogar ein fester Zinssatz kann in manchen Fällen vom Gläubiger unter bestimmten, vertraglich festgelegten Umständen (z.B. bei einer drastischen Veränderung des Zinsniveaus) geändert werden. Von diesen Fällen ist jedoch hier nicht die Rede.
2) Bei einer genauen Berechnung der Effektivverzinsung müsste auch der Rückzahlungsbetrag in die Berechnung einbezogen werden. Darauf wird hier aus Gründen der Einfachheit verzichtet.

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